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Veröffentlicht am 31.10.2018

Wundervolle gruselige Schauergeschichten für Groß und Klein im klassischen Stil.

Onkel Montagues Schauergeschichten 1
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Onkel Montague lebt allein mit seinem mysteriösen Diener Franz in einem düsteren alten Haus. Obwohl der Weg zu ihm durch einen unheimlichen Wald führt, besucht Edgar ihn sehr gerne, denn Onkel Montague ...

Onkel Montague lebt allein mit seinem mysteriösen Diener Franz in einem düsteren alten Haus. Obwohl der Weg zu ihm durch einen unheimlichen Wald führt, besucht Edgar ihn sehr gerne, denn Onkel Montague scheint über einen unerschöpflichen Vorrat an Schauergeschichten zu verfügen. Doch je mehr von diesen Geschichten Edgar hört, desto unbehaglicher ist ihm zumute. Draußen wird der Nebel immer dichter, im Haus wird es immer kälter, und seltsame Geräusche sind zu hören. Was hat es mit diesen Geschichten auf sich? Woher kennt Onkel Montague sie und warum bewahrt er Gegenstände, die in den Geschichten vor kommen, in seinem Haus auf?...(Klappentext)

♞♞♞♞♞

"Anstelle von Fell sah sie mit einem Mal Stacheln, die einen Teil des Körpers bedeckten,
andere Stellen waren von Warzen übersät und wirkten wie rohes Fleisch,
während der Kopf teilweise gehäutet und wie gekocht aussah."
(S. 105)


Edgar ist ein kleiner schüchterner Junge. Er hat keine Freunde, vermeidet den Kontakt mit den Dorfkindern und seine Eltern wissen auch nichts mit ihm anzufangen. Ihm macht das jedoch nichts aus, denn er hat ja seinen Onkel Montague der nicht allzu weit entfernt in einem gruseligen Herrenhaus ohne Elektrizität wohnt.
Onkel Montague ist allgemein ein etwas komischer Kauz, aber er erzählt wunderbare Schauergeschichten, nach denen Edgar regelrecht süchtig ist. Jeden Tag macht er sich auf den Weg zu seinem kauzigen Onkel in dem gruseligen Haus. Selbst der Weg dorthin ist immer wieder aufs Neue unheimlich und bereitet Edgar Gänsehaut. Doch all das nimmt er gerne in Kauf, nur um Onkel Montagues Schauergeschichten zu hören und diese haben es wirklich in sich.

"Ich kann mich nicht erinnern, dass die Bäume in dem Wald zwischen unseren Häusern je Laub getragen haben.
In meiner Erinnerung herrschten auf dem Weg immer Eis und Schnee,
und die einzigen Blätter, die ich zu sehen bekam, verwesten auf dem Waldboden."
(S. 8)


Es wird aus der Sicht Edgars erzählt und mit ihm sitzen wir bei Tee und Keksen und lauschen vor einem prasselnden Kaminfeuer den Geschichten von Onkel Montague und die sind ganz schön unheimlich.
Man erfährt warum man nicht auf uralte Bäume klettern sollte, was eine Séance mit einem Puppenhaus zu tun hat, wieso man niemals eine Dämonenstatue klauen sollte und vieles mehr. Doch so unterschiedlich diese Geschichten auch sind, eines haben sie gemein - alle handeln von Kindern, die nicht immer artig waren und das hat auch einen durchaus gruseligen Grund.

Im Verlauf werden die Geschichten von Onkel Montague zunehmend schauriger. Man fragt sich insgeheim - "Sind diese Geschichten wirklich nur erfunden oder steckt in jeder ein Fünkchen Wahrheit?"
Und während die Stories immer unheimlicher werden, verhält sich auch der Onkel immer komischer. Auch das Zimmer, in dem man sich mit Edgar befindet, ebenso die Gegenstände darin und die gesamte Umgebung wirken nach jeder erzählten Geschichte gruseliger und bedrückender. Am Ende erfährt man auch den Grund dafür und dieser ist noch viel schauriger als all die Geschichten.

