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Veröffentlicht am 09.10.2016

Ein Lese-Highlight!

Die Nachtigall
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Warnung: Wer mit diesem Roman zu lesen beginnt, sollte wissen, dass er die nächsten Stunden und Tage kaum mehr aus der Welt von Vianne und Isabelle auftauchen wird! Zu packend ist diese Geschichte um zwei ...

Warnung: Wer mit diesem Roman zu lesen beginnt, sollte wissen, dass er die nächsten Stunden und Tage kaum mehr aus der Welt von Vianne und Isabelle auftauchen wird! Zu packend ist diese Geschichte um zwei Schwestern und ihr Leben, dass man das Buch nicht wieder aus der Hand legen möchte...

Die Romane, die ich bereits von der Autorin gelesen habe, haben mich alle sehr bewegt und emotional berührt. Es gab zwar auch den einen oder anderen, den ich nur mittelmäßig fand, aber im Großen und Ganzen sind Kristina Hannah's Bücher wirklich sehr gut. Üblicher Weise sind ihre Geschichten in der Gegenwart angesiedelt, während "Die Nachtigall" von zwei Schwestern erzählt, die während des Zweiten Weltkrieges versuchen zu überleben - jede auf ihre Weise. Zwei Schwestern, die unterschiedlicher nicht sein könnten, die jedoch ihr Lebensumstand zwingt, sich so zu verhalten, wie sie es schlussendlich tun. Und jeder Leser, der meinen Blog verfolgt, weiß auch, dass ich Geschichten aus der Zeit der Weltkriege verschlinge. So war dieses Buch natürlich ein absolutes MUST-HAVE....

Der Prolog führt den Leser allerdings zuerst in die Gegenwart und in die USA, wo eine ältere und schwerkranke Frau ihre Habseligkeiten zusammenpackt. Ihr Haus steht zum Verkauf und sie wird die kommenden Tage in eine Seniorenresidenz umziehen. Doch ein alter Koffer voller Erinnerungen und eine Einladung nach Paris bringen sie noch einnmal zurück in die Vergangenheit des Jahres 1939.

Die beiden Schwestern Vianne und Isabelle sind schon sehr früh auf sich alleine gestellt und erfahren, was der Krieg anrichten kann. Der Vater kam völlig verändert aus dem ersten Weltkrieg zurück und als die Mutter viel zu früh stirbt, fühlt er sich nicht stark genug, um für seine Töchter zu sorgen. Er gibt sie einfach ab.......
Trotzalledem kämpfen die beiden Frauen ihr ganzes Leben lang um seine Liebe und um Anerkennung. Während Vianne früh heiratet und eine Familie gründet, rebelliert Isabelle. Sie flieht immer wieder aus den Internaten, in die sie gesteckt wird und lehnt sich auf.
Als der Krieg ausbricht wird auch Viannes Mann Antoine eingezogen und sie bleibt mit der kleinen Tochter Sophie zurück. Gemeinsam mit Rachel, ihrer besten Freundin, und ihren Kindern, versuchen sie ihr Leben ohne ihre Männer weiterzuleben. Doch viel zu früh sind die deutschen Soldaten auch in ihrem kleinen Dorf angekommen. Frankreich wird geteilt und Vianne lebt nun in der besetzten Zone. Nahrungsmittel werden knapp und in ihrem Haus wird ein deutscher Hauptmann einquartiert. Als ihre Freundin Rachel mitsamt ihren Kindern abtransportiert wird, muss sich Vianne der Realität stellen. Aus der anfangs eher schüchternen und naiven jungen Mutter, wird eine stille Kämpferin, die nicht nur ihre Tochter beschützen will, sondern beginnt sich auch für andere Kinder einzusetzen....
Die ungestüme Isabelle hingegen hasst die Deutschen und geht in den Untergrund. Sie schließt sich der Résistance an und überbringt geheime Nachrichten. Das ist ihr aber bald nicht mehr genug und sie nimmt einen neuen gefährlichen Auftrag an. Sie bringt abgeschossene Piloten der Allierten über die Pyrenäen nach Spanien. Unter dem Decknamen "Die Nachtigall" wird Isabelle zu einem der meistgesuchten Feinde der Deutschen.

