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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 11.10.2018

Gelungenes, sensibel geschriebenes Jugendbuch

Der nächstferne Ort
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Spoilerfreie Rezension

Inhalt

Das Schlimmste, was Kindern überhaupt passieren kann, widerfährt dem 15-jährigen Dylan und seinem um zwei Jahre jüngeren Bruder Griff: Bei einem schrecklichen Autounfall ...

Spoilerfreie Rezension

Inhalt

Das Schlimmste, was Kindern überhaupt passieren kann, widerfährt dem 15-jährigen Dylan und seinem um zwei Jahre jüngeren Bruder Griff: Bei einem schrecklichen Autounfall verlieren sie beide Eltern und sind nun auf sich gestellt. Eine schwierige, schmerzhafte Zeit der Trauerverarbeitung beginnt und die Brüder müssen ihren neuen in Platz in ihrem veränderten Leben erst finden. Dylan tut sein Bestes, um Griff dabei zu unterstützen, auch wenn dieser manchmal alle von sich wegstößt…

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Einzelband
Verlag: Königskinder Verlag
Seitenzahl: 336
Erzählweise: Ich-Erzähler, Präteritum
Perspektive: aus männlicher Perspektive
Kapitellänge: kurz bis mittel
Tiere im Buch: ♥ Es werden keine Tiere im Buch verletzt oder getötet – im Gegenteil, die Jungen entwickeln eine Freundschaft zu zwei Katzen und einem Hund und behandeln diese sehr liebevoll. Wichtig ist mir, an dieser Stelle zu betonen, dass Katzen unbedingt immer mindestens zu zweit gehalten werden müssen, da sie KEINE Einzelgänger sind. Kleine Kätzchen und reine Wohnungskatzen alleine zu halten ist besonders grausam, da der Mensch einen Katzenfreund niemals ersetzen kann. Auf Dauer werden aufgrund von Einsamkeit dann oftmals Depressionen und Verhaltensstörungen wie Aggressivität und exzessives Kratzen an Möbeln entwickelt. Wer also seine Katze liebt, schenkt ihr einen Gefährten.

Warum dieses Buch?

Der Klappentext klang einfach berührend, und ich habe im Vorfeld einige begeisterte LeserInnenstimmen gehört. Daher führte an diesem Buch kein Weg vorbei.

Meine Meinung

Einstieg (+)

Der Einstieg hat mir gut gefallen, denn hier lernt man Dylans und Griffs Familie genauer kennen und bemerkt sofort ihre liebevollen Neckereien untereinander und den Humor der Eltern. Das ist wichtig, da auf diese Weise aufgezeigt wird, wie glücklich die Kindheit der beiden Brüder bis zu diesem Punkt war. Umso schockierender endet das Kapitel dann, als die Familie auf der Rückfahrt aus dem Urlaub in einen furchtbaren Unfall verwickelt wird. Natürlich wollte ich sofort weiterlesen und herausfinden, wie Griff und Dylan mit diesem unaussprechlichen Verlust umgehen.

"Alles bleibt stehen, als würde man bei einem Film die Pausentaste drücken, und nichts wird mehr so sein, wie es war." E-Book, Position 166

Schreibstil (+)

Der Schreibstil ist für junge LeserInnen ab 14 Jahren sehr gut geeignet, auch wenn mir scheint, dass ältere Jugendliche damit bereits unterfordert sein könnten, da er doch recht einfach ist und keine wirkliche Herausforderung darstellt. Hayley Long schreibt angenehm und flüssig, wird dabei aber niemals oberflächlich, sondern geht besonders bei den Gefühlen, Gedanken und Reflexionen der Hauptfigur in die Tiefe. Durch diese intensive Schilderung der Innenwelt fällt die Identifikation mit dem Protagonisten leicht und man ist schnell emotional involviert.
Interessant und auffällig ist die Formatierung des Textes, die ebenfalls zur Emotionalität beiträgt: So werden geschriene Worte größer gedruckt und geflüsterte Sätze ganz klein und zart. Auch diese Besonderheit konnte mich überzeugen, weil die Gestaltung sich innovativ zeigt und alle Ebenen nutzt, um die Gefühle der Figuren zu vermitteln.

„Wobei ‚groß‘ nur ein Wort ist. Es sagt für sich genommen eigentlich nicht viel aus. Groß kann alles bedeuten, wenn man nicht weiß, wie groß die Größe ist.“ E-Book, Position 468

Inhalt, Themen, Botschaften & Ende (+/-)

Die Autorin beschäftigt sich in diesem Buch mit einem Thema, das schon unzählige Male in der Literatur behandelt wurde: Trauer und ihre Verarbeitung und Bewältigung. Dennoch findet Hayley Long ihren ganz eigenen Zugang und schreibt eine leise, aber kraftvolle Geschichte für Jugendliche, in der das Thema altersgerecht und angemessen aufbereitet wird. Trotz des schlimmen, schmerzhaften Verlustes, ist die Stimmung dabei niemals deprimierend, sondern enthält immer wieder hoffnungsvolle und positive Momente, die zeigen, dass das Leben weitergeht. Und dass das genau so sein muss, weil die Toten nichts davon haben, wenn die Lebenden in Hoffnungslosigkeit versinken. Die Geschichte zeigt auch, dass das Schwelgen in Erinnerungen an „bessere Zeiten“ zum Trauern dazugehört, dass man dabei jedoch niemals die Zukunft aus den Augen verlieren darf.

Die Geschichte beschäftigt sich zusätzlich mit vielen weiteren Aspekten: Es geht um elterliche und besonders brüderliche Liebe, um gute Menschen, die eine Stütze sind, um das Schließen neuer Freundschaften und um die Frage, was eine Heimat eigentlich ausmacht. Besonders gut gefallen hat mir auch, dass gezeigt wurde, welche positive Wirkung Tiere auf trauernde Menschen haben können. Wer selbst eine Katze, einen Hund oder einen anderen tierischen Gefährten besitzt, weiß, dass auch der größte Schmerz nur mehr halb so schlimm scheint, wenn etwas Flauschiges um die Beine streicht oder sich an einen schmiegt. Die Autorin bemüht sich sichtlich, die Themen tiefgründig zu behandeln und meist gelingt ihr das auch. Manchmal hatte ich aber das Gefühl, dass an manchen Stellen das Potential nicht vollständig genutzt werden konnte, dass manches nur angerissen und nicht so detailliert ausgearbeitet wurde, wie ich mir das gewünscht hatte. Hier vermute ich auch, dass es eventuell einfach daran lag, dass ich nicht mehr in die Zielgruppe falle.

Manche Momente fand ich wirklich intensiv, kraftvoll und ganz stark und erschütternd beschrieben, andere konnten mich nicht erreichen. Beim Lesen blieb manchmal eine gewisse Distanz zu den Figuren, das Buch konnte mich an solchen Stellen leider nicht so berührend und emotional mitnehmen, wie ich mir das gewünscht hätte. So kam es, dass ich im Gegensatz zu vielen anderen Menschen niemals beim Lesen weinen musste (einmal war ich immerhin kurz davor), obwohl ich eigentlich ein sehr emotionaler Mensch bin. Das Ende fand ich dann aber sehr gelungen und berührend, ich mochte es sehr.

