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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 21.09.2016

Drehtür

Drehtür
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Die Mittsechzigerin Asta hat den Großteil ihres Lebens als Krankenschwester in Ländern der Dritten Welt gearbeitet. Nun ist sie etwas unfreiwillig wieder in Deutschland gelandet, steht vor der Drehtür ...

Die Mittsechzigerin Asta hat den Großteil ihres Lebens als Krankenschwester in Ländern der Dritten Welt gearbeitet. Nun ist sie etwas unfreiwillig wieder in Deutschland gelandet, steht vor der Drehtür zum Flughafen. Der Blick schweift, die Gedanken auch, so reicht weiß Asta nicht wohin mit sich. Und so beobachtet sie ihre Mitmenschen und meint so manchen wiederzuerkennen.

Lange-Müller erzählt nicht chronologisch, schweift mal in die eine, mal in die andere Richtung ab. Kurze Episoden, z.T. noch nicht einmal große Meilensteine in Astas Leben, bringen diese dem Leser doch nah. Asta ist nicht unbedingt eine Protagonistin zum Mitfühlen. Hinter der rauen Schale verbirgt sich ein rauer Kern, eine zerrissene Seele und eine sehr missmutige Stimmung. Asta ist an diesem Punkt in ihrem Leben gescheitert und so ist auch der Ton, der sich durch die Geschichte zieht eher drückend. Nicht nur über Leben, Land und Leute sinniert Asta, sondern auch immer wieder über die deutsche Sprache, die ihr, nach alle den Jahren im Ausland, immer wieder fremdartig anmutet. Diese Gedankenspiele haben mir sehr gut gefallen, sie schärfen den Blick. Leider hat Lange-Müller es nicht geschafft, den Faden mit dem die Episoden verwoben sind, etwas kräftiger zu gestalten, im Endeffekt reihen sie sich etwas lose aneinander und auch das Ende fand ich etwas enttäuschend.

Veröffentlicht am 19.09.2016

Ehefrau Nummer Sechs erzählt

Die zwölfte Nacht
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Henry VIII ist für vieles bekannt, v.a. aber auch für seinen Verschleiß an Ehefrauen. Charlotte Lyne hat sich Ehefrau Nummer Sechs vorgenommen und erzählt von Catherine Parrs Leben vor, mit und nach Henry. ...

Henry VIII ist für vieles bekannt, v.a. aber auch für seinen Verschleiß an Ehefrauen. Charlotte Lyne hat sich Ehefrau Nummer Sechs vorgenommen und erzählt von Catherine Parrs Leben vor, mit und nach Henry. Immer an ihrer Seite stehen die Seymours, die ebenfalls die englische Geschichte prägten.

Im damaligen England gab es den Brauch, die zwölfte Nacht nach Heiligabend groß zu feiern. Lyne nimmt immer wieder Bezug auf diese Nacht, lässt Catherine Aufregendes und Aufwühlendes erleben, erzählt ihre Geschichte in zwölf Kapiteln. Dieser Kniff hat mir sehr gut gefallen, denn der Geschichte wird so ein sehr schöner Rhythmus gegeben. An den Schreibstil musste ich mich erst ein wenig gewöhnen, Lyne schreibt hier etwas altmodisch. Trotzdem habe ich mich bald eingefunden und bin Catherine gerne durch die Seiten gefolgt. So ganz nah kam man ihrem Charakter nicht, trotzdem fand ich sie sehr sympathisch und bin jetzt etwas schlauer, was die letzte von Henrys Frauen an begeht. Man merkt die gründliche Recherche, denn das gezeichnete Bild dieser Epoche ist sehr lebendig und authentisch gelungen. Von kleinen Längen mal abgesehen, hat mich Die zwölfte Nacht sehr gut unterhalten.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Toller Krimi!

Der Angstmann
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Dresden, 1944: Max Heller lebt sehr gefährlich. Nicht nur weil er Kriminalinspektor in diesen unruhigen Kriegszeiten ist. Sondern auch, weil er sich der Naziideologie verschließt, was natürlich seinen ...

Dresden, 1944: Max Heller lebt sehr gefährlich. Nicht nur weil er Kriminalinspektor in diesen unruhigen Kriegszeiten ist. Sondern auch, weil er sich der Naziideologie verschließt, was natürlich seinen Vorgesetzten so überhaupt nicht passt. Trotzdem steht er weiterhin seinen Mann und versucht einem perfiden Mörder auf die Spur zu kommen. Der Angstmann geht um und mordet auf grausame Art und Weise, eine Krankenschwester wird regelrecht zerstückelt. Und das Morden geht weiter.

