Profilbild von kkarin

kkarin

Lesejury Profi
offline

kkarin ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit kkarin über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 20.10.2018

Fulminanter Start der Triologie, aber harter Tobak!

Drei Sekunden
0

Anders Roslund und Börge Hellström fordern mit ihren "Drei Sekunden" ihre Leserschaft von der ersten bis zur 461. Seite! Ein hammerstarker, spannender, zugleich düsterer und zum Nachdenken anregender Thriller.

Es ...

Anders Roslund und Börge Hellström fordern mit ihren "Drei Sekunden" ihre Leserschaft von der ersten bis zur 461. Seite! Ein hammerstarker, spannender, zugleich düsterer und zum Nachdenken anregender Thriller.

Es gelingt ihnen, mit ihre schonungslose Sprache - zB werden Menschen als „Mulis“ oder „menschliche Container“ bezeichnet - und ihren detaillierten Ausführungen - geschickt verpackt in das Leben der Protagonisten - über Drogen-/Amphetaminhandel der Oststaaten-Mafia, deren Lieferwege/-methoden nach Schweden, Polizeiermittlungs- und Infiltrationsverfahren sowie Abläufe und Leben in schwedischen Gefängnissen, dass man als Leser nicht mehr zwischen Realität (Ist dies tatsächlich in einem Rechtsstaat möglich?) und Fiktion (Was für ein genialer Plot ist den beiden hiermit gelungen!) unterscheiden kann.

Die Charaktere werden glaubwürdig dargestellt, allen voran der strukturiert agierende Infiltrator Piet Koslow Hoffmann mit seinen akribischen Vorbereitungen auf den Einsatz im Hochsicherheitsgefängnis, der gleichzeitig versucht, seiner Rolle als Vater zweier Buben und Ehemann gerecht zu werden.

Daneben der 35 (?) Dienstjahre auf dem Buckel habende verhaltensoriginelle Kommissar Ewert Grens, der bloss seine Arbeit zu haben scheint, jeder Ungereimtheit verbissen nachgeht und dessen Privatleben erst nach und nach preisgegeben wird.

Äußerst spannend gestaltet sich auch das Zusammenspiel der übrigen Akteure aus Staatssekretariat, Justiz, Polizei, Gefängnisbehörde und Militär samt des Ermessensspielraums jedes Einzelnen. Als Leser ist man an vielen Stellen des Buches gefordert, Stellung zu beziehen: Wie würde ich entscheiden? Wie hätte ich mich verhalten?

Gewöhnungsbedüftig ist der Schreibstil, da Handlungen verschiedener Personen an unterschiedlichen Orten absatzlos aneinandergereiht werden, was der gesamten Geschichte jedoch zusätzliche Dynamik verleiht und die Gleichzeitigkeit bei derart vielen Akteuren unterstreicht.

Fazit:
Roslund & Hellström zeigen auf geniale Weise auf, welche Stärken/Schwächen, Chancen/Risiken und Konsequenzen es für den Einzelnen aber auch die Gesellschaft haben kann, wenn (Verfolgungs-)Behörden sich der Dienste Krimineller bedienen, um andere Kriminelle zur Strecke zu bringen.

Absolut empfehlenswert, insbesondere für kritische BürgerInnen, die an Menschenrechten, Gewaltentrennung, Behördenglaubwürdigkeit, Strafverfolgung und Datenschutz interessiert sind! Freu mich jetzt schon auf den demnächst erscheinenden zweiten Teil („Drei Minuten“)!

Veröffentlicht am 20.10.2018

So mag ich Geschichtsunterricht!!!

Das Jahrhundertversprechen (Jahrhundertsturm-Serie 3)
0

Der 3. Band der Triologie von Richard Dübell über die Familie von Briest spielt im Deutschland der Zwischenkriegszeit. Das kriegsgeschädigte Deutschland ist kaum (bis gar nicht) bzw. nur unter extremen ...