„Meine Mum und mein Dad haben nie etwas aufbewahrt. ‚Wir sind wie rollende Steine‘, hatte meine Mutter mehr als ein Mal erklärt, ‚wir setzen kein Moos an.‘“ E-Book, Position 587

Protagonist & Figuren (+/-)

Dylan konnte mich als Protagonist überzeugen, ich mochte seine ruhige, nachdenkliche Art und fand es ganz wunderbar, wie er auf seinen Bruder aufpasst und ihm hilft, diese schwierige Zeit durchzustehen. Auch Griff war mir sympathisch, auch wenn es oft schwer ist, herauszufinden, was in ihm vorgeht, da er seine Trauer oft durch Rückzug, Wut und Verschlossenheit zeigt. Sein Verhalten, diesen Kampf mit den Emotionen, beschreibt die Autorin im Buch wirklich sehr authentisch. Dylan kam mir interessanterweise beim Lesen immer viel jünger vor als 15 Jahre. Auf mich wirkten aber beide Jungen für ihr Alter noch recht kindlich, bei Dylan war mir das stellenweise etwas zu viel.

Die Nebenfiguren waren ebenfalls gut ausgearbeitet, erhalten Stärken, Schwächen und sind interessante Persönlichkeiten. Besonders gern mochte ich hier natürlich wieder die tierischen Mitbewohner, deren bedingungslose Liebe und Unterstützung sehr anschaulich geschildert wurden. Dennoch konnten mich die Nebencharaktere nicht ganz erreichen und begeistern, es blieb eine gewisse Distanz, auch hier hätte ich mir bei manchen Figuren mehr Einzigartigkeit, Unverwechselbarkeit und Tiefe gewünscht.

„Wenn ich gekonnt hätte, hätte ich mir die Fernbedienung geschnappt und diese ganze schreckliche Geschichte einfach weggezappt. Und dann wäre ich losgerannt zum nächstfernen Ort und für immer dort geblieben.
Doch das ging nun mal nicht.
Weil da noch andere Leute mit mir in diesem Film waren. In diesem Auto.
Und einer von ihnen brauchte mich.“ E-Book, Pos. 179

„Und in diesem Augenblick wollte ich ihn unbedingt berühren. Ich musste einfach. Also nahm ich seine Hand, so wie Eva vorhin, und versuchte es noch einmal. ‚Es geht jetzt nur um dich, Griff,‘ flüsterte ich. ‚Nur um dich. Und ich verspreche dir, dass ich stark sein werde und dir da durchhelfe.‘“ E-Book, Position 311

Spannung & Atmosphäre (+)

Nach dem schrecklichen Unfall am Beginn des Buches wollte ich unbedingt wissen, wie es den Jungen mit ihrer Trauer ergehen würde und ich habe sie gerne auf ihrem Weg begleitet. Auch wenn „Der nächstferne Ort“ ein ruhiges, stilles Buch ist, wurde mir beim Lesen niemals langweilig. Eine wirklich überraschende Wendung, mit der ich in diesem Jugendbuch niemals gerechnet hätte, hat die Autorin übrigens auch eingebaut. Nur wenige Seiten vor der Enthüllung wusste ich plötzlich viele kleine Puzzlesteinchen und Zeichen zu deuten. Hayley Long hat das extrem geschickt gemacht – wenn man sich manche Szenen im Nachhinein noch einmal durchliest, wird das besonders deutlich (weshalb ich es euch dringend empfehlen möchte). Toll!

Geschlechterrollen (+)

Hier gibt es kaum etwas auszusetzen, die Frauen im Buch sind stark und selbstbewusst und lassen sich nichts gefallen. Dabei haben sie angesehene Berufe und arbeiten in Führungspositionen. Lediglich entsteht das Gefühl, dass die Frauen vermehrt zu Hause kochen, hier hätte ich mir gewünscht, das auch einmal bewusst ein Mann beim Kochen gezeigt wird.

Mein Fazit

„Der nächstferne Ort“ ist ein gelungenes Jugendbuch, das schwierige Themen wie Trauer(bewältigung), Freundschaft, Hoffnung, Liebe und die Frage danach, was eine Heimat ausmacht, gelungen, tiefgründig und altersadäquat behandelt. Der einfache, angenehme Schreibstil mit seiner besonderen, innovativen Formatierung und seiner eindringlichen Schilderung der Gefühle und Gedanken der Figuren konnte mich ebenso überzeugen wie die liebevolle Zeichnung des Protagonisten und der vollkommen unerwartete Twist. Bei einigen Nebenfiguren hätte man noch mehr in die Tiefe gehen können, ich hätte mich stellenweise über noch etwas mehr Unverwechselbarkeit, Tiefe und Einzigartigkeit gefreut. Trotz der Bemühungen der Autorin und manch erschütternder, kraftvoller, intensiver Szene war bei mir in anderen Momenten eine gewisse Distanz zur Geschichte vorhanden und ich habe leider nicht so mitgelitten und war nicht emotional so stark involviert, wie ich mir das gewünscht hätte. Kurz: „Der nächstferne Ort“ ist ein überzeugendes, sensibel geschriebenes Jugendbuch, das mir gut gefallen hat und das ich ohne Zögern Jugendlichen empfehlen würde – um ein absolutes Lieblingsbuch zu sein, fehlte mir aber hier und da das gewisse Etwas.

Bewertung

Idee, Themen, Botschaft: 4 Sterne
Worldbuilding: 4 Sterne
Ausführung: 4 Sterne
Einstieg: 4,5 Sterne
Schreibstil: 4 Stern
Protagonist: 4 Sterne
(Neben)Figuren: 3-4 Sterne
Atmosphäre: 4 Sterne
Spannung: 4 Sterne
Ende: 5 Sterne ♥
Emotionale Involviertheit: 3-4 Sterne
Geschlechterrollen: +

Insgesamt:

❀❀❀❀ Lilien

Dieses Buch bekommt von mir 4 zufriedene Lilien!

Veröffentlicht am 28.07.2018

Locker-flockiger Jugendroman mit einem Protagonisten, der einem schnell ans Herz wächst

Love, Simon (Filmausgabe) (Nur drei Worte – Love, Simon)
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Kurzrezension mit leichten Spoilern, die länger geworden ist als erwartet.

Inhalt

Schon seit einiger Zeit tauscht der 17-jährige Simon sich mit Blue, einem Schüler seiner Schule, per Mail über seine ...

Kurzrezension mit leichten Spoilern, die länger geworden ist als erwartet.

Inhalt

Schon seit einiger Zeit tauscht der 17-jährige Simon sich mit Blue, einem Schüler seiner Schule, per Mail über seine Wünsche und Geheimnisse aus. Eines dieser Geheimnisse ist die Tatsache, dass Simon wie Blue schwul ist, er allerdings noch nicht bereit ist, sich zu outen. Eines Tages findet jedoch ein Mitschüler die Mails auf dem Schulcomputer und beginnt, Simon systematisch damit zu erpressen…

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Einzelband
Verlag: Balzer & Bray / Harperteen
Seitenzahl: 336
Altersempfehlung: 12-17 Jahre
Erzählweise: Ich-Erzähler, Präsens
Perspektive: aus weiblicher Perspektive (Cat)
Kapitellänge: mittel bis kurz
Tiere im Buch: + Es wird zwar beschrieben, dass der Protagonist früher gerne angelte, jedoch werden alle Tiere, die im Buch vorkommen (Bieber, der Hund der Familie) sehr gut behandelt und sehr geliebt.