"Wir gingen zurück zu unseren Sesseln, und wieder hätte ich schwören können,
dass ich vor dem Fenster leise Schritte und ein Flüstern hörte, das nach Kindern klang.
Mein Onkel schien es hingegen nicht zu bemerken, also nahm ich an, ich hätte es mir,
durch die Geschichten meines Onkels nervös geworden, wieder nur eingebildet."
(S. 62)


Hier erwarten einen Schauergeschichten im klassischen Stil. Vieles wird nur angedeutet, es wird mit der Phantasie des jungen Lesers/der jungen Leserin gespielt. Es sind Gruselgeschichten, die auf subtile Art und Weise wirken, die ohne Blut, Gewalt und Action auskommen und einem doch von Anfang bis Ende fesseln.

Das Buch enthält auch tolle und stimmungsvolle Illustrationen von David Roberts.
Jede Geschichte wird von einer Zeichnung eingeleitet und enthält in der Mitte ein ganzseitiges Bild. Es sind moderne Illustrationen in schwarz-weiß und sehr detailreich. Wenn man manche ganz genau betrachtet, kann man Geister und/oder einen unheimlichen Schatten entdecken.

Fazit:
Dieses Buch enthält wundervoll gruselige Schauergeschichten für Groß und KLein im klassischen Stil. Ich habe es geliebt darin zu lesen und mich mit Edgar zu gruseln. Es eignet sich hervorragend in der kalten und dunklen Jahreszeit bei Kerzenlicht vorzulesen...oder heimlich unter der Bettdecke.

© Pink Anemone

Veröffentlicht am 28.09.2018

Dies ist eines jener Bücher, welches man zurückgezogen bei einer Tasse Tee genießt und nach jeder Story kurz inne hält, um sie nochmals in Gedanken zu genießen.

Die Wahrheit über das Lügen
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Es geht um alles oder nichts in diesen Geschichten. Sie handeln vom Unglück, frei zu sein, und von einer Frau, die vor eine existenzielle Entscheidung gestellt wird. Von einem Ort, an dem keiner freiwillig ...

Es geht um alles oder nichts in diesen Geschichten. Sie handeln vom Unglück, frei zu sein, und von einer Frau, die vor eine existenzielle Entscheidung gestellt wird. Von einem Ort, an dem keiner freiwillig ist und der dennoch zur Heimat wird. Von einem erfolglosen Drehbuchautor der Gegenwart, der in das New Hollywood des Jahres 1973 katapultiert wird und nun vier Jahre Zeit hat, die berühmteste Filmidee des 20. Jahrhunderts zu stehlen. Und nicht zuletzt eine Erzählung aus dem Universum von ›Vom Ende der Einsamkeit‹, die Licht auf ein dunkles Familiengeheimnis wirft. Zehn höchst unterschiedliche Geschichten aus einer Welt, in der Lügen, Träume und Wahrheit ineinanderfließen. Mal berührend, mal komisch, überraschend und oft unvergesslich....(Klappentext)


✽✽✽✽✽

"Dies waren die goldenen Jahre,
als Vater, als Mann und im Beruf,
und er genoss seine Freiheit als Wanderer zwischen diesen Welten,
die er für seine größte Leistung hielt."
(S. 21)


"Die Wahrheit über das Lügen" ist eine Ansammlung von Kurzgeschichten. Kurzgeschichten können einerseits schnell nach hinten losgehen, aber auch Einblicke in die schriftstellerischen Fähigkeiten eines Autors gewähren - in seine Experimentierfreude und sein Facettenreichtum.
Aufgrund meiner grundlegenden Skepsis gegenüber des Autors, sowie gegenüber Kurzgeschichten allgemein (diese verflüchtigt sich derzeit aber zunehmend), hatte der Autor bei mir einen großen Berg zu erklimmen. Ich wurde jedoch in beiderlei Hinsicht positiv überrascht und kann nun diese Lobhudelei zu seinen Werken und vor allem zu der vorliegenden Kurzgeschichten-Sammlung verstehen und auch unterschreiben.

