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Veröffentlicht am 16.11.2018

Sehr unterhaltsam –nicht nur für Menschenhassende!

Ich hasse Menschen. Eine Abschweifung
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Kurzmeinung:
Dieses kleine Büchlein ist wirklich sehr witzig. Ich habe beim Lesen viel gelacht und konnte mich in erschreckend vielen Aussagen wiedererkennen.
Sehr unterhaltsam zeigt uns Julius Fischer, ...

Kurzmeinung:
Dieses kleine Büchlein ist wirklich sehr witzig. Ich habe beim Lesen viel gelacht und konnte mich in erschreckend vielen Aussagen wiedererkennen.
Sehr unterhaltsam zeigt uns Julius Fischer, was ihn an seinen Mitmenschen so nervt. Mit einer sehr guten Beobachtungsgabe wirft er einen kritischen Blick auf das normale Miteinander, auf skurrile Alltagssituationen und witzige Begebenheiten. Daneben gibt es humorvolle Abschweifungen und interessante Einblicke in die Gedankenwelt des Autors.
Sehr kurzweilig. Ich kann die Lektüre nur empfehlen.


Meine Meinung:
Ich hasse Menschen von Julius Fischer ist wirklich perfekt für eine heitere Lektüre zwischendurch. Es eignet sich bestimmt auch sehr gut zum Verschenken, denn ich denke, jede und jeder kann sich hier in der ein oder anderen Situation wiedererkennen.

Julius Fischer erzählt in diesem Buch von seinem Leben, von komischen, verrückten und ganz alltäglichen Situationen, die er erlebt hat. Und von Menschen. Und warum die manchmal echt ganz furchtbar nerven. Dabei trifft er genau den Ton, damit es witzig, aber nicht überheblich klingt. Und Fischer macht auch vor sich selbst nicht halt. Manchmal nervt er sich auch selbst –und hat keine Scheu davor, sich selbst auf's Korn zu nehmen.

Durch sehr genaue Beobachtungen und gekonnte Überspitzungen lässt uns der Autor das Komische in nervigen Situationen sehen, die wir wohl alle aus unserem eigenen Leben kennen. Aber hinter all dem Witz stecken auch ernste Themen und so kann einem schon mal das Lachen im Halse stecken bleiben, wenn man darüber nachdenkt, was hinter bestimmten Szenen steckt. Was unser tägliches Miteinander eigentlich prägt. Ob wir nicht manchmal netter oder rücksichtsvoller sein könnten. Wie sich das eigene Verhalten auf andere auswirkt.

Julius Fischer live
Ich durfte Julius Fischer bei einem Poetry Slam in Hamburg live erleben und wer die Chance dazu hat, sollte sie unbedingt nutzen. Denn vom Autoren persönlich vorgetragen sind die Texte einfach noch viel lustiger. Julius Fischer wirkt sehr sympathisch und überhaupt nicht abgehoben. Er hat sehr viel Charme und Witz, scheut sich aber auch nicht davor, zu ernsten und wichtigen Themen Stellung zu beziehen.


Fazit:
Ich hasse Menschen von Julius Fischer – ein dünnes Büchlein für humorvolle Unterhaltung zwischendurch. Wer sich eine witzige, kurzweilige Lektüre wünscht und nicht davor zurückschreckt, über die skurrilen Eigenarten der Menschen und mitunter auch sich selbst zu lachen, der ist mit diesem Buch gut beraten.

Veröffentlicht am 06.10.2018

Erschütternd und bewegend

Einsame Schwestern
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"Wo würde ich hinlaufen, wohin würde ich vor meiner Schwester fliehen? Oder vor mir selbst? Wie sieht das Leben aus, wenn man keine Gefangene ist?" (Aus "Einsame Schwestern, S. 113)

Kurzmeinung:
Ein starkes ...

"Wo würde ich hinlaufen, wohin würde ich vor meiner Schwester fliehen? Oder vor mir selbst? Wie sieht das Leben aus, wenn man keine Gefangene ist?" (Aus "Einsame Schwestern, S. 113)

Kurzmeinung:
Ein starkes Debüt aus Georgien. Ekaterine Togonidze erschafft mit Einsame Schwestern einen besonderen Roman mit außergewöhnlichen Protagonistinnen und einer außergewöhnlichen Erzählart. Die Geschichte der siamesischen Zwillinge Diana und Lina ist erschütternd und ergreifend. Ein besonderes Buch, das sich zu lesen lohnt.

