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Veröffentlicht am 18.10.2018

Die Philosophie des Gehens

Gehen. Weiter gehen
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„Warum gehen wir? Wo kommen wir her, und wo gehen wir hin?“

Erling Kagge ist von Beruf Autor, Jurist und Verleger. Von Berufung her ist er dagegen leidenschaftlicher Wanderer, der sowohl den Nord- und ...

„Warum gehen wir? Wo kommen wir her, und wo gehen wir hin?“

Erling Kagge ist von Beruf Autor, Jurist und Verleger. Von Berufung her ist er dagegen leidenschaftlicher Wanderer, der sowohl den Nord- und Südpol erreicht als auch den Mount Everest erklommen hat – als Erster in der Geschichte wohlgemerkt.

„Gehen. Weiter gehen“ ist nach „Stille. Ein Wegweiser“ Erling Kagges zweites Sachbuch, das eine große internationale Resonanz erfuhr. Und das zu Recht, denn „Gehen. Weiter gehen“, das sich selbst als eine Art Anleitung versteht, sucht vergeblich seinesgleichen. Es ist ein Sammelsurium aus eigenen Geh-Erlebnissen, die sowohl Alltagssituationen als auch Extremerfahrungen umfassen, Gedanken berühmter Philosophen und Schriftsteller, sozialwissenschaftlichen Studien sowie Gesprächen mit guten Freunden und flüchtigen Bekanntschaften. Abgerundet wird es durch Bilder und Graphiken aus der privaten Sammlung des Autors.

„Gehen. Weiter gehen“ ist so faszinierend, dass ich es in einem Rutsch gelesen habe. Man kann es aber auch Häppchenweise genießen. Auf jeden Fall kann – und wird man – zu vielen seiner Aussagen immer wieder zurückkehren. Ich konnte mich mit vielem identifizieren. So z. B. mit seiner Ansicht, man solle eine Stadt zu Fuß erkunden, um sie richtig kennenzulernen. Auch ich habe noch nie einen Hop-on-hop-off-Bus genutzt, obwohl ich dessen praktischen Nutzen durchaus nachvollziehen kann. Oder wenn Kagge von dem herrlichen Gefühl schreibt, in einem Park oder Wald spazieren zu gehen, und sich an einem ruhigen Platz auf den Rücken zu legen, wenn man erschöpft ist. Oder wenn er schreibt: „Am liebsten gehe ich, bis ich beinahe zusammenbreche. Ich will das Glück, die Erschöpfung und die Absurdität beim Gehen spüren, wenn sich alles vermischt und ich nichts mehr trennen kann. Mein Kopf verwandelt sich. Mir ist es egal, wie spät es ist, die Gedanken verschwinden aus meinem Kopf, und ich werde zu einem Teil des Grases, der Steine, des Mooses, der Blumen und des Horizonts.“

Wenn der Autor über die Rolle des Schmerzes beim Gehen schreibt und darüber wie eng Schmerz und Wohlbehagen miteinander verbunden sind, verstehe ich sehr gut, was er meint. So habe ich mir selbst schon oft unter Einsetzung meiner ganzen Vorstellungs- und Willenskraft den Schmerz in meinen Füßen als ein schönes Gefühl vorstellen können. Und welche Befriedigung der Mensch daraus ziehen kann, tage- und wochenlang nur mit wenigen Habseligkeiten und einem begrenztem Vorrat an vorher festgelegten Lebensmitteln auszukommen. „Wenn du sagst, es sei unmöglich, damit klarzukommen, und ich sage, es ist möglich, haben wir vermutlich beide recht.“

