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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 23.10.2018

Meisterhafte Erzählkunst!

Jack
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Beschreibung

Der Schriftsteller Jack Kerouac wurde durch seinen Roman “Unterwegs” (engl. Originaltitel: ” On the road”) einst zum Idol einer ganzen Generation und prägte den Begriff Beatniks neben anderen ...

Beschreibung

Der Schriftsteller Jack Kerouac wurde durch seinen Roman “Unterwegs” (engl. Originaltitel: ” On the road”) einst zum Idol einer ganzen Generation und prägte den Begriff Beatniks neben anderen Autoren wie Allen Ginsberg, William S. Burroughs, Bob Kaufman, Harold Norse usw.

Als Kerouac nur noch ein schwaches Abbild seiner selbst ist und der Alkohol ihn fast in den Tod getrieben hat, steht die junge Literaturstudentin Jan vor seiner Tür. Sie möchte nichts weniger als die bewegende Biographie über den berühmten Schriftsteller und Mensch zu verfassen. Gemeinsam mit Jan reist Jack in seine Vergangenheit.

Meine Meinung

Der neuste Roman des neuseeländischen Schriftstellers Anthony McCarten trägt den Titel “Jack” und handelt von keinem geringeren als Jack Kerouac, der mit seinem Roman “Unterwegs” die Beat Generation nach dem zweiten Weltkrieg prägte. Als Vorlage für den Hauptprotagonisten des Werkes, Dean Moriarty, diente Kerouacs bester Freund Neal Cassady – der aufgrund des Buches von der Polizei bezüglich seines Drogenhandels verhaftet wurde. Die Last seinem literarischen Ich zu entsprechen wurde Cassady zu schwer und er verstarb frühzeitig durch Alkohol- und Drogenmissbrauch.

"Aber das Leben ist nicht die Geschichte dessen, was man vermieden hat; es handelt hauptsächlich von den Dingen, die uns unaufgefordert in die Hände fallen, die uns über den Weg laufen, ohne dass wir nach ihnen suchen, die uns die unschuldige Nase blutig schlagen und uns das Unvermeidliche aufdrängen." (Jack von Anthony McCarten, Seite 19)

Anthony McCarten nährt sich seinem eigenen Idol Jack Kerouac äußerst kreativ in dem er mit Jan Weintraub einen Charakter erschaffen hat, der als perfekter Gegenpol zu Jack Kerouac dient. Ist Kerouac selbst ein wandelndes Chamäleon, dass seine Identitäten wie Kleidungsstücke wechselt, so hat Jan dieses Spiel perfektioniert. Das Setting, junge Literaturstudentin bzw. angehende Biographin trifft auf zurückgezogenes und verbrauchtes Idol der Beat Generation und knackt dessen harten Panzer, hat mir ausgesprochen gut gefallen. Gerade, weil hinter dieser Situation so viel mehr steckt als man zu Beginn glauben mag.

Obwohl ich bisher noch keine Bücher aus der Feder eines Beatniks gelesen habe, so auch noch keines von Jack Kerouac, konnte mir Anthony McCarten einen ausgesprochen guten Start in diesen Bereich bereiten. Gut verständlich legt er den Grundstein um Zugang zu dem berühmten Autor Jack Kerouac und der Beat Generation zu erhalten. Die fiktive Begebenheit des Aufeinandertreffens von Jan Weintraub und Jack und vor allem der weitere Verlauf bietet dem Leser eine Explosion an Emotionen dar. McCartens fesselnder und flüssig zu lesender Schreibstil haben ihr übriges getan um mich an die Seiten zu bannen und dem Ende entgegenzufiebern.

“Jack” ist allerdings kein biographischer Roman, sondern ein fiktionaler Roman in den lediglich belegte Einzelheiten aus Kerouacs Leben eingewoben sind. Dennoch hat man das wundersame Gefühl dem längst verstorbenen Beatnik und dessen außergewöhnlichen Persönlichkeit etwas näher gekommen zu sein.

Der Reiz von McCartens Geschichte macht für mich die interessante Thematik über den Facettenreichtum der Identität eines Menschen aus. Dabei bedient sich der Autor an einer farbenfrohen Palette aus den unterschiedlichsten Persönlichkeiten die er in seinen Protagonisten vereinigt und diese mit ihren Identitäten jonglieren lässt. Einen weiteren wesentlichen Teil der Geschichte macht der Rückblick auf ein ereignisreiches Leben aus. Deutlich spürbar vermittelt McCarten wie sehr Jack mit seiner Vergangenheit (z. B. die Freundschaft mit Neal Cassady) hadert und wie wichtig es ist, mit sich selbst im reinen zu sein.