Warum dieses Buch? Verfilmung?

Dafür gab es viele Gründe: Das Buch hat wahnsinnig gute Bewertungen, wird von einem großen Hype umrankt, beschäftigt sich mit einem interessanten Thema (besonders als angehende Lehrerin interessant) und wurde gerade verfilmt. Zum Film möchte ich übrigens gleich eines sagen: Mir hat er wirklich unheimlich gut gefallen, vielleicht sogar besser als das Buch. Ich habe Tränen gelacht, es gab aber ebenso ernste, traurige und wütend machende Momente. Daher möchte ich euch (und engstirnigen / konservativen / homophoben Menschen sowieso) den Film dringend ans Herz legen!

Meine Meinung

Einstieg (+)

Die Story startet mit dem Tag, an dem ein Mitschüler die Mails findet. Ich habe sofort in die Geschichte gefunden und wollte unbedingt wissen, wie es weitergeht.

Schreibstil (+)

Der Schreibstil ist sehr einfach, flüssig und angenehm zu lesen, wenn auch nicht besonders poetisch oder erinnerungswürdig. Becky Albertallis locker-flockige, humorvolle Art zu erzählen und die positive, fröhliche Grundstimmung im Buch machen die Lektüre zu einem kurzweiligen, unterhaltsamen Leseerlebnis (perfekt bei einem Jugendroman).

„It was like he had pulled the ideas from my head.
Like the way you can memorize someone’es gestures but never know their thoughts. And the feeling that people are like houses with vast rooms and tiny windows.“ E-Book, Position 451

Englisch (Schwierigkeit 1/3) – leicht

Wenn ihr gerade noch überlegt, ob ihr euch dieses Buch auf Englisch zutrauen könnt: Ja, definitiv – der einfache Schreibstil macht es auch WiedereinsteigerInnen leicht, der Geschichte zu folgen (das Buch eignet sich daher perfekt für Wortschatzarbeit). Mein Tipp: Auf einem E-Reader lesen, dann können die max. 2-3 unbekannten Wörter pro Seite bequem nachgeschlagen werden (meist sind sie aber auch problemlos aus dem Kontext erschließbar).

Inhalt, Themen, Botschaften, Ende & eine kleine Anekdote zum Thema Homophobie unter jungen Menschen (♥)

Abwechselnd begleiten wir Simon und erhalten Einblick in die Mails zwischen ihm und Blue; diese beiden Teile der Geschichte greifen immer perfekt ineinander und verraten uns viel über Simons Innenleben.

Der Jugendroman behandelt Themen, die für die Zielgruppe (aber auch Erwachsenen sei dieses Buch ans Herz gelegt!) relevant sind, wie Selbstfindung, Abnabelung von der Familie, Freundschaft, erste Liebe, Mobbing, Vertrauen und die Konsequenzen von Fehlern. Natürlich steht aber auch noch ein anderes wichtiges Thema im Fokus: der Umgang mit der eigenen Homosexualität und die Befürchtungen rund ums bevorstehende Outing. Ich finde es toll, dass dieses Buch verfilmt wurde, denn so erreicht es bestimmt noch mehr Menschen, fördert damit Toleranz, enttarnt Vorurteile und ermutigt und unterstützt vielleicht sogar so manche/n Betroffene/n. Denn leider werden Homosexuelle immer noch angefeindet, beleidigt oder sogar angegriffen.

Leider ist mir nämlich in letzter Zeit vermehrt aufgefallen, dass immer noch viele Jugendliche und Kinder extrem von ihren konservativen, homophoben Elternhäusern geprägt sind, dass sie nichts über das Thema wissen und bei einem Outing immer noch Angst vor Mobbing haben müssen („Du bist schwul!“ ist immer noch eine beliebte Beleidigung). Dazu eine winzige Anekdote aus dem NachhilfelehrerInnen-Alltag (ich verspreche, dass dies der einzige Bereich sein wird, indem ich das selbstauferlegte Wortlimit sprengen werde): Vor einigen Monaten gab ich einer Gruppe aus mehreren Jungen im Alter von etwa 12-14 Jahren Nachhilfe. Nachdem „schwul“ als Beschimpfung eingesetzt wurde, sagte ich: „Na, und selbst wenn er schwul wäre, wäre doch nichts dabei. Wir sind nicht mehr im Mittelalter, heute darf jeder so leben, wie es ihm gefällt und wie es ihn glücklich macht. Egal ob er Männer oder Frauen oder beides liebt.“ Erstaunt und traurig gemacht hat mich die Reaktion der Kinder: Mit schockiert eingefroren Gesichtern warfen sie sich gegenseitig unsichere, beschämte Blicke zu, als hätte ich gerade etwas absolut Entsetzliches, Schockierendes gesagt wie zum Beispiel ein derbes Schimpfwort. –> Das war mein persönlicher Facepalm-Moment in der letzten Zeit. Das alles hat sich in einer eher ländlichen Gegend abgespielt, dennoch ist die Intoleranz der Jugendlichen für mich unglaublich. Bestimmt hat noch niemand mit ihnen über das Thema gesprochen, etwaige schwule, lesbische oder bisexuelle KlassenkameradInnen haben es mit Sicherheit sehr schwer.

Die Beschäftigung mit dem Thema (es war wichtig, wurde aber nicht irgendwie übertrieben in den Mittelpunkt gerückt, sondern als natürlicher Teil von Simons Leben präsentiert) hat mir an sich gut gefallen, jedoch hätte man beim Dekonstruieren von Klischees und Vorurteilen und generell bei manchen Aspekten noch mehr in die Tiefe gehen können. Hierfür gibt es einen Stern Abzug.

Protagonist (♥)

Simon ist ein komplexer, sich selbst reflektierender, sehr sympathischer Protagonist, der mir beim Lesen durch sein großes Herz und seine authentisch geschilderten Probleme und Ängste sofort ans Herz gewachsen ist. Die meisten Jugendlichen (egal ob weiblich oder männlich) werden sich mit ihm identifizieren können, und auch ich wurde durch die Schilderungen davon, wie er sich durch den täglichen High-School-Wahnsinn kämpft, an meine eigene Schulzeit zurückversetzt.

Figuren (+)

Auch die anderen Figuren sind großteils liebevoll gezeichnet, manche Figuren und ihre Beziehungen untereinander (z. B. Nora, Simons Schwester) hätte die Autorin hierbei noch genauer ausbauen / ausarbeiten können.

Spannung & Atmosphäre (+)

Es wird niemals langweilig, Becky Albertalli kreiert eine Geschichte, deren Ausgang man unbedingt erfahren will. Immer wieder gibt es positive und negative Höhepunkte in Simons Leben, bei denen ich richtig mitfühlen, mitleiden und mich mitfreuen konnte. Toll!

Humor (+)

Der Humor, der immer wieder durchkommt, ist meiner Meinung nach sehr charmant eingearbeitet und konnte mich ebenfalls überzeugen.

Love is in the Air (♥)

Die Liebesgeschichte hat mir sehr gut gefallen; man spürt, wie sich die Zuneigung von Blue und Simon immer stärker aufbaut und ist natürlich mehr als gespannt, wer sich hinter dem mysteriösen Pseudonym versteckt. Das Ende fand ich schön, vielleicht etwas zu märchenhaft (im echten Leben kann das Outing mit Sicherheit auch viel schwieriger sein, da Simon schon in einem recht modernen, toleranten Umfeld lebt), aber es brachte die Geschichte zu einem süßen, runden Ende, das mich sehr zufrieden zurückgelassen hat. Denn genau das wünscht man sich für Simon: dass er glücklich wird.