Mehr als nur meinen ganzen Beifall kann ich Erling Kagge zollen, wenn er schreibt, dass man eine Landschaft nur zu Fuß richtig kennen lernen kann, denn „wenn man mit dem Auto [...] fährt und sieht, wie kleine Bäche, Hügel, Steine, Mose und Bäume an einem vorbeisausen, wird das Leben kürzer. Man spürt den Wind, die Gerüche, das Wetter und die Veränderungen des Lichts nicht. [...] Alles geht ineinander über. [...] Wenn man [dagegen] dieselbe Strecke geht [...] wird es ein ganz anderer Tag. [...] Mit all den Dingen um sich herum vertraut zu werden, braucht Zeit. Als würde man eine Freundschaft aufbauen. Die Zeit dehnt sich aus, du zählst nicht mehr in Minuten und Stunden.“ Wie wahr! Und genau deswegen „dauert“ das Leben auch „länger, wenn man geht“, denn „gehen verlängert jeden Augenblick“.

Auf eigener Haut habe ich erfahren, was der Autor am Gehen anpreist: Dass es die Gedanken frei fließen lässt, gute Laune macht, die Kreativität freisetzt und Abstand von den eigenen Problemen gewinnen lässt. Die Probleme verschwinden zwar nicht – „Im Gegenteil, sie waren zu groß, als dass ich ihnen hätte entgehen können, aber mein ganzes Ich hatte eine Pause gehabt.“ – aber der Umgang mit ihnen ändert sich. Nur im und durch das Gehen können bestimmte philosophische Gedanken mit Leichtigkeit erfasst werden, wie dieser: „Der Augenblick und die Ewigkeit müssen keine Gegensätze sein. Die Zeit wird aufgehoben, und beides kann gleichzeitig erlebt werden.“

„Die Bipedie legte die Grundlage für alles, was wir heute sind“ und darum trete ich nun vor meine Haustür, denn „wenn wir kaum noch gehen, hören wir auf, der zu sein, der wir sind.“ Und das will ich auf gar keinen Fall riskieren. Auch möchte ich für eine Weile „den Rest der Welt“ vergessen, denn „Vergangenheit und Zukunft spielen kaum eine Rolle, solange man einen Fuß vor den anderen setzt.“

Veröffentlicht am 17.10.2018

„Wer hat mich gefunden?“

Eine Liebe, in Gedanken
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Nach dem Tod ihrer Mutter lässt die Tochter das Leben Antonias Revue passieren. Vor allem die ganz große Liebe zu Edgar – den Grundstein für ihr späteres Leben. Zwei geschiedene Ehen, viele Umzüge, eine ...

Nach dem Tod ihrer Mutter lässt die Tochter das Leben Antonias Revue passieren. Vor allem die ganz große Liebe zu Edgar – den Grundstein für ihr späteres Leben. Zwei geschiedene Ehen, viele Umzüge, eine Tochter, die sich stets nach Beständigkeit gesehnt hat. Und sie sehnte sich „nach Toni und Edgar, nach ihrem Glück, nach ihrer gemeinsamen Zukunft, die es einmal gegeben hatte. Nach den beiden Menschen, die Toni und Edgar gewesen waren. Ich wünschte mir, diese Zeit der beiden von irgendwoher zurückholen zu können und meiner Mutter zurückgeben zu können. Wie ein verloren geglaubtes Schmuckstück, das immer vermisst und nie vergessen worden war. Hier, das habe ich für dich gefunden, es gehört dir.“

Die Tochter, die für den Leser namenlos bleibt, löst den ehemaligen Haushalt ihrer Mutter auf. Dabei stößt sie auf Spuren, die sie das Leben Antonias zusammen mit ihren eigenen Erinnerungsstücken aufleben und verarbeiten lassen. „[Ich] räumte [...] den Bücherschrank aus, nahm dieses Gebäude aus Gedanken und Erinnerungen, aus den vielen kleinen Indizien gelebter Momente auseinander.“ Dabei stößt sie „auf ein kleines Buch mit einem violetten, abgenutzten Umschlag [...] übersät mit Markierungen: "Fast ganz die Deine"; es war der innere Monolog einer jungen, lungenkranken Französin, die einige Zeit in einem Sanatorium verbringen musste, die dort einen Brief erhielt, von dem Mann, den sie liebte, den sie heiraten wollte, der ihr nun mitteilte, er würde sich von ihr trennen.“ Er ist Spiegel für Antonias eigene Gedanken und Gefühle: "Es ist zu Ende; Man hat nichts mehr zu erwarten und bleibt doch noch endlos so stehen, wohl wissend, daß nichts mehr kommen wird ... Nun haben Sie meinem Herzen so lange die bedingungslose Liebe abverlangt ... Sie sind fort, doch ich finde mich wieder und bin weniger allein als in jenen Tagen, da ich Sie suchte."

