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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 08.10.2018

Tief unter Manhattan

Manhattan Beach
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Anna Kerrigan wächst in den 1930er Jahren in New York City auf. Durch die Weltwirtschaftskrise wurde die Familie auf eine Probe gestellt. Die Mutter ist Zuhause und pflegt die behinderte Schwester. Der ...

Anna Kerrigan wächst in den 1930er Jahren in New York City auf. Durch die Weltwirtschaftskrise wurde die Familie auf eine Probe gestellt. Die Mutter ist Zuhause und pflegt die behinderte Schwester. Der Vater erledigt halb legale Botengänge für Reiche, doch auch das wird immer weniger lukrativ, sodass er sich schließlich einen neuen Job suchen muss. Eines Tages verschwindet der Vater, und wird nie mehr gesehen. Von nun an muss Anna die Familie versorgen. Sie findet Arbeit in der Marinewerft von New York. Doch ihr großer Traum ist, eines Tages als Taucherin in der Marine Kriegsschiffe zu reparieren. Eine Arbeit, die bisher Männern vorbehalten war. Doch der Krieg öffnet bekanntlicherweise Türen...

Egans Buch ist komplex und umfasst eine Reihe von Erzählsträngen. Sowohl Anna, als auch ihre Vater Eddie und dessen Geschäftspartner Dexter Styles erzählen abwechselnd, wobei Anna in jeder der Erzählstränge präsent ist. Die Geschichte beginnt schleppend, bedarf es doch einiger Erklärungen und Hintergründe. Erst nach ca. 200 Seiten nimmt der Roman Fahrt auf - von dort an wollte ich ihn nicht mehr aus der Hand legen. Egan schafft es, die Fäden gekonnt zusammenlaufen zu lassen - bis es soweit kommt benötigt der Leser jedoch etwas Geduld. Voller Spannung läuft die Handlung von hier an ab - mitten im zweiten Weltkrieg. Ich fand das Buch sehr gut geschrieben (sobald man es durch die anfänglichen, ausführlichen Erklärungen geschafft hat), sowohl spannend als auch informativ. Eine besondere Art, den zweiten Weltkrieg durch einen Roman zu beleuchten.

Veröffentlicht am 30.08.2018

Die Kraft der Erzählung

Königskinder
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Max und Tina sind schon über zwanzig Jahre verheiratet. Der jüngste Sohn ist gerade aus dem Haus, sie haben ihn soeben in der Hotelfachschule im Berner Oberland abgesetzt und beschließen dann, die Abkürzung ...

Max und Tina sind schon über zwanzig Jahre verheiratet. Der jüngste Sohn ist gerade aus dem Haus, sie haben ihn soeben in der Hotelfachschule im Berner Oberland abgesetzt und beschließen dann, die Abkürzung über den gesperrten Jaunpass zu nehmen. Doch es beginnt zu schneien… und als Max und Tina schließlich den Pass erreicht haben, kommen sie nicht mehr weiter. Sie beschließen, die Nacht im Auto zu verbringen. Max möchte die Zeit schneller vergehen lassen und erzählt die Geschichte von Jakob, einem Hirtenbuben aus dem 18. Jahrhundert, der im Greyerzerland aufwächst, in der Nähe des Jaunpasses. Er verliebt sich in Marie, die Tochter eines reichen Bauern. Und so nimmt die Geschichte seinen Lauf, und bringt Jakob bis nach Versailles.

