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Veröffentlicht am 15.11.2018

so muss eine Biografie sein

Queen Victoria
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Es gibt solche und solche Biografien. Es gibt die, die mit viel Faktenwissen glänzen und dabei aber den Menschen vergessen, der hinter all den Daten steckte. Und es gibt die, die sich wie ein Roman lesen ...

Es gibt solche und solche Biografien. Es gibt die, die mit viel Faktenwissen glänzen und dabei aber den Menschen vergessen, der hinter all den Daten steckte. Und es gibt die, die sich wie ein Roman lesen lassen und in denen das Wissen so harmonisch und angenehm in den Text einfließt, dass es weder trocken noch langweilig wird.

Die Biografie „Queen Victoria“ von Julia Baird ist ein Paradebeispiel der zweiten Kategorie und ich empfehle es allen, die gerne Histos lesen und am englischen Königshaus interessiert sind.

Die Aufmachung glänzt schon mit dem schönen Cover, welches das Bildnis einer Frau zeigt, die neben ihren gesellschaftlichen Verpflichtungen und Einschränkungen als Königin von England auch ganz Frau und Geliebte sein konnte. Das Bild wurde auf persönlichen Wunsch der Königin für ihren Gemahl Albert angefertigt und es passt sehr gut zum Inhalt des Buches, denn man lernt in dieser Biografie natürlich eine Regentin kennen, die auch Mensch, Ehefrau und Mutter war und die durchaus Ecken und Kanten, Träume und Hoffnungen hatte, wie jeder andere Mensch auch.

Neben dem persönlichen Bild von Queen Victoria wird auch eine ganze Epoche beschrieben. Und es ist eine, die sowohl politisch als auch gesellschaftspolitisch und wissenschaftlich einige dramatische Veränderungen und Entdeckungen mit sich brachte. Es ist wahnsinnig spannend, über die vielen Jahrzehnte ein Land und seine Königin kennenzulernen.

Ich bin beeindruckt und begeistert von diesem Buch und lege es allen nur wärmstens ans Herz.

Veröffentlicht am 14.11.2018

geniale Fortsetzung

Die Bibliothek der flüsternden Schatten - Bücherkönig
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Für jeden Büchernarren ist Paramythia ein wundervoller Ort. Nur zu gerne würde man durch die unterirdischen Gänge und die Bücherschätze streifen. Gebannt verfolgt man das Schicksal der Hauptdarsteller ...

Für jeden Büchernarren ist Paramythia ein wundervoller Ort. Nur zu gerne würde man durch die unterirdischen Gänge und die Bücherschätze streifen. Gebannt verfolgt man das Schicksal der Hauptdarsteller Samir und Kani. Sicherlich werden auch Neueinsteiger ihren Spaß haben aber man sollte wirklich den ersten Band gelesen haben, denn dann wird einem so richtig bewusst, wie die Personen sich weiterentwickeln und verändern und, wie schön, stärker und noch sympathischer werden. Die magischen Wesen sind, wie das Wort schon verspricht, schillernd und ungewöhnlich und tatsächlich sehr phantasievoll entworfen. Außerdem schätze ich, dass auch die Gegner stark und präsent sind, allen voran die Wüstenhexe.

Bücherkönig ist kein ungeliebter Mittelband sondern ganz im Gegenteil meiner Meinung nach noch einen Ticken spannender und ausgefeilter als Band eins. Das furiose Finale liest man wirklich mit angehaltenem Atem und ich bin froh, dass sich die Ankunft des dritten Teiles schon ankündigt, denn ich kann es kaum noch erwarten.

Veröffentlicht am 31.10.2018

dramatisch und ergreifend

Grenzgänger
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Als der Vater von Henriette und ihren drei Geschwistern nach zwei Jahren aus dem zweiten Weltkrieg kommt, ist er ein gebrochener Mann. Er kann seinen Beruf als Uhrmacher deshalb nicht mehr ausüben und ...