Der 3. Band der Triologie von Richard Dübell über die Familie von Briest spielt im Deutschland der Zwischenkriegszeit. Das kriegsgeschädigte Deutschland ist kaum (bis gar nicht) bzw. nur unter extremen Auflagen für die Bevölkerung fähig, den hohen Reparationszahlungen der Aliierten nachzukommen. Aufgrund von Arbeitslosigkeit und galoppierender Inflation leidet der Großteil der Bevölkerung unter bitterster Not.

Auch Hermine und Otto von Briest läufen Gefahr, ihr Gut zu verlieren, da sowohl das Gut als auch die Berliner Detektivagentur zu wenig erwirtschaften, um der Inflation Herr zu werden.

Zeitgleich erblüht die deutsche Filmwirtschaft (durch US-Mittel), in die ihre Tochter Luisa hineinschnuppern darf.

Der von Familie von Briest an Sohnes statt aufgenommene Max Brandow schafft es, als Mechaniker in der Automobil-Industrie Fuß zu fassen, avanciert zum Rennfahrer und wird damit Teil der deutschen Rennsportgeschichte.
Zudem verspüren beide, dass sich an ihrer Bruder-Schwester-Beziehung eindeutig etwas verändert!

Daneben gibt es aber noch die uralte Familienfehde mit dem Nachbargut der von Cramms, der zunehmende Antisemitismus und die erstarkenden Nationalsozialisten ...


Meine Meinung zum Buch:
Dübell vermag es, flüssig und gut skizziert die politische und gesellschaftliche Lage gekonnt mit der Familiengeschichte der von Briests zu verknüpfen. Seine Protagonisten bewegen sich in unterschiedlichen Alters-, Gesellschafts- und Berufskreisen, was ein Eintauchen in viele unterschiedliche Lebensrealitäten der Zwischenkriegszeit erlaubt.

Zudem stückt er die von Briests mit einem Landgut und einer Detektivagentur in Berlin aus, wodurch man die wirtschaftlichen Auswirkungen für die Stadt- und Landbevölkerung mitverfolgen kann.

Dübell beschreibt auch gut das Entstehen und Erstarken sowie die Abgründe der Nationalsozialisten und wie es trotzdem einigen gelingt, in dieser Zeit "Mensch" zu bleiben.

Fazit:
Überaus informative und unterhaltsame Geschichtsstunden! Insbesondere als Österreicherin ist es spannend, Deutschlands Geschichte einmal aus der "Innensicht" erzählt zu bekommen!
Die beiden Vorgängerbände sowie weiter Dübell-Werke sind bereits auf meine Wunschliste gewandert!

Veröffentlicht am 20.10.2018

1 Toter (Unfall? Mord?) + 1 Vermisster: den Urlaub können Sie sich abschminken, Kommissarin Richter!

Tödliche Provence (Hannah Richter 2)
0

Viel Frankreich-/Provence-Flair gewürzt mit der kniffeligen Frage für die deutschen Kommissarin Hannah Richter, ob der Nachbar ihrer Freundin Penelope (in deren Haus in der Provence sie eigentlichen ihren ...

Viel Frankreich-/Provence-Flair gewürzt mit der kniffeligen Frage für die deutschen Kommissarin Hannah Richter, ob der Nachbar ihrer Freundin Penelope (in deren Haus in der Provence sie eigentlichen ihren wohlverdienten Urlaub verbingen wollte) durch einen Unfall oder gar durch Mord ums Leben gekommen ist.

Der Krimi ist sehr "flüssig" und spannend geschrieben. Schnell ist man mit den Charakteren vertraut (auch wenn man Band 1 nicht gelesen hat) und die Spannung steigt, nachdem die ersten Ermittlungsarbeiten auch noch einen in der Vergangenheit Vermissten zu Tage fördern. Wo ist diese Person? Lebt sie noch? Hat diese Geschichte etwas mit dem toten Nachbarn zu tun?

Sandra Åslund schafft es, einen Einblick in die Höhen und Tiefen von (Familien-)Beziehungen bei Opfern und Ermittlerinnen zu geben und flechtet zudem geschickt tagespolitische/gesellschaftliche Themen in die Geschichte mit ein.

Ein idealer Sommer-Krimi für Frankreich-Fans und weibliche Ermittlerinnen!