Fazit

Meisterhafte Erzählkunst! Anthony McCarten wird immer mehr zu einem meiner absoluten Lieblingsschriftsteller.

Veröffentlicht am 19.10.2018

Jede Menge mysteriöse, spannende und skurrile Legenden die tief unter die Haut gehen.

Die Legenden der besonderen Kinder
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Meine Meinung

Ransom Riggs konnte mich bereits mit “Die Insel der besonderen Kinder”, dem Auftaktband zu seiner Trilogie um die besonderen Kinder, mit seiner ungewöhnlichen Welt insbesondere der außergewöhnlichen ...

Meine Meinung

Ransom Riggs konnte mich bereits mit “Die Insel der besonderen Kinder”, dem Auftaktband zu seiner Trilogie um die besonderen Kinder, mit seiner ungewöhnlichen Welt insbesondere der außergewöhnlichen Persönlichkeiten gefangen nehmen. “Die Legenden der besonderen Kinder” bietet dem Leser nun eine Sammlung aus zehn unterschiedlichen Sagen aus dieser übernatürlichen Welt. Die besonders schöne und hochwertige Gestaltung des grün und golden schimmernden Buches erinnert sofort an Märchenbuchbände aus älteren Tagen. Der bezaubernde erste Eindruck setzt sich im Inneren mit stimmigen schwarz-weiß Illustrationen von Andrew Davidson fort, welche hervorragend mit den einzelnen Erzählungen abgestimmt sind.

Den zehn folgenden magischen, berührenden und belehrenden Legenden sind einführende Worte von Millard Nullings und ein kleiner Warnhinweis vorangestellt.

In “Die edlen Kannibalen” reist man in der Geschichte bis zu den Ursprüngen der besonderen Kindern zurück, in der sich die Besonderen noch nicht in Zeitschleifen verstecken mussten und ein zurückgezogenes ländliches Leben führten. Bis zu dem Tag, an dem Kannibalen vom Weg abkamen und sich bei den Besonderen wiederfanden.

Die Geschichte “Die Prinzessin mit der gespaltenen Zunge” erinnert sehr an ein typisches Prinzessin sucht Prinzen Märchen. Dabei spielen die Äußerlichkeiten der besonderen Prinzessin eine tragende Rolle. Sie muss mit Zurückweisungen zurecht kommen, wobei ihre Güte und ihr Sinn für Gerechtigkeit keinen Schaden nimmt. Ihre auf den ersten Blick erschreckende Besonderheit wird ihr noch gute Dienste leisten.

Eine meiner Lieblingsgeschichten ist die über “Die erste Ymbryne”, denn hier werden Hintergründe zum Wesen dieser mächtigen Besonderen aufgedeckt und man erfährt auf spannende Weise von der Entstehung der Zeitschleifen.

“Die Geisterfreundin” ist eine sehr emotionale Geschichte bei der ich unglaubliche Gänsehaut bekommen habe. Die Themen Familie, Freundschaft und Tod hat Ransom Riggs mit viel dramaturgischem Geschick zu einer ganz besonderen Geschichte verwoben.

Die bunteste und kreativste Legende dieser Sammlung ist für mich mit Abstand “Cocobolo”. Unter diesem verrückten Titel kann man sich wahrlich nicht sonderlich viel vorstellen oder gar erwarten. Ransom Riggs zielt mit seiner Geschichte über eine besonders starke Verbindung zwischen Vater und Sohn über die Weiten des Ozeans und wie die Liebe zwischen Eltern und Kind Zeit und Entfernung überbrückt. Es liegt so viel Gefühl und vor allem eine große Portion Besonderheit in dieser Geschichte, die mir beim Lesen das Herz öffnete.

Nachdem mir die ersten Geschichten allesamt außergewöhnlich gut gefallen haben, waren “Die Tauben von St. Paul´s” nicht ganz nach meinem Geschmack. Vielleicht liegt das einfach daran, dass ich um diese gurrenden Tierchen am liebsten einen ganz weiten Bogen einschlage. Dennoch ist die Weisheit aus dieser Geschichte, in der verfeindete Parteien einen Kompromiss schließen der beiden Seiten zu einem besseren Leben verhilft, auf den Punkt getroffen.