Frank Goldammer hat einen wirklich tollen Krimi geschrieben, der sich hervorragend in den historischen Kontext bettet. Die Zustände in diesem letzten Kriegswinter sind verheerend, Elend und Hunger greifen um sich. Gerade die Schilderung der entsetzlichen Bombennacht im Februar ´45, in der Dresden quasi dem Erdboden gleich gemacht wurde, ist dem Autor erschreckend realistisch gelungen. Aber auch Hellers Arbeit wird authentisch dargestellt, nicht zuletzt sein stiller Kampf zwischen dem eigenen Gewissen und dem Überlebenswillen bzw. der Not sich anzupassen. Heller ist trotzdem ein sympathischer Kerl und man folgt ihm gerne durch die Seiten. Der Mordfall ist recht spannend geraten, verschwindet an manchen Stellen aber auch zwischen den historischen Fakten. Mir hat das gut gefallen, wer allerdings auf jeder Seite eine mitreißende Ermittlung erwartet, könnte etwas enttäuscht werden. Goldammer schreibt sehr fließend und erzählt immer im genau richtigen Ton, gerade Hellers Gedanken, die so überhaupt nicht systemkonform sind, sind ein gelungener Schachzug.
Fazit: Mir hat der Angstmann sehr gut gefallen und ich freue mich schon auf neuen Lesestoff vom Autor.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Celia, Rupert und Jack

Vor dem Abgrund
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Nach dem Tod der Mutter macht sich die 16-Jährige Celia Brooks auf die Suche nach ihrem Vater. Der Seemann hat die Familie vor einigen Jahren verlassen, eine Spur führt jedoch nach London. Dort versucht ...

Nach dem Tod der Mutter macht sich die 16-Jährige Celia Brooks auf die Suche nach ihrem Vater. Der Seemann hat die Familie vor einigen Jahren verlassen, eine Spur führt jedoch nach London. Dort versucht sich Rupert Ingram gerade von seinem reichen Vater zu lösen und landet dabei im East End. Wo gerade ein gewisser Jack the Ripper sein Unwesen treibt…

„Vor dem Abgrund“ ist bereits das dritte Buch, welches sich mit dem Schicksal der Familien Ingram und Brooks befasst, trotzdem lässt es sich absolut problemlos ohne Vorkenntnisse lesen. Zwar befinden wir uns in London zu Zeiten des Rippers, dennoch nimmt dieser keinen ganz großen Raum ein. Finnek zeigt uns, dass das „ganz normale“ Londoner Leben eben nicht vor Schock erstarrt ist, sondern die Menschen ihren Alltag weitergelebt haben. Man taucht schnell ein in die Londoner Atmosphäre, sehr bildhafte Beschreibungen schaffen eine lebendige Vorstellung von der Stadt im Jahre 1888. Celia und Rupert als Hauptfiguren fand ich sehr gelungen, man kann sich sehr gut in beide einfinden, was nicht zuletzt an den verschiedenen Perspektiven liegt. Die Handlung ist spannend und lehrreich, man fiebert mit und folgt den Protagonisten gerne durch die Seiten. Der Schreibstil ist sehr ansprechend und flüssig zu lesen. Im Anhang findet man eine Karte und ein Glossar, welches weitere Hintergrundinformationen zur Handlung liefern.
Fazit: Mir hat auch dieses Buch aus Finneks Feder wieder sehr gut gefallen.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Cravenmoore

Der dunkle Wächter
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Ein kleines Dörfchen in der Normandie wird nach dem plötzlichen Tod des Vaters der Zufluchtsort für die Familie Sauvelle. Hier findet die Mutter eine Anstellung bei Lazarus Jann, der eine imposante Spielzeugfabrik ...

Ein kleines Dörfchen in der Normandie wird nach dem plötzlichen Tod des Vaters der Zufluchtsort für die Familie Sauvelle. Hier findet die Mutter eine Anstellung bei Lazarus Jann, der eine imposante Spielzeugfabrik sein Eigen nennt. Die Tochter Irene findet in Ismael ihre erste Liebe. Und der Sohn? Der entdeckt, dass es in dem Anwesen Cravenmoore nicht mit rechten Dingen zugeht…

Die Geschichte startet zunächst sehr verhalten, der Autor gibt dem Leser viel Zeit sich mit Handlungsorten und Charakteren auseinanderzusetzen. Die Familie Sauvelle, aber auch Fabrikant Lazarus werden plastisch beschrieben, man begleitet sie gerne durch die Handlung. Die dichte Atmosphäre hat mir unglaublich gut gefallen. Zafon fängt die heißen Sommertage sehr gut ein, führt einem das Leben in dem französischen Dörfchen lebhaft vor Augen, zeichnet ein äußerst lebendiges, farbenfrohes Bild. Auch die düsteren Komponenten kommen sehr stark raus, mehr als einen leichten Gruseleffekt sollte man aber nicht erwarten. Der dunkle Wächter ist also auch für Leser mit einer nicht ganz so harten Schale gut geeignet. Kleine Ungereimtheiten in der Handlung fallen erfreulicherweise kaum ins Gewicht, man kann sich ganz in der malerisch-gruseligen Geschichte verlieren. Mir hat der dunkle Wächter wieder einmal gezeigt, dass es sich immer lohnt einen Zafon aus dem Regal zu holen.