Geschlechterrollen (+)

Auch bei diesem Punkt kann die Autorin überwiegend punkten: Männer dürfen weinen und Mädchen dürfen stark und wild sein und Jungen verteidigen; Simons Mutter hat außerdem einen Job als Psychologin und wird als sehr intelligent präsentiert. Nicht gefallen hat mir die seltene Verwendung des Wortes „Bit***“, auch wenn es hierbei keine wirklich problematischen Szenen gab. Inwieweit es der Autorin gelungen ist, sich in einen homosexuellen Teenager hineinzuversetzen, kann ich vermutlich nicht wirklich beurteilen (das können nur Menschen, die selbst betroffen sind), aber ich fand ihn sehr authentisch und gut ausgearbeitet. Einen dicken Extrapunkt gibt es zudem dafür, dass auf das Thema Vielfalt und Diversität großer Wert gelegt wurde!

Mein Fazit

„Simon vs. the Homosapiens Agenda“ ist ein flüssig und locker-flockig geschriebener Jugendroman, dessen positive Grundstimmung das Buch zu einer unterhaltsamen, kurzweiligen Lektüre macht. Die Autorin erschafft eine authentische, sehr sympathische Hauptfigur, die einem schnell ans Herz wächst und kann auch mit ihren (diversen) Nebenfiguren überzeugen. Es werden Homosexualität und weitere wichtige Themen aufgegriffen und angemessen behandelt. Jedoch hätte die Autorin bei einigen Aspekten durchaus noch mehr in die Tiefe gehen dürfen. Dieses Buch sollte in jeder Schulbibliothek enthalten sein und auch besonders intoleranten / homophoben Menschen ans Herz gelegt werden. Meine Hoffnung ist, dass dieses emotionale Buch seinen kleinen Beitrag dazu leistet, dass unsere Welt eine freiere, tolerantere, friedlichere und glücklichere wird.

Leseempfehlung: Uneingeschränkte Leseempfehlung!

Bewertung

Idee, Themen, Botschaft: 4 Sterne
Worldbuilding: 5 Sterne
Ausführung: 4 Sterne
Einstieg: 5 Sterne
Schreibstil: 4 Sterne
Protagonist: 5 Sterne ♥
Nebenfiguren: 4 Sterne
Atmosphäre: 4,5 Sterne
Spannung: 4 Sterne
Liebesgeschichte: 5 Sterne ♥
Ende: 5 Sterne ♥
Emotionale Involviertheit: 5 Sterne ♥
Geschlechterrollen: +

Insgesamt:

❀❀❀❀ Lilien

Dieses Buch bekommt von mir 4 zufriedene Lilien!

Veröffentlicht am 12.07.2018

Ermutigendes Buch mit wichtiger Botschaft: Lasst euch von niemandem aufhalten, Mädchen!

Power Women – Geniale Ideen mutiger Frauen
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Inhalt

Offiziell sind Frauen und Männer bei uns gleichberechtigt, die Praxis schaut oft leider ganz anders aus. Immer noch werden Frauen beruflich benachteiligt, immer noch wird teilweise von ihnen erwartet, ...

Inhalt

Offiziell sind Frauen und Männer bei uns gleichberechtigt, die Praxis schaut oft leider ganz anders aus. Immer noch werden Frauen beruflich benachteiligt, immer noch wird teilweise von ihnen erwartet, sich alleine um Kinder und Haushalt zu kümmern. Immer noch hören Mädchen: „Fußball? Mathematik? Naturwissenschaften? Das ist doch etwas für Jungs!“ In Zeiten wie diesen, in denen fälschlicherweise viele Menschen denken, der Feminismus hätte alles erreicht und werde nicht mehr benötigt, brauchen wir ein solches Buch umso mehr. Es erzählt jungen LeserInnen die Geschichten von 25 mutigen Frauen, die sich um gesellschaftliche Erwartungen an ihr Geschlecht nicht gekümmert haben, stattdessen lieber großartige Leistungen gebracht, für Bildung, Gleichberechtigung, die Umwelt oder Menschenrecht gekämpft und die Welt damit verändert haben…

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Einzelband
Genre: Sachbuch für Kinder ab 10 Jahren
Verlag: Ars Edition
Seitenzahl: 112
Erzählweise: sachlicher Schreibstil (Sachbuch)
Tiere im Buch: +/- Es wird beschrieben, dass eine der Frauen als Kind gerne Ratten jagte (und vermutlich auch tötete).

Warum dieses Buch?

Als Feministin weiß ich, wie wichtig es ist, Kindern, besonders Mädchen, schon in einem jungen Alter zu zeigen, dass sie sich gesellschaftlichen Erwartungen nicht beugen müssen, sondern sich genauso entfalten dürfen, wie sie wollen. Um jenen unangenehmen Menschen entgegenzuwirken, die immer noch behaupten, Frauen hätte in technischen Berufen oder in den Naturwissenschaften nichts verloren, brauchen jungen Mädchen Vorbilder, die ihnen zeigen, dass sie ebenso wie Jungen alles erreichen können, wenn sie nur hart genug dafür arbeiten. Wenn also ein Buch mit dem vielversprechenden Titel „Power Women“ erscheint, muss ich es (auch als angehende Lehrerin) unbedingt lesen.

Meine Meinung

Aufbau & Einstieg (+)

„Du siehst, dieses Buch ist fabelhaft. Aber es gibt etwas, das ist noch fabelhafter.
DU.
Und jetzt blättere um, fang an zu lesen … und dann verändere die Welt.“ Einleitung, S. 7

Der Aufbau ist übersichtlich und abwechlsungsreich. Nach einer kurzen, ermutigenden Einleitung folgen die Porträts der einzelnen Frauen, die jeweils aus einer Zusammenfassung mit einer prägnanten Beschreibung der Frau (wie „ägyptische Powerfrau“ für Cleopatra), einer Kurzbiographie, einem Bild, einem kurzen Steckbrief, einem erinnerungswürdigen Zitat und einer Frage-Antwort-Rubrik bestehen, in der versucht wird, Antworten auf Probleme Jugendlicher zu geben, die denen der wichtigen Persönlichkeit entsprechen. Am Ende des Buches befinden sich noch ein Zeitstrahl, der hilft einzuordnen, wann die verschiedenen Frauen gelebt haben/leben und ein kurzer Test, der einem verrät, welcher von fünf Persönlichkeiten man am meisten ähnelt.

