Wenn "Ashworth Park" ruft, bin ich zur Stelle
Liebe Daffy,
hier bin ich wieder mit einer waschechten Empfehlung für Sonja Kaiblingers Lilien und Luftschlösser. Verliebt in Serie, das 2015 im Loewe Verlag erschienen ist. Da es sich um den zweiten ...
Liebe Daffy,
hier bin ich wieder mit einer waschechten Empfehlung für Sonja Kaiblingers Lilien und Luftschlösser. Verliebt in Serie, das 2015 im Loewe Verlag erschienen ist. Da es sich um den zweiten Band der Trilogie handelt, könnte es passieren, dass ich einige Ereignisse anreiße, mit denen du nichts anfangen kannst, wenn du noch nicht in Rosen und Seifenblasen gesprungen bist. Am besten legst du diesen Brief beiseite und hebst ihn dir auf, bis du das erste Mal aus „Ashworth Park“ zurück bist.
Offensichtlich bist du wieder da, ansonsten würdest du diesen Absatz nicht mehr lesen. Willkommen zurück! Es war aufregend, oder? Dieser Cliffhanger am Ende...wow. Ich weiß gar nicht, wie ich dir nun beschreiben soll, was in dieser Folge passieren wird, ohne dir zu viel zu verraten. Abby hat also Jasper Ashworth aus der Serienwelt in das reale New York mitgenommen. Upps? Wie soll sie einer Serienfigur nun klar machen, wo er ist und dass er das Gefüge auf gar keinen Fall durcheinander bringen darf, ohne ihm zu verraten, dass er eigentlich nur in einer Serie existiert? Abby hat zum Glück ihre Schwester und beste Freundin, die sie tatkräftig unterstützen. Es gilt nämlich, ein Happy End heraufzubeschwören, damit die Serie endlich zu einem großen Finale und damit dem Ende von Abbys Sprüngen findet. Doch bevor es soweit ist, rückt der nächste Sendetermin und damit Abbys Rückkehr unfassbar schnell näher. Ehe sie es sich versieht, ist sie wieder auf der britischen Insel und da warten die Intrigen hinter jeder Ecke. Wem kann sie trauen? Wer ist eine Hilfe – nicht nur in der Serienwelt? Und wieso schlägt Abbys Herz dann doch immer kräftiger, wenn sie einen bestimmten Jungen sieht?
Die österreichische Autorin Sonja Kaiblinger hat hier wirklich eine richtig schöne Jugendbuchserie (im wahrsten Sinne des Wortes) geschaffen. Wie in einer richtigen Fernsehserie, fühlte sich das Eintauchen in Band zwei an wie eine Heimkehr. Die Figuren waren noch da, das Setting war unverändert, aber die Spannung steigt langsam aber sicher an, dass ich sicher bin, es läuft auf ein fulminantes Finale hinaus.
Es gefällt mir ausgesprochen gut, dass die Anzahl der Charaktere überschaubar ist, sodass ich mir jeden genau vorstellen kann und von jedem weiß, wo er sich gerade im Geschehen befinden sollte, es sind aber doch genügend, als dass nicht doch jeder noch das Ass aus dem Ärmel ziehen könnte, um den großen Dreher in der Spannung zu erzeugen. Wir folgen anhand der gewählten Perspektive ganz klar Abby durch die Handlung und doch bekommen wir von der Autorin kleine Schnipsel geliefert, die uns in die allwissende Position des Fernsehzuschauers katapultieren und somit Abbys Wissensstand voraus sind. Durch diese gelungene Dramaturgie hoffe ich auf einige Überraschungen im letzten Teil.
