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Veröffentlicht am 12.10.2018

Raus aus Trumpworld

Entgleisung
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Omarosa Manigault war ehemals im Showgeschäft und erlanget mit der Reality Show The Apprentice von Donald Trump Bekanntheit. Später wurde sie Kommunikationsdirektorin unter Trump im Weißen Haus.
Später ...

Omarosa Manigault war ehemals im Showgeschäft und erlanget mit der Reality Show The Apprentice von Donald Trump Bekanntheit. Später wurde sie Kommunikationsdirektorin unter Trump im Weißen Haus.
Später wurde sie gefeuert. Als Rache schrieb sie dieses Buch, in dem sie ihre Karriere unter Trump beschreibt und Trumps Frauenhass und Rassismus „enthüllt“. Als ob das nicht bekannt wäre.
Omarosa ist eine äußerst ambivalente Figur, deren Wirken die fatale Vermischung von Politik und Show verstärkte. Einst stand sie den Demokraten nahe, bewundert sogar Hilary Clinton, doch unter Trump konnte sie mehr für sich erreichen.
Im Buch nimmt sie durchgehend eine Opferrolle ein. Das hindert sie aber nicht, selbst gehässig gegen andere auszuteilen, wobei ihre Glaubwürdigkeit oft fragwürdig ist. Sie zeigt immer nur ihre subjektiven und emotionalen Eindrücke bei diversen Vorkommnissen. Was Trump halt dauernd so anstellt. Wieso hat sie ihn dann so lange unterstützt. Es will erscheinen, dass ihr Entsetzen nur dann einsetzt, wenn sie selber betroffen ist, ob direkt oder indirekt.

Ein paar interessante Passagen gibt es, z.B. die Wahlkampfnacht, deren Ausgang auch die Trump-Mannschaft überraschte sowie der Einzug ins Weiße Haus, was sie fast überforderte. Chaos und Streit prägte die erste Amtszeit, personelle Entscheidungen wurden spontan und planlos getroffen und schnell wieder geändert. Auch Omarosa beherrscht ihren Job anscheinend nicht.

Das Buch hat mit dem deutschen Titel Die Entgleisung einen passenden Titel. Als Leser fühlt man sich, als wäre man durch den Schlamm gerobbt. Für 3 Sterne reicht es dennoch wegen der etwas besseren zweiten Hälfte des Buches.

Veröffentlicht am 23.09.2018

Langer Nachtflug

Eine dieser Nächte
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Dieser Roman „Eine dieser Nächte“ umfasst einen 12stündigen Nachtflug von Bali nach Zürich, auf dem viel erzählt wird.
Insbesondere von dem Amerikaner Bill, der nicht gerade sympathisch ist. Seinen Erzählungen ...

Dieser Roman „Eine dieser Nächte“ umfasst einen 12stündigen Nachtflug von Bali nach Zürich, auf dem viel erzählt wird.
Insbesondere von dem Amerikaner Bill, der nicht gerade sympathisch ist. Seinen Erzählungen können sich die mitfliegenden nicht entziehen, dem Leser geht es ebenso. Jetzt hängt es vom Leser ab, ob er den Geschichten letztlich gerne folgt oder ob einen das Geschwätz in Überlänge unendlich langweilt.
Mr hat es nicht besonders gefallen, aber einige literarische Qualitäten muss man zugestehen und das ganze hat eine Form.
Es ist gut gemacht, wie die Schriftstellerin Emma, anscheinend ein alter Ego der Autorin Christina Viragh, das gehörte reflektiert und wie die Gedankenflüsse transportiert werden. Weitere mitfliegende sind Michael und Stefan sowie Walter. Leider empfinde ich die meisten der Figuren als überwiegend profillos.
Eine diese Nächte ist im Schweizer Dörlemann-Verlag erschienen und ist mit 480 Seiten ein mächtiges Werk.

Veröffentlicht am 09.09.2018

Tristesse mit Ironie

Amerika
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Das es kleine Dörfer gibt, die am aussterben sind, wo die Jugend verschwindet und wo es keine Zukunft mehr gibt, ist nicht so ungewöhnlich. Sehr wohl aber, dass dann ein Chronist ins Dorf kommt.

In dem ...

Das es kleine Dörfer gibt, die am aussterben sind, wo die Jugend verschwindet und wo es keine Zukunft mehr gibt, ist nicht so ungewöhnlich. Sehr wohl aber, dass dann ein Chronist ins Dorf kommt.