Neben Marcelle Sauvageots "Fast ganz die Deine" findet die Tochter einen Kunstband über die finnische Malerin Helene Schjerfbeck, zu der sie gerade als Innenarchitektin eine Ausstellung entwirft: „Eine Achtzehnjährige, die 1880 als junge Malerin mit einem Stipendium von Helsinki eine lange Reise mit Schiff und Bahn unternahm, um nach Paris zu kommen [...], die sich verliebte und doch nicht glücklich wurde. Die später in Finnland blieb [...] Die ihr Leben lang aus den Jahren in Frankreich und England schöpfte, »ich begehre große, tiefe und wunderbare Dinge«, den Satz hatte ich gelesen und notiert. Sie malte Bilder von jungen Frauen mit eigenwilligem Anmut.“ Die Tochter stellt einen Vergleich zwischen ihrer Mutter und der Malerin auf, die ein unstetes, selbstbestimmtes, einsames Leben führte. "Ich möchte an meiner Straße am Fenster sitzen und glauben, dass jeder, der vorbeigeht, ein Leben hat, glücklich oder unglücklich, aber tief." „Und dann war meine Mutter es, die [...] zurückblickte auf ihr eigenes Leben, die sich bis zum Schluss von niemandem ihre Liebe hatte abwerten lassen, ihre angeblich so unheilbare, zwecklose, vergebliche und verschwendete Liebe.“

Die intertextuellen Bezüge zu Marcelle Sauvageots "Fast ganz die Deine" und den zitierten Aussagen der Malerin Helene Schjerfbeck verleihen dem Roman eine weitere, tiefe Dimension, die die Lebensgeschichte Antonias in eine universelle, zeit- und raumlose Lesart rücken. Der Roman „Eine Liebe, in Gedanken“ erzählt eine berührende, fesselnde Geschichte – einnehmend geschrieben in leichter poetischer Sprache ohne falsche Sentimentalitäten. Und er ist wie das Leben selbst – mit offen bleibenden Fragen, ohne eindeutige Antworten. Denn nicht die explizite Antwortfindung ist das entscheidende, es geht vielmehr darum, wie bestimmte Entscheidungen das Leben und die Persönlichkeit verändern können.

Veröffentlicht am 11.10.2018

Ein philosophisches Werk voller Poesie

Der Wortschatz
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Ein Wort lebt wohlbehütet bei seinen Eltern. Als es eines Tages von einem Menschen ausgesprochen wird, was für ein Wort ein traumatisches Erlebnis bedeutet, vergisst es seinen Sinn. Von dem Denker und ...

Ein Wort lebt wohlbehütet bei seinen Eltern. Als es eines Tages von einem Menschen ausgesprochen wird, was für ein Wort ein traumatisches Erlebnis bedeutet, vergisst es seinen Sinn. Von dem Denker und der Dichterin wird es wieder gesund gepflegt und mit folgender Botschaft auf den Weg geschickt: „Jedes Wort ist, was es heißt. [...] Finde heraus, zu welcher Wortfamilie du gehörst. Denn ohne Familie und ohne Sinn in deinem Leben bist du nichts.“

Der Weg der Sinnsuche führt das Wort auf eine verrückte Teeparty – Alice im Wunderland lässt grüßen! – wo das Wort einen weiteren Ratschlag erhält: „Es gibt Tausende Wege, die man einschlagen kann. Den Weg zu finden, der einem Sinn gibt, ist die größte Herausforderung.“

Als es die Eselsbrücke überqueren möchte, stürzt das Wort in den Sprachfluss, in dem Archaismen und Methusalemworte schwimmen, die tote Sprache also – eindeutig eine Anspielung an den Fluss der toten Seelen in der griechischen Mythologie.