Besonders hervorheben möchte ich zwei Charakterentwicklungen, die ich sehr interessant finde: Jasper und Tante Gladys. Wie ist Jasper nach New York gekommen? Und wie wieder zurück in die Serie bzw. warum ist er erst raus, dann wieder rein gesprungen? Welches Spiel spielt er wirklich? Was entspricht der Wahrheit und was tischt er Abby und seiner Familie auf? Ich möchte an das Gute in ihm glauben, doch die Skepsis überwiegt. Er ist eine viel komplexere Figur als Julian, der erklärte Mädchenschwarm. Ich kann mir aber auch nicht vorstellen, dass Jasper das Klischee „Bad Boy“ erfüllen soll und nun zum handzahmen Schaf wird. Sollte es sich in Band drei dahingehend entwickeln, wäre ich etwas enttäuscht; die Figur kann mehr.
Genau wie Tante Gladys. In Rosen und Seifenblasen habe ich sie als etwas schrullige Tante abgetan und mit Tante Maddy aus Rubinrot verglichen, die zwar auch eine wichtige Rolle spielt, aber nicht so eine interessante Wendung in die Geschichte bringt wie Tante Gladys. Dass ihr das gleiche Schicksal ereilt ist, wie Abby jetzt und dass sie das Ganze schon seit zwanzig Jahren mitmacht, ist hoch interessant. Als wir im Buch davon erfahren haben, war ich zwiegespalten und fand die Idee nicht ganz gelungen und zu einfach. Doch durch die Treffen in New York, während der Sendepausen und dem Zusammenspiel, das Abby und Tante Gladys in der Serie nur anhand von Andeutungen und Codeworten handhaben können, ist die Geschichte richtig spannend geworden. Zwei Paar Augen sehen mehr als eins und sie kommen mir wie ein richtig gutes Duo vor, die gemeinsam versuchen, das Happy End zu finden, um zu ihrem normalen Leben zurück zu kehren.
Durch den Versuch Abbys, die Geheimnisse aufzudecken, haben wir „Ashworth Park“ als Schauplatz nun auch einige Male verlassen und lernen nach und nach die Insel kennen, auf der die Serie spielt. Ich weiß nicht, ob es mein Serien-geschultes-Gehirn ist, aber ich denke das Buch tatsächlich in Filmszenen. Wenn wir mit Abby und Julian im Dorf sind, gibt es bestimmte Einstellungsgrößen, wie wir dieses Dorf erleben wie bei Downton Abbey. Das Cottage von DeWitt war für mich ein bisschen wie das Set von Die Nanny und wir kennen das Wohnzimmer aus genau einer Ansicht. Das macht das Lesen umso witziger.
Ein guter Schachzug ist auch, Abby die Serie mit dem Film Die Truman Show vergleichen zu lassen. So nimmt die Autorin dem kritischen Leser gleich diesen Vergleich vorweg und macht ihm bewusst, sie weiß um die Gegebenheiten ihres Buches und bettet es im bereits bestehenden Kanon ein. Was mich stört, ist die Redewendung des Springens. Abby springt in die Serie, ihr wird schwindelig und es kribbelt. Das ist mir zu sehr wie Gwendolyns Zeitsprünge in Rubinrot. Da hätte ich mir einen anderen Weg gewünscht, wie Abby in und aus der Serie gelangt. In meiner ersten Rezension habe ich es noch als Easteregg bezeichnet, doch in diesem Teil war es mir dann doch zu ähnlich. Ich habe mich auch gefragt, wie die Serie für den Zuschauer funktioniert. Abby spürt in der Serie, wenn der Cliffhanger droht und stürzt dann fluchtartig aus Räumen oder hinter Gebüsche. Würde diese Handlung nicht den Cliffhanger wieder aufheben, weil sie der Situation entrinnt, die gerade so spannend ist?
Ich habe große Hoffnungen, dass sich all meine Fragen im dritten und letzten Teil der Trilogie klären lassen und wir ein Finale mit Pauken und Trompeten erleben werden. Bis es soweit ist, warte ich auf das Kribbeln in meinen Knien, die dann nachgeben und mich zurück zu Abby und „Ashworth Park“ bringen.
Bis dahin,
deine Daisy