Ein Serienauftakt mit kleinen Schwächen
Die Richterin und die Tote vom Pont du GardDie Autorin entführt ihre Leser nach Nîmes, jene alte Römerstadt, die durch ihren Pont du Gard weltberühmt ist.
Und der ist gleich Schauplatz eines Todesfalls – ein Mädchen fällt vom Aquädukt.
Doch das ...
Die Autorin entführt ihre Leser nach Nîmes, jene alte Römerstadt, die durch ihren Pont du Gard weltberühmt ist.
Und der ist gleich Schauplatz eines Todesfalls – ein Mädchen fällt vom Aquädukt.
Doch das wird nicht die einzige Tote sein. Beinahe gehört die Untersuchungsrichterin Mathilde de Boncourt, die eben an einem kniffligen Kriminalfall arbeitet, auch dazu. Sie wird unmittelbar nach der Verurteilung des Ehepaars Jalabert, die das afrikanische Mädchen Aminata als (Sex)Sklavin gehalten haben, niedergeschossen. Ein Zufall? Genauso wenig, wie Aminatas plötzlicher Tod im Zeugenschutzprogramm.
Also ermittelt Mathilde während ihrer Rekonvaleszenz von St. Gilles, ihrem Zuhause, aus weiter. Immer an ihrer Seite Commandant Rachid Bouraada. Sie wälzen alte Akten und entdecken, dass in den letzten Jahren mehrere Mädchen auf auffällig zufällige Weise ums Leben gekommen sind.
Ein zweiter Handlungsstrang ist der des Schriftstellers Martin Endress, der einen Reiseführer über das Languedoc schreiben soll. Doch führt ihn auch Privates in die Gegend um Nîmes: Seine Großeltern sind 1941 auf der Flucht aus dem Internierungslager von Les Milles vor den Nazis. Weil Anne, die kleine Tochter des Ehepaars Reuter fiebert, wenden sie sich in St. Gilles an den Gemeindearzt Dr. Barbier. Kurz nachdem die die Ordination verlassen, hat die Familie einen schweren Autounfall, bei der Martins Großmutter Sarah schwer verletzt wird und wenig später an den Unfallfolgen stirbt.
Martin begibt sich nach dem Tod seiner Mutter Anne auf Spurensuche und erhofft sich von Dr. Barbier, sollte er noch leben, Informationen.
Martin und Mathilde treffen auf dem Markt von Ucès aufeinander. Martins Suche nach Dr. Barbier führt ihn auch auf das Château de Boncourt. Rémy de Boncourt, Mathildes Großvater, weiß mehr über die Flucht von Martins Großeltern als er zu sagen bereit ist.
Meine Meinung:
Ich finde die Idee sehr ansprechend. Doch gäben beide Handlungsstränge jeweils einen Fall für sich her.
Zum einem spricht die Autorin die Ausbeutung junger afrikanischer oder/und osteuropäischer Frauen und Mädchen an, die unter Vorspiegelung falscher Tatsachen wie Sklavinnen gehalten werden und den Mächtigen für ihre perversen Spielchen zur Verfügung stehen müssen.
Andererseits ist die Fluchtgeschichte von Martins Großeltern ein sehr wichtiges und tragisches Thema, über das sehr viel geschrieben werden könnte.
So kommen, für meinen Geschmack, beide Handlungsstränge ein wenig zu kurz bzw. überlagern sich die Ereignisse ein wenig. Denn beide Geschichten haben jeweils einen Höhepunkt, der leider in dem des anderen ein wenig untergeht. Das finde ich sehr schade!
Obwohl Mathilde bei ihren Ermittlungen weiterkommt – es gibt außer den toten Mädchen – noch aktuelle Tote, ist dieser Fall nicht wirklich abgeschlossen. Die hohe Anzahl der Toten erscheint übrigens bemerkenswert. Weder sind die wirklichen Drahtzieher hinter dem Mädchenhändlerring gefasst, noch ist das Schussattentat auf Mathilde geklärt. Die unverhohlene Drohung des Polizeipräfekten, die er zu Mathilde äußert, lassen hier eine Verwicklung bis ganz nach oben vermuten. Das wird wohl im zweiten Fall aufgeklärt werden.
„Wir wollen doch nicht, dass eine so engagierte und geschätzte Untersuchungsrichterin ein zweites Mal Opfer eines schändlichen Attentats wird.“ (s. 301)
Die Charaktere sind recht gut gelungen, haben sie doch Ecken und Kanten. Mathilde polarisiert mit ihrem Zigarettenkonsum. Ich persönlich muss eine Kette rauchende Ermittlerin jetzt nicht unbedingt haben, aber es passt gut zu der Figur. Sympathisch finde ich den häufig ernst auftretenden Rachid Bouraada, der als Kind algerischer Einwanderer immer wieder auf Grund seiner Herkunft geringgeschätzt wird.
Martin wirkt zu Beginn ein wenig unbedarft. Die intensive Suche nach der Fluchtgeschichte nehme ich ihm anfangs nicht so ganz ab. Das ist eben die Crux an der Sache, wenn zwei gleich starke Themen und Handlungsstränge aufeinandertreffen. Da bleibt, meiner Meinung nach, wie schon weiter oben geschrieben, zwangsläufig ein bisschen etwas offen.
Sehr einfühlsam beschreibt die Autorin Sebastian, den jungen Mann und Enkel von Rémy, der mit Downsyndrom geboren wurde und von seiner Mutter mehr verhätschelt wird, als beiden guttut. Seine Geschichte wirkt auf mich beinahe wie ein dritter Handlungsstrang, der sich nicht so recht entwickeln darf, obwohl das eine sehr interessante Fügung sein könnte, zumal sich Martin mit Sebastian ganz gut versteht.
Aufgefallen ist mir, dass häufig die Hilfsverben „haben“ und „sein“ bemüht werden, wo aktivere Verben durchaus einen anspruchsvolleren und flotteren Stil ergeben könnten.
Auf einen weiteren Fall freue ich mich dennoch. Ich möchte ja unbedingt wissen, wie es mit Mathilde, Martin und Rachid weitergeht.
Fazit:
Ein guter Auftakt einer neuen Krimi-Reihe, der hin und wieder kleine Schwächen aufweist. Gerne gebe ich hier gute 3 Sterne.