In diesen 10 Kurzgeschichten eröffnet sich eine Tiefsinnigkeit, wunderschöne Anekdoten und ergreifende Schicksale.
In diesen Geschichten steigt man auf einen Berg, verbringt seine Kindheit in einem Internat, in einer alten Bibliothek unter sprechenden Büchern, lauscht einer alten traurigen Dame und reist in die Vergangenheit, um Star Wars zu erschaffen.
Jede einzelne Geschichte ist wundervoll zu lesen, traurig und schön zugleich und jede einzelne schafft es das kleine Rädchen im Kopf anzuschmeißen, welches einem zum Nachdenken anregt - über das Leben, die Freude, das Glück und sich selbst. Jede Geschichte ist aber auch anders und doch haben sie vor allem ein Thema gemein - die Zeit. Die Zeit, welche nie genutzt wurde, die man nicht zu schätzen wusste, die einem davon läuft und die Zeit an die man sich gerne erinnert.

"Wir hatten uns vier Jahre lang beinahe jeden Tag gesehen, jede Nacht,
wir kannten einander besser als jeden sonst und hatten uns geschworen, für immer Freunde zu bleiben.
Doch wir sahen uns nie wieder."
(S. 42)


Nur eine Geschichte habe ich nicht gelesen und zwar "Die Entstehung der Angst". Diese richtet sich an diejenigen Leser, welche den Roman "Vom Ende der Zeit" schon gelesen haben. Diese Kurzgeschichte war ursprünglich ein Teil davon, welcher jedoch nicht mit in den Roman aufgenommen wurde. Sie ist also ein ganz besonderer Leckerbissen für Fans von Benedict Wells. Ich hingegen heben mir diese Geschichte auf, bis ich auch den Roman gelesen habe.

Der Schreibstil ist flüssig und klar und der Erzählstil sowohl ruhig, als auch packend.
Bezüglich der Charaktere schafft es der Autor hervorragend sich in diese hinein zu versetzen, ihre Gefühle und Gedanken zu transportieren und somit bleibt einem gar nichts anderes übrig als jede einzelne Figur ins Herz zu schließen. Trotzdem ich in diesen Anthologien nicht viel an Experimentierfreude und Facettenreichtum des Autors erkennen konnte, so konnten mich diese Geschichten wunderbar unterhalten und zum Nachdenken anregen.

"Sie dachte an ihren verstorbenen Mann.
Wenn ihre Erinnerung ein Kino war, dann waren die Jahre mit ihm ein Klassiker, der noch immer jeden Abend lief.
Vielleicht war er nicht mehr ganz so spannend, weil sie jeden Satz aus der Handlung mitsprechen konnte,
und vielleicht war auch das Bild inzwischen etwas unscharf geworden und die Tonspur verwaschen,
aber das machte nichts."
(S. 92)


Fazit:
Dies ist eines jener Bücher, welches man zurückgezogen in seiner Leseecke bei einer Tasse Tee genießt und nach jeder Geschichte kurz inne hält, um sie nochmal in Gedanken zu genießen und wirken zu lassen. Davon gibt es nicht viele und daher habe ich dieses Buch umso mehr genossen und es ist eines der wenigen Bücher, welches eine Geschichte enthält, die selbst mich zu Tränen gerührt hat.
Der Autor konnte mich auf jeden Fall überraschen und von sich überzeugen.

© Pink Anemone

Veröffentlicht am 26.09.2018

Hier erwartet einen ein Wechselbad an Gefühlen - verstörend, traurig, herzzerreißend, aber auch so unglaublich witzig - ein Lesehighlight

Bienensterben
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Heiligabend in Glasgow: die fünfzehnjährige Marnie und ihre kleine Schwester Nelly haben gerade ihre toten Eltern im Garten vergraben. Niemand sonst weiß, dass sie da liegen und wie sie dahin gekommen ...