Veröffentlicht am 20.10.2018

"Schönheit kann tödlich sein ..." oder "Chris Carter, Meister des Cliffhanging"

Blutrausch - Er muss töten (Ein Hunter-und-Garcia-Thriller 9)
0

Bei "Blutrausch" handelt es sich bereits um den 9. Fall des Sonderermittlers Robert Hunter vom LAPD (Los Angeles Police Department), der als Leiter der UV-Abteilung (für ultra violent) Fälle aufzuklären ...

Bei "Blutrausch" handelt es sich bereits um den 9. Fall des Sonderermittlers Robert Hunter vom LAPD (Los Angeles Police Department), der als Leiter der UV-Abteilung (für ultra violent) Fälle aufzuklären hat, bei denen der Täter mit extremer Brutalität vorgeht.

Ihm zur Seite steht sein Kollege Carlos Garcia. Beide sind Kriminologen und Psychologen und werden von einem altgedienten und hartgesottenen Steifenpolizisten nach dem Auffinden eines geschändeten Models in ihrem blutgetränkten Schlafzimmer zugezogen, weil er einen UV-Verdacht hat.

Binnen kürzester Zeit schaltet sich auch das FBI ein und gewinnt Hunter und Garcia zur Zusammenarbeit, um diesen Fall zu lösen.

Persönliche Meinung:
Es ist mein erstes Buch von Chris Carter und somit habe ich auch jetzt erst Robert Hunter und Carlos Garcia kennen-, aber sofort schätzen gelernt!
Auch ohne Vorkenntnisse ist man schnell mit den beiden Ermittlern vertraut und hechelt von Hinweis zu Hinweis auf der Spur des Täters mit den beiden mit.

Besonders auffällig ist Carters spannungsgeladener, unaufgeregter Schreibstil, der es vermag, an jedem Kapitelende einen Cliffhanger zu platzieren, der es einem kaum ermöglicht, das Buch aus den Händen zu legen bzw. kurz zu verschnaufen.
Dabei wechseln sich die Kapitel mal aus Sicht der Ermittler, mal aus Sicht des Täters, mal LAPD, mal FBI ab, was zusätzliche Perspektiven eröffnet.

Und als man sich am Ende des Buches wähnt und denkt, nun in ruhiges Fahrwasser zu tauchen, knallt einem Chris Carter den nächsten Cliffhanger vor die Nase, der einem die Haare zu Berge stehen läßt und einen sofort auf einen schnellen Erscheinungstermin des Nachfolgebandes hoffen läßt.
Bis dahin werde ich mir hoffentlich die Vorgängerbände "reingezogen" haben!

Bei all dem Glanz gibt es auch ein wenig Schatten:
Nervig empfand ich den wiederkehrenden Hick-hack zwischen LAPD-Detective Carlos Garcia und FBI-Agent Erica Fisher. Wo blieb da deren Professionalität bzw. Anspruch, zu den "Besten der Besten" zu gehören?

Unglücklich gewählt finde ich den deutschen Buchtitel "Blutrausch", denn im Original erschien das Werk unter "Gallery of the dead", was viel besser eine Mordserie suggeriert.

Fazit:
Spannende amerikanische Profiler-Kost, die einem von Cliffhanger zu Cliffhanger in Atem hält. Ich freue mich schon auf die Fortsetzung!

Veröffentlicht am 19.10.2018

Tagtäglich beweisen, dass wir aus der Geschichte gelernt haben

Deutsches Haus
0

Vorausschickend: Ich hatte mich mit dem Thema Nationalsozialismus und dessen Gräueltaten bereits neben Geschichtsunterricht und Literatur auseinandergesetzt und sofort TV-Filmen wie „Das Urteil von Nürnberg“, ...

Vorausschickend: Ich hatte mich mit dem Thema Nationalsozialismus und dessen Gräueltaten bereits neben Geschichtsunterricht und Literatur auseinandergesetzt und sofort TV-Filmen wie „Das Urteil von Nürnberg“, „Der Staat gegen Fritz Bauer“ und „Die Akte General“ im Kopf, weshalb ich sehr gespannt war, welche Perspektive die Autorin Annette Hess einnehmen wird und inwieweit dies meine bisherige Sichtweise beeinflussen würde.