Mit etwas Glück gelingt dem Wort die Flucht in die Stadt Sprachen, wo es die Möglichkeit bekommt, an den berühmten Wortspielen teilzunehmen. Hier lernt es unter anderem Wortgewandt kennen und den Zauber einer Geschichte. Wortgewandt erklärt: „Ein Wunder begegnet dir als Märchen, das dir so fantastisch erscheint, dass du nicht mehr weißt, wo das Märchen endet und dein Leben beginnt. Du musst dann entscheiden, ob es sich lohnt, so tief in die Geschichte einzutauchen.“ Die Botschaft an uns Leser lautet: Man muss nicht jedes Buch lesen, das auf den Markt kommt. Jeder muss für sich selbst entscheiden, ob es sich lohnt, in das Buch und damit in die Geschichte einzutauchen.

Am nächsten Morgen nimmt Wortgewandt das Wort ins Tal mit, wo es an dem Erlebnis teilnimmt, gesungen zu werden. Diese Erfahrung ist so wunderschön und macht das Wort derartig glücklich, dass es von nun an in dem Tal zu bleiben wünscht. Eines Tages wird es jedoch von zwei Klammern in Gefangenschaft genommen und nach Babel – nicht von ungefähr eine Anspielung an den biblischen Turmbau von Babel, der aufgrund der Sprachverwirrung nie fertig gebaut wurde – geschafft, wo alle bedeutungslosen Wörter landen.

Doch gerade hier soll das Wort den alten Mann finden, der die Geschichte schreibt, in der das Wort vorkommt. Elias Vorpahl sensibilisiert für einen bedachten und verantwortlichen Umgang mit der Sprache, indem er den weisen Mann, der eindeutig Michael Ende nachempfunden ist, sagen lässt: „Wenn ein Mensch dich zur rechten Zeit ausspricht, ist es wie Magie. Seine Worte bekommen einen tieferen Sinn. Jedes Wort birgt einen Schatz in sich. Wenn du im richtigen Moment ausgesprochen wirst, tritt dieser Schatz zum Vorschein. Spricht ein Mensch dich aber zur falschen Zeit aus, zu spät oder zu früh, oder meint er nicht das, was er sagt, verfehlen seine Worte ihren Sinn, und es kann passieren, dass du selbst dabei deinen Sinn verlierst.“

Nun ist das Wort fast schon am Ende seines Weges angelangt, wo es endlich erfahren soll wie es heißt, doch der Mann gibt zu Bedenken: „Deine Geschichte ist noch nicht zu Ende. [...] Hab keine Angst vor dem Ende. Der Weg dorthin ist das Entscheidende. Das Ende selbst ist gar nicht mehr so wichtig.“ Elias Vorpahl zeigt uns wie sehr ein Werk von der Geschichte, die erzählt wird, und gerade von ihrem Werdegang lebt, nicht vom Ende, das doch nicht selten offen bleibt. Gleichzeitig ist es, als ob der Autor zu uns sagt: Habe keine Angst vor dem Tod, wie du lebst ist das Entscheidende. Eine wahre Geschichte, so der Autor, mache sich mit der Zeit ohnehin selbstständig und entwickele mit der Zeit ein Eigenleben: „Ich musste einen Weg finden, deine Welt am Leben zu erhalten. Um jedes Wort, das ich schrieb, kämpfte ich. Es musste stimmen, genau die Aufgabe erfüllen, die ihm zugedacht war. Man kann eine Geschichte nicht so schreiben, wie man will. Die Geschichte entscheidet selbst. Weicht man von ihr ab, verstrickt man sich in Lügen, die kein Mensch glaubt.“ Wenn man ein Buch schreibt, so nicht um „eine Welt zu entdecken“, sondern um „sie am Leben zu erhalten, auch wenn das letzte Wort schon geschrieben steht.“

