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Veröffentlicht am 07.11.2018

ein Krimi aus Norddeutschland: spannend, mit einer tragikomischen Geschichte und viel trockenem Humor

Sörensen fängt Feuer
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Drei Monate nachdem Kommissar Sörensen mit seinen Ermittlungen Unruhe in die scheinbare Idylle Katenbülls gebracht hat, haben sich die Wogen noch nicht ganz geglättet, noch immer sind ihm einige Mitbürger ...

Drei Monate nachdem Kommissar Sörensen mit seinen Ermittlungen Unruhe in die scheinbare Idylle Katenbülls gebracht hat, haben sich die Wogen noch nicht ganz geglättet, noch immer sind ihm einige Mitbürger nicht wohl gesonnen. Während einer kurzen Stippvisite Sörensens in seine alte Heimat Hamburg bahnt sich jedoch ein neuer Fall an, als Ole Kellinghusen mitten in der Nacht eine junge Frau vors Auto läuft: blind, unterernährt und barfuß im Nachthemd irrt Jette mitten im Winter kurz vor Weihnachten über die Landstraße. Sörensens gute Vorsätze, die Tabletten gegen seine Angststörung abzusetzen, geraten ins Wanken, als er bei der Suche nach Jettes Herkunft auf eine Leiche trifft. Doch damit nicht genug, da Jette nicht zurück nach Hause kann, sieht Sörensen keinen anderen Ausweg, als seinen Vater zur Hilfe zu holen, und je tiefer er die Hintergründe der Tat beleuchtet umso mehr Details kommen zum Vorschein über den religiösen Wahn und gut gehütete Geheimnisse, die sich um Jettes Geschichte ranken.
Wie schon im ersten Band „Sörensen hat Angst“ hat mir auch hier wieder die Mischung des Krimis gefallen. Sven Stricker hat ein Händchen dafür, die Charaktere und Szenerien so lebendig zu schildern, dass man den Eindruck bekommt, mitten in Katenbüll zu stehen und ihnen beim Agieren zu sehen zu können.
Sörensen ist kein einfacher Charakter, er wird von seiner Angststörung beherrscht, steht sich oft selbst im Weg mit seiner umständlichen Art und seinem mangelnden Selbstbewusstsein. Dass er nicht perfekt ist und an sich zweifelt, macht ihn aber auch sympathisch. Sörensens persönliche Geschichte nimmt neben dem Kriminalfall viel Raum ein, gerade seine Persönlichkeit, sein manchmal unkonventionelles Handeln und Denken, machen aber den Charme der Geschichte aus. Es gibt eine ordentliche Prise trockenen norddeutschen Humors mit herrlichen Dialogen, die mich beim Lesen immer wieder haben auflachen lassen.
Der Fall um Jette birgt jedoch einige Tragik, er offenbart die Verzweiflung und Desillusion einiger Beteiligter, hier kommt Sörensen seine sensible Seite zu Gute.
Mich hat der Krimi von Anfang bis Ende gut unterhalten, der Fall ist spannend, und wartet mit einigen überraschende Entwicklungen auf, die Charaktere sind mir weiter ans Herz gewachsen, und ich bin sehr gespannt darauf, wie sich Sörensen in (hoffentlich) folgenden Bänden weiter entwickeln wird.

Veröffentlicht am 08.10.2018

ein wichtiger Teil deutscher Geschichte wird lebendig

Deutsches Haus
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Eva Bruhns ist Anfang 20, lebt wohl behütet mit ihrer Familie in einer Wohnung über der titelgebenden Gastwirtschaft ihrer Eltern in Frankfurt am Main und steht kurz vor der Verlobung mit dem Unternehmersohn ...

