Zuerst einmal muss ich sagen, dass ich dieses Cover wirklich liebe! Die Farben zusammen mit den Regentropfen, die man erfühlen kann, finde ich echt klasse! Zudem kommt natürlich mal wieder der grandiose Schreibstil von Erin Watt, in den ich mich immer wieder neu verliebe.
Was bei diesem Buch besonders auffällt ist, dass es eine eher untypische Geschichte für Erin Watt ist. Direkt zu Beginn ist es schon emotionaler und tiefgründiger als man es sonst gewohnt ist und das Ganze entwickelt sich auch in diese Richtung weiter. Das hat mir, wenn ich auch sehr überrascht war, unglaublich gut gefallen, da ich ja jemand bin, der auf schwierigere und tiefgründigere Bücher steht!
»Du bringst anderen bei, wie sie dich behandeln sollen.«
Beth hat bei mir ziemlich gemischte Gefühle ausgelöst. Auf der einen Seite konnte ich sie echt super gern leiden, weil man schnell merkt, dass sie ein großes Herz hat, sie Menschen vergeben kann und auch das in ihnen sieht, was andere einfach übersehen oder ausblenden. Auf der anderen Seite habe ich ihre Handlungen manchmal einfach nicht verstanden. Sie hat sich oft selbst widersprochen und den Eindruck eines bockigen Kindes erweckt. Allerdings stellt man im Laufe der Geschichte fest, dass sie manchmal einfach so handelt, wie sie es eben tut, weil sie selbst nicht so recht weiß, wer sie ist und wer sie sein will. Und anstatt dass man ihr die Freiheit lässt, sich auf den Weg zu machen und rauszufinden, wer sie sein möchte, schreibt ihr jeder - ganz besonders ihre Eltern - vor, wer und wie sie zu sein hat. Das war eine Sache, die mich beim Lesen oft wütend gemacht hat, weil mir vor allem das Verhalten der Eltern so auf den Keks gegangen ist.
»Ich habe mir jeden Tag eine Kleinigkeit gesucht, für die ich dankbar sein konnte.«
Chase hat auf mich beim Lesen eine enorme Ruhe ausgestrahlt. Das ist irgendwie schwer zu erklären und man kann es sicherlich besser verstehen, wenn man das Buch selbst liest, aber sein Verhalten und seine Worte haben mir ein beruhigendes Gefühl vermittelt. Er hat eine harte Vergangenheit, die ihn jeden Tag verfolgt und nicht loslässt - ebenso wenig wie er sie loslassen kann. Als man ihn am Anfang der Geschichte kennenlernt, meint man zu wissen, was für ein Typ Mensch er ist, aber da täuscht man sich. Nie hat er so reagiert, wie ich es erwartet hätte und nie hat er die Dinge gesagt, bei denen ich mir sicher war, dass sie von ihm kommen würden. Chase ist ein Charakter der mich wirklich überrascht hat. Er hat mir in manchen Situationen so leid getan, dass mein Herz beim Lesen geblutet hat. Rückblickend finde ich, dass er gar keine so präsente Person in diesem Buch war, obwohl er wirklich oft darin vorgekommen ist. Und trotz dessen, dass ich so empfinde, hat mir nichts gefehlt. Ich konnte ihn und seine Familie kennenlernen, ich habe viel aus seiner Vergangenheit erfahren und ich kann jetzt, nachdem ich das Buch beendet habe, genau sagen, wer Chase ist. Das ist etwas, das mich echt fasziniert - diese widersprüchlichen Gefühle, die ich selbst nicht so ganz verstehe.
»Dass du auf mich wartest, wird die Kleinigkeit sein, die mich jeden Tag motiviert, dranzubleiben.«
Die Liebesgeschichte der beiden ist ganz anders als man es von Erin Watt gewohnt ist. Sie ist echt harter Stoff, sie ist kompliziert und verwirrend und sie zerreißt einem das Herz. Die Voraussetzungen für eine Beziehung zwischen Beth und Chase könnten kaum schlechter sein und trotzdem spürt man direkt eine Verbindung zwischen ihnen. Genauso wenig wie die beiden sich ihre Gefühle füreinander erklären können, kann man es als Leser / Leserin. Man selbst schwankt beim Lesen zwischen Richtig und Falsch, steht unter Spannung und fiebert einfach total mit. Ich glaube auch, dass es hierbei individuell auf den Leser / die Leserin ankommt - also dass es vom jeweiligen Charakter des Menschen abhängig ist, wie man diese Geschichte auffasst. Ist man selbst jemand, der Probleme mit Vergebung hat und lange braucht, um zu verzeihen, der wird das Ganze zwischen Beth und Chase völlig anders sehen als jemand, der damit keine Probleme hat und den es nicht allzu viel Überwindung kostet, jemandem zu vergeben.
In meinen Augen ist die Liebesgeschichte der beiden absolut unperfekt, könnte aber schöner und emotionaler kaum sein. Besonders die Entscheidung, die die beiden kurz vor Ende der Geschichte treffen, hat mich berührt. Auch hierbei war es wieder etwas, das ich so nicht erwartet hätte.
»Konzentriere dich nicht auf das, was du nicht tun kannst, sondern auf das, was du tun kannst.«
Das Buch behandelt mehrere wichtige Themen gleichzeitig und tut dies wirklich passend und authentisch. Es geht um Vergebung - sich selbst vergeben und anderen vergeben. Es geht um Verlust und die verschiedenen Arten zu trauern. Es geht um Familie und Freundschaft und darum, dass man an beidem arbeiten muss, um ein gutes Miteinander zu erzielen. Es geht um Selbstfindung, um die Frage "Wer bin ich und wer will ich sein?". Und es geht darum, auch die kleinen Dinge im Leben wertzuschätzen und dankbar für das zu sein, was man hat.
Ja, es gibt ein paar Kleinigkeiten die mich gestört haben, aber es sind wirklich Dinge, über die ich hinwegsehen kann, wenn ich das große Ganze betrachte. Mir hat die Idee der Geschichte und ihre Umsetzung so gut gefallen, dass es mir nicht fair erscheint, weniger als 5 Sterne zu vergeben. Außerdem nehme ich aus diesem Buch viele wichtige Dinge für mein eigenes Leben mit und das ist etwas, auf das ich sehr viel Wert lege.
Von mir gibt es also eine klare Leseempfehlung, aber mit der kleinen Warnung, dass diese Liebesgeschichte nun mal keine Typische ist und ihr sehr wahrscheinlich oftmals tief Luft holen müsst, wenn ihr dieses Buch lest.