Heiligabend in Glasgow: die fünfzehnjährige Marnie und ihre kleine Schwester Nelly haben gerade ihre toten Eltern im Garten vergraben. Niemand sonst weiß, dass sie da liegen und wie sie dahin gekommen sind. Und die Geschwister werden es niemandem sagen. Irgendwie müssen sie jetzt allein über die Runden kommen, doch allzu viel Geld verdient Marnie als Gelegenheits-Dealerin nicht. So ist es ihnen ganz recht, als ihr alter Nachbar Lennie, den fälschlicherweise alle für einen Perversling halten, sich plötzlich für sie interessiert. Lennie merkt bald, dass die Mädchen seine Hilfe brauchen. Er nimmt sich ihrer an und gibt ihnen so etwas wie ein Zuhause. Als die Leute jedoch beginnen, Fragen zu stellen, zeigen sich erste Risse in Marnies und Nellys Lügengebäude, und es kommen erschütternde Details aus ihrem Familienleben zum Vorschein, was ihre Lage nur noch komplizierter macht....(Klappentext)

❁❁❁❁❁

"..., um sie richtig zu begraben, und weil Gene am meisten stank,
haben wir beschlossen, ihn zuerst zu beerdigen und Izzy in den Kohlekasten zu quetschen;
klar würde sie verwesen, aber so kamen wir an sie ran
und konnten zur Not Desinfektionsmittel drüberschütten."
(S. 21)


Gleich zu Beginn sollte erwähnt werden, dass dieser Roman nicht ohne Trigger-Warnung auskommt und dieses Buch daher nicht für jeden geeignet sein könnte.
Trigger: Pädophilie, sexueller und psychischer Mißbrauch von Minderjährigen

Man liest aus drei Perspektiven.
Allen voran Marnie - 15 Jahre, Drogendealerin mit einem äußerst derben Wortschatz, nach außen hin stark und kühl, im Inneren jedoch immer noch ein bisschen Kind.

Nelly - 12 Jahre und die Schwester von Marnie; ein geigespielendes Genie und redet als wäre sie aus dem frühen 19. Jahrhundert entsprungen. Sie zerbricht sich über manche Dinge wochenlang den Kopf.
Beide hatten bisher alles andere als eine leichte Kindheit - aufgewachsen im Glasgower Ghetto, Eltern alkohol- und drogenabhängig, liebevoller Umgang Fehlanzeige. Innerhalb von zwei Tagen sterben ihre Eltern, aber nachtrauern tun die beiden Mädchen den beiden nicht wirklich. Sie beschließen die Leichen im Garten zu verbuddeln, denn in ein Heim wollen sie beide nicht. Doch rasch wächst ihnen alles über den Kopf und da tritt Lennie auf den Plan.

Lennie - ein alter Nachbar, schwul und fälschlich wegen Pädophilie im Strafregister von Sexualstraftätern aufgeführt. Dadurch wird er von allen in der Nachbarschaft geächtet. Jedoch betrauert er den Tod seines Lebensgefährten und hätte einfach nur gerne jemanden zu reden. Die Mädchen tun ihm leid und so hat er ein Auge auf sie und nimmt sich ihrer schließlich an.

"Klar haben wir Angst, weil, irgendwann wird er ja wissen wollen, wo sie ist.
Jetzt glaubt er, sie sind irgendwo im Grünen.
Sind sie ja auch, nur nicht so, wie er denkt."
(S. 187)