Inhalt (+/-)

Die 25 in diesem Buch vorgestellten Frauen sind sehr gut ausgewählt. Sie stammen aus ganz verschiedenen Epochen, das Buch behandelt sowohl Cleopatra, die 69 v. Chr. geboren wurde als auch Emma Watson, die sich als junge erfolgreiche Schauspielerin heute für Frauenrechte einsetzt. Auch verschiedenste Nationalitäten wurden berücksichtigt, Frauen aus Pakistan, Afrika, England, Polen und Japan werden thematisiert. Es handelt sich also um ein Buch, das auf Diversität großen Wert legt, dafür gibt es schon einmal einen großen Pluspunkt. Die Leistungen der weiblichen Legenden sind vielfältig und reichen von bahnbrechenden Entdeckungen in den Naturwissenschaften über friedlichen Protest gegen Rassismus bis hin zum mutigen Einsatz für Bildung und Umwelt. Jede der Frauen musste auf ihrem Weg zum Ziel gegen vielfältige Hindernissen ankämpfen, aber für jede hat sich der Kampf gelohnt. Für jedes Mädchen ist hier ohne Zweifel jemand dabei, mit dem es sich identifizieren kann. Es ist ein Buch, das Mut macht und Selbstbewusstsein verleiht. „Ihr könnt alles erreichen, was auch ein Mann erreichen kann. Lasst euch von niemandem aufhalten!“, ist die wichtige Botschaft. Dieses Sachbuch leistet vor allem deshalb einen essentiellen Beitrag, weil (auch in der Schule) oft genug noch auf die Leistungen der weiblichen Wissenschaftlerinnen und Menschenrechtlerinnen „vergessen“ wird.

„Garri Kasparow, einer der besten Spieler aller Zeiten, sagte einmal über Judit Polgár: ‚Sie ist ein riesiges Schachtalent, aber sie ist nun mal eine Frau … Keine Frau kann eine lange, zermürbende Schlacht durchstehen.‘ Natürlich irrte er sich. Und we änderte seine Meinung, nachdem er 2002 zum ersten Mal von einer Frau besiegt wurde – nämlich von Judit Polgár.“ S. 92

Obwohl die Idee also ohne Frage eine großartige, dringend notwendige ist, gibt es kleinere Schwächen bei der Ausführung. Zum einen waren mir die Biographien oft zu sachlich und kurz, es wurde sehr wenig auf die Persönlichkeiten der Frauen eingegangen. Die oft nüchternen Beschreibungen ihrer Leben könnten schnell langweilig auf das Zielpublikum wirken. Hier hätte ich mir spannendere Texte gewünscht, die einen bleibenderen Eindruck hinterlassen, auf einer tieferen Ebene berühren/nachhallen und ein besseres Gefühl für die beschriebene Person vermitteln. Auch die Frage-Rubriken und den Test am Ende fand ich zwar sehr charmant und eine tolle Idee, teilweise aber etwas zu oberflächlich umgesetzt. Nicht gefallen hat mir, dass sich manche Ratschläge wiederholten und dass oft der erste Satz lautete: Was XY getan/gesagt hätte, wissen wir leider auch nicht, aber wir denken… Hier hätte man den Platz nutzen können, um bessere Antworten zu geben. Beim Test am Ende hätte ich zudem nicht nur auf die Porträts verwiesen, sondern die Persönlichkeit der Frauen noch einmal prägnant zusammengefasst, damit man auch ein unmittelbares Ergebnis erhält. Dennoch finde ich die Idee, in einem Sachbuch für Kinder/Jugendliche auch auf den Erfahrungshorizont der Zielgruppe einzugehen, das Buch so zugänglicher zu machen und mit dem interaktiven Test die LeserInnen aktiv werden zu lassen, sehr modern und gelungen. Wenn beim nächsten Buch noch ein paar Anpassungen vorgenommen werden, kann dieser Aspekt zu einer großen Bereicherung werden.

Schreibstil (+/-)

Den Schreibstil fand ich prinzipiell sehr gelungen. Er glänzt stellenweise durch Lockerheit und Humor, ist oft jedoch auch sachlich und nüchtern. Möglicherweise jedoch zu trocken und nüchtern für die junge Zielgruppe. Gut fand ich, dass unbekannte Begriffe oft sofort in Klammer erklärt wurden, nicht so gut gefallen hat mir allerdings, dass der Wortschatz an manchen Stellen für das junge Publikum nicht passend war. Was können 10-Jährige zum Beispiel mit (Fach)Worten wie „Tunneln“, „ausgebootet“ und „Bewusstseinsstrom“ anfangen, wenn sie nicht näher beschrieben werden? Hier hätte ich mir manchmal noch zusätzliche Erklärungen gewünscht.

Illustrationen (+)

Die Illustrationen sind wundervoll, farbenfroh und lebendig und decken verschiedene Kunststile ab. Nicht jede Zeichnung traf hier ganz meinen Geschmack, dennoch sind sie, objektiv betrachtet, alle sehr gelungen und zeigen die Frauen entweder in interessanten, charakterstarken Nahaufnahmen oder in aktiven, teilweise kämpferischen Posen, die sehr gut die Persönlichkeit einfangen. Und da es hier so eine große Vielfalt gibt, ist bestimmt für jeden Geschmack etwas dabei.

Geschlechterrollen & Vielfältigkeit (♥)

Da es sich hier um ein feministisches Buch handelt, das Mädchen ermutigt, Großes zu leisten und auf gesellschaftliche Erwartungen nichts zu geben, und da verschiedenste Frauen aus aller Welt vertreten sind, erhält dieses Buch hier alle Punkte! Juhu!

„All die männlichen Helden senkten ergeben das Haupt; nur die zwei Schwestern erhoben sich stolz, um das Land zu rächen.“ Vietnamesisches Gedicht aus dem 15. Jahrhundert, zitiert im Buch auf Seite 15

Mein Fazit

„Power Women“ ist ein wichtiges Buch, das Mädchen ermutigt, stark, mutig und selbstbewusst zu sein und sich von niemandem (auch nicht den gesellschaftlichen Erwartungen) aufhalten zu lassen. Dieses Buch präsentiert eindrucksvolle Vorbilder, die mit ihren großartigen Leistungen die Welt verändert haben. Der Aufbau ist sehr übersichtlich und abwechslungsreich, die Idee, auf den Erfahrungshorizont der Kinder einzugehen, wundervoll. Dennoch gibt es sowohl beim Schreibstil als auch was die Tiefe betrifft kleinere Schwächen (stellenweise eher trockene Biographien, die nicht wirklich berühren/nachhallen), die dazu führen, dass ich einen Stern abziehe. Dennoch sei dieses Buch allen Eltern, Patenonkeln/-tanten etc. und Kindern ans Herz gelegt, denen Gleichberechtigung ein wichtiges Anliegen ist (und das sollten ohnehin alle sein, denn wer würde schließlich wollen, dass ein Geschlecht benachteiligt wird?). Auch wenn das Buch also nicht perfekt ist, gibt es von mir eine Kaufempfehlung!

Empfehlung: Dringende Kaufempfehlung, besonders als Geschenk für Mädchen. Aber auch Jungen wird es nicht schaden, herauszufinden, welche tollen Leistungen diese 25 Frauen erbracht haben und dass Frauen ebenso großartig sein können wie Männer.

Bewertung

Idee: 5 Sterne ♥
Struktur: 5 Sterne ♥
Ausführung: 4 Sterne
Schreibstil: 3,5 Sterne
Illustrationen: 4,5 Sterne
Tiefe: 3 Sterne
Vielfältigkeit: ♥
Rollenbilder: ♥

Insgesamt:

❀❀❀❀ Lilien

Dieses Buch erhält von mir vier gute Lilien!

Veröffentlicht am 30.06.2018

Herzerwärmender, humorvoller Roman mit liebevoll ausgearbeiteten Figuren

Miss Gladys und ihr Astronaut
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Spoilerfreie Rezension!


Inhalt

Zuerst will niemand es Gladys glauben, hat die alte Dame, die schon auf die 71 zugeht, doch beginnende Demenz: Sie behauptet, sie habe mit dem wohl weltweit bekanntesten ...