Eva Bruhns ist Anfang 20, lebt wohl behütet mit ihrer Familie in einer Wohnung über der titelgebenden Gastwirtschaft ihrer Eltern in Frankfurt am Main und steht kurz vor der Verlobung mit dem Unternehmersohn Jürgen. Eva zweifelt manchmal, ob der biedere Jürgen wirklich der Richtige für sie ist, aber sie fügt sich den Erwartungen und die Verbindung bietet ihr einen gesellschaftlichen Aufstieg.
Als gelernte Dolmetscherin für Polnisch wird Eva kurzfristig zur Übersetzung einer Zeugenaussage hinzu gerufen. Erst, als sie am nächsten Morgen in den Tageszeitungen über die Ankündigung der bevorstehenden Auschwitz-Prozesse liest, wird ihr klar, womit sie am Vortag konfrontiert wurde. Da sie zuvor nie etwas von Auschwitz gehört hat, sucht sie das Gespräch mit ihren Eltern, doch diese reagieren abweisend und raten ihr ebenso wie ihr Verlobter davon ab, sich für den Prozess engagieren zu lassen. Eva folgt jedoch ihrem Bauchgefühl, will sich nicht bevormunden lassen und nimmt die Stelle als Dolmetscherin an. Im Verlauf des Prozesses, der sich über 20 Monate hinzieht, gibt sie vielen der Zeugen ihre Stimme und wird in eine Geschichte hinein gezogen, die nicht nur ihr Weltbild verändert sondern auch in unerwartetem Maß zu ihrer eigenen Geschichte wird.
„Deutsches Haus“ ist der erste Roman von Annette Hess, die sich bislang als Drehbuchautorin erfolgreicher Fernsehserien einen Namen gemacht hat. Man merkt dem Buch an, dass sie darin geübt ist, Geschichte und Geschichten lebendig werden zu lassen. Die Sprache ist der Zeit der 60er Jahre angepasst, die gesellschaftlichen Zwänge, das bürgerliche Spießbürgertum und das bewusste Verdrängen der eigenen Geschichte werden auf beklemmende Weise präsent. Beim Lesen werden die Figuren vor dem inneren Auge lebendig, die Beschreibungen von Schauplätzen und Charakteren sind zwar oft knapp aber dabei sehr präzise. Insbesondere die Szenen im Gerichtssaal verfügen über eine Intensität, die mich beim Lesen fast die Luft haben anhalten lassen. Die Autorin hält sich mit Wertungen zurück, sie beleuchtet die Ausmaße der Verbrechen und des Prozesses durch die Augen der zunächst unbedarften Eva, der Leser spürt durch sie das Unbehagen das entsteht durch das Bestreben vieler Beteiligter, ihre Schuld oder Mitschuld an den Vorgängen abzustreiten.
Annette Hess hat sich im Vorfeld des Romans intensiv mit dem Verlauf und den Aussagen der Frankfurter Prozesse beschäftigt, anhand des Schicksals Evas und ihrer Familie lässt sie diesen wichtigen Teil der deutschen Geschichte wieder aufleben und stimmt gleichzeitig nachdenklich auch über unseren heutigen Umgang mit aktuellen politischen Entwicklungen.

Veröffentlicht am 02.10.2018

Poesie und Gesellschaftskritik

Gun Love
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In ihrem aktuelle Roman „Gun Love“, beschäftigt sich die US-Amerikanische Autorin Jennifer Clement, die seit einigen Jahren in Mexiko-Stadt lebt, mit den zum Teil erschreckenden gesellschaftlichen Entwicklung ...