Gefallen hat mir, dass dieses Buch einmal aus der Sicht der Frauen während des Krieges erzählt wird. Romane über heldenhafte Soldaten oder verfolgte Juden gibt es jede Menge, doch selten wird über die Frauen berichtet, die zuhause versuchen müssen ihre Kinder, Haus und Hof zu schützen und vorallem genug Essen auf den Tisch zu bringen. Man erlebt hautnah mit, wie sie zuerst um den Ehemann oder Liebsten bangen, bald aber schon die Sorge ums eigene Überleben an erster Stelle tritt. Man liest von Hunger und Kälte und wie die Menschen alles verheizen, was ihnen in die Hände fällt. Bald bekam man für eine Lebensmittelmarke nicht einmal mehr Mehl oder Kartoffel, während die Deutschen Fleisch horteten.

„In der Liebe finden wir heraus, wer wir sein wollen; im Krieg finden wir heraus, wer wir sind.“

Kristin Hannah beschreibt, wie sich die Menschen während des Krieges verändern. Man taucht in die tiefsten Abgründe der menschlichen Seele. Manche gehen den geringsten Widerstand und werden zu Verräter, andere kämpfen ums nackte Überleben und wieder andere werden stärker und finden den Mut etwas zu bewegen. Bis man sich nicht selbst in so einer Situation befindet, weiß man meist selbst nicht, wie man tatsächlich reagieren würde, auch wenn natürlich jeder von uns annimt, dass er zu den Gutmenschen gehören wird.
Ein Roman, der mich sehr beeindruckt hat und der herausragt aus den Geschichten rund um den Zweiten Weltkrieg. Nur wenige Bücher kann ich nennen, die mich zu diesem Thema ebenso sehr berührt haben wie "Die Nachtigall".

Charaktere:
Die Charaktere wurden sehr authentisch dargestellt. Die Gefühlswelt der einzelnen Personen wurde hervorragend ausgearbeitet. Jede im Roman dargestellte Figur konnte ich mir bildlich vorstellen. War mir Vianne anfangs zu untätig und naiv, entdeckt sie im Laufe des Krieges ihre eigene Stärke und setzt diese gekonnt ein. Isabelle bewunderte ich zuerst für ihren Mut und Einsatz, doch dabei ist sie viel zu unüberlegt und bringt andere in Gefahr oder setzt ohne Nachzudenken ihr Leben aufs Spiel. Ihre Schönheit ist ihr dabei eine große Hilfe, doch die Gefahren, denen sie sich aussetzt, werden immer gewagter. Isabelle ist eine Art Adrenalinjunkie und die Risiken, die sie manchmal ohne Nachzudenken eingeht, ließen mich dann doch öfters den Kopf schütteln. Im Inneren sucht sie jedoch Anerkennung und Liebe, die ihr als Kind immer verwehrt blieb.

Schreibstil:
Den Schreibstil der Autorin fand ich schon in ihren anderen Romanen fesselnd und unglaublich emotional. Kristin Hannah lässt die Schwestern abwechselnd aus ihrer Sicht erzählen. Man durchlebt so die Ängste, die Wut und die Verzweiflung aus nächster Nähe und fühlt mit Vianne und Isabelle mit. Die fikitve Geschichte rund um Vianne und Isabelle, die stellvertretend für das Schicksal vieler Frauen während des Zweiten Weltkrieges steht, wird gekonnt mit den historischen Fakten verflochten.

Fazit :
Ein Buch, das mich beeindruckt hat und heraussticht aus den Romanen zu diesem Thema. Nur wenige Bücher kann ich in einem Atemzug gemeinsam mit "Die Nachtigall" nennen, die mich ebenso emotional berührt haben und die auf meiner Liste der TOP Bücher zum Thema Zweiter Weltkrieg aufscheinen. "Die Nachtigall" darf sich nun dazu einreihen und von mir gibt es eine ganz klare Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 24.09.2016

Schöner Wohlfühlroman und toller Schreibstil!

Die kleine Bäckerei am Strandweg
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Nach der Insolvenz der gemeinsamen Firma von Polly und Chris, gehen die Beiden auch privat erstmals getrennte Wege. Während Chris eher im Selbstmitleid badet und zu seiner Mutter nach Hause zieht, versucht ...

