Ein opulentes Meisterwerk
Der Spielmann (Faustus-Serie 1)Wer kennt sie nicht, die Geschichte von Faust, der seine Seele dem Teufel verschreibt, um dafür mehr Wissen zu erlangen?
Oliver Pötzsch, den meisten Lesern durch die Henkerstochter-Saga und die „Ludwig-Verschwörung“ ...
Wer kennt sie nicht, die Geschichte von Faust, der seine Seele dem Teufel verschreibt, um dafür mehr Wissen zu erlangen?
Oliver Pötzsch, den meisten Lesern durch die Henkerstochter-Saga und die „Ludwig-Verschwörung“ bekannt, nimmt sich dieser schillernden Persönlichkeit an, die tatsächlich um 1486 in Knittlingen gelebt hat.
Der Autor schildert das Leben des jungen Johann Georg, von seiner Mutter „Faustus“ genannt, der so gar nicht in die grobschlächtige Bauernfamilie hineinpasst. Faustus ist zart, feingliedrig, intelligent und wissbegierig. Damit ist er ein Außenseiter und wird von den meisten Leuten gemieden.
„Manchmal kam es Johann so vor, als wäre er der Einzige, der nicht in dieses Weltgefüge passte.“ (S. 46)
Nur das Nachbarsmädel Margarethe gibt sich mit ihm ab. Und genau das wird ihm zum Verhängnis. Faustus wird aus dem Dorf gejagt und schließt sich dem herumziehenden Schausteller Tonio del Moravia an, der das Potential, das in Faustus schlummert, erkennt.
Faustus fühlt sich das erste Mal in seinem noch jungen Leben angekommen und übersieht, dass Tonio sein eigenes perfides Spiel mit ihm treibt.
Meine Meinung:
Oliver Pötzsch hat aus diesem wohlbekannten Stoff einen fesselnden historischen Roman gewoben. Wir erleben die dörfliche Enge, das Anderssein und reisen mit Tonio und Faustus kreuz und quer durch Europa.
Die Charaktere sind detailliert und präzise ausgearbeitet. Tonio als Inbegriff des Bösen, der sich als „Seelenfänger“ versteht. Faustus, der ewig Suchende, rastlos und rücksichtslos, als er sein Ziel, Margarethe wieder zu finden, verfolgt. Allerdings wohnen „zwei Seelen in seiner Brust“: er ist auch ein Liebender, der sich über die Konventionen hinwegsetzt. Faustus schwankt stets zwischen Gut und Böse.
Der Schreibstil ist wunderbar opulent, manchmal, der Zeit entsprechend, grausam und blutrünstig.
Ich habe es sehr genossen, die Zitate aus Goethes Faust zu lesen, habe ich doch meine Maturaarbeit über den Faust-Stoff geschrieben und dabei Goethes Werke mit dem von Christopher Marlow verglichen.
Oliver Pötzsch gelingt es perfekt, Fakten und Fiktion zu verbinden. Der Leser muss schon sehr gut aufpassen, das auseinander zu halten. Die wenigen historischen Quellen beschreiben den realen Faustus als Gelehrten, als Zauberer und manche als Betrüger – je nachdem von welcher Warte aus Faustus gesehen wird.
Sehr interessant ist auch die Entstehungsgeschichte rund um dieses Buch. Der Autor streifte bei einem unfreiwilligen Zwischenstopp wegen des Ausfalls der Deutschen Bahn in Knittlingen herum. Da kann man sich bei der DB nur herzlich bedanken.
Ich freue mich schon sehr auf den zweiten Band „Der Lehrmeister“, der voraussichtlich im Herbst 2019 erscheinen wird.
Fazit:
Ein opulentes Meisterwerk der Sprachkunst, dem ich 5 Sterne gebe.