“Das Mädchen, das Albträume zähmen konnte” hat mir ein schauriges Leseerlebnis bereitet, denn hier geht es um ein kleines Mädchen, dass allen Widerständen zum Trotz den Menschen helfen möchte. Die Gabe Albträume zu entfernen ist wahrlich mächtig und birgt große Risiken, so dass das Mädchen schon bald mit den Konsequenzen aus ihrem Handeln konfrontiert wird.

In der Geschichte über “Die Heuschrecke” steht nicht das Kind mit der besonderen Fähigkeit im Mittelpunkt, sondern der Vater, der auf harte Weise lernt mit der Besonderheit seines Sohnes umzugehen und ihn trotz seiner Andersartigkeit genau so zu lieben wie er ist.

Bei “Der Junge, der Macht über das Meer hatte” steht die mächtige Gabe des besonderen Kindes im Mittelpunkt. Schon seine Mutter warnte den Jungen davor, anderen Menschen von seiner Begabung zu erzählen. Widrige Umstände trieben den Jungen jedoch soweit den Rat seiner Mutter auszuschlagen, um sich und andere Menschen zu retten. Der Dank der Menschen ist aber kein langlebiges Gut und schon bald richteten sie sich mit Wut gegen den Jungen.

Den Abschluss bildet “Die Geschichte von Cuthbert” in der die Wärme von wahrer Freundschaft alles andere überstrahlt.

Die Legenden sind sehr unterschiedlich gehalten und dennoch vereinen sie die wunderbare Sprache und Erzählkunst des Autors in sich. Nach dieser übernatürlichen Lektüre habe ich große Lust bekommen endlich zu den zwei weiteren Bänden aus Ransom Riggs Trilogie zu greifen.

Fazit

Jede Menge mysteriöse, spannende und skurrile Legenden die tief unter die Haut gehen.

Veröffentlicht am 15.10.2018

Dieser Klassiker berührt und überrascht – eine Geschichte ganz nach meinem Geschmack!

Die Abenteuer der Cluny Brown
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Beschreibung

Cluny Brown ist anders als andere junge Damen in ihrem Stand und in ihrem Alter. Sie wird nachmittags Tee trinkend im Ritz angetroffen oder verweilt einen ganzen Tag Orangen essend im Bett ...

Beschreibung

Cluny Brown ist anders als andere junge Damen in ihrem Stand und in ihrem Alter. Sie wird nachmittags Tee trinkend im Ritz angetroffen oder verweilt einen ganzen Tag Orangen essend im Bett um eine Diät aus einer Zeitschrift auszuprobieren. Zum Ärger ihres Onkels, der tagtägliche seiner Arbeit als Klempner nachgeht und versucht die Erziehung von Cluny genauso gewissenhaft wie seine Arbeit zu erledigen, weigert sich Cluny ihren gesellschaftlichen Platz einzunehmen.

Nach einem weiteren Fauxpas wird die 20-jährige Waise Cluny von Onkel und Tante auf den Herrensitz Friars Carmel in Devonshire geschickt um dort die Stellung eines Dienstmädchens einzunehmen. Mit ihrer charmanten und kuriosen offenherzigen Art zieht Cluny nicht nur die Aufmerksamkeit der adeligen Familie Carmel auf sich. Auch der Dorfapotheker und ein polnischer Schriftsteller, der zur Zeit als Gast auf Friars Carmel logiert um den Gefahren des anstehenden Krieges zu entgehen, können nicht umhin die Einzigartigkeit Clunys zu bemerken.

Meine Meinung

Margery Sharps lebensfroher Roman über “Die Abenteuer der Cluny Brown” kann man getrost zu den Klassikern seiner Zeit zählen, denn die Autorin zeichnet in ihrer Geschichte das fein geschliffene Bild einer Gesellschaft die sich im Aufbruch in ein neues Zeitalter befindet. Der Roman, der in den 1930er Jahren handelt wurde 1944 veröffentlicht und darf Dank des Eisele Verlags nun in einer Neuübersetzung von Wibke Kuhn in neuem Glanz erstrahlen.