Nach der Insolvenz der gemeinsamen Firma von Polly und Chris, gehen die Beiden auch privat erstmals getrennte Wege. Während Chris eher im Selbstmitleid badet und zu seiner Mutter nach Hause zieht, versucht Polly alle Brücken hinter sich abzubrechen. Da ihnen nicht viel Geld geblieben ist, hat Polly nicht gerade viel Auswahlmöglichkeiten. Das Einzige, das sie sich leisten könnte, ist ein Zimmer in einem kleinen heruntergekommenes Häuschen, einer ehemalige Bäckerei, auf einer Insel vor Cornwall. Doch Polly verliebt sich auf den ersten Blick in die Bruchbude mit den undichten Fenstern und einem Loch in der Wand! Doch der atemberaubende Ausblick auf das Meer, sowie die Ruhe und die erschwingliche Miete, sind genau das, was Polly sucht. Doch wovon soll sie zukünftig leben? Um sich abzulenken, widmet sie sich ihrem liebsten Hobby: dem Brot backen. Bald schon versorgt sie die Fischer und den Tierarzt von Mount Polbearne mit ihren selbstgebackenen Brötchen und Ciabattas. Doch Polly ist keine Einheimische und außerdem macht sie der einzigen Bäckerei im Dorfe Konkurrenz. So hat sie sehr schnell die erste Feindin auf dem Hals, die ihr fortan das Leben schwer macht....

Die Idee des Romans ist nicht wirklich neu, aber die Autorin hat hier eine bezaubernde Geschichte rund um einen Neuanfang geschrieben, der wirklich gelungen ist. Die bildhafte Sprache lässt die Gezeiteninsel vor Cornwall, die nicht mit den anderen touristisch angehauchten Inseln mithalten kann, vor dem eigenen Auge entstehen. Man spürt den Wind und die Wellen und erschnuppert den Duft von Pollys Backwaren. Und mit dem Papageientaucher Nils hat Jenny Colgan einen süßen tierischen "Protagonisten" miteingebaut, an dem ich sofort mein Herz verloren habe. Die Leserinnen, die sich vorallem eine Liebesgeschichte wünschen, könnten enttäuscht werden (mit Ausnahme des Happy Endes am Schluss), denn diese bleibt hier eher im Hintergrund, was mir jedoch sehr zugesagt hat. Viel mehr geht es um das Erkennen, was einem im Leben wirklich wichtig ist.
Es gibt viele Sommerromane, die auf ähnliche Themen aufbauen, doch es kommt darauf an, wie die Autorin diese auch umsetzt. Und Jenny Colgan hat hier wirklich alles aus dem Thema rausgeholt und mit ihrem fabelhaften und flüssigen Schreibstil eine ganz wunderbare Geschichte geschrieben. Den einzigen Wermutstropfen bildet der letzte Teil des Buches. Meine Meinung nach hätte man die letzten 50-100 Seiten auch weglassen können. Zum Abschluss gibt es noch einige Brotbackrezepte zum Ausprobieren.

"Die kleine Bäckerei am Strandweg" ist der erste Teil einer dreiteiligen Serie, die auf Englisch bereits erschienen ist. Ich hoffe, dass auch die anderen Titel auf Deutsch übersetzt werden.

Schreibstil:
Der Schreibstil der Autorin macht diese Geschichte erst zu dem, was sie ist. Man spürt alle Emotionen, riecht den Duft von Brot und das salzige Meer. Lebendig und bildreich, flüssig und rund.....für mich perfekt!
Die Geschichte wird in der dritten Person erzählt und am Anfang jedes Kapitels im Buch ist ein gefüllter Brotkorb zu sehen. Die Charaktere sind insgesamt sehr lebendig und facettenreich beschrieben. Man spürt die Gemeinschaft der Inselbewohner und die Skepsis gegenüber Fremden. Am liebsten würden sie alles so lassen, wie es immer schon war und stehen Neuem sehr skeptisch gegenüber. Man erfährt vieles über das karge und gefährliche Leben der Fischer, bekommt Einblicke in die Imkerei und hat die malerische Landschaft immer wieder vor Augen. Nur Pollys beste Freundin Kerensa, die sich ein Leben ohne Party und Shoppen nie vorstellen könnte, bringt etwas Chick Lit mit in die Handlung. Selbst Nils, der kleine Papageientaucher, der mein Herz sofort erobert hat, hat "menschliche Züge" ;)


Fazit :
Einige humorvolle Turbulenzen, aber auch traurige Momente, erlebt der Leser in diesem gefühlvollen Roman, der mich absolut überzeugen konnte und mir schöne (Lese-)Stunden schenkte. Wundervoller Schreibstil, jedoch hätten die letzten 50 Seiten nicht unbedingt sein müssen. 4 1/2 Sterne gibt es von mir.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Eine starke Frau

Sehnsuchtsland
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Ich war eine der beiden Glücklichen, die diesen Roman vom Francke Verlag in einer kleinen, aber feinen Lovelybooks Leserunde lesen durfte. Das Buch stand schon auf meiner (ellenlangen) Wunschliste und ...