Meine Meinung zum Buch:
Annette Hess gelingt es auf beeindruckende Weise, ihre Protagonistin Eva stellvertretend für die (im/nach dem Krieg geborenen) LeserInnen loszuschicken, um Antworten zu finden, wie weit das Vergessen-Wollen, Verdrängen, Verstummen sowohl innerfamiliär als auch gesellschaftlich nach dem Krieg um sich gegriffen hatte.

Sie führt in eine Zeit des Wirtschaftsaufschwungs, der Fassaden der heilen Familien und der ach so vielen, die nicht gewusst haben wollen, was während des Krieges passiert sei, thematisiert die Frage der individuellen und kollektiven Schuld und zeigt auf, wie schwierig es für das Gericht war, die Verbrechen der sich hinter dem „Befehlsnotstand“ versteckenden Angeklagten zu sühnen.

Die Reaktionen beim Vorort-Termin im KZ Auschwitz haben mich besonders nachdenklich gestimmt, denn es ist bitter, dass sich die emotionale Dimension – obwohl die Fakten bekannt waren – bei einigen der Teilnehmer erst vor Ort erschloss.

Mit Eva erleben wir auch die Zeit der Frauen in den 60er Jahren, in welcher unter anderem der Mann seine (zukünftige) Frau dominierte (und sogar entscheiden durfte, ob sie berufstätig ist und in welchem Beruf/Umfang).

Eva vollzieht eine beeindruckende Entwicklung, will „Hinschauen“, sich mit der Vergangenheit auseinander setzen und emanzipiert sich dadurch von ihrem Verlobten Jürgen, der selbst mit seiner Kriegsschuld zu kämpfen hat, und auch ihren Eltern, deren fehlendes Vertrauen und der Verrat an ihr als Tochter besonders schwer wiegen.

Annette Hess arbeitet viel mit Symbolen, beispielweise der Name der Gaststätte „Deutsches Haus“, welcher auch für die gesamte Gesellschaft/Nation zu verstehen ist.

Auch ihren „Nebenschauplatz Annegret“ (Evas Schwester) habe ich symbolisch für das tagtägliche Wegschauen zum eigenen Vorteil verstanden: Annegrets Wertesystem scheint - vermutlich kriegsbedingt - verschoben zu sein und zeigt sich anhand „kleinerer“ Grenzüberschreitungen (Lesen von Evas Tagebuch), nimmt jedoch schreckliche Dimensionen an.
Ihr Liebhaber bevorzugt es, wegzuschauen/zu verschweigen - zu seinem persönlichen Nutzen, denn er will mit Annegret ein neues Leben in einer neuen Stadt beginnen.

Weshalb der damalige Generalstaatsanwalt Fritz Bauer im gesamten Buch nie namentlich erwähnt wird bzw. welche Botschaft Annette Hess mit der Person Davids (für die Staatsanwaltschaft tätiger kanadischer Jurist) beabsichtigt, ist für mich nur bedingt nachvollziehbar, beeinträchtigen jedoch in keiner Weise meinen positiven Gesamteindruck des Buches.


Fazit:
Gerade in Zeiten wie diesen, wo Gruppierungen (und Parteien) verstärkt wieder Menschen/Nationen gegeneinander auszuspielen versuchen, ist ein derartiges Buch besonders wichtig!

Es fordert uns auf, aus der Geschichte zu lernen und im Heute besonders genau hinzuschauen, wenn uns - egal von wem - ein „Vorteil“ oder „Gewinn“ offeriert wird (politisch häufig als „Klientelpolitik“ bezeichnet), ohne die Kehrseite/den dafür zu zahlende Preis/drohenden Werteverlust ausreichend zu benennen.

Jede/r trägt Verantwortung, wohin sich eine Gesellschaft entwickelt, in ihrem/seinen täglichen Tun und insbesondere an der Wahlurne! Wir sind es uns selbst (und unseren Kindern bzw. Nachfolgegenerationen) schuldig, diese Verantwortung auszuüben!