Die Tage der steifen und angestaubten Gesellschaftsstrukturen mit großen Herrenhäusern, Landsitzen und einem ganzen Bataillon an Bediensteten sind angezählt. Sir Henry, der Herr des Landsitzes Friars Carmel, mit seinem Müßiggang, der allerhöchstens mal ausreitet und dessen Dienerschaft im Verlauf der letzten Jahre sich auf ein das Nötigste reduziert hat, wird schon bald einer der letzten seiner Art sein. Dies macht sich vor allem auch bei seinem Sohn Andrew bemerkbar – bei ihm spürt man deutlich den Drang mehr zu tun als ein Haus zu verwalten. Er interessiert sich brennend für den nahenden Krieg und sieht sich dazu verpflichtet den polnischen Schriftsteller Adam Belinksi vor einer drohenden Verfolgung zu retten.

"»Die Schwierigkeit bei der jungen Cluny ist die«, erklärte Mr. Porritt, »dass sie anscheinend nicht weiß, wo ihr Platz ist.«" (Die Abenteuer der Cluny Brown, Seite 10)

Seele und Herzstück des Romans ist jedoch die niedrig gestellte Cluny Brown, die als Waise von Onkel und Tante aufgezogen wird und in ihrer verträumten Naivheit nicht einsieht, warum sie ständig zu hören bekommt sie solle endlich einsehen wo ihr Platz im Leben ist. Die Stellung als Dienstmädchen auf Friars Carmel scheint die beste Lösung für alle Beteiligten zu sein.

Cluny Brown schrulliger Charakter wächst einem mit all seiner Verrücktheiten schnell ans Herz und von Seite zu Seite fiebert man aufgeregter Clunys weiterem Lebensweg entgegen. Dabei hält Margery Shapr die ein oder andere Überraschung bereit! Mehr möchte ich zur Handlung nun aber nicht verraten – das muss man am besten selbst lesen.

"»Ich könnte mir vorstellen, dass Ihnen das ganze Universum offensteht«, wiederholte Mr. Belinksi bereitwillig. […] Doch Cluny interessierte sich nicht mehr für Mr. Belinski, nur noch für seine Worte. Sie wollte diesen magischen Satz mitnehmen und ihn in aller Ruhe sorgfältig untersuchen." (Die Abenteuer der Cluny Brown)

Mich hat Margery Sharps Schreibstil und ihre gesellschaftlichen Betrachtungen in “Die Abenteuer der Cluny Brown” verknüpft mit den lebendigen, mal erfrischenden, mal angestaubten Protagonisten vollkommen begeistert. Daher gibt es von mir 5 von 5 Grinsekatzen für diesen mindestens genauso stilvollen wie humorvollen Klassiker!

Fazit

Eine Gesellschaftsbetrachtung die den Umschwung der Zeit mit Stil und Humor wiederspiegelt. Dieser Klassiker berührt und überrascht – eine Geschichte ganz nach meinem Geschmack!

Veröffentlicht am 18.09.2018

Carol Rifka Brunt ist eine Wortkünstlerin und ihr Debütroman ein absolutes Lesehighlight.

Sag den Wölfen, ich bin zu Hause
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Beschreibung

New York, 1987.

Die vierzehnjährige June Elbus ist ganz vernarrt in ihren Onkel Finn Weiss, der sich als gut gehandelter Maler etabliert hat, jedoch viel zu früh an einer Krankheit verstirbt ...

Beschreibung

New York, 1987.

Die vierzehnjährige June Elbus ist ganz vernarrt in ihren Onkel Finn Weiss, der sich als gut gehandelter Maler etabliert hat, jedoch viel zu früh an einer Krankheit verstirbt die Junes Mutter kaum zu benennen vermag. Finn hinterlässt in Junes Leben ein großes Loch der Traurigkeit und sie hat das Gefühl mit ihrem Schmerz vollkommen alleine zu sein. Als June eine Nachricht des jungen Mannes Toby erhält, der behauptet Finn genau so sehr zu lieben, beschließt sie gegen den Willen und hinter dem Rücken ihrer Mutter eine Freundschaft zu Toby aufzubauen.

Meine Meinung

Schon alleine bei der Auswahl des Buchtitels „Sag den Wölfen, ich bin zu Hause“ hat Carol Rifka Brunt ein gutes Händchen besessen, denn er ist wunderbar poetisch, lässt gefährliches erahnen und steckt voller Verheißung auf eine bewegende und mitreißende Lektüre.

Worte für dieses Debüt zu finden, die alle Emotionen und Gedanken einfängt und nur ansatzweise meine Begeisterung abbilden, scheint mir fast unmöglich. Dennoch möchte ich mein Bestes geben und mich daran versuchen die spezielle Atmosphäre von Carol Rifka Brunt’s Geschichte zu umschreiben.