Spoilerfreie Rezension!


Inhalt

Zuerst will niemand es Gladys glauben, hat die alte Dame, die schon auf die 71 zugeht, doch beginnende Demenz: Sie behauptet, sie habe mit dem wohl weltweit bekanntesten Astronauten gesprochen – mit Thomas Major. Der mürrische Mann, der als erster Mensch den Mars besiedeln wird und sich in erster Linie in den Weltraum schießen ließ, um von der Welt und ihren grässlichen Bewohnern fortzukommen, hat sich eigentlich nur verwählt. Bald wird jedoch klar, dass Gladys und ihre Familie in großen Schwierigkeiten stecken. Vielleicht ist ein Astronaut ja genau das, was sie in ihrer verzwickten Lage noch retten kann…

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Einzelband
Erzählweise: Figuraler Erzähler, Präsens
Perspektive: aus verschiedenen Perspektiven (männlich und weiblich)
Kapitellänge: kurz bis mittel
Tiere im Buch: - Es wird eine Kuh überfahren und der Vorfall als lustig dargestellt. Auch von genmanipulierten Tieren (hierbei werden auch Züchtungen angedeutet, die als tierquälerisch einzustufen sind) wird berichtet.

Warum dieses Buch?

Ich habe vor dem Lesen so viel Gutes über dieses Buch gehört, und der Klappentext versprach eine ganz und gar ungewöhnliche, interessante Geschichte. Da konnte ich natürlich wieder nicht wiederstehen! Das ungewöhnliche, kreative Cover verstärkte meinen Wunsch, das Buch zu lesen, nur noch zusätzlich.

Meine Meinung

Einstieg (+)

Ich habe das Buch parallel als Buch und Hörbuch gelesen/gehört, weswegen ich hier auch auf den Aspekt des Sprechers näher eingehen werde. Begonnen habe ich mit dem Hörbuch, und ich hatte überhaupt keine Probleme, in die Geschichte zu finden. Der Sprecher, der sich so viel Mühe gegeben hat (dazu später mehr), hat mir den Einstieg sehr angenehm gemacht. Sofort wollte ich wissen, wie es mit der chaotischen Familie um Gladys und mit dem mürrischen Astronauten weitergeht.

Inhalt, Themen & Botschaften (+)

David M. Barnett erzählt in „Miss Gladys und ihr Astronaut“ eine ungewöhnliche Geschichte, auf die man sich voll und ganz einlassen sollte. Wenn man ausblendet, dass sich die Story um Tom Major nicht immer ganz nahe an der Realität bewegt, wird man dieses kurzweilige, herzerwärmende Buch mit Sicherheit genießen können. Und dieser Roman eignet sich tatsächlich perfekt als Auszeit vom Alltagsstress: Beim Lesen oder Hören konnte ich vollkommen abschalten. Nur allzu gerne begleitet man Ellie, James und Gladys bei ihren Alltagsproblemen, und nur zu gerne lässt man sich von Thomas Major mit in seinen „Schuppen“ im All nehmen.

Beim Lesen kommt tatsächlich (bei all den Anspielungen auf David Bowie kein Wunder!) intensive Weltraumstimmung auf. Solltet ihr beim Lesen das plötzliche Bedürfnis verspüren, euch sämtliche „Space Oddity“-Cover anzuhören und Informationsvideos über das Leben im All anzusehen – ich kann euch beruhigen, das ist ganz normal! Besonders ans Herz legen möchte ich euch jenes Cover, das vom kanadischen Astronauten Chris Hadfield auf der Raumstation ISS aufgenommen wurde. Eines kann ich prophezeien: Nach dem Lesen werdet ihr die Macht der Schwerkraft gleich viel stärker wahrnehmen, und ein vages Fernweh wird euch im Herzen schmerzen. Dieser kleine Schmerz, liebe LeserInnen, ist die Sehnsucht nach Schwerelosigkeit, nach Durch-die-Luft-Schweben, nach einer Reise ins All.

Trotz der Leichtigkeit und der kuriosen Situationen und Wendungen, die die Geschichte durchziehen, gibt es immer wieder auch ernste, sogar traurige Momente, die nachdenklich machen. So gelingt es dem Autor, der Geschichte, die viele verschiedene Themen wie Schuld, Demenz, Alter, Fehler, verpasste Chancen, Trauer, Hoffnung, Mobbing, Familie und Zusammenhalt behandelt, durchaus zwischendurch auch Tiefe zu verleihen.

Schreibstil (+)

Der Schreibstil ist flüssig und sehr angenehm zu lesen. Dabei sind die Beschreibungen sehr anschaulich und machen es einfach, das Kopfkino anzuwerfen. Die Sätze bestehen hauptsächlich aus Satzgefügen, die Sprache ist also keinesfalls zu einfach oder gar plump. Im Gegenteil – meiner Meinung nach hat David M. Barnett für diese Geschichte die perfekte Sprache gewählt, denn dadurch ist dieser Roman herzerwärmend, witzig, traurig und hoch emotional!

Protagonistin & Figuren (+/-)

Die Figuren machen vielleicht die größte Stärke des Romans aus. Bis in die Nebenfiguren sind sie einmalig und liebevollst ausgearbeitet, jede Person hat ihre Stärken, Schwächen, Macken und ganz eigene (oft schmerzhafte) Vorgeschichte. Besonders glänzen können aber natürlich die Hauptfiguren. Sie sind dreidimensional und komplex und machen eine glaubwürdige Entwicklung durch. Zahlreiche Rückblenden erklären vor allem Toms Vergangenheit und machen es leichter, sein Verhalten zu verstehen. Diese Rückblenden haben mich zwar manchmal etwas aus dem Lesefluss gerissen, jedoch waren sie niemals belanglos oder langweilig, sondern gaben wichtige Hintergrundinformationen preis. Auch wenn die Charaktere sich nicht immer vollkommen sympathisch verhalten, werden ihre Handlungsmotive, Ängste und Sorgen deutlich und man kann gar nicht anders, als sie ins Herz zu schließen.

Besonders toll fand ich natürlich Gladys: Sowohl die ernsten, tragischen als auch die amüsanten Seiten ihrer Altersdemenz werden im Roman thematisiert, dabei wird die alte, teilweise recht naive Dame aber nie nur durch ihre Krankheit definiert: Im Gegenteil, sie hat eine starke Persönlichkeit und ihre ganz eigene Vorstellung davon, wie Probleme gelöst werden können. Eine tolle Figur! Einziger Wermutstropfen: Ich hätte mir gewünscht, noch mehr von Gladys und Major Toms Alltag zu lesen – hier wurde meiner Meinung nach Potential verschenkt.

Spannung & Atmosphäre (+)

Diesem Buch gelingt es hervorragend eine breite Palette von Gefühlen abzudecken: Die Geschichte lädt die Lesenden ein, mitzufühlen, mitzuhoffen und mitzuleiden und weckt Emotionen. Die Atmosphäre reicht von ernst, hoffnungslos, traurig und wütend über hoffnungsvoll, unbeschwert und glücklich bis hin zu amüsant. „Miss Gladys und ihr Astronaut“ ist stellenweise ein eher ruhiges Buch, das jedoch niemals langweilig wird. Immer wieder gibt es kleine, unerwartete Wendungen und natürlich will man wissen, wie die Geschichte schließlich für Ellie, James, Gladys und Major Tom ausgeht.