In ihrem aktuelle Roman „Gun Love“, beschäftigt sich die US-Amerikanische Autorin Jennifer Clement, die seit einigen Jahren in Mexiko-Stadt lebt, mit den zum Teil erschreckenden gesellschaftlichen Entwicklung Amerikas und dem oft sorglosen Umgang mit Schusswaffen.
Dabei beginnt die Geschichte zunächst eher beschaulich. Sie wird erzählt aus der Sicht der 14-jährigen Pearl, einem zarten Teenagermädchen, das mit ihrer Mutter Margot in Florida in einem Auto am Rande eines Trailerparks lebt. Margot war erst 16 Jahre alt, als sie von ihrem Lehrer schwanger wurde, heimlich und allein ihre Tochter zur Welt gebracht und mit dem Baby in ihrem Mercury zu eben diesem Trailerpark geflohen ist. Aus dem Provisorium wird schnell eine Dauerlösung, sie und Pearl haben es sich in dem Auto gemütlich eingerichtet. Der Mercury bildet eine Art Mikrokosmos als Gegensatz zu der oft bedrohlich wirkenden Umwelt.
Doch dann taucht ein neuer Bewohner im Trailerpark auf, Margot verfällt auf der Stelle Elis Charme, Pearl wird immer häufiger aus dem Mercury verdrängt und muss sich zunehmend mit den Härten der Realität auseinander setzen.
Die sehr poetische und bildhafte Sprache steht oft in krassem Gegensatz zu den Entwicklungen der Geschichte und unterstützt den Schein der Geborgenheit und Normalität, in der Mutter und Tochter anfangs leben. Es ist zum Teil verstörend, in einem Moment von Margots Sensibilität zu lesen und im nächsten von sinnfreien Schießereien auf die Alligatoren im Fluss, davon, wie Pearl unbedarft mit giftigem Quecksilber spielt, das sie auf der nahen Müllkippe gefunden hat, oder von dem allgegenwärtigen Geschmack von Insektenspray, das beide umgibt, und mit dem sie abends die Mücken aus dem Mercury vertreiben.
Das Thema Waffen findet nur schleichend Eingang in den Roman, je mehr Pearl sich aus der Behütung durch ihre Mutter lösen muss, umso präsenter und beherrschender werden sie.
Ich habe mich zunächst schwer getan mit dieser Mischung aus Poesie, die die Gefahr wie Watte zu umhüllen scheint und den Schilderungen der Trostlosigkeit und Chancenlosigkeit, die die Hauptcharaktere umgibt. Je genauer man beim Lesen hinsieht, umso mehr fällt auf, wieviele Details und Hinweise in kleinen Sätzen stecken, wieviel Ironie und Kritik am System.
„In seinem Innern sah meine Mutter elektrische Eisenbahnen, Spielzeugtrucks und Spielzeugwaffen,, und eine Luftpistole, mit der man Vögel töten konnte.“ „Man lernt schnell, dass Träume besser sind als das Leben, sagte meine Mutter.“ „Ich wusste, dass er nicht der starke Mann mit der weißen Fahne war, sondern mit Tesafilm, Heftklammern und Tesa zusammengeflickt.“
Das sind nur ein paar der bemerkenswerten Sätze, die ich mir gemerkt habe, und die den Charme dieses Buches ausmachen. Es gehört für mich zu den Büchern, die es verdient haben, mehr als einmal gelesen zu werden.

Veröffentlicht am 08.07.2018

die zauberhafte und berührende Geschichte einer Familie in Persien

Als die Tage nach Zimt schmeckten
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Noor ist 17 Jahre alt, als ihr Vater sie im Jahr 1984 gemeinsam mit ihrem älteren Bruder vom Iran in die USA schickt, um sie vor den unsicheren Zeiten nach der Revolution in ihrem Heimatland zu bewahren. ...

Noor ist 17 Jahre alt, als ihr Vater sie im Jahr 1984 gemeinsam mit ihrem älteren Bruder vom Iran in die USA schickt, um sie vor den unsicheren Zeiten nach der Revolution in ihrem Heimatland zu bewahren. Als 30 Jahre später Noors Leben durch das Scheitern ihrer Ehe ein Riß erhält, kommt der Brief ihres Vaters mit der Bitte, sie in Teheran zu besuchen, gerade recht. In den Sommerferien packt sie eine Tasche und reist mit ihrer 15-jährigen Tochter Lily in ihre alte Heimat. Ihre Großelter väterlicherseits sind viele Jahre zuvor von Russland in den Iran ausgewandert, haben dort das Café Leila eröffnet und sich in das Land und die Kultur verliebt. Noors Vater Zod führt immer noch dieses Café, das zwischenzeitlich um ein Hotel erweitert wurde, gemeinsam mit langjährigen Angestellten, die fest mit dem Café und der Familie verbunden sind.
Der Roman schlägt einen Bogen zwischen dem weltoffenen Persien damals und der teils rauen und gewalttätigen Wirklichkeit heute. Insbesondere für Lily ist es nicht immer leicht, die ihr fremde Kultur zu verstehen und zu akzeptieren. Aber auch ihre anfängliche Ablehnung wird durch de Zauber des Cafés und der dort lebenden Menschen nach einer Weile gebrochen. Das Café bildet eine Art Oase in der manchmal harten Wirklichkeit Teherans heute. In Rückblenden erhält der Leser einen Einblick in die nicht immer einfache Familiengeschichte der Familie Yadegar, der gegenseitige Liebe und Vertrauen insbesondere bei der Bewältigung schwieriger Zeiten eine Stütze war.
Donia Bijan schafft mit ihrer bildhaften und oft poetischen Sprache ein lebendiges Bild vom Leben in diesem für mich fremdartigen Land. Ich hatte beim Lesen oft das Gefühl, die Gerüche aus der Küche des Cafés in der Nase spüren zu können, das fröliche Lachen der Menschen im Café klang in meinen Ohren, ich habe Tränen der Freude, der Trauer und des Entsetzens geweint und selten ein Buch erlebt, dass mich derart berührt. Donia Bijan zeigt die widersprüchlichen Seiten dieser faszinierenden Stadt, Noor ist das Bindeglied zwischen der westliche Welt und den Besonderheiten der persischen Kultur.
Donia Bijans Debütroman, der im Juli 2018 im Ullstein-Verlag erschienen ist, hat mich auf 384 begeistert und ist für mich persönlich eine der Buchhighlights des Jahres.

