Spannende Geschichte, interessante Welt und Charaktere
Vor Jahrhunderten haben die „Ebenbürtigen“, Menschen mit Fähigkeiten, „Geschick“ genannt, die Monarchie in England auf sehr grausame Weise abgeschafft und sich selbst als Herrschende eingesetzt. Sehr schnell ...
Vor Jahrhunderten haben die „Ebenbürtigen“, Menschen mit Fähigkeiten, „Geschick“ genannt, die Monarchie in England auf sehr grausame Weise abgeschafft und sich selbst als Herrschende eingesetzt. Sehr schnell wurden auch neue Gesetze erlassen, wie z. B. das, dass „Gewöhnliche“, also Menschen ohne Geschick, zehn Jahre ihres Lebens als Sklaven zu arbeiten hätten. Oft muss diese Sklavenzeit in Sklavenstädten abgeleistet werden, reinen industriestädten, mit schlimmen Lebens- und Arbeitsbedingungen.
Abi Hadley hat es geschafft, dass sie und ihre Familie ihre Sklavenzeit zusammen bei der Familie Jardine ableisten dürfen, einer der Gründerfamilien, die auf einem riesigen Anwesen, Kyneston, lebt. Doch dann darf eines der Familienmitglieder nicht mit nach Kyneston, sondern wird in die Sklavenstadt Millmoor gebracht.
Auch wenn man immer wieder in Rezensionen liest, dies sei eine Dystopie, so ist es in meinen Augen nicht so, denn es handelt sich nicht um einen negative Zukunftsvision, sondern um einen Alternativweltentwurf, Menschen mit Geschick gibt es bereits lange, im 17. Jahrhundert wurde von ihnen die Monarchie abgeschafft. Die Welt entwickelte sich insgesamt anders, da die Ebenbürtigen ihr Geschick in jedem Land ganz unterschiedlich einsetzten. Die industrielle Revolution in England brachte hier die Industriestädte hervor, ähnlich, wie es tatsächlich war, jedoch hat sich die Situation der Arbeiter nie verbessert, Arbeitsschutz, Arbeitszeitregelung u. ä. war auf Grund des Sklavengesetzes „nicht nötig“.
Erzählt wird aus verschiedenen Perspektiven, es kommen sowohl Ebenbürtige als auch Gewöhnliche zu Wort, sowohl auf Kyneston als auch in Millmoor Lebende. Der Leser erfährt damit zwar viel, aber nicht alles, so dass manche überraschende Wendungen auf ihn warten. Manche kann man, wenn man aufmerksam liest und sich seine Gedanken macht, schon ahnen, aber wahrscheinlich nicht alle. Die Charaktere sind pointiert gezeichnet, die mit eigener Perspektive lernt man natürlich besser kennen, ihre Charakterisierung geht deutlich tiefer, die anderen lernt man dagegen nur aus Sicht der Protagonisten kennen, hier bleibt vieles vager und teilweise geheimnisvoller, wie etwa bei Silyen Jardine, der viele für seinen Stand überraschende Dinge tut, dessen Motive aber lange nicht klar sind. Dennoch kann der Leser auch diese Charaktere in der Regel sehr schnell einordnen.
Die Welt, die die Autorin hier erschaffen hat, ist sehr düster, aber auch sehr gut gelungen. Man erfährt bereits in diesem Roman viel über sie, ihre Entstehung, ihre Gesetze, und manches wirkt außerordentlich brutal, z. B., wenn man die Geschichte von Lady Hypatias Hund erfährt, oder wenn man die Gedanken der Ebenbürtigen über die Gewöhnlichen lesen muss. Das trägt aber auch sehr zur Spannung bei und sorgt dafür, dass der Leser (positive und negative) Emotionen für die Charaktere entwickelt.
Die Geschichte ist sehr spannend, gerade auch, weil man manches nicht wirklich einschätzen kann. Gerade in Millmoor passiert viel, und vieles davon ist gefährlich. Am Ende gibt es zwar die eine oder andere Auflösung, aber auch fiese Cliffhanger, denn dies ist erst der Anfang der Geschichte. Ich bin sehr gespannt auf den nächsten Band und hoffe auf baldiges Erscheinen.
Mir hat dieser Roman sehr gut gefallen, er ist sehr spannend, hat mich emotional betroffen gemacht und lies sich kaum aus der Hand legen. Sowohl der Entwurf der Welt, als auch der der einzelnen Charaktere überzeugt. Es handelt sich hier zwar um ein Jugendbuch, lässt sich aber auch gut von Erwachsenen lesen. Das einzige Manko ist das Ende mit Cliffhangern, und dass man auf den nächsten Band noch warten muss. Ich vergebe gerne volle Punktzahl und eine Leseempfehlung.