Humor (+/-)

Der Humor hat mir über weite Teile sehr gut gefallen. Mehrmals habe ich geschmunzelt oder sogar aufgelacht. An anderen Stellen jedoch wurde mein Humor jedoch leider gar nicht getroffen, hier waren mir die Witze zu flapsig und unangebracht.

Sprecher (♥)

Das Beste am Hörbuch war mit Sicherheit der hervorragende Sprecher, Simon Jäger. Er hat beim Lesen wirklich alles gegeben, viele Emotionen hineingelegt und mit seiner angenehmen Stimme souverän und talentiert durch die Geschichte geführt. Jede Figur erhält ihre eigene Stimme, besonders Gladys wurde wundervoll vertont! Das Buch wurde durch seine Sprechweise noch emotionaler, noch humorvoller, einfach insgesamt noch besser. Ich (als jemand, der schnell von fremden Stimmen genervt ist) werde den Sprecher im Hinterkopf behalten. Es wird mit Sicherheit nicht mein letztes Hörbuch von ihm bleiben.

Geschlechterrollen (+/-)

Hier bin ich zwiegespalten, da ich doch einige Kritikpunkte habe. Einerseits gibt es viele starke Frauenfiguren, die wissen, was sie wollen und das auch kommunizieren. Ellie ergreift zum Beispiel in Bezug auf Delil die Initiative, es gibt Frauen in Führungspositionen und generell selbstbewusste weibliche Figuren mit Vorbildwirkung. Andererseits gibt es teilweise auch unangebrachte Vergleiche, das alte Rollenverständnis, und das Wort „Schla***“ wird mehrfach benutzt, sowohl von Erwachsenen als auch von Kindern. Letzteres ist etwas, was ich ganz schlimm finde: dass schon so junge Menschen diese sexistischen Beschimpfungen verinnerlicht haben. Hier würde ich mir in Zukunft vom Autor mehr Sensibilität für dieses Thema wünschen, da Medien uns unbewusst stark beeinflussen können.

Mein Fazit

"Miss Gladys und ihr Astronaut" von David M. Barnett ist ein solider, herzerwärmender, humorvoller Roman, der vor allem mit seinem angenehmen Schreibstil und mit den liebevoll ausgearbeiteten Figuren punktet. Lediglich an manchen Stellen war mir der Humor zu flapsig und traf nicht ganz meinen Geschmack. Von Gladys und dem Alltag des Astronauten hätte ich zudem gerne mehr gelesen. Beim Lesen kommt richtige Weltraumstimmung auf (Musik-Tipp: Space Oddity von David Bowie und das Astronauten-Cover), und wenn man sich vollkommen auf die nicht immer ganz realistische Geschichte einlässt, wird man mit einem sehr kurzweiligen, angenehmen, durchaus tiefgründigen Leseerlebnis belohnt.

Empfehlung: Uneingeschränkte Leseempfehlung für alle, die dem Alltag einmal entfliehen möchten und Lust auf eine Reise ins Weltall haben.

Bewertung

Idee, Themen, Botschaft: 5 Sterne
Ausführung: 4 Sterne
Schreibstil: 4 Sterne
Protagonist/innen: 5 Sterne
Figuren: 4 Sterne
Atmosphäre: 4 Sterne
Spannung: 4 Sterne
Emotionale Involviertheit: 4,5 Sterne
Geschlechterrollen: +/-

Insgesamt:

❀❀❀❀ Lilien

Dieses Buch bekommt von mir 4 zufriedene Lilien!

Veröffentlicht am 30.06.2018

Herzerwärmender, humorvoller Roman mit liebevoll ausgearbeiteten Figuren

Miss Gladys und ihr Astronaut
0

Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Zuerst will niemand es Gladys glauben, hat die alte Dame, die schon auf die 71 zugeht, doch beginnende Demenz: Sie behauptet, sie habe mit dem wohl weltweit bekanntesten ...

Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Zuerst will niemand es Gladys glauben, hat die alte Dame, die schon auf die 71 zugeht, doch beginnende Demenz: Sie behauptet, sie habe mit dem wohl weltweit bekanntesten Astronauten gesprochen – mit Thomas Major. Der mürrische Mann, der als erster Mensch den Mars besiedeln wird und sich in erster Linie in den Weltraum schießen ließ, um von der Welt und ihren grässlichen Bewohnern fortzukommen, hat sich eigentlich nur verwählt. Bald wird jedoch klar, dass Gladys und ihre Familie in großen Schwierigkeiten stecken. Vielleicht ist ein Astronaut ja genau das, was sie in ihrer verzwickten Lage noch retten kann…

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Einzelband
Erzählweise: Figuraler Erzähler, Präsens
Perspektive: aus verschiedenen Perspektiven (männlich und weiblich)
Kapitellänge: kurz bis mittel
Tiere im Buch: - Es wird eine Kuh überfahren und der Vorfall als lustig dargestellt. Auch von genmanipulierten Tieren (hierbei werden auch Züchtungen angedeutet, die als tierquälerisch einzustufen sind) wird berichtet.

Warum dieses Buch?

Ich habe vor dem Lesen so viel Gutes über dieses Buch gehört, und der Klappentext versprach eine ganz und gar ungewöhnliche, interessante Geschichte. Da konnte ich natürlich wieder nicht wiederstehen! Das ungewöhnliche, kreative Cover verstärkte meinen Wunsch, das Buch zu lesen, nur noch zusätzlich.

Meine Meinung

Einstieg (+)

Ich habe das Buch parallel als Buch und Hörbuch gelesen/gehört, weswegen ich hier auch auf den Aspekt des Sprechers näher eingehen werde. Begonnen habe ich mit dem Hörbuch, und ich hatte überhaupt keine Probleme, in die Geschichte zu finden. Der Sprecher, der sich so viel Mühe gegeben hat (dazu später mehr), hat mir den Einstieg sehr angenehm gemacht. Sofort wollte ich wissen, wie es mit der chaotischen Familie um Gladys und mit dem mürrischen Astronauten weitergeht.

Inhalt, Themen & Botschaften (+)

David M. Barnett erzählt in „Miss Gladys und ihr Astronaut“ eine ungewöhnliche Geschichte, auf die man sich voll und ganz einlassen sollte. Wenn man ausblendet, dass sich die Story um Tom Major nicht immer ganz nahe an der Realität bewegt, wird man dieses kurzweilige, herzerwärmende Buch mit Sicherheit genießen können. Und dieser Roman eignet sich tatsächlich perfekt als Auszeit vom Alltagsstress: Beim Lesen oder Hören konnte ich vollkommen abschalten. Nur allzu gerne begleitet man Ellie, James und Gladys bei ihren Alltagsproblemen, und nur zu gerne lässt man sich von Thomas Major mit in seinen „Schuppen“ im All nehmen.

Beim Lesen kommt tatsächlich (bei all den Anspielungen auf David Bowie kein Wunder!) intensive Weltraumstimmung auf. Solltet ihr beim Lesen das plötzliche Bedürfnis verspüren, euch sämtliche „Space Oddity“-Cover anzuhören und Informationsvideos über das Leben im All anzusehen – ich kann euch beruhigen, das ist ganz normal! Besonders ans Herz legen möchte ich euch jenes Cover, das vom kanadischen Astronauten Chris Hadfield auf der Raumstation ISS aufgenommen wurde. Eines kann ich prophezeien: Nach dem Lesen werdet ihr die Macht der Schwerkraft gleich viel stärker wahrnehmen, und ein vages Fernweh wird euch im Herzen schmerzen. Dieser kleine Schmerz, liebe LeserInnen, ist die Sehnsucht nach Schwerelosigkeit, nach Durch-die-Luft-Schweben, nach einer Reise ins All.

