Toller Mix aus kurzweiliger Unterhaltung und wissenschaftlichem Input
Neuerdings interessiere ich mich für das Genre Hard Science Fiction, weil ich es toll finde, nicht nur unterhalten zu werden, sondern eine Geschichte zu lesen, die so tatsächlich passieren könnte und nebenher ...
Neuerdings interessiere ich mich für das Genre Hard Science Fiction, weil ich es toll finde, nicht nur unterhalten zu werden, sondern eine Geschichte zu lesen, die so tatsächlich passieren könnte und nebenher auch noch meine Kenntnisse in Physik, Raumfahrt und Astronomie auszubauen.
Die Handlung ist in sich geschlossen. Es gibt Bezüge zur Enceladus-Expedition. Das werden Fans bestimmt mögen. Ich habe bisher nur Proxima Rising gelesen und kann für mich festhalten, dass ich nichts vermisst habe, was zum Verständnis erforderlich wäre. Ich habe seichte Spoiler wahrgenommen, die ich aber nicht schlimm finde, die stattdessen meine Neugierde auf die Eismond-Reihe noch steigern.
Kenntnisse zur Astrophysik sind in guter Dosierung in die sehr spannende und unterhaltsame Handlung eingebettet. Da werden wissenschaftliche Phänomene auch mal mithilfe von Eiern und Erdbeeren erklärt, sehr anschaulich und einprägsam und ohne deplatziert zu wirken.
Man schlüpft im Jahr 2072 in den Bewusstseinshorizont von drei Crewmitgliedern auf einer privaten Asteroiden-Bergbau-Basis mit Raumschiffchen. Obendrein gibt’s faszinierende Innenansichten einer KI. Und man begleitet eine junge Astrophysikerin auf der Erde. Die angenehme Abwechslung ließ mich das Buch schnell und begierig lesen.
Die Hauptfiguren haben Ecken und Kanten, eine authentische Intelligenz, eine Vergangenheit mit zu ergründenden Geheimnissen, Ziele für ihre Zukunft. Sie sind alle auf ihre eigene Art interessant, teils kurios und absolut liebenswert. Zum Beispiel schaffen die Stellen, in denen Italiener Sebastiano am Kochen in der Schwerelosigkeit verzweifelt und in denen sich die Spanierin Maribel über ihren grässlichen deutschen Chef Dieter ärgert, sowohl Entertainment als auch Identifikationspotenzial.
Ich habe es auch genossen, über Motivlagen von Haupt- und Nebenfiguren zu spekulieren und dabei überrascht zu werden. Einige Figuren begleitet man nur für ein oder zwei Kapitel. Den zusätzlichen Input habe ich als bereichernd empfunden.
Nebenschauplätze und -figuren sind rar. Der Fokus auf dem unmittelbaren Umfeld der Hauptfiguren bleibt gewahrt. Ich bin hin- und hergerissen, wie ich das finde. Was sich politisch und gesellschaftlich abspielt, wird zumindest geschickt angerissen und reicht aus, um zum Nachdenken anzuregen. Kennt man ähnliche Szenarien aus Filmen, erledigt das Kopfkino den Rest. Ein Epos wäre möglich gewesen. Aber es ist anzunehmen, dass es dann nicht bei einem abgeschlossenen Band geblieben wäre. Das werte ich als faires Marketing. Obendrein sorgt der gestraffte Erzählstil dafür, dass es immer spannend bleibt.
Die Beschreibungen haben meine Vorstellungskraft gut unterstützt.
Die Kapiteleinteilung ist sehr praktisch, um den Überblick über Zeiträume zu behalten.
Ob es eine Liebesgeschichte braucht, ist Geschmackssache. Mir hat's gefallen. Und dieses Element hat den Roman für meinen Geschmack auch nicht überladen.
Dass die Auflösung des wissenschaftlichen Phänomens per Titel und Anhang-Titel vorweggenommen wird, tut der Faszination zumindest bei mir keinen Abbruch. Ab da geht’s ja auch erst so richtig ab!
Der Anhang von 90 % bis 98 % ist sehr eingängig, da findet man das Wissenswerteste in komprimierter Form, ohne dass es sich wie ein anstrengendes Fachbuch liest. Trägt man sich über einen Link am Ende des Buches hierfür ein, erhält man den Anhang als pdf mit vielen Grafiken und Bildern. Top!
Yeah, ich hatte großen Spaß und habe gleichzeitig meinen Horizont ein bisschen erweitert. Gern mehr davon!