Ich war eine der beiden Glücklichen, die diesen Roman vom Francke Verlag in einer kleinen, aber feinen Lovelybooks Leserunde lesen durfte. Das Buch stand schon auf meiner (ellenlangen) Wunschliste und deshalb freute ich mich umso mehr.
Zu Beginn der Geschichte ist unsere Protagonistin Hildegard ein kleines Mädchen von ein paar Jahren. Als in St.Petersburg der Zar gestürzt wird, müssen Hildegards Eltern vor den Bolschewisten fliehen. Auf dem Landgut in Königsberg wächst Hildegard zuerst unbeschwert auf, auch wenn ihre geliebte englische Nanny und der aus Deutsch-Südwestafrika stammende Student Gustav, ihre einzigen Vertrauten sind. Besonders Gustav ist ihr ein wahrer Freund, der sie nicht wie ein Kind behandelt, sondern mit ihr viele ernstere Gespräche führt und Hildegard von seiner weit entfernten Heimat erzählt. Der Vater ist ein eher kühler und distanzierter Mann und ihre Mutter lebt überhaupt in einer anderen Welt. Als ihre Nanny plötzlich ohne Abschied abreist und auch Gustav bald darauf das Land verlässt, ist Hildegard ein sehr einsames Kind. So wächst sie in einem sehr emotionslosen Umfeld auf. Doch dann bricht der erste Weltkrieg aus und erneut ändert sich alles. Hildegard bietet freiwillig ihre Hilfe im Lazarett an. Als gut behütetes Töchterlein geht sie eher etwas unbedarft an die Sache heran und erlebt hier die schrecklichen Folgen des Krieges. Als ihre Eltern alles verlieren, willigt sie in eine arrangierte Hochzeit ein, um ihre Familie vor dem Ruin zu wahren. Von Königsberg zieht sie nach Berlin, nichts ahnend, dass bald der nächste Krieg über sie hereinbrechen wird....

Die Autorin erzählt eine sehr detaillierte und emotionale Geschichte, die aufzeigt, wie viel ein Mensch erleiden kann. Die sehr reale und lebendige Darstellung der beiden Weltkriege lassen den Leser gebannt an den Seiten kleben. Die vielen Bombardments und vorallem der Mangel an Lebensmittel am Ende des Zweiten Weltkrieges werden sehr lebendig geschildert. Ich habe schon viele Geschichten, die während des Weltkrieges spielen gelesen, aber noch in keinem wurde der nagende Hunger und die Furcht so realitätsnah und detailliert erzählt. Vielleicht liegt es auch daran, dass die Autorin in der Gegenwart erzählt, was die Gefühle und Vorkommnisse noch realer macht. Man steckt selbst mittendrin und erlebt die Ohnmacht und die Verzweiflung hautnah mit.

Hildegard hat in ihrer Kindheit keine Liebe und Geborgen erfahren und auch in ihrem weiteren Leben wird ihr immer wieder vorgeschrieben, was sie zu tun hat. Trotzdem ist sie eine sehr warmherzige junge Frau, die nie die Hoffnung aufgibt. Sie entwickelt sich zu einer sehr mutigen Protagonistin, die viel Leid erfahren muss und immer wieder vor neuen Abschieden steht....sei es von Menschen oder Orten.
Besonders mitgefühlt habe ich, als sie ihre Kinder nicht selbst aufziehen durfte, sondern diese dem Kindermädchen überlassen musste, wie es zu dieser Zeit in höheren Kreisen üblich war. Nachdem sie selbst keine Liebe von ihren Eltern erfahren hat, wollte sie zu ihren eigenen Kindern eine festere Beziehung aufbauen.... Als Mutter tat mir beim Lesen das Herz weh.
Im letzten Drittel kommt es zu großen Veränderungen in Hildegards Leben und sie muss abermals fliehen. Ob sie schlussendlich Liebe und Geborgenheit findet, müsst ihr selbst herausfinden....