„Der Wortschatz“ ist ein Plädoyer an die Phantasie, das gesprochene und geschriebene Wort und den verantwortungsvollen Umgang mit der Sprache. Ein philosophisches Werk voller Poesie in der Tradition Lewis Carrolls, Antoine de Saint-Exupérys und Michael Endes! Eine Lesemuss für alle Freunde der Sprache und literarischer Anspielungen!

Veröffentlicht am 12.05.2020

Was für ein Debüt!

Das Beste von allem
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Caroline Bender verlässt mit zwanzig Jahren Port Blair, um in dem Verlag Fabian Publications ihren ersten Job als Sekretärin anzutreten. Mit ihren dunklen Haaren und hellen Augen und einem Gesicht, das ...

Caroline Bender verlässt mit zwanzig Jahren Port Blair, um in dem Verlag Fabian Publications ihren ersten Job als Sekretärin anzutreten. Mit ihren dunklen Haaren und hellen Augen und einem Gesicht, das Freundlichkeit und Intelligenz verrät, ist sie „mehr als herkömmlich hübsch“. Was zunächst als Flucht vor der Vergangenheit beginnt – ihr Verlobter und einzige große Liebe Eddie lässt sie sitzen und heiratet eine andere – verwandelt sich bald in eine erfüllende Tätigkeit, so dass sie die Karriereleiter bis zur autonomen Lektorin erklimmt.

April Morrison mit den großen blauen Augen, der zierlichen Nase mit Sommersprossen und dem dichten, gelockten Haar ist von geradezu atemberaubender Schönheit. Sie kommt ursprünglich von Colorado nach New York, weil sie von einer Schauspielkarriere träumt. Aber sie braucht Geld und so überbrückt sie die Zeit bis dahin ebenfalls bei Fabian Publications. Als sie ihrem Traummann Dexter begegnet, stellt sie fest, dass ihre eigentliche Bestimmung im Eheleben besteht. Doch Dexter ist nicht bereit und fähig zu einer Liebe, in der man Verantwortung für den anderen übernimmt.

Aus demselben Grund wie April verschlägt es Gregg Adams, ein sehr schlankes Mädchen mit langem blondem Haar, von Dallas nach New York. Auf einer Party lernt sie den berühmten Theaterproduzenten David Wilder Savage kennen. Sie gehen ein Liebesverhältnis ein und er verhilft ihr zu kleinen Theaterrollen. Während er auch Zeit zum Alleinsein beansprucht, verschlossen und unnahbar erscheint, ist ihre von Kontrollsucht geprägte Liebe zu ihm verschlingender, zerstörerischer Natur. Und so nimmt das Unheil seinen Lauf.

Barbara Lemont, ein unauffälliges Mädchen, aber mit ansprechendem Gesicht, hat eine kleine Tochter und ist bereits geschieden. Große Hoffnungen bezüglich der Liebe hat sie nicht mehr, sie wird wohl alleinerziehend bleiben müssen. Als sie Sidney Carter kennenlernt, in dessen Gegenwart sie sich zum ersten Mal bewusst wahrgenommen und verstanden fühlt, glaubt sie das große Los doch noch gezogen zu haben. Doch Sidney ist leider verheiratet, eine Beziehung scheint nicht möglich.