Meine Meinung:
Die Frankfurter Buchmesse steht vor der Tür. In diesem Jahr ist das Gastland Georgien, weswegen viel interessante georgische Literatur ins Deutsche übersetz wurden. Auch ich habe also mal ein bisschen gestöbert, was georgische Autor_innen so zu bieten haben. Das Debüt von Ekaterine Togonidze hat mich gleich angesprochen.

Es ist wirklich ein besonderes Buch. Es erzählt die Geschichte von Diana und Lina. Die beiden Mädchen sind Schwestern. Aber nicht nur das. Sie teilen sich einen Körper. Von der Taille abwärts sind sie verbunden. Sind nie allein. Gleichzeitig leben sie versteckt bei ihrer Großmutter, dürfen nie raus, sind immer allein.


"Als wir noch Kinder waren, hat das nicht so wehgetan. Früher gab es Momente, in denen wir auch glücklich waren. (...) Es wird mir zu eng hier, in diesem kleinen Zimmer, uns fällt allmählich die Decke auf den Kopf. Das alles, diese Leere, macht mich schrecklich müde. Unser Leben besteht nur aus dieser Leere."
(Aus "Einsame Schwestern, S. 17)

Doch das Leben für die Schwestern wird noch schlimmer. Als die Großmutter stirbt und das Haus durch ein Hochwasser zerstört wird, finden sich Diana und Lina schließlich im Zirkus wieder, wo sie körperlich und emotional misshandelt werden.

In Tagebuchform schreiben die beiden abwechselnd, was sie erleben und fühlen. Die Autorin schafft es dabei sehr gut, beiden eine eigene Stimme, einen eigenen Stil zu geben.
Diana, die viel nachdenkt, die Pragmatischere, die Starke.
Lina, die Sentimentale, Hoffnungsvolle und Naivere. Die Gedichte schreibt und sich sogar verliebt.

Dazwischen erfahren wir in kurzen Passagen auch immer etwas über Rostom, den Vater der beiden, der nichts von der Existenz seiner Töchter weiß. Erst hatte ich fast ein bisschen Mitleid mit ihm, weil er erst durch den Tod der Zwillinge von ihnen erfährt. Doch je mehr ich von ihm gelesen habe, desto wütender hat mich dieser Charakter gemacht!
Gleich am Anfang erfährt man als Leser*in mit Rostom zusammen, dass Diana und Lina sterben. Und so herrscht von Anfang an in dieser Geschichte eine sehr bedrückende Stimmung.

Die Zwillinge stellen sich oft die Frage nach dem Warum? Warum passiert so was? Warum ihnen? Will sie überhaupt jemand? Wie soll ein Leben für sie aussehen?


"Mir ist es peinlich, dass wir anders sind. Manchmal macht mich das alles fast verrückt. Warum passiert so was? Und warum ausgerechnet uns?"
(Aus "Einsame Schwestern, S.13)

Auch wenn die Geschichte absolut trostlos ist, konnte ich es als Leserin doch ertragen, es zu lesen, was vor allem durch die Art und Weise herrührt, wie die Schwestern von ihrem Leben erzählen. Sie waren nie in der Schule und drücken sich eher einfach aus. Außerdem wuchsen sie isoliert auf und wissen wenig von der Welt. So beschreiben sie oft sehr naiv und unwissend, was ihnen passiert. Sie erleben die Dinge anders, als andere es vielleicht täten, weil sie Vieles nicht verstehen. Das schafft irgendwie auch eine gewisse Distanz und macht die Geschichte für mich erträglicher zu lesen.

"Unsere Mutter konnte friedlich sterben, weil sie uns nicht alleine zurückließ, wir haben einander, und so wird es bleiben. Ich kann ohne Diana nicht leben, und sie nicht ohne mich. Diese Worte entsprechen den Tatsachen, sind kein romantisches Gefasel."
(Aus "Einsame Schwestern, S. 31)


Fazit:
Dieses Buch ist wirklich besonders und sticht aus anderen Romanen heraus, sowohl was die Themenwahl angeht, aber auch was Aufbau und Schreibstil betrifft. Eine absolut bewegende und erschütternde Geschichte über das Schicksal der siamesischen Zwillinge Lina und Diana, die so gerne leben wollten, und denen das Leben nur Kummer und Leid zu bieten hatte.