Der Schreib- und Erzählstil der Autorin ist einfach nur unglaublich und niemals hätte ich gedacht, dass dies ein Debüt ist.
Je nach Perspektive ändern sich Ton und Jargon. Es wird hauptsächlich aus Marnies Sicht erzählt - hier ist die Sprache eher derb und manchmal erschreckend kühl und emotionslos. Wenn man bedenkt, was die Mädchen schon alles durchmachen mussten, in gewisser Weise verständlich.
Nelly kommt meist nur kurz zu Wort, aber diese wenigen Zeilen haben es oft mächtig in sich. Beide Perspektiven ermöglichen somit auf sehr eindringliche Weise einen Blick in zwei kaputte Kinderseelen. Lennies Perspektive zeigt hingegen Besonnenheit, Reife und viel Trauer.
Daher ist dieser Roman auch vom psychologischen Standpunkt aus betrachtet interessant und packend, denn zwischen all den coolen und derben Sprüchen, zwischen all den verschiedenen Gedankengängen, verbirgt sich so einiges. Wenn man die Augen beim Lesen öffnet, kann man nämlich ganz tief in die Herzen und Seelen der Protagonisten sehen.

Obwohl die Story bedrückend,morbide und auch zeitweise verstörend ist, wird diese durch herrlich schwarzen Humor und abstrus witzige Ereignisse und/oder Handlungen aufgelockert. In einem Moment war ich schockiert, im nächsten musste ich schmunzeln. Vor allem Marnie hat einen herrlich schwarzen Humor, der vor Sarkasmus nur so trieft.
Es ist aber auch traurig und herzzerreißend zu lesen, was die Mädchen und auch Lennie schon alles durchmachen mussten und sie dadurch zu dem wurden was sie sind - kaputte Kinderseelen und ein trauernder, einsamer alter Mann.

Und doch enthält dieser Roman so viel mehr als gut gezeichnete Charaktere, tollen Schreib- und Erzählstil und packende Story. Denn trotz dieses schwarzen Humors, der oft derben Ausdrucksweise und bedrückenden Thematik, liest man immer wieder wunderschöne Passagen voller Tiefe und Weisheit, welche einen kurz inne halten lassen.

"Ich bin froh, dass die Mädchen einander haben, denn sonst ist es eine einsame Reise,
und deshalb lasse ich ihnen ihre Geheimnisse und das, was sie miteinander teilen.
Es verbindet sie, so bleiben sie stark. Und darauf kommt es an,
stark zu bleiben, es bindet einen an das Leben und zwingt einen zum Weitergehen,
selbst wenn es nur mit einem Hund ist."
(S. 71)


Fazit:
Für mich persönlich war dieser Roman DAS Lesehighlight im Genre Roman.
Obwohl es nicht unbedingt leichte Kost war, übte die Story einen unvergleichbaren Sog auf mich aus und schickte mich durch ein Wechselbad der Gefühle. Die Geschichte ist nämlich bedrückend, traurig, verstörend, aber auch herzzerreißend und witzig.
Ein Buch über Mut, Zusammenhalt und Loyalität und eine Story die einem lange im Gedächtnis bleibt.

© Pink Anemone

Veröffentlicht am 25.09.2018

Eine gelungene Mischung aus klassischem Grusel, spannendem Mystery-Thriller und märchenhafter Urban-Fantasy.

Blutschwur der Donauleichen
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Wien 1984. Das Grauen geht um. Ein verstümmelter Leichnam wird beim Donaukanal aufgefunden. Wasserleichen überfallen die U-Bahn. Kinder verschwinden im Prater. In der Kanalisation lauert der Wahnsinn.
In ...

Wien 1984. Das Grauen geht um. Ein verstümmelter Leichnam wird beim Donaukanal aufgefunden. Wasserleichen überfallen die U-Bahn. Kinder verschwinden im Prater. In der Kanalisation lauert der Wahnsinn.
In einer unwiderstehlichen Melange aus klassischem Gruselkrimi, Urban Fantasy, Wiener Milieu- und Detektiv-Geschichten berichten die MORBUS-Romane über die mysteriösen – von alten Sagen und Legenden inspirierten – Fälle einer traditionsreichen Wiener Geheimorganisation, eines Privatdetektivs und eines Gruftie-Girls.
Literarischer Austro-Pop der ganz besonderen Art!
Dieses Buch enthält die ersten beiden Bände der Romanserie, sowie weitere Geschichten aus der Welt von MORBUS...
(Klappentext)