Trotz der Leichtigkeit und der kuriosen Situationen und Wendungen, die die Geschichte durchziehen, gibt es immer wieder auch ernste, sogar traurige Momente, die nachdenklich machen. So gelingt es dem Autor, der Geschichte, die viele verschiedene Themen wie Schuld, Demenz, Alter, Fehler, verpasste Chancen, Trauer, Hoffnung, Mobbing, Familie und Zusammenhalt behandelt, durchaus zwischendurch auch Tiefe zu verleihen.

Schreibstil (+)

Der Schreibstil ist flüssig und sehr angenehm zu lesen. Dabei sind die Beschreibungen sehr anschaulich und machen es einfach, das Kopfkino anzuwerfen. Die Sätze bestehen hauptsächlich aus Satzgefügen, die Sprache ist also keinesfalls zu einfach oder gar plump. Im Gegenteil – meiner Meinung nach hat David M. Barnett für diese Geschichte die perfekte Sprache gewählt, denn dadurch ist dieser Roman herzerwärmend, witzig, traurig und hoch emotional!

Protagonistin & Figuren (+/-)

Die Figuren machen vielleicht die größte Stärke des Romans aus. Bis in die Nebenfiguren sind sie einmalig und liebevollst ausgearbeitet, jede Person hat ihre Stärken, Schwächen, Macken und ganz eigene (oft schmerzhafte) Vorgeschichte. Besonders glänzen können aber natürlich die Hauptfiguren. Sie sind dreidimensional und komplex und machen eine glaubwürdige Entwicklung durch. Zahlreiche Rückblenden erklären vor allem Toms Vergangenheit und machen es leichter, sein Verhalten zu verstehen. Diese Rückblenden haben mich zwar manchmal etwas aus dem Lesefluss gerissen, jedoch waren sie niemals belanglos oder langweilig, sondern gaben wichtige Hintergrundinformationen preis. Auch wenn die Charaktere sich nicht immer vollkommen sympathisch verhalten, werden ihre Handlungsmotive, Ängste und Sorgen deutlich und man kann gar nicht anders, als sie ins Herz zu schließen.

Besonders toll fand ich natürlich Gladys: Sowohl die ernsten, tragischen als auch die amüsanten Seiten ihrer Altersdemenz werden im Roman thematisiert, dabei wird die alte, teilweise recht naive Dame aber nie nur durch ihre Krankheit definiert: Im Gegenteil, sie hat eine starke Persönlichkeit und ihre ganz eigene Vorstellung davon, wie Probleme gelöst werden können. Eine tolle Figur! Einziger Wermutstropfen: Ich hätte mir gewünscht, noch mehr von Gladys und Major Toms Alltag zu lesen – hier wurde meiner Meinung nach Potential verschenkt.

Spannung & Atmosphäre (+)

Diesem Buch gelingt es hervorragend eine breite Palette von Gefühlen abzudecken: Die Geschichte lädt die Lesenden ein, mitzufühlen, mitzuhoffen und mitzuleiden und weckt Emotionen. Die Atmosphäre reicht von ernst, hoffnungslos, traurig und wütend über hoffnungsvoll, unbeschwert und glücklich bis hin zu amüsant. „Miss Gladys und ihr Astronaut“ ist stellenweise ein eher ruhiges Buch, das jedoch niemals langweilig wird. Immer wieder gibt es kleine, unerwartete Wendungen und natürlich will man wissen, wie die Geschichte schließlich für Ellie, James, Gladys und Major Tom ausgeht.

Humor (+/-)

Der Humor hat mir über weite Teile sehr gut gefallen. Mehrmals habe ich geschmunzelt oder sogar aufgelacht. An anderen Stellen jedoch wurde mein Humor jedoch leider gar nicht getroffen, hier waren mir die Witze zu flapsig und unangebracht.

Sprecher (♥)

Das Beste am Hörbuch war mit Sicherheit der hervorragende Sprecher, Simon Jäger. Er hat beim Lesen wirklich alles gegeben, viele Emotionen hineingelegt und mit seiner angenehmen Stimme souverän und talentiert durch die Geschichte geführt. Jede Figur erhält ihre eigene Stimme, besonders Gladys wurde wundervoll vertont! Das Buch wurde durch seine Sprechweise noch emotionaler, noch humorvoller, einfach insgesamt noch besser. Ich (als jemand, der schnell von fremden Stimmen genervt ist) werde den Sprecher im Hinterkopf behalten. Es wird mit Sicherheit nicht mein letztes Hörbuch von ihm bleiben.

Geschlechterrollen (+/-)

Hier bin ich zwiegespalten, da ich doch einige Kritikpunkte habe. Einerseits gibt es viele starke Frauenfiguren, die wissen, was sie wollen und das auch kommunizieren. Ellie ergreift zum Beispiel in Bezug auf Delil die Initiative, es gibt Frauen in Führungspositionen und generell selbstbewusste weibliche Figuren mit Vorbildwirkung. Andererseits gibt es teilweise auch unangebrachte Vergleiche, das alte Rollenverständnis, und das Wort „Schla***“ wird mehrfach benutzt, sowohl von Erwachsenen als auch von Kindern. Letzteres ist etwas, was ich ganz schlimm finde: dass schon so junge Menschen diese sexistischen Beschimpfungen verinnerlicht haben. Hier würde ich mir in Zukunft vom Autor mehr Sensibilität für dieses Thema wünschen, da Medien uns unbewusst stark beeinflussen können.

Mein Fazit

"Miss Gladys und ihr Astronaut" von David M. Barnett ist ein solider, herzerwärmender, humorvoller Roman, der vor allem mit seinem angenehmen Schreibstil und mit den liebevoll ausgearbeiteten Figuren punktet. Lediglich an manchen Stellen war mir der Humor zu flapsig und traf nicht ganz meinen Geschmack. Von Gladys und dem Alltag des Astronauten hätte ich zudem gerne mehr gelesen. Beim Lesen kommt richtige Weltraumstimmung auf (Musik-Tipp: Space Oddity von David Bowie und das Astronauten-Cover), und wenn man sich vollkommen auf die nicht immer ganz realistische Geschichte einlässt, wird man mit einem sehr kurzweiligen, angenehmen, durchaus tiefgründigen Leseerlebnis belohnt.

Empfehlung: Uneingeschränkte Leseempfehlung für alle, die dem Alltag einmal entfliehen möchten und Lust auf eine Reise ins Weltall haben.

Bewertung

Idee, Themen, Botschaft: 5 Sterne
Ausführung: 4 Sterne
Schreibstil: 4 Sterne
Protagonist/innen: 5 Sterne
Figuren: 4 Sterne
Atmosphäre: 4 Sterne
Spannung: 4 Sterne
Emotionale Involviertheit: 4,5 Sterne
Geschlechterrollen: +/-

Insgesamt:

❀❀❀❀ Lilien

Dieses Buch bekommt von mir 4 zufriedene Lilien!