Veröffentlicht am 17.09.2018

Große und bewegende Geschichte auf wenigen Seiten

Loyalitäten
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Kurzmeinung:
Delphine De Vigan schafft es auf wenigen Seiten eine große und bewegende Geschichte zu erzählen. Ohne Kitsch und Pathos schreibt sie über schwere Schicksale und erschafft Figuren, die alle ...

Kurzmeinung:
Delphine De Vigan schafft es auf wenigen Seiten eine große und bewegende Geschichte zu erzählen. Ohne Kitsch und Pathos schreibt sie über schwere Schicksale und erschafft Figuren, die alle ihr Päckchen zu tragen haben und in ihrem Leiden sehr authentisch sind.


Meine Meinung:
Der Roman beschäftigt sich in den Kapiteln abwechselnd mit 3 Personen.

Zunächst ist da Théo, der zu Beginn des Romans fast 13 ist und sich immer weiter in sich zurückzieht, bis er sich schließlich in den Alkohol flüchtet.
Delphine De Vigan liefert eine erschreckende, aber sehr realistische Beschreibung dessen, was mit einem Kind passieren kann, wenn sich die Eltern auf unschöne Weise trennen. Das zwischen den Stühlen Stehen. Es beiden recht machen zu wollen. Das kommt sehr gut rüber. Außerdem muss Théo viel zu viel Verantwortung übernehmen für sein Alter. Beide Eltern sind nicht für ihn da, kümmern sich nicht um ihn. Sind zu beschäftigt mit sich selbst. Im Gegenteil muss Théo sich um sie kümmern, will ihnen alles recht machen. Das alles wird sehr eindrücklich beschrieben. Mehrmals wollte ich die Eltern am liebsten schütteln und anschreien, was sie ihrem Kind da antuen. Wie sie sein stummes Leiden nicht wahrnehmen können. Wollte Théo am liebsten in den Arm nehmen.

Außerdem gibt es Hélène. Die Lehrerin hat in ihrer Kindheit Missbrauchserfahrungen gemacht und ist deswegen besonders wachsam und empfänglich für Anzeichen. Sie ist sehr besorgt um Théo, was schließlich fast schon zur Besessenheit wird. Mehrmals überschreitet sie Grenzen, überwacht zum Beispiel Théos Elternhaus. Sie hat ihre Missbrauchserfahrungen noch nicht verarbeitet und wird durch Théo gewissermaßen retraumatisiert. Alte, schmerzhafte Erinnerungen kommen wieder hoch und sie kann ihre Sorge um Théo schlecht von ihren Erinnerungen abgrenzen. Den Beschützerinstinkt, den sie Théo gegenüber hat, konnte ich als Leserin aber sehr gut nachvollziehen.

Eine weitere Figur ist Cécile, die Mutter von Théos bestem Freund Mathis. Cécile hatte selbst auch keine einfache Kindheit. Sie macht sich Sorgen um ihren Sohn und den vermeintlichen schlechten Einfluss, den Théo auf ihn hat. Außerdem sieht sie sich plötzlich mit einer schrecklichen Dunklen Seite ihres Mannes konfrontiert. Sie macht in dem Buch eine sehr spannende Entwicklung durch und war für mich ein sehr interessanter Charakter, den ich gern verfolgt habe.

Jede der Figuren in der Geschichte leidet, hat ihr Päckchen zu tragen. Bei einem 13-jährigen Junge ist es aber natürlich besonders schwer zu ertragen.

De Vigan erzählt von großem Leid, allerdings in einem eher nüchternen Ton. Sie dramatisiert nicht, schreibt ohne übertriebene Rührseligkeit oder Pathos. Das hat mir gut gefallen und die Schicksale für mich eigentlich noch umso eindrücklicher werden lassen. Die Autorin konfrontiert den Lesenden mit Fragen der Moral. Ist es vertretbar, aus den richtigen Gründen etwas Falsches zu tun? Zum Beispiel Hélène, die aus Sorge um ihren Schülern die Grenzen ihrer Befugnisse überschreitet. Oder Cécile, die aus Sorge um ihren eigenen Sohn die Augen vor dem Leid des jungen Théo verschließt.
Dabei stellt sich dem Lesenden unweigerlich die Frage, was man selbst in dieser Situation tun würde. Dabei gelingt es De Vigan jedoch, ohne erhobenen Zeigefinger zu schreiben sondern wirklich nur unvoreingenommen die Fragen aufzuwerfen und die Situationen ohne Wertung darzustellen.