Dies war mein erster Capus. Das Buch ist relativ kurz, knappe 180 Seiten, und liest sich sehr leicht. Max und Tina sind eines dieser lang verheirateten Paare, die sich einfach in und auswendig kennen. Es kommt häufig zu kleinen Sticheleien. Insgesamt fand ich ihren Wortwechsel sehr unterhaltsam. Max ist ein geborener Erzähler; seine Geschichte hat Hand und Fuß. Ich fand die Geschichte um Jakob die unterhaltsamere der zwei Erzählstränge. Jakob ist ein sympathischer, bodenständiger Protagonist. Zu Marie fand ich keinen so guten Zugang, sie wird meist nur eher oberflächlich und flach beschrieben. Gekonnt lässt der Autor historische Details in die Geschichte einfließen, wie z.B. der Ausbruch des Laki-Kraters oder die erste Ballonfahrt der Brüder Montgolfier. Ab und zu wird die Geschichte von Tinas Zwischenfragen unterbrochen, oft kommt es dann zu einem unterhaltsamen hin- und her zwischen den Eheleuten, jedoch trägt dies insgesamt wenig zur Geschichte bei. Capus ist eine gut geschriebene, abwechslungsreiche Geschichte mit einigen lustigen Details gelungen, jedoch ohne große Überraschungen. Ein unterhaltsames, durchaus empfehlenswertes Buch.

Veröffentlicht am 28.08.2018

Ein unglaubliches Leben – der Napalm Angriff und das Leben danach

Ins Herz gebrannt
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Kim Phuc war neun, als sie und ihre Familie im Vietnamkrieg 1972 den Napalm-Angriff erlebten. Ihre Haut fängt Feuer, die Kleider sind längst verbrannt, sie und ihre Geschwister laufen verzweifelt die Straße ...

Kim Phuc war neun, als sie und ihre Familie im Vietnamkrieg 1972 den Napalm-Angriff erlebten. Ihre Haut fängt Feuer, die Kleider sind längst verbrannt, sie und ihre Geschwister laufen verzweifelt die Straße Nummer 1 im Heimatort Trang Bang entlang, auf der Flucht vor dem Feuer. Der Journalist Nick Ut fotografiert die Szene – das Bild geht um die Welt. Ut war es, der Kim Phuc ins Krankenhaus fuhr und ihr so, zumindest auf Umwegen, das Leben rettete. Eine lange Leidensgeschichte folgt. Über 30% von Kims Körperoberfläche war verbrannt, nur knapp überlebte sie. Die Narben verursachen höllische Schmerzen, das unbeschwerte Leben das Kim kannte ist vorbei. Der Krieg geht noch mehrere Jahre weiter, die Familie verliert schließlich ihr gesamtes Hab und Gut. Südvietnam wird 1976 mit Nordvietnam im Kommunismus vereint. Kims lange Reise auf der Flucht vor dem Kommunismus beginnt. Durch den Napalm Angriff fühlt Kim sich von ihrer Religion allein gelassen und findet so zum Christentum – eine Religion, die fortan ihr Leben begleitet und teils sogar bestimmt.

„Ins Herz gebrannt“ ist Kim Phucs Biographie. Das Buch liest sich sehr flüssig. Kim erzählt in einfachem Ton, teils regelrecht naiv. Ihre Lebensgeschichte ist unglaublich faszinierend. Ich fand es sehr interessant, mehr über den Vietnamkrieg und ihre spezifische Situation und ihre Familie herauszufinden. Auch wie sie mit all den Schicksalsschlägen umging und immer wieder einen Weg fand, weiterzumachen, war sehr spannend zu lesen. Die Beschreibung ihrer medizinischen Probleme (allesamt Folgen der Verbrennungen) war ebenfalls interessant zu lesen. Obwohl sie sehr viel über das Christentum predigt und dies in jedem Kapitel eine große Rolle spielt, was für mich teils etwas übertrieben anmutete, fand ich das Buch sehr aufschlussreich. Kim Phuc hat unglaublich viel erlebt und überlebt – allein aus historischer Perspektive sollte man dieses Buch lesen. Ihre Ausdauer ist bewundernswert. Ein tolles und interessantes Buch, das ich wirklich jedem empfehlen kann, egal ob man nun gläubig ist oder nicht. Das „napalm girl“ und ihre Geschichte werde ich nie vergessen.

Veröffentlicht am 21.05.2018

Spannender Thriller, leider wenig echter Umwelt-Bezug

Das Eis
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Wir befinden uns im Jahr 2018. Ein Luxuskreuzfahrtschiff ist auf der Suche nach Eisbären in der Arktis. Doch die Tiere sind sehr selten geworden. Schlussendlich entschließen sie sich, in das gesperrte ...