Gestört hat mich, dass genaue Zeitangaben fehlen. Man weiß oft nicht, wie alt Hildegard oder ihre Kinder sind. Das hat manchmal den Lesefluss gestört, besonders, wenn innerhalb eines Kapitels Zeitsprünge vorkamen und diese eben nicht gekenntzeichnet waren. Auch das letzte Drittel konnte mich nicht mehr so fesseln, wie der Rest des Buches. Deshalb sind es statt 5 Sterne diesmal gute 4 1/2 Sterne geworden.

Schreibstil:
Irma Joubert hat einen sehr bildhaften und detaillierten Schreibstil. Mein Kopfkino war die ganze Zeit über in Hochform bei den lebendigen Beschreibungen von Menschen und Landschaften, dem Luftschutzkeller oder der klirrenden Hitze in Deutsch-Südwest Afrika. Der Spannungsbogen wurde stets angehoben und man liest sich sehr schnell durch die fast 500 Seiten.
Die Erzählform in der Gegenwart lässt die Ereignisse noch viel realer erscheinen.

Fazit
Ein beeindruckendes Bild einer Frau, die nie die Hoffnung und den Glauben aufgibt. Krieg, Flucht und jede Menge Verluste begleiten ihren Weg - sehr bildhaft, lebendig und detailliert beschrieben. Spannend und mit jeder Menge historischen Hintergrundwissen ein eher nachdenklicher Roman, der begeistert.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Ich liebe diese Reihe!

Die Nightingale Schwestern
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Gleich vorweg: Ich LIEBE diese Reihe! Auch wenn die Cover eher "billig" wirken, war schon der erste Band "Freundinnen fürs Leben" DIE positive Überraschung der letzten Monate. Downtown Abbey im Krankenhaus ...

Gleich vorweg: Ich LIEBE diese Reihe! Auch wenn die Cover eher "billig" wirken, war schon der erste Band "Freundinnen fürs Leben" DIE positive Überraschung der letzten Monate. Downtown Abbey im Krankenhaus sag ich nur ;) Deshalb freute ich mich schon sehr auf den zweiten Band der Reihe. Und dieser steht dem ersten Band um nichts nach.

Man ist sofort wieder in der Geschichte drinnen, egal wie viel Zeit man zwischen Band 1 und 2 verstreichen hat lassen. Die drei Freundinnen Dora, Millie und Helen beginnen nun ihr zweites Jahr als Lernschwestern im Nightingale Krankenhaus.
Helen tritt diesmal etwas in den Hintergrund. Ihre Mutter hat sich ein bisschen mit Charles arrangiert und die Beiden sind nun sogar verlobt.
Millie stolpert nach wie vor von einem Missgeschick zum nächsten. In diesem Band hat sie aber auch einige Schicksalschläge zu überwinden, die sie etwas aus der Bahn werfen. Ihr wird auch bewusst, was es heißt, als Krankenschwester todkranke Menschen zu begleiten, denn Millie hängt ihr Herz des öfteren zu sehr an ihre Patienten.
Auch Dora hat es nach wie vor nicht leicht und versucht neben ihrer Ausbildung ihre Familie so gut wie möglich zu unterstützen. Nachdem ihr Stiefvater von einem Tag auf den anderen verschwunden ist und ihr Bruder seinen Job verliert, nimmt die Not in ihrem Elternhaus immer mehr zu. Und auch Liebeskummer quält Dora, da Nick nun mit ihrer ehemaligen Freundin aus dem East End zusammen ist.
Mit der Nachtschwester Violet Tanner, kommt ein neuer Charakter hinzu. Die junge Frau scheint etwas geheimnisvoll und sondert sich bewusst von den anderen Schwestern ab. Mit Violet erlebt der Leser eine starke junge Frau, die von ihrer Vergangenheit flieht. Man erkennt, wie engstirnig die damalige Zeit war, was alleinstehende, arbeitende Frauen betraf. Auch wenn schon um die Jahrhundertwende Frauen in England auf die Straße gingen (die berühmten Suffragetten), hat sich das Schicksal dieser dreißig Jahre später nicht viel geändert. Aber auch geschichtliche Hintergründe, wie der langsam spürbare Judenhass oder der Tod von König Georg V., werden sehr gut in die Handlung verknüpft.
Auch im zweiten Band sind die Vorkommnisse im Krankenhaus und im privaten Leben der Mädchen sehr lebendig erzählt. Neben den Hauptprotagonistinnen spielen auch wieder Mrs. Fox, die Oberin, sowie die sehr unterschiedlichen Schwestern Sutton, Wren, Blake und Hyde eine große Rolle.