Als der Vater von Henriette und ihren drei Geschwistern nach zwei Jahren aus dem zweiten Weltkrieg kommt, ist er ein gebrochener Mann. Er kann seinen Beruf als Uhrmacher deshalb nicht mehr ausüben und verkriecht sich in Sprachlosigkeit und Tatenlosigkeit. Die Mutter und ihre älteste Tochter versuchen mit Putzarbeiten die Familie irgendwie über Wasser zu halten. Als die Mutter überraschend an einer nicht erkannten Eileiterschwangerschaft stirbt, glaubt Henni als Älteste, die Verantwortung läge nun auf ihren Schultern und sie verlässt die Schule und beginnt mit einer Gruppe Schmuggler über die Grenze zu ziehen, um dort Kaffee zu tauschen, für den hohe Preise in Deutschland gezahlt werden. Eine Weile geht das auch gut aber die Kontrollen werden immer strenger und Henni muss gefährlichere Wege gehen, um die Ware ins Land zu schaffen. Um in kürzerer Zeit mehr Geld zu verdienen, nimmt sie ihre zwei ältesten Geschwister mit auf einer Schmuggeltour und dabei geschieht ein Unglück. Danach gerät Hennis Welt endgültig aus den Fugen und sie und ihre Geschwister landen in Heim und Besserungsanstalt.
„Grenzgänger“ ist wieder mal eines der scheinbar so schmalen Bücher von Mechtild Borrmann, die in Wahrheit immer große Schwergewichte sind, voller Tragik und Emotionen. Darauf sollte man vorbereitet sein, denn es ist anspruchsvolle und traurige Kost, die man zu lesen bekommt. Das Leben von Henriette und ihren Geschwistern ist hart und entbehrungsreich und der Tod der Mutter und die psychische Erkrankung des Vaters sind nur die ersten Stolpersteine, die es aber allen vier unmöglich machen, eine normale glückliche Kindheit zu erleben und die Erlebnisse im Heim sind so dramatisch, dass sie unauslöschliche Spuren auf den Kinderseelen hinterlassen – bei manchem sogar Schlimmeres.
Dank intensiver Recherchearbeit kann Mechtild Borrmann die Situation in den damaligen Kinderheimen explizit am Schicksal der vier Kinder beschreiben. Die Zustände, die kinderfeindliche Atmosphäre, die drakonische Härte der Strafen, die Grausamkeiten, vor allem der katholischen Nonnen, aber auch das Unverständnis und die Borniertheit der Gesellschaft sind zentrales Thema dieser Geschichte. Ich war fassungslos, dass sowohl die katholische Kirche, als auch die Gerichte und sämtliche zuständigen Ämter zu keinem Zeitpunkt auch nur das geringste Gegen diese menschenunwürdigen ja gefängnisähnlichen Zustände in den Heimen getan haben. Weder glaubte man den Schilderungen der Kinder noch den Beschwerden der Ärzte, die ungewöhnliche Verletzungen der Kinder durchaus mal gemeldet haben. Ein Armutszeugnis für die damalige Gesellschaft und ein Spiegel, den man den kirchlichen Institutionen nicht oft genug vorhalten kann, um ihnen zu zeigen, was sie da verbrochen haben, im Namen Gottes noch dazu.
Die Charaktere sind, wie immer bei Mechtild Borrmann, lebensecht und liebenswert geschildert, wodurch man umso mehr mitleidet mit den Kindern. Durch den trickreichen Wechsel in verschiedene Erzählstränge in unterschiedlichen Zeiten, wird nach und nach die ganze Lebensgeschichte von Henni aufgeblättert. Am Ende schließt sich ein Kreis, klärt sich manche Frage, erfüllt sich das Schicksal der Hauptpersonen.
Ein Roman, welcher bei mir im besten Sinne lange nachwirkt und die volle Punktzahl und viele Leser verdient.