☠☠☠☠☠

In diesem Buch werden gleich zwei Novellen auf die Grusel-Fans losgelassen und zwar der 1. und 2. Teil der Morbus-Reihe.
Blutschwur der Donauleichen

"Ihre Hand steckte inmitten eines aufgerissenen Körpers.
Der Leichnam gab ein schmatzendes Geräusch von sich, als sie die Finger daraus zurückzog.
Überall waren Blut, Fleisch und Hautstückchen verteilt.
Jetzt erst füllten sich ihre Lungen wieder mit Luft.
Und dann schrie sie. Sie schrie wie noch nie in ihrem Leben..."
(S. 31)


Hier treffen die Protagonisten das erste Mal aufeinander.

Bernd Waidmann - ehemaliger Polizist und nun Privatdetektiv, der meist von Frauen aufgesucht wird, um deren untreuen Männern auf die Schliche zu kommen. Er ist ein ruhiger Typ mit guter Menschenkenntnis, dem nicht so schnell aus der Bahn wirft und der einen guten Kaffee gerne mit einer Marlboro genießt.

Petra - ein 17-jähriges Mädel, welches ein dunkles Erbe in sich trägt - sie kann die Emotionen ihrer Mitmenschen erkennen und fühlen. Ihr ist das eher lästig und um für sich zu bleiben, hat sie sich der Gothic-Szene angeschlossen. Solchen Leuten gehen "Normalos" nämlich eher aus dem Weg und sie muss sich nicht mit deren Gefühlen rumschlagen. Sie besitzt einen schwarzen und sarkastischen Humor, eine große Klappe und eine gesunde Portion Neugierde. Doch seit kurzem plagen sie auch Visionen - blutig und brutal.

Es tauchen auch viele weitere Figuren auf, welche im Verlauf der Reihe immer wichtigere Rollen einnehmen.

In dieser Story ist Waidmann wieder einmal auf der Suche nach einem untreuen Ehemann. Dieser wird jedoch tot und regelrecht zerfleischt am Donaukanal von Petra und ihrer Gothic-Gruppe gefunden. Durch einen geheimnisvollen Informanten namens Harry, folgt Waidmann einer Spur die zu Petra führt und daher trifft er im selben Moment wie Petra auf den Toten.
Die beiden tun sich zusammen und versuchen diesen äußerst mysteriösen Mord aufzuklären. Hier geht einiges nicht mit rechten Dingen zu - die Wiener Sagengestalten sind nämlich alles andere als Mythen und sie lernen ein geheimnisvolles und unheimliches Wien kennen.

☠☠☠
Im Prater tanzt der Sensemann

"Spielen! Das Angebot zauberte ein Leuchten in seine Pupillen.
Ja, er wollte mit der Puppe und dem Kasperl spielen.
Er wusste nur nicht, dass er damit in sein Verderben lief.
So wie viele Kinder zuvor im Wiener Prater..."
(S. 95)


Hier geht man wieder auf Verbrecherjagd, aber wie wir inzwischen wissen, werden keine normalen Kriminellen, sondern übernatürliche Wesen gejagt. Die Wiener Sagen und Mythen beinhalten nämlich mehr Wahres als einem lieb ist. Schon immer sind Kinder auf unerklärliche Weise im Wiener Prater verschwunden und niemals wieder aufgetaucht. Falls doch, dann völlig verstört und traumatisiert. Entführung vermuten die Meisten, doch dahinter steckt etwas gänzlich anderes - etwas Böses, welches Kinder zum Fressen gern hat.