Vor allem der Facettenreichtum ist atemberaubend! Das etwas eigenbrötlerische Mädchen June wächst mit ihrer älteren Schwester Greta in einem behüteten Elternhaus heran. Mutter und Vater sind in der Buchmacherbranche tätig, so dass die Schwestern einen großen Teil des Jahres auf sich alleine gestellt sind – schließlich ist Steuersaison und da gilt es von morgens bis abends so einiges an Papierkram zu erledigen. Die Schwestern haben vielleicht gerade deshalb eine starke Bindung zueinander, doch diese ist seit einiger Zeit beschädigt und June kann sich nicht erklären warum ihre Schwester so abweisend und kalt zu ihr ist.

"Manches von dem, was Greta sagte, war so scharf, dass ich tatsächlich spürte, wie ihre Worte mich aufschlitzen, hinein in meinen Bauch und mein Herz." (Sag den Wölfen, ich bin zu Hause, Seite 298)

Die wohl wichtigste Bezugsperson in Junes Leben war ihr verständnisvoller und kluger Onkel Finn, der immer ein offenes Ohr für sie hatte und eine besondere Zeit mit ihr verbrachte. Gemeinsam besuchten sie Orte die für sie eine Bedeutung hatten (z. B. The Cloisters) und tranken Tee aus einer bemalten Kanne. Doch Finns Leben wurde durch eine Krankheit ein Ende gesetzt, die in den 80er Jahren zur Stigmatisierung führte (und auch heute noch dazu führen kann). Die Rede ist von AIDS. Junes Mutter fiel der Umgang mit dieser Krankheit äußert schwer und für all das Übel machte sie Finns „besonderen“ Freund Toby verantwortlich und selbst an Finns Beerdigung schneidet sie ihn.

June tritt dem Thema AIDS im Gegensatz zu ihrer Mutter viel aufgeschlossener entgegen und als Toby den Kontakt zu ihr sucht, ringt sie sich zu einem Treffen mit dem ihr fremden Mann, dem Finn so nahe stand, durch und lernt ihn langsam besser kennen. Es entwickelt sich eine besondere Freundschaft die June sehr viel gibt, aber schlussendlich auch sehr viel Schmerz verspricht.

"Das Leben schien ein immer enger werdender Tunnel zu sein. Im Augenblick der Geburt war der Tunnel riesengroß und unendlich lang. […] Dann, in exakt einer Sekunde nach der Geburt, verengte sich der Tunnel bereits um die Hälfte." (Sag den Wölfen, ich bin zu Hause, Seite 316)

Ein weiterer Strang des Gesamtkunstwerkes ist das Gemälde von June und ihrer Schwester Greta, welches Finn vor seinem Tod fertig stellte und das den Titel „Sag den Wölfen, ich bin zu Hause“ trägt. Von diesem Bild geht eine spezielle Faszination aus, die die Charaktere von Toby, June, Greta und Finns Schwester (die Mutter von June und Greta) miteinander wie durch ein durchsichtiges Netz verbindet.

Dieser Debütroman wird aus zahlreichen Puzzleteilen zusammen gesetzt, wie die Probleme des Erwachsen Werdens, des sich Selbst Findens, die Schwierigkeiten und Schönheiten des Geschwister Habens und dann wird auch noch die heikle Sache mit der Homosexualität und AIDS in den 80er Jahren eingewoben. Carol Rifka Brunt hat mich allerdings nicht nur mit der Geschichte von ihrer schriftstellerischen Qualität überzeugen können, sondern vor allem mit ihrem Schreibstil, bei der jede Seite wie ein frisch bezogenes Bett zum reinlegen und reinkuscheln verführt.

Fazit

Carol Rifka Brunt ist eine Wortkünstlerin und ihr Debütroman ein absolutes Lesehighlight.

Veröffentlicht am 14.06.2018

Ein herzlicher und sehr charmanter Briefroman der für herrliche Lesestunden sorgt.

Lieber Feind
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Beschreibung

Sallie McBride wird von ihrer besten Freundin und Collegekollegin Judy Abbott gebeten die Leitung des John-Grier-Waisenhauses zu übernehmen. Nach den ersten Zweifeln nimmt Sallie die Herausforderung ...