In dem fiktiven Dorf Rillingsbach, das vermutlich in Baden-Württemberg ist das so. Der Chronist sucht nach Tendenzen und Muster und will eine Geschichtserinnerung schaffen. Dazu befragt er die dagebliebenen, meist alten Dorfbewohner. Martha, Alfred, Frieder, Hilde.
Der Chronsiut selbst hat keinen Namen, es geht auch nicht um ihn sondern um die Dorfbewohner.
Sie gehen gedanklich zurück in die Zeit nach dem Krieg, als der gewalttätige Erwin viel Ärger machte und schließlich tot aufgefunden wurde. Mord oder Selbstmord? Marthas Vater jedenfalls reinigt andernstags auffällig sein Gewehr.
Erwin schwangere Frau Elisabeth bleibt im Dorf. Ihre Tochter Hilde wird später ein wildes Leben führen, aber auch ein Buch schreiben.
Auch für Alfred und seine Frau Erna gab es einmal etwas anderes als das Dorf. Das war eine Reise in die USA, die ausführlich geschildert wird. Die USA war Alfreds Leidenschaft und doch konnte er nicht auswandern sondern blieb.
Frieder hingegen hat eine fatalistische Einstellung, die mit dem möglichen Untergang des Dorfes einhergeht.
Überraschungen und Geheimnisse bleiben.

Jede Menge Tristesse könnte man annehmen, aber Kai Wieland mildert das mit leichter Ironie beim Erzählen ab.

Trotz vieler guter Ansätze überzeugt mich der Roman letztlich nicht ganz. Vielleicht will der Autor bei dem großen Aufwand zu wenig, wie auch der Chronist. Der wertet nicht und er reflektiert nicht. Er stellt am Ende nur zu wenig Substanz fest. Als Leser folgt man ihm und damit bleibt einfach zu wenig.

Veröffentlicht am 09.09.2018

Lamb und seine Gäule

Slow Horses
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Slow Horses ist ein Agententhriller der etwas anderen Art. Die Slow Horses sind die Agenten, die Fehler gemacht und versagt haben und daher in die Abteilung von Jackson Lamb im Slough House kommen.
Ein ...

Slow Horses ist ein Agententhriller der etwas anderen Art. Die Slow Horses sind die Agenten, die Fehler gemacht und versagt haben und daher in die Abteilung von Jackson Lamb im Slough House kommen.
Ein Haufen von Losern, wie Jackson Lamb betont. Das ist nicht gerade eine Ehre. Im Mittelpunkt steht der noch junge Agent River Cartwright.
Mit ihm und einem Einsatz, der scheitert, beginnt der Roman unheimlich packend und mit einem Drive, der später im Buch überwiegend fehlt.

Der Chef dieser abgehalfterten MI5-Einheit Jackson Lamb ist nicht so einfach fassbar. Zu übertrieben wirkt die Figur. Seine Originalität mehr behauptet als wirklich gezeigt. Der Untertitel Ein Fall für Jackson Lamb versprach mehr. Immerhin hat er spät im Buch doch noch einige gute Szenen.
River Cartwright funktioniert kaum besser als Protagonist, vermag auch nicht den Roman zu tragen.
Mit Catherine Standish gibt es eine interessante weibliche Figur, die im Zusammenspiel mit Jackson Lamb gut funktioniert.
Weitere wichtige Slow Horses sind Louisa, Min Harper und James Webb, genannt Spider.

Mick Herron lehnt sich mit Slow Horses an klassische Spionageromane an, bringt jedoch einen neuen Ansatz hinein. Das wird sogar durch das gut gemachte Cover des Buches ausgedrückt. Das ganze ist sehr britisch und lange Zeit nicht unbedingt spannend.
Eigentlich dachte ich, die Zeit der Agententhriller wäre mehr oder weniger vorbei, aber Slow Horses hat immerhin einen originellen Ansatz.
Es gibt weitere Teile der preisgekrönten Reihe um Jackson Lamb, die vor allen für Fans dieses Genres zu empfehlen ist.

Veröffentlicht am 07.09.2018

zurückhaltend

Ein Start ins Leben
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Ein Start ins Leben ist der erste Roman der britischen Autorin Anita Brookner. Diese Autorin hat wirklich Klasse, sie schreibt elegant und mit Understatement, ziemlich zurückhaltend. Dadurch hebt sie sich ...

Ein Start ins Leben ist der erste Roman der britischen Autorin Anita Brookner. Diese Autorin hat wirklich Klasse, sie schreibt elegant und mit Understatement, ziemlich zurückhaltend. Dadurch hebt sie sich ab von anderen Schriftstellern.
Bemerkenswert auch die lange Einleitung von Julian Barnes in das Buch, wobei er von seinen Begegnungen mit Anita Brookner und ihren Qualitäten berichtet.

Wie der Stil der Autorin sind auch die Figuren, zurückhaltend, nicht ohne Emotionen, doch diese behalten sie größtenteils für sich. Diese inneren Konflikte sind das große Thema von Anita Brookner.

Die Handlung erzählt von einer Frau, Ruth, wie sie aufwächst und schließlich als junge Frau nach Paris geht, doch die Erkrankungen ihrer Eltern zwingt sie zur Rückkehr nach England.
Viele Spannungsmomente gibt es nicht, der Plot bleibt immer dicht an der Figur und ist realistisch geschildert.
Man braucht Geduld und Ausdauer für den Roman, aber viele gute Beschreibungen und ausgearbeitet Details entschädigen dafür.