Während Waidmann plötzlich, wie vom Erdboden verschluckt, nicht mehr auffindbar ist, lernt Petra eine Geheimorganisation mit dem Namen BASILISK kennen. Diese besteht aus einer Gruppe von Menschen und Wesen, welche Städte und Regionen gegen Angriffe aus anderen Dimensionen, vor Dämonen, wahnsinnigen Okkultisten und allgemein vor dem Bösen beschützen - dem wahren Bösen und somit auch vor dem Prater-Monster.

☠☠☠

In der MORBUS-Reihe lernt man ein dunkles Wien voller Gefahren und mystischen Wesen kennen, die nicht immer Gutes im Sinn haben, sondern nach Blut gieren, sich auf brutalste Weise an den Menschen rächen und versuchen in unsere Welt zu gelangen. Man begibt sich in dunkle Gassen und in den Wiener Würstel-Prater, entdeckt ein geheimnisvolles Café voller unheimlicher Gestalten und tritt ein in die Welt der Sagen und Mythen.

Der Schreibstil ist flüssig und die Erzählweise absolut packend. Dabei bedienen sich die Autoren bei den Dialogen des Wiener Dialekts und auch der typisch schwarze und oftmals morbide österreichische Humor kommt hier nicht zu kurz. Für Nicht-Österreicher gibt es übrigens am Ende des Buches einen Glossar.

"Der ältere der beiden meinte zum diensthabenden Polizisten:
>>I glaub, mit an Plastiksackl tun ma uns leichter. Wie sollen ma denn alle Teile von dem einpacken?
Die Hälfte von seinen Innereien hängt ja noch an der Gruseltussi"<<"
(S. 33)


Die Charaktere sind äußerst gut gezeichnet und man begegnet einer Palette an unterschiedlichen Figuren. Darunter skurrile Charaktere, wie auch solche mit starker unheimlicher Aura.
Doch die Story, welche 1984 angesiedelt ist, besticht nicht nur durch Humor, sondern auch durch Spannung und einen ausgefeilten Plot, welcher die österreichischen Mythen, Legenden und deren Gestalten auferstehen lässt. Diese sind alles andere als wundervolle Märchen, sondern schaurig und vor allem blutig.

Hier erwartet einen aber nicht nur klassischer Grusel, der sich auf Wiener Sagen stützt, sondern auch gleichzeitig märchenhafte Urban-Fantasy und spannender Mystery-Thriller.
Die unheimliche Atmosphäre ist dabei durchgehend vorhanden und es kommt häufig zu überraschenden Wendungen. Dabei lernt man nicht nur die Sagen kennen, sondern auch Wien und dessen Geschichte - natürlich den düsteren Teil davon.
So mancher Wiener und Wien-Kenner wird also in einen ganz besonderen Lesegenuß kommen.

"Die Blutgasse in Wien war ein Ort voller Legenden.
Es heißt, dass 1312 die Templer im angrenzenden Fähnrichshof erschlagen worden seien und dass der Name der Gasse daher rühre,
dass ganze Bäche des roten Lebenssaftes geflossen seien."
(S. 47)


Im Anschluß erwarten einem noch paar besondere Schmankerln, wie zwei Kurzgeschichten in denen man die Geschichte des geheimnisvollen Cafés und die Wiener Kanalisation kennenlernt, zwei uralte Fälle der Geheimorganisation BASILISK und Information zu Autoren und Illustratoren. Vereinzelt sind nämlich auch äußerst stimmungsvolle Zeichnungen vorhanden, von denen ich mir viel mehr gewünscht hätte.

Fazit:
Dieses Buch war ein absolut großartiges Leseerlebnis. Ich musste oft lauthals lachen, im nächsten Moment verspürte ich eine wohlige Gänsehaut im Nacken, verfolgte gespannt und fingernägelkauend eine blutige Story und tauchte gleichzeitig in eine märchenhafte Fantasy voller Sagengestalten ein, um auf jeder Seite durch eine Wendung aufs Neue überrascht zu werden.
Ich könnte mir in den Hintern beißen, diese Autoren nicht schon viel früher entdeckt zