Haare waschen? Duschen? BADEN!? Keine Chance!
Einmal mit einem angefeuchteten Lappen über die wichtigsten Stellen wischen. Mehr ist für Emony Keller und ihre Mutter nicht drin. Sie lebt in einer Wüste, muss für Wasser Unmengen bezahlen und isst künstlich hergestellte Bohnenpampe aus der Tüte. Deshalb will Emony auch Adoptin bei WERT werden. In den Energiewerken bekommt man mehr Geld und Versorgung für die Familie. Der Präsident lockt mit großen Versprechen und Emony schafft es zumindest mal zur Prüfung zu gelassen zu werden.
Doch was ist mit der Ausbildung?
Übersteht sie mit ihrer Gabe Lügen zu erkennen wirklich die drei Monate in Polaris?
Und wieder habe ich mich in das Abenteuer "Dystopie" gestürzt. Für mich ist das ja quasi immer noch Neuland, weil es selten Autoren gab, die mich mit interessanten Welten begeistern hätten können.
Erin Lenaris hat es jedenfalls geschafft. Das Setting des sogenannten Raurings, einer Wüste, in denen Siedlungen mit Wohncontainern für die Bewohner aufgestellt wurden, ist echt realistisch beschrieben. Und auch später das Worldbuilding mit dem Regenwald in Polaris sowie die Kraftwerke sind so wortgewandt gezeichnet, dass ich Emony gut im Kopf begleiten konnte.
Die Autorin hat mich in ihre Welt mitgerissen.
Die Charaktere sind mir richtig sympathisch. Emony selbst ist eine scharfsinnige, sehr ausdrucksstarke Person. Ich mag ihren Ehrgeiz, aber ich finde es noch toller, dass sie für ihre Einsichten einsteht und sich nicht um den Finger wickeln lässt. Sie ist liebenswert, manchmal etwas schusselig und dabei so aufopferungsvoll gegenüber anderen Lebewesen. Was mich richtig gefreut hat, ist, dass die nicht als eine übertriebene Heldenperson dargestellt wird. Sie hat Ängste, Zweifel und muss sich einiges auch erst erarbeiten. Aber Emony ist so tough.
Felix, der beste Freund von Emony, ist ein ausgeflipptes Plappermäulchen. Mit seiner lustigen, aufgeschlossenen Art macht er sich schnell Freunde, steht meistens ohne gefragt werden zu müssen an Emonys Seite, loyal und etwas vertrottelt, aber eben auch sehr sympathisch. Er lockert das ganze immer wieder auf, auch wenn mit ihm nicht alles nur Friede Freude Eierkuchen ist.
Es gibt natürlich auch noch andere Nebencharaktere, aber zu viel möchte ich da nicht verraten. Sie sind auf jeden Fall sehr greifbar dargestellt, jeder mit einem kleinen Hintergrund und auch ein paar Schwächen. Ich finde, die Autorin hat sich hier besonders Mühe gegeben dem Leser die verschiedenen Charaktere näher zu bringen und auch authentische Personen zu malen. Ganz toll! Auch auf der bösen Seite habe ich das pure Grausen bekommen, aber lest lieber selbst. Eure Nerven sollten hier schon etwas stärker sein.
Und dann ist da noch Kohen, der junge, knackige Ausbilder mit der geheimnisvollen Ausstrahlung. Er zieht Mauern so mächtig wie Hochhäuser um sich und man erhascht nur selten mal einen Blick auf warme braune Augen und seine Seele. Doch ab und zu lässt er uns einen Blick erhaschen und was ich sehe, gefällt mir auf der einen Seite, weil er sehr loyal und rechtschaffen ist. Auf der anderen Seite war ich eine ganze Zeit lang stutzig, und ich hatte so was von Recht. Ich war hier sehr angetan vom Verlauf der Handlung. Es ist erfrischend und innovativ, aber lasst euch selbst überraschen.
Die Schreibweise von Erin Lenaris ist flüssig und sprachgewandt. Es gab nur ein oder zwei Stellen, die mir nicht glatt genug waren, aber die hab ich schnell vergessen, da dieser Auftakt einfach gigantisch ist. Die Spannung steigt unaufhörlich und mit immer wieder neuen Entdeckungen, welche die junge Protagonistin weiter in den Gedankenstrudel ziehen, fiebert man einfach mit. Es gibt brutale Szenen, bei denen mir echt kalte Schauer über den Rücken liefen. Starke emotionale Momente haben mein Herz berührt und Freundschaft wird in diesem Buch ganz groß geschrieben. Die Liebesgeschichte hält sich sehr im Hintergrund und nur angedeutet mit kleineren Knistermomenten. Das fand ich wirklich mal klasse, da die Handlung quasi für mich bis auf ein Detail unvorhersehbar war. Aber auch diesen Moment hat die Autorin für mich super gelöst, da sie nicht mit dieser überzogenen Dramatik gearbeitet hat.
Ihr seht, ich schwärme. Die Rebellion zieht ihre Kreise und nichts ist, wie es scheint. Ich will unbedingt mehr und bin mir sicher, Fans von diesem Genre kommen voll auf ihre Kosten. Hoffentlich dauert es nicht so lange, bis es endlich weiter geht!