Im zarten Alter von sechsundzwanzig Jahren veröffentlicht Rona Jaffe ihren Debütroman »Das Beste von allem«. Nach ihrem Abschluss am Radcliffe College hat sie selbst wie ihre Figur Caroline Bender fast vier Jahre lang in einem Verlag gearbeitet: Angefangen hat sie als Schreibkraft und sich dann zur stellvertretenden Redakteurin hochgearbeitet. Um sich ganz dem Schreiben widmen zu können, gab sie ihre Stelle auf und schrieb ihren Debütroman, in dem sie erstmals Tabuthemen wie Abtreibung und sexuelle Belästigung behandelt. „Ich wusste nicht, ob das, was meine Freundinnen und ich erlebten, unnormal war, deshalb führte ich mit fünfzig Frauen Interviews, denn ich wollte herausfinden, ob sie ähnliche Erfahrungen machten – mit Männern, bei der Arbeit und angesichts all der Dinge, über die niemand in der Öffentlichkeit sprach“, schreibt Rona Jaffe in ihrem Nachwort von 2005. „Ich hatte keine Ahnung, dass sich Millionen von Frauen angesprochen fühlen würden.“ Der Roman wird ein riesiger Bestseller und Hollywood kauft direkt die Filmrechte.

Der Roman verblüfft nicht nur durch seine unverhohlene Thematisierung von Tabuthemen, sondern auch durch seine tiefgehende Kenntnis der menschlichen Natur und Psyche. Die Autorin ist mit einem Tiefblick weit über ihr Alter gesegnet. Mit ihrer analytischen und zugleich sehr gefühlvollen Sprache zeichnet Rona Jaffe ein empathisches und verständiges Bild der New Yorker Gesellschaft und trifft den Nerv der Zeit. „Die Ehrlichkeit von »Das Beste von allem« machte den Weg frei für andere Autoren. Und in vielerlei Hinsicht ist das Buch heute so relevant wie damals“, schreibt Rona Jaffe. „»Das Beste von allem« ist ein soziologisches Dokument, aber es handelt auch von Veränderung: wie sich die Träume verändern, wie sich das Leben verändert, wie alles, was einem zustößt, etwas anderes verändert.“

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Veröffentlicht am 25.09.2018

Der Mann mit dem einzigartigen Beruf

Unverfrorene Freunde
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Pinguine sind süß und niedlich, sie tragen einen eleganten Frack und watscheln an Land so lustig und unbeholfen daher. Und, ach ja, da gibt es doch diesen berühmten Magellanpinguin Dimdim, der auf der ...

Pinguine sind süß und niedlich, sie tragen einen eleganten Frack und watscheln an Land so lustig und unbeholfen daher. Und, ach ja, da gibt es doch diesen berühmten Magellanpinguin Dimdim, der auf der brasilianischen Ilha Grande von einem Fischer gerettet und gepflegt wurde und der ihn seitdem jedes Jahr auf seiner Wanderung nach Norden besucht.

Ungefähr so viel weiß der durchschnittliche Mensch über Pinguine. Da sollte man doch ernsthaft in Erwägung ziehen, etwas gegen den Wissensmangel zu tun. Wie gerufen kommt uns da das äußerst umfangreiche und liebevoll geschriebene Sachbuch „Unverfrorene Freunde“ von Klemens Pütz – eines Menschen, der sein Leben der Erforschung, dem Erhalt und Schutz dieser Tiere gewidmet hat.

Was zunächst als Lückenfüllung für den in letzter Minute abgesprungenen Pinguinforscher bei der vom Alfred-Wegener-Institut geplanten Expedition in die Antarktis begann, wurde bald zum Lebenstraum. Die große Liebe zur Antarktis, in der Klemens Pütz entbrannte, trug viel dazu bei, dass er sich entschloss sein Dasein freiberuflich als Pinguinforscher zu fristen, der wissenschaftlich arbeitet und veröffentlicht. Mitte der neunziger Jahre gründet er mit nur drei weiteren Mitgliedern den „Antarctic Research Trust“, der mittlerweile eine derartig weite Resonanz und Unterstützung erfahren hat, dass er mehrere Inseln auf den Falklands erwerben konnte, um neuen unberührten Lebensraum für Pinguine zu erschaffen. Jeder von uns kann diese gemeinnützige Organisation unterstützen, z.B. indem man Pate eines Pinguins wird.

Das Buch ist in drei Teile gegliedert, wobei es durch 66 ansprechende Farbfotos und mehrere eingeschobene Informationskästen und -skizzen, die einem die eventuelle Internetrecherche erübrigen, aufgelockert und ergänzt wird. Im ersten Teil „Pinguine an Land“ erzählt uns der Autor, was die Vögel, die siebzig Prozent ihrer Zeit im Wasser verbringen, aufs Land treibt: die Paarung, Brut und Aufzucht der Küken ist es. Humorvoll, detailliert und liebevoll schildert und erklärt uns Klemens Pütz die Vorgänge.

Der zweite Teil „Pinguine im Wasser“ ist ein Versuch das Tun und Treiben der Pinguine im Meer zu erklären. Lange Zeit über lag dieser Bereich aus dem Pinguinleben für den Menschen im Dunkeln. Dank verschiedener Geräte kann man Pinguine nun zu Datenträgern machen. So kann man beispielsweise Fahrtenschreiber einsetzen, die die Lichtintensität messen, und auf diese Weise Rückschlüsse auf die Position des Pinguins geschlossen werden können. Oder Satellitensender, die Informationen über Wassertemperatur, Beschleunigung und exakte Ortsangaben dank GPS liefern. Sehr spannend ist dieser Teil des Buches zu lesen.

Leider ist nicht alles nett und niedlich, was mit den Pinguinen zusammenhängt. So informiert uns der Autor im dritten Teil „Welt im Wandel – Pinguine in Gefahr“ über die Dinge, die das Leben und den Bestand der Pinguine gefährden. Die Ursachen sind breitgefächert, sind aber zum größten Teil – mittelbar und unmittelbar – auf den Menschen zurückzuführen. Gefahr droht von Schiffen und Öltankern, die Mineralöl ins Wasser ablassen: Es verklebt das Gefieder der Pinguine, das dadurch seine Thermofunktion einbüßt und zum Tod durch Erfrieren führt respektive zum Vergiftungstod, wenn die Vögel sich zu säubern versuchen. Die Fischerei bedroht ihr Leben ebenfalls in zweierlei Hinsicht: Erstens, weil der Mensch den Pinguinen ihre Nahrung wegfischt, und zweitens, weil sich die Vögel wie viele weitere unerwünschte Meereslebewesen im Netz verfangen. Der Klimawandel bringt eine breitgefächerte Palette an Bedrohungen mit sich. Der erhöhte CO₂-Gehalt im Wasser, der zur Versauerung des Meerwassers führt, wäre da zu nennen oder die Veränderungen von Strömungsmustern, die zum Teil ganze Ökosysteme binnen kürzester Zeit kollabieren lassen. Und nicht zuletzt das allgegenwärtige Plastik, das tonnenweise im Meer schwimmt, und den Pinguinen und vielen anderen Meeresbewohnern zum Verhängnis wird.

Doch Klemens Pütz klärt uns über die hochkomplexen Mechanismen im Meer und auf Land auf, nicht um uns Angst zu machen, sondern um uns für die Umwelt zu sensibilisieren. Wie er selbst sagt, ist er Gegner düsterer Zukunftsvisionen – „Wenn jeder das tut, was er dort, wo er ist, tun kann, dann kommt eine Menge zusammen.“ Forschung, Aufklärung, Veränderung und Zusammenarbeit – das ist es, was Klemens Pütz und der „Antarctic Research Trust“ fordern. „Hinschauen, nachdenken, Einsatz zeigen – das lohnt sich. Die Meere sind in einer dramatischen Situation. Aus Pinguinsicht ist aber auch schon vieles richtig gut gelaufen. Es wurden Probleme erkannt und Lösungen gefunden.“

Ein mitreißendes, informatives und bewegendes Buch. Eine klare Leseempfehlung, nicht nur für Pinguinfreunde, sondern für alle, denen die Pflanzen- und Tierwelt am Herzen liegt.