Wie schon bei meiner ersten Rezension, möchte ich auch diesmal wieder erwähnen, dass ich mir diese Bücher wunderbar als Serie im TV vorstellen könnte.

Schreibstil:
Die Autorin hat einen so wunderbaren lebendigen Schreibstil, dass die Seiten nur so dahin fliegen. Man ist vollkommen vertieft in die Geschichte, die die Protagonistinnen aus ihrer Sicht schildern. Auch in "Geheimnisse des Herzens" (wer bitte ist für die Übersetzung verantwortlich???) entwickeln sich die bekannten Charaktere weiter und stehen, wie im realen Leben, immer wieder vor weiteren Aufgaben und Hürden, die sie zu bewältigen haben. Die Charaktere sind liebenwert und überzeugen zu hundert Prozent!

Fazit :
Diese Reihe beginnt mich immer mehr zu fesseln und tendiert langsam zu meiner Lieblingsbuchreihe! Lasst euch nicht vom Titel und Cover abschrecken, denn die Geschichte dahinter ist wirklich wunderbar und hat einen Touch von Downtown Abbey. Ich freue mich schon auf den dritten Band, der bereits erschienen ist. Für mich sind die Nightingale Schwestern eine absolute Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 15.09.2016

Briefe an eine Verschollene

Als unsere Herzen fliegen lernten
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Zur aussterbenden Spezies der Briefeschreiber gehörend (ja, ganz altmodisch mit Papier und Kugelschreiber), stach mir natürlich das wunderschöne Cover mit den Briefumschlägen sofort ins Auge. Als ich danach ...

Zur aussterbenden Spezies der Briefeschreiber gehörend (ja, ganz altmodisch mit Papier und Kugelschreiber), stach mir natürlich das wunderschöne Cover mit den Briefumschlägen sofort ins Auge. Als ich danach die Inhaltsangabe las und erfuhr, dass die Geschichte während des zweiten Weltkrieges spielt, war für mich klar, dass ich dieses Buch lesen muss.

Doch der Roman beginnt mit einem Handlungsstrang in der Gegenwart. Jess, eine junge Frau und Sängerin, flüchtet vor ihrem gewalttätigen Freund und Manager. Sie bricht in ein leerstehendes Haus ein, verschanzt sich dort und versteckt sich einige Tage dort. Als der Briefträger einen Brief durch den Türschlitz steckt, der mit dem Vermerk - "Persönlich und dringend. Wenn nötig und möglich bitte weiterleiten" - gekennzeichnet ist, siegt ihre Neugier. Sie öffnet den Brief und ist zutiefst berührt von den Zeilen eines alten kranken Mannes, der an seine große Liebe schreibt, die er während des Zweiten Weltkrieges kennengelernt hat. Jess findet im Haus noch ein weiteres Bündel an Liebesbriefen und taucht beim Lesen völlig in die Geschichte ein. Sie nimmt sich vor die Empfängerin der Briefe ausfindig zu machen. Doch dann wird Jess krank....

Da der Roman auf zwei Zeitebenen basiert, wird im weiteren Handlungsstrang zurück in das Jahr 1943 geblendet. Dort lernen wir die junge Waise Stella kennen, die als Haushälterin im Pfarrhaus arbeitet und gerade vor der Hochzeit mit dem ansäßigen Pfarrer Charles Walsh steht. Doch die Träume nach einer liebevollen Familie, nach der sie sich schon im Waisenhaus gesehnt hat, werden auch diesmal nicht erfüllt. Ihr Mann ist lieblos und spielt nur nach Außen hin den perfekten Ehemann, denn er hütet ein Geheimnis. Als er sich auch noch freiwillig an die Front meldet, bleibt Stella wiederum alleine und ungeliebt zurück. Nur ihre Freundin, die lebenslustige Nancy, überzeugt sie doch auch ab und zu das Haus zu verlassen. Als Stella eines Tages einwilligt mit Nancy tanzen zu gehen, verliert sie die Armbanduhr ihrer Schwiergereltern in einer zerbomten Kirche. Als sie am nächsten Tag nochmals hinfährt und verzweifelt ihre Uhr sucht, lernt sie den amerikanischen Piloten Dan Rosinski kennen, der gerade Fotos in der Kirche schießt. Er verspricht ihr Bescheid zu geben, falls er die Uhr findet und Stella gibt ihm die Adresse von Nancy. Doch es bleibt nicht bei einem Brief. Während Dan nicht weiß, ob er nicht beim nächsten Flugeinsatz abgeschossen wird, schreibt er seine Gedanken nieder und schickt diese an Nancys Adresse, die die Briefe an Stella weiterleitet.
Bald entwickelt sich eine besondere Freundschaft, die sich zu einer tiefen Liebe entfaltet....

