Suppenlina
Berlin 1866. Die Jüdin Lina Morgenstern ist verheiratet und Mutter von fünf Kindern. Sie ist tief betroffen von dem Elend und der Hungersnot, die in der Stadt herrscht und macht sich Gedanken darüber, ...
Berlin 1866. Die Jüdin Lina Morgenstern ist verheiratet und Mutter von fünf Kindern. Sie ist tief betroffen von dem Elend und der Hungersnot, die in der Stadt herrscht und macht sich Gedanken darüber, wie man da Abhilfe schaffen könnte. Schnell wird die Idee geboren, den Hunger der Bevölkerung durch die Gründung von Großküchen und der Ausgabe von kostengünstigen Mahlzeiten zu stillen. Doch bis es soweit ist, muss Lina einige Überzeugungskraft an den Tag legen und auch auf politischer Ebene so manchen Kampf ausfechten im Sinne von Frieden und Gerechtigkeit innerhalb der Bevölkerung. Doch Lina hat überzeugende Argumente und findet bei vielen Menschen Gehör.
Katrin Tempel hat mit ihrem Buch „Das Novembermädchen“ einen sehr eindrucksvollen historischen Roman über die Kinderbuchautorin, Frauenrechtlerin und Aktivistin Lina Morgenstern vorgelegt, der wahre und fiktive Ereignisse auf geschickte Weise miteinander verbindet. Der Schreibstil ist flüssig, fesselnd und bildhaft, zieht den Leser regelrecht in die Geschichte hinein, wo er sich ins späte 19. Jahrhundert führen lässt, um dort an der Seite von Lina so einiges zu erleben. Die Autorin hat sehr gute Hintergrundrecherche betrieben und diese mit ihrer Handlung verwoben. Die gesellschaftlichen Strukturen zur damaligen Zeit werden dem Leser ebenso nahegebracht wie die politische Situation und das Elend der Normalbürger. Aufgrund dieser Lage wird ein Gedanke geboren, die Bevölkerung mit wenigen Mitteln zu versorgen, um ihren Hunger zu stillen. Diese Einrichtungen sind auch heutzutage ein wichtiger Bestandteil unserer Gesellschaft und nicht mehr aus dem Alltagsleben wegzudenken.
Die Charaktere sind sehr lebhaft und detailliert ausgearbeitet, sie besitzen individuelle Eigenheiten, die sie sehr real erscheinen lassen. Lina ist Ehefrau und fünffache Mutter, man könnte meinen, sie hätte genug Dinge, um die sie sich kümmern muss. Doch das Leid, das sie täglich in den Berliner Straßen vor Augen hat, lässt sie nicht ruhen. Sie ist eine starke Frau, die auch einen Dickschädel besitzt, der sie nicht aufgeben lässt, bis sie ihr Ziel erreicht hat. Die Gründung des Vereins der Berliner Volksküchen im Juli 1966 ist einzig und allein ihrem Engagement zu verdanken. Lina setzt sich nicht nur für Frauenrechte ein, sondern engagiert sich für Schulkinder aus ärmlichen Verhältnissen oder gründete Kinderschutzvereine. Lina stößt mit ihrer Hartnäckigkeit auch einige Menschen vor den Kopf, doch irgendwie schafft sie es immer wieder, ihren Kampf zu gewinnen. Auf ihre eigene Art war Lina zur damaligen Zeit schon recht emanzipiert, denn während sie ihre Kämpfe austrug und Kinderbücher für den Lebensunterhalt der Familie schrieb, kümmerte sich ihr Mann, der mit seinem Unternehmen Schiffbruch erlitt, daheim um die Kinder. Auch die weiteren Protagonisten geben der Handlung ein buntes und rundes Bild und einen guten Einblick in die damalige Zeit.
„Das Novembermädchen“ ist ein fesselnder historischer Roman über das Wirken von Lina Morgenstern, deren Engagement geschichtlich belegt ist und mit fiktiven Elementen auf wunderschöne Weise erzählt wird. Eine sehr kurzweilige Lektüre für Historienfans, die gern über tolle Persönlichkeiten lesen und sich faszinieren lassen. Absolute Leseempfehlung!