Beschreibung

Sallie McBride wird von ihrer besten Freundin und Collegekollegin Judy Abbott gebeten die Leitung des John-Grier-Waisenhauses zu übernehmen. Nach den ersten Zweifeln nimmt Sallie die Herausforderung an. Vor allem um sich ihrem galanten Verlobten zu beweisen. Die Verantwortung für über 100 Waisenkinder zu übernehmen und ein Heim dem es an Verbesserungen mangelt in neuem Licht erstrahlen zu lassen sind jedoch keine leichte Verpflichtungen. Mit viel Energie und Tatendrang geht Sallie ihre Aufgabe an und macht sich dabei den betreuenden Kinderarzt Dr. Robin MacRae zu ihrem liebsten Feind.

Meine Meinung

Nachdem der Königskinder Verlag (Imprint des Carlsen Verlags) bereits Jean Websters klassischen Briefroman „Lieber Daddy-Long-Legs“ in neuem Glanz erstrahlen ließ, gibt es nun auch den Folgeband „Lieber Feind“ im letzten Programm des Verlages zu bewundern. Das Cover besticht durch ein hübsches florales Erscheinungsbild und die abgebildeten Silhouette einer lesenden Dame. Durch die rosa Farbgebung hebt sich das Buch optisch von seinem Vorgängerband ab. Im Buchinneren gibt es wieder einige Illustrationen von Franz Renger zur Ergänzung und Auflockerung der einzelnen Briefe.Jean Webster ist sich ihrem Stil treu geblieben und hat auch „Lieber Feind“ in Briefform aufgebaut. Dieses Mal bekommt der Leser Briefe von Sallie McBride zu Gesicht die sich vorrangig an ihre Freundin Judy Abbott richten oder auch mal an ihren liebsten Feind, den Kinderarzt des Waisenheims und ihren Verlobten in Spe. Genau wie im Vorgängerband werden die Antworten auf die Briefe (Sallies) ausgelassen, allerdings hat sich doch etwas geändert – während Judy einfach keine Beantwortung erhielt, nimmt Sallie oftmals Bezug auf die erhaltenen Briefe. Hier kann man jedoch einfach die eigene Fantasie spielen lassen, so dass die Geschichte daran keinen Abbruch nimmt.

"Ich könnte tausend Mädchen mit goldenen Locken und Grübchen vermitteln, aber ein guter, lebhafter Junge zwischen neun und dreizehn ist ein echter Ladenhüter." (Lieber Feind, Seite 67)

Im Vordergrund der Briefe steht Sallies Weg zur Heimleiterin, welche Aufgaben sie als solche wahr nimmt und die diversen Probleme die ihre neue Arbeit im Waisenheim mit sich bringen. Besonders gut hat mir der lockere Stil in den Briefen gefallen der erfrischend und humorvoll zugleich gehalten ist. Die Lust am weiterlesen steigerte sich von Seite zu Seite, da man einfach wissen möchte wie sich das Schicksal der Waisenkinder entwickelt. Hierbei wird nicht die Gesamtheit der über 100 Waisenkinder betrachtet, sondern das Licht fällt auf ein paar einzelne Mädchen und Jungen.

"Diese Arbeit mit Kindern hat etwas Hypnotisches. Man kann sich wehren, sosehr man will, am Ende kriegen sie einen." (Lieber Feind, Seite 243)

Sallie McBride wollte sich nur unter Beweis stellen und hatte niemals vor die Arbeit als Heimleiterin lange auszuüben. Mit der Zeit wachsen ihr die Waisen und ihre eigene Rolle in deren Leben so sehr ans Herz, dass sie sich eine andere Zukunft ohne die Kinder und das John-Grier-Heim gar nicht mehr vorstellen kann.

Mit „Lieber Feind“ hat Jean Webster einen Klassiker erschaffen, der einen Einblick in die Gesellschaft zu Beginn des 20. Jahrhunderts bietet und ein authentisches Zeitzeugnis über die Versorgung von Waisenkindern zu dieser Zeit ablegt. Im Nachwort wird nochmals auf den damaligen Umgang und die medizinische Meinung zur genetischen Vererbung (Eugenik) eingegangen. Aus heutiger Sicht kann die damalige Abwertung von Menschen mit geistigen oder körperlichen Behinderungen nur kritisch gesehen werden. So kann die über 100 Jahre alte Lektüre auch heute noch lehrreich und wichtig für das geschichtliche Verständnis sein.

Information zur Reihe
1. 2017 Lieber Daddy-Long-Legs | 1912 Daddy-Long-Legs 2. 2018 Lieber Feind | 1945 Dear Enemy

Fazit

Ein herzlicher und sehr charmanter Briefroman der für herrliche Lesestunden sorgt.