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Veröffentlicht am 26.11.2018

Britische Familiengeschichte

Sieben Tage Wir
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Sieben Tage Wir ist ein britischer Familienroman, der eine Familie in einer außergewöhnlichen Situation zeigt. Für 7 Tage müssen sie zusammen in ihrem Haus bleiben, eine Quarantäne aus Sicherheitsgründen. ...

Sieben Tage Wir ist ein britischer Familienroman, der eine Familie in einer außergewöhnlichen Situation zeigt. Für 7 Tage müssen sie zusammen in ihrem Haus bleiben, eine Quarantäne aus Sicherheitsgründen. Okay, diese Idee ist konstruiert, aber es funktioniert. So zusammen entbergen sich schließlich allerlei Emotionen. Es wird gezeigt, wo eine Familie angreifbar ist, z.B. durch Geheimnisse und Verschweigen und wo sie ihre Stärken haben kann, durch Zusammenhalt und Zuneigung.

Die einzelnen Figuren sind die Ärztin Olivia Birch, deren humanitärer Einsatz in Liberia verantwortlich ist für die Quarantäne, die sie jetzt der Familie in Norfolk verursacht.
Dann ihr Vater Andrew, ein ehemaliger Kriegsreporter, der in seinem jetzigen Beruf des Restaurantkritikers unzufrieden ist, seine Frau Emma, die eine Krebserkrankung der Familie verschweigt, ihre zweite Tochter Phoebe, die sich gerade verlobt hat. Der Verlobte stößt zur Familie ins Haus dazu und schließlich kommt noch überraschend und unerwartet ein unbekannter Sohn hinzu, den Andrew vor seiner Ehe gezeugt hat.

Die Autorin Francesca Hornak ist gelernte Journalistin und kann in ihrem warmherzigen Debütroman glaubhaft, die Lebensbedingungen einer Middleclass-Familie vermitteln.
Durch die Erzählweise mit wechselnden Hauptfiguren in den einzelnen Kapiteln wird sie allen mehr oder weniger gerecht. Zwar ist das Hauptthema das verschließen von Gefühlen, aber Streitgespräche gibt es genug und sprachlich hat das Buch auch viel Witz.

Die Spannungen innerhalb der Gruppe nehmen zu. Außerdem ist auch noch Weihnachten.
Als Leser ist man schnell emotional beteiligt, denn diese Figuren mit ihren Vorzügen und Schwächen wachsen einem schnell ans Herz. Es ist zu vermuten, dass sich viele Leser in ihnen wiedererkennen können.
So fällt es schwer, sich von dem Buch auch nur kurz zu trennen und ich habe es in 2 Tagen ausgelesen.

Veröffentlicht am 24.11.2018

Die Entwicklung einer populistischen Partei

Inside AfD
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Franziska Schreiber schafft es zu erläutern, wie jemand sich für die AfD engagieren konnte. Das sektenhafte dieser populistischen Partei vermittelt sie nachvollziehbar.
Entscheidend dafür, dass das Buch ...

Franziska Schreiber schafft es zu erläutern, wie jemand sich für die AfD engagieren konnte. Das sektenhafte dieser populistischen Partei vermittelt sie nachvollziehbar.
Entscheidend dafür, dass das Buch funktioniert ist, dass sie von sich selbst erzählt. Wie sie, 1990 im Osten geboren und ganz normal aufgewachsen, von einer Partei (der FDP) enttäuscht wurde und sich einer anderen zuwandte. Der AfD von Bernd Lucke 2013. Einerseits war sie fehlgeleitet, andererseits war die AFD in ihrer Anfangszeit zwar auch schon populistisch, aber noch nicht so ausländerfeindlich und extrem wie heutzutage.
Franziska Schreiber war insbesondere von der Parteivorsitzenden Frauke Petry fasziniert.
Sie wurde zur Vorsitzenden der sächsischen Jungen Alternativen (JA) und steigerte sich imemr mehr rein. Tatsächlich war sie schon sehr verblendet, beteiligte sich an den Montagsmärschen, Geert Wilders war für sie ein Held, Le Pen eine tolle Frau.
Erst nach Frauke Petrys Absetzung verlässt sie die Partei als entschiedene Gegnerin.

Man erfährt viele Details, die interessant sind, z.B. über die Pegida-Nähe der Partei, Höcke, Kubitschek, Weidel, Storch, Gauland und deren Weltbild. Vieles erreicht einen durch Schreibers Emotionen, die sie jeweils schildert.

Wie sehr dieses Buch die AfD trifft, zeigt sich daran, dass sie versuchen, Passagen oder das ganze Buch verbieten zu lassen. Die Autorin wird außerdem massiv angefeindet, eine beliebte Methode der AfD-Anhänger, die längst jeden Anstand verloren haben.

Es dürfte interessant sein, zu verfolgen, was Franziska Schreiber künftig machen wird und ob noch weitere Bücher von ihr folgen.

Veröffentlicht am 14.11.2018

Gelungene Mischung aus Humor und Melodramatik

Bad Boy by Banana
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Bei dem neckischen Titel und der Tatsache, dass es ein Buch im Selbstverlag ist, hatte ich keine inhaltliche Tiefe erwartet. Doch die Stärke der Autorin ist es, den Figuren Charakter zu verleihen. An der ...