Sehr gut gefallen hat mir auch, wie sich die Geschichte langsam aufgebaut hat. Schon von Anfang an hatte ich beim Lesen ein unangenehmes Gefühl. Diese dunkle Vorahnung hat sich immer weiter verstärkt, je weiter die Geschichte fortgeschritten ist. Wie in einer Abwärtsspirale werden die Geschehnisse immer dramatischer, spitzen sich immer weiter zu, bis sie schließlich in ihrem dunklen Tiefpunkt münden. Dabei braucht De Vigan nur wenige Seiten, um diesen großen Spannungsbogen aufzubauen und die Ereignisse eskalieren zu lassen. Dennoch wirkt nichts davon überstürzt oder gehetzt.


Fazit:
In diesem Buch steckt noch so viel mehr, als der Klappentext vermuten lässt. Auf wenigen Seiten erzählt Delphin de Vigan eine große und bewegende Geschichte.

Veröffentlicht am 22.08.2018

Lesenswertes Buch über Feminismus und Beziehungen.

Das weibliche Prinzip
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Kurzmeinung:
Ich fand dieses Buch toll, hätte es aber gern noch mehr gemocht! Ein gutes Buch mit einem sehr wichtigen Thema, interessanten Charakteren und einer vielschichtigen Handlung. Auf jeden Fall ...

Kurzmeinung:
Ich fand dieses Buch toll, hätte es aber gern noch mehr gemocht! Ein gutes Buch mit einem sehr wichtigen Thema, interessanten Charakteren und einer vielschichtigen Handlung. Auf jeden Fall lesenswert!
Ich persönlich war aber leider auch ein bisschen enttäuscht, weil ich mir einfach noch mehr von dem Roman erhofft hatte.

Meine Meinung:
Dieses Buch war irgendwie ganz anders, als ich es erwartet hatte, aber es hat mir dennoch gefallen. Ich hatte mir einen stärkeren Schwerpunkt auf das Thema Feminismus gewünscht, etwas mehr auch inhaltlich dazu. Doch das Thema wird weniger explizit im Roman behandelt, schwingt aber dennoch die ganze Zeit mit.

Im Kern dieses Romans stehen Beziehungen. Die Beziehung zu unseren Eltern, Freunden, unserem Partner oder unserer Partnerin. Zu unseren Freundinnen, Kolleginnen. Zu unseren Idolen. Beziehungen werden hier in all ihrer Bandbreite eingefangen und mit allen schönen und schwierigen Seiten dargestellt. Neben den feministischen Themen hat das einen Großteil des Reizes an diesem Buch ausgemacht.


Der Anfang des Romans hat mir sehr gut gefallen und mich gleich sehr in die Geschichte gesogen. Dort wird sehr gut beschrieben, wie es sich für Frauen anfühlt, Sexismus ausgesetzt zu sein und Übergriffe zu erleben. Die Ohnmacht, die Scham. Das in der Gesellschaft (leider!) noch weit verbreitete Victim Blaming, wenn Frauen mutig sind und die Täter anzeigen. Das alles hat sehr gut die Erfahrungen widergespiegelt, die ich als Frau schon selbst erlebt habe und von vielen anderen Frauen gehört habe.

>> Jungs und Männer hatten sie natürlich oft mit groben oder anzüglichen Bemerkungen bedacht, das passierte allen Mädchen, das geschah überall.<< (aus "Das weibliche Prinzip", S. 24)

Es ist so traurig, dass dieser Satz so geschrieben werden muss und wahr ist.

Außerdem geht es um die Themen "Frauen und Macht", dass Frauen sich eigentlich gegenseitig unterstützen müssten und gerade Frauen in Führungspositionen, die es "geschafft haben", ihren Einfluss nutzen sollten, sich für andere Frauen stark zu machen. Doch weil ihnen ständig das Gefühl der Bedrohung vermittelt wird, haben sie Angst und denken, sie können es sich nicht leisten, mit anderen Frauen freundlich umzugehen. Das ist zumindest die Erklärung, die das Buch gibt.