Wie üblicher Weise bei Romanen auf zwei Zeitebenen, gefiel mir wieder der Erzählstrang in der Vergangenheit besser, als der in der Gegenwart. Obwohl sich beide Frauen ähnlich sind - ohne Mutter aufgewachsen, kein Selbstvertrauen, unsicher und einsam sind - konnte mich die Geschichte rund um Stella, Dan und Charles einfach mehr berühren. Dazu kommt natürlich, dass ich generell Romane, die während der Weltkriege spielen, liebe.

Durch den Prolog weiß der Leser bereits, dass diese Liebe vor siebzig Jahren nicht glücklich ausgegangen ist. Trotzdem versinkt man sofort in den Briefen von Dan und hofft nichtsdestoweniger, dass die Beiden zusammenkommen. Die Zeilen, die Dan an Stella schreibt, heben sich durch eine andere Schriftart gut von der restlichen Geschichte ab und geben einen noch intensiveren Einblick in die Gefühlswelt und das Leben der Beiden. Dabei ist der Roman sehr emotional und fesselnd, ohne jedoch kitschig zu werden. Auch durch die Schilderung des Lebens der Pfarrgemeinde bekommt der Leser mehr und mehr mit, wie die Jahre des Krieges die Menschen verändern. Die Entbehrungen und vorallem die Lebensmittelknappheit wird hier anschaulich dargestellt. Auch wie man versucht die Ängste und die Not mit ein bisschen Lebensfreude kurz zu verdrängen. Ganz langsam verbinden sich die beiden Handlungsstränge zu einem Ganzen und man erfährt schlussendlich, was man sich seit dem ersten Kapitel fragt: Was ist damals mit Dan und Stella passiert und gelingt es Jess Stella wiederfinden?

Die Autorin erzählt hier einen wundervollen Roman, der trotz der 600 Seiten keinerlei Längen aufweist. Man verfolgt mit Spannung das Leben zweier Frauen, die darum kämpfen glücklich zu sein. Man erkennt auch, wie straff die gesellschaftlichen Regeln in den vierziger Jahren waren und wie einfacher wir es heutzutage haben. Ich kann dieses Buch einfach nur weiter empfehlen und bin restlos begeistert!

Schreibstil:
Iony Grey hat einen sehr einfühlsamen und fesselnden Schreibstil, der mich das Buch kaum aus der Hand legen ließ. Die Kapitel haben eine angenehme Länger und sind mit der jeweiligen Jahreszahl versehen, damit man weiß, in welcher Zeitebene man sich befindet.
Die Personen sind bis auf den letzten Nebencharakter wunderbar lebendig gezeichnet. Stella ist liebenswert, voller Selbstzweifel und einfach ein Charakter, den man lieben muss. Sie hat ein schweres Leben und gibt doch die Hoffnung nie auf. Aber auch Dan's Ängste seine fünfunzwanzig vorgeschriebenen Einsätze nicht zu überleben oder die quirlige Nancy, die verucht ihr Leben zu genießen und trotzallem Stella meistens eine gute Freundin ist sind ganz besondere Figuren. Auch Jess und Will aus der Geschichte der Gegenwart haben mit ihren eigenen Dämonen zu kämpfen und versuchen einen Platz im Leben zu finden. Ihre Zweifel und Versuche endlich ihr Dasein auf die Reihe zu bekommen, werden ebenso lebendig beschrieben, wie Stellas Kampf um Liebe und eine Familie.

Fazit :
Ein Roman, der mich vollkommen mitgerissen hat und der sich durch wunderbar lebendige Charaktere und einem emotionalen Schreibstil auszeichnet. Berührend und dennoch nicht kitschig. Für mich wieder ein besonderes Highlight! Leseempfehlung!