Veröffentlicht am 06.06.2018

Frauenpower durch die Jahrhunderte

Power Women – Geniale Ideen mutiger Frauen
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Dieses Buch erzählt in wundervoll illustrierter Form die Geschichten von 25 Frauen, die mit ihrem Handeln einen wichtigen Einfluss darauf hatten, dass unsere Welt so geworden ist, wie wir sie kennen. Diese ...

Dieses Buch erzählt in wundervoll illustrierter Form die Geschichten von 25 Frauen, die mit ihrem Handeln einen wichtigen Einfluss darauf hatten, dass unsere Welt so geworden ist, wie wir sie kennen. Diese Frauen haben auf ganz unterschiedliche Weise gewirkt, „eines haben alle diese Frauen gemeinsam: Sie sind oder waren Feministinnen — das heißt, sie sind der Überzeugung, dass Männer und Frauen ebenbürtig sind. (Was sie selbstverständlich sind.) Und sie haben sich geweigert, Männern den Lauf der Geschichte zu überlassen.“ Dieses Zitat aus dem Vorwort spiegelt gut die Kernaussage des Buches wieder, es will heutigen jungen Mädchen Mut machen, die eigenen Stärken zu entwickeln und selbstbewusst ihren eigenen Weg zu gehen.
Jeder der ausgewählten 25 Frauen, die in unterschiedlichen Epochen der Geschichte bis zur Gegenwart gelebt haben, sind dabei 4 Seiten gewidmet. In Kurzform werden Informationen zur Biografie der jeweiligen Person gegeben sowie zu ihren bemerkenswerten Taten oder Eigenschaften. Neben einer großformatigen Illustration der Figur wird jeweils noch ein passendes
Zitat angegeben und ein schöner Bezug zu den Leser/innen geschlossen. Zu aktuellen Fragen oder Problemen, die junge Mädchen von heute beschäftigen wird eine Frage gestellt und darüber spekuliert, wie die jeweilige berühmte Persönlichkeit in diesem Fall gehnadelt hätte.
Das Buch enthält eine schöne Mischung von bekannten und weniger Bekannten Frauen, die großes geleistet haben, dabei wird ein Bogen gespannt von der Antike mit Kleopatra bis zu Malala heute.
Einige Frauen haben besonders mutig gehandelt, sich für ein Anliegen eingesetzt, andere haben in der Wissenschaft großes geleistet, was gerade für Frauen in der Vergangenheit kein einfaches Feld war. Bei diesen 25 Frauen ist bestimmt eine dabei, mit der sich ein junges Mädchen von heute identifizieren und sich zum Vorbild wählen kann. Die Informationen sind jeweils knapp gehalten und vereinfacht aber für die Zielgruppe verständlich formuliert. Sie bieten aber vielleicht den Anreiz, sich mit der einen oder anderen Persönlichkeit in weiterführender Literatur näher zu beschäftigen.
Am Ende runden ein Persönlichkeitstest, in dem die Leser/innen ihre Stärken ermitteln können, und eine Zeitleiste das Buch ab. Mir hat das Buch mit seiner abgerundeten Mischung gut gefallen, es bietet einen leicht verständlichen Einstieg in Geschichtsthemen und kann junge Mädchen von heute darin bestärken, selbstbewusst ihren Lebensweg zu suchen.