Auch die unbezahlte Care Arbeit, die zumeist Frauen überall auf der Welt leisten, wird thematisiert, und wie dies seinen Beitrag zur bestehenden Ungerechtigkeit leistet.
Und auch die unterschiedlichen Ansprüche, die an Männer und Frauen gestellt werden, kommen in dem Buch sehr gut rüber.

Das alles hat mir gut gefallen. Diese Analyse der Position der Frau in der heutigen Zeit, die Beschreibung der Entwicklung, die es von den 60ern bis heute gegeben hat. Die Schilderungen, was Frauen (auch heute noch) erleben und ertragen müssen. Ein kleiner Kritikpunkt daran ist, dass es sich hier hauptsächlich um recht privilegierte, weiße Frauen handelt. Das ist allerdings ein Punkt, der auch im Buch selbst angesprochen und diskutiert wird. Der Umgang damit hat mir gut gefallen und schwächt die Aussage des Buches in meinen Augen nicht.

Ein weiterer Aspekt, der mit mir persönlich sehr resoniert hat, ist Greers Situation nach dem College. Sie ist von Faith Frank begeistert, möchte unbedingt etwas bedeutsames tun, sich für den Feminismus und für Frauen engagieren. Gleichzeitig ist sie aber auch noch unsicher, hat sich selbst noch nicht so richtig als Person gefunden.
Ich selbst habe bald meinen Abschluss in der Tasche und stehe vor einer ähnlichen Situation. Ich weiß noch nicht genau, wo es mich hin verschlagen wird, was ich tun werde. Die Zukunft ist noch so ungewiss und das macht mir etwas Angst. Auch ich möchte gern etwas "wichtiges" tun, mich engagieren, den Menschen helfen. Und genau wie Greer fällt es mir schwer, es ruhig angehen zu lassen, sondern stürze mich lieber Hals über Kopf und mit vollem Engagement in ein Projekt.
In diesen Schilderungen habe ich also ziemlich viel von mir selbst entdeckt und hatte deswegen einen sehr persönlichen Bezug zum Buch.

Umso komischer erscheint es mir, dass trotzdem nicht so richtig eine Verbindung entstehen wollte. Ich habe das Buch gern und auch interessiert gelesen, allerdings war es für mich weniger bereichernd, als ich es mir gewünscht hätte. Es hat mich nicht sehr bewegt, konnte mich nicht überraschen, mich provozieren oder mir etwas Neues beibringen. Ich hätte mir irgendwie mehr "Erleuchtung" von dem Buch erhofft. Mehr Aha- Momente, mehr Innovation und mehr Inspiration für meine eigenen Position im Feminismus. Das war zwar alles in Ansätzen gegeben, aber ich hatte mir eben einfach mehr –vielleicht auch zu viel– erhofft.


Fazit:
Das weibliche Prinzip von Meg Wolitzer ist auf jeden Fall ein gutes Buch und auch ein Buch, das ich jeder und jedem empfehlen möchte. Es hat viele interessante Charaktere, deren Entwicklung gut geschildert und spannend zu verfolgen ist. Der Roman hat eine vielschichtige und abwechslungsreiche Geschichte und ist gut geschrieben. Meg Wolitzer ist eine gute Autorin und sie hat tolle Charaktere geschaffen und eine komplexe, aktuelle und relevante Geschichte konstruiert. Außerdem dreht sich viel um das Thema Feminismus und das ist einfach so wichtig und schon allein deswegen sollten möglichst viele Menschen dieses Buch lesen.
Nur mir persönlich hat etwas gefehlt, weil ich mir einfach noch viel mehr von diesem Roman erhofft hatte.

Veröffentlicht am 22.06.2018

Ehrlich, ergreifend und mit viel Situationskomik.

Sommernachtsreigen
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">>Keine Ahnung, was du hören willst.>Geht ja nicht darum, was ich hören will, sondern wie's wirklich ist.Ich bin kaputt.>Das sind wir alle, [...] nur redet keiner darüber

">>Keine Ahnung, was du hören willst.<< >>Geht ja nicht darum, was ich hören will, sondern wie's wirklich ist.<<" (Sommernachtsreigen, S. 79)

Kurzmeinung:
Ein ungewöhnliches Buch erzählt von einer ungewöhnlichen Nacht im Leben von drei gewöhnlichen Menschen –mit ganz normalen Ängsten und Sorgen, Träumen und Wünschen, Humor, Fehlern und Leidenschaft.


Meine Meinung:
Das Buch erzählt die Geschichte von einer ungewöhnlichen Begegnung in einer schönen Sommernacht. An einer Bushaltestelle trifft der Bertl den Pawel. Ersterer hat zu viel getrunken und verwickelt den zweiten in ein Gespräch. Und wie es mit Gesprächen unter Alkoholeinfluss mitten in der Nacht nun mal so ist, gibt es auch hier einen Wechsel zwischen Belanglosem und Philosophischem. Nach und nach öffnen sich die beiden Männer immer mehr. Sie sind betrunken, beide einander völlig fremd –was haben sie schon zu verlieren. Und so reden sie. Völlig offen, völlig frei.


">>Ich bin kaputt.<< >>Das sind wir alle, [...] nur redet keiner darüber<<" (Sommernachtsreigen, S. 121)

Die Charaktere zeigen sich so, wie sie sind. Zumindest in dieser Nacht. Sie sind ehrlich zu einander, aber auch zu sich selbst. Sie sagen, was ihnen gerade durch den Kopf geht. Und dadurch kommt es, dass wunderschöne poetische Sätze direkt neben vulgärer Sprache und Flüchen stehen. Eine sehr interessante Kombination, die diesen besonderen Stil des Buches ausmacht. Eine weitere Besonderheit im Stil ist, dass das Buch zu einem Großteil aus Dialogen besteht und ohne viele Beschreibungen und Schnörkel auskommt.

Sehr interessant ist die Kombination der Charaktere. Nach und nach kommt nämlich heraus, dass Bertl sich betrinkt, weil seine Frau Johanna ihn betrügt. Und das Pawel Johannas Affäre ist. Der betrogene Ehemann trifft mitten in der Nacht den Liebhaber seiner Frau. Da kommt es zu viel Gefühl, aber auch zu überraschend viel Witz und Leichtigkeit.
Die Geschichte beschäftigt sich mit allem, was zum Menschsein dazugehört. Mit Mut, Tod, Angst, Sehnsucht, Trauer, Einsamkeit, Leidenschaft. Es geht um Liebe, Sex, Beziehungen und die Aufs und Abs. Das nicht alles immer rosarot ist. Sondern das Beziehungen auch Arbeit sind; und anstrengend.
Aber immer wieder wird diese Schwere auch unterbrochen durch ganz unerwartete Situationskomik. Und die ist so stimmig, dass sie die ernsten Themen nicht ins lächerliche zieht, sondern sich realistisch in die Geschichte einfügt und die Leser*innen aufatmen lässt. Und zum Schmunzeln bringt.

Das einzige, was mich gestört hat, ist, wie in der Geschichte manchmal über Frauen geredet wird. Wenn sie zum Beispiel auf ihr Geschlecht reduziert werden, oder objektifiziert werden. Etwa wenn Bertl diesen Satz über seine Frau Johanna sagt: "Das ist es jetzt. Diese eine Muschi, die alles wert ist." (S.88). Oder auch wenn Bertl Pawel fragt: "Magst du sie [Johanna] haben?" (S.103), als wäre sie sein Objekt, sein Eigentum, über das er nach belieben verfügen kann. Finde ich halt nicht so cool.
Ich verstehe schon die Intention. Im Kontext der absoluten Ehrlichkeit wird auch hier nichts beschönigt, nichts verstellt. Und wenn die Männer so etwas eben denken, sprechen sie es in dieser Nacht in diesem Buch eben auch aus. Dennoch reproduziert es Sexismus und wird in meinen Augen auch nicht kritisch reflektiert oder sonst irgendwie eingeordnet. Die Aussagen werden einfach so stehengelassen. Und das hätte, finde ich, einfach nicht sein müssen.
Insgesamt hat es mein Lesevergnügen nicht gestört. Ich finde es trotzdem großartig, nur hat es einen bitteren Beigeschmack bekommen.

"Das Leben ist phasenweise unerträglich beklemmend, man fühlt sich nicht mehr menschlich, eher wie eine fremdgesteuerte Hülle (...)." (Sommernachtsreigen, S.51)


Fazit:
Das Buch hat einfach alles: tiefe Gefühle, ernste Themen, aber auch überraschenden Witz und jede Menge Situationskomik. Am meisten begeistert hat mich aber, dass die Charaktere so absolut ehrlich sind. Und das in einer Konsequenz, die ich so noch in keinem anderen Buch gelesen habe.