Bei dem neckischen Titel und der Tatsache, dass es ein Buch im Selbstverlag ist, hatte ich keine inhaltliche Tiefe erwartet. Doch die Stärke der Autorin ist es, den Figuren Charakter zu verleihen. An der Hauptfigur Tom Sandmann kann man sich reiben, er ist eine emotional drastische Figur mit herber Ausdrucksweise. Mit seiner Sprache in den Dialogen und Gedankengängen und seinen problematische Beziehungen zu Frauen erinnert er fast an eine Figur von Martin Walser. Wie bei dem Autor steht auch hier die Hauptfigur zwischen verschiedenen Frauen. Die junge Nancy und die fürsorgliche Sophia bieten ihm unterschiedliche Qualitäten. Er nennt sie Bärin und die Senora.
Sprachlich ist der Roman wirklich amüsant, in ein paar Szene etwas überzogen, aber das stört kaum.

Dass die psychologische Komponente wichtig ist, verleiht dem Roman eine außergewöhnliche Note.
Bei aller Meolodramatik wird die Handlung nahezu episch und zieht sich über einige Jahre.

Man kann "Bad Boy by Banana - Zwischen uns die Zeit" als gelungenen Roman bezeichnen.

Veröffentlicht am 12.11.2018

Ein ganzes, langes Leben

Der Klang eines ganzen Lebens
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Der Originaltitel lautet schlicht Fabro und stellt somit die Hauptfigur namens Fabro in den Mittelpunkt. Es ist ein einfach gehaltener Stil, den der italienische Autor bwusst anwendet. Dadurch wird die ...

Der Originaltitel lautet schlicht Fabro und stellt somit die Hauptfigur namens Fabro in den Mittelpunkt. Es ist ein einfach gehaltener Stil, den der italienische Autor bwusst anwendet. Dadurch wird die Sprache noch nicht schlicht, im Gegenteil. Da Emotionen das Buch durchziehen und da Fabro eine so gefühlvolle Figur ist, wirkt die Sprache reichhaltig. Es gibt auch bildhaft starke Beschreibungen.
Passend zm deutschen Titel wird tatsächlich das ganze, langes Leben eines Mannes in einem Bergdorf in den Dolomiten gezeigt. Ein Schmied, weil sein Vater einer war, aber auch künstlerisch veranlagt und sehr musikalisch.
Fabro, 1925 geboren, durchlebt auch schwere Zeiten, z.B. in den Kriegsjahren, als sein Vater starb, wofür er sich schuldig fühlt. Es gibt einiges tragisches ins einem Leben.Doch die Liebe zu Rina ist sein Lichtblick.
Es gibt weitere, noch nicht ins Deutsche übersetzte Romane von Francesco Vidotto auf die man hoffen kann. Ich werde dann bedenkenlos wieder zugreifen.

Veröffentlicht am 07.10.2018

Prachtvolles Mittelalterspektakel

Der Spielmann (Faustus-Serie 1)
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Der Spielmann ist ein umfangreicher Roman, der sich abgesehen von ein paar Längen, gut lesen lässt. Im Mittelpunkt ist Faust, der Ende des 15 Jahrhunderts in Knittlingen geboren wurde.

Oliver Pötzsch ...

Der Spielmann ist ein umfangreicher Roman, der sich abgesehen von ein paar Längen, gut lesen lässt. Im Mittelpunkt ist Faust, der Ende des 15 Jahrhunderts in Knittlingen geboren wurde.

Oliver Pötzsch überträgt seine Faszination für die Hauptfigur auf den Leser. Wie bei ihm das Interesse entstand erzählt er ausführlich im lesenswerten Nachwort.
Pötzsch legt viel Wert auf Kindheit und Jugend von Johann Georg, um dessen Werdegang und Entwicklung deutlich zu machen. Schon als 8jähriger ist er begeistert von den Gauklern, die in die Stadt kommen. Von seiner Mutter wird Johann liebevoll Faustus genannt.
Von diesen Abschnitten der Kindheit halte ich viel. Johann ist teilweise privilegiert, kann zum Beispiel Lateinunterricht nehmen, solange seine Mutter noch lebte. Aber oft ist er auch in der Opferrolle, von einem Schläger drangsaliert und vom Vater ungeliebt. Schließlich muss er als 16jähriger seine Heimat verlassen. Er begleitet den Magier Tonio del Moravia, der sein Meister wird und zu dem ein ambivalentes Verhältnis zwischen Abhängigkeit und Abgründigen entsteht. Diesen Konflikt deutet Pötzsch geschickt an. Es resultiert aber Johanns Weg zum Faust und zur Persönlichkeit.
Alchemie, Astrologie und Aberglauben spielen eine Rolle.

Teilweise ist Der Spielmann ein Pageturner, dann gibt es aber auch etwas zu lange Passagen.
Oliver Pötzsch hat mit diesem ersten Faust-Teil ein ähnlich mächtiges Werk hingelegt wie mit seinen Henkerstochter-Bänden, deren Figuren mir jedoch näher standen. Johann ist nicht durchgehend ein Sympathieträger, der Mephisto-ähnliche Tonio erst recht nicht. Im Finale kann Johann jedoch einiges wieder gut machen.

Für Der Spielmann spricht auch die hohe Anzahl an interessanten Schauplätzen. Johann und die Gaukler, mit denen er weiterzieht, schaffen es neben einigen deutschen Städten sogar bis nach Venedig. Ganz wichtig wird dann schließlich die Stadt Heidelberg, später auch Köln und Nürnberg. Atmosphäre hat das Buch durchgehend viel zu bieten.