Veröffentlicht am 30.10.2018

Der Zauber von Eis und Schnee

Im Licht des Polarsterns
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Die Geschichte spielt Ende des 19.ten Jahrhunderts vor allem in Grönland und der Arktis. Die Hauptdarstellerin Flora lernen wir bereits mit 12 Jahren kennen, als sie ihre Mutter verliert und der Vater, ...

Die Geschichte spielt Ende des 19.ten Jahrhunderts vor allem in Grönland und der Arktis. Die Hauptdarstellerin Flora lernen wir bereits mit 12 Jahren kennen, als sie ihre Mutter verliert und der Vater, der auf einem Walfänger arbeitet muss seine Tochter teilweise mit auf seine Seefahrt nehmen und lässt sie dann einige Zeit immer wieder bei den Innuit leben. So entwickelt das Mädchen schnell eine Liebe zu Eis und Schnee und der kühlen Schönheit des Landes. Und auch das einfache und harte Leben der Eskimos findet seinen Nachhall im Leben von Flora, die sich nichts sehnlicher wünscht, als als Forscherin die Arktis zu entdecken. Mit einer großen Hartnäckigkeit erreicht sie, was für die damalige Zeit wohl keine andere Frau erreicht hat. Dabei findet sie auch den Mann fürs Leben.
Der bildgewaltige und gut lesbare Erzählstil von Stef Penny hat mich von Anfang an gefangen genommen. Flora ist ein toller Charakter und das Setting war sehr ungewöhnlich und faszinierend. Es ist in kurzer Zeit das dritte Buch, welches ich über die nördlichen Hemisphären gelesen habe. Nach Kristin Hannahs Familiendrama und „den Liebenden vom Ende der Welt“ reiht sich dieses Buch wunderbar ein und gibt ein weiteres Mal eine Vorstellung davon, was Menschen an der Arktis fasziniert. Und dass eine junge Frau vor 100 Jahren einen Traum Wirklichkeit werden lässt, gefällt mir natürlich auch ungemein.

Veröffentlicht am 14.10.2018

deutsche Geschichte

Deutsches Haus
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1963 in Frankfurt. Eva ist Anfang 20 und Dolmetscherin. Mehr zufällig wird sie als solche für Polnische Häftlinge des ehemaligen Lagers in Ausschwitz engagiert und erfährt hautnah Stück für Stück in einem ...

1963 in Frankfurt. Eva ist Anfang 20 und Dolmetscherin. Mehr zufällig wird sie als solche für Polnische Häftlinge des ehemaligen Lagers in Ausschwitz engagiert und erfährt hautnah Stück für Stück in einem Prozess, was damals wirklich passiert ist. Die Aufarbeitung des Grauens, die erst fast 20 Jahre nach Kriegsende in Deutschland beginnt, wird durch Eva und ihre Familie beschrieben. Die Eltern, die mehr oder weniger nichts davon wissen wollen, und Eva, die fassungslos ist aber versteht, dass man Wissen der erste Schritt zur Aufarbeitung ist.

Die Autorin hat bereits einige hervorragende Drehbücher abgeliefert. Ihr erster Roman besticht nicht unbedingt durch eine sehr ausgefeilte Sprache. Das Buch liest sich leicht weg. Aber der Inhalt ist sehr spannend und sehr authentisch und die Geschichte ist eine, die man nicht oft genug erzählen kann.

Es gibt den Spielfilm „Im Labyrinth des Schweigens“, der sich mit diesem Gerichtsprozess bereits sehr intensiv auseinandersetzt. Ich hatte also schon Hintergrundwissen. Dennoch hat mich wieder erschreckt, wie zögerlich die Deutschen und die Gerichte an die Wahrheit von Ausschwitz herangingen und wie viele Widerstände es in der Gesellschaft gab, bis alles ans Licht kam. Ja sogar die Alliierten waren dafür, vieles Totzuschweigen.

Ein tolles Buch. Deutsche Geschichte, ehrlich erzählt. Eine dicke Leseempfehlung von mir.