Wir befinden uns im Jahr 2018. Ein Luxuskreuzfahrtschiff ist auf der Suche nach Eisbären in der Arktis. Doch die Tiere sind sehr selten geworden. Schlussendlich entschließen sie sich, in das gesperrte Gebiet nahe der Midgard Lodge zu fahren, wo kurz zuvor ein Eisbär gesichtet worden sei. Doch sie werden Zeuge eines viel gewaltigeren Schauspiels: das „Kalben“ des Gletschers, wodurch schließlich eine Leiche aus dem Eis freigegeben wird. Es handelt sich um Tom Harding, einen Umweltaktivisten, der drei Jahre zuvor bei einer Expedition verschollen ist. Er war damals zu zweit mit seinem Kollegen und Freund Sean Cawson auf Erkundungstour in Gletscherhöhlen, als bei einem Sturm eine Höhle zusammengestürzt ist. Sean hat überlebt. Nachdem die Leiche freigegeben wird, muss Sean sich endlich mit der Vergangenheit auseinandersetzen, und lernt dabei mehr als er sich je vorstellen hätte können…

Laline Paulls Schreibstil ist außerordentlich fesselnd, das Buch ist spannend geschrieben. Sie hat zweifellos ein sehr aktuelles Thema aufgegriffen. Leider ist das Thema Umwelt und Klimawandel in dem Buch jedoch nur zweitrangig. Zwar werden gewisse Fakten erwähnt, jedoch ist oft unklar ob es sich um wahre Fakten handelt, und diese werden meist nicht weiter ausgeführt. Von diesem Aspekt hatte ich mir mehr erhofft. Die Umweltaktivisten Tom und auch seine Freundin Ruth sind sehr realistisch dargestellt und ich konnte deren Frustration fast durch die Seiten spüren. Die Geschichte ist sehr gut durchdacht mit vielen Facetten und Überraschungen. Ein sehr gut geschriebener und spannender Thriller.

Veröffentlicht am 12.05.2018

Ein Viertel vor und nach der Wende

Skandinavisches Viertel
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Matthias Weber ist im skandinavischen Viertel in Ostberlin aufgewachsen und kehrt nun nach Jahren im Ausland dorthin zurück. Keiner kennt das Viertel so gut wie er. Als Kind lief er täglich durch das Viertel ...

Matthias Weber ist im skandinavischen Viertel in Ostberlin aufgewachsen und kehrt nun nach Jahren im Ausland dorthin zurück. Keiner kennt das Viertel so gut wie er. Als Kind lief er täglich durch das Viertel und dachte sich für viele Straßen alternative Namen aus. Doch sein Leben wurde überschattet von Verlusten, bereits in jungen Jahren. Seine Familiengeschichte ist trist. Matthias kehrt nun mehr zufällig ins Viertel zurück, als Makler, und kann fortan entscheiden, wer „würdig“ genug ist, in das Viertel zu ziehen.


Thorsten Schulz erzählt diesen tiefgründigen Roman abwechselnd in der Gegenwart und der Vergangenheit. Die Erzählstränge verschmelzen und ergänzen sich ausgezeichnet. Obwohl man sich von dem Titel vielleicht etwas anderes erwartet, erzählt Schulz mit einer beeindruckenden Sprache vom Aufwachsen in der DDR, von Familie, frühen Verlusten, Vertrauen bzw. Vertrauensbrüchen, Enttäuschungen, Geheimnissen, Alkohol, und vom Alleinsein. Insbesondere die Einblicke in die DDR waren für mich sehr spannend, teils hätte ich mir mehr Erklärung dazu gewünscht. Die Geschichte regt sehr zum Nachdenken an. Vieles wird nicht explizit erwähnt, die Interpretation bleibt dem Leser überlassen. Auch macht es traurig, wie wenig Matthias bzw. generell alle in seiner Familie aus Rückschlägen zu lernen scheinen. Ich bin nicht ganz sicher, ob ich alles verstanden habe, was der Autor mit dem Roman sagen wollte. Das, was ich verstanden habe, hat mir wirklich gut gefallen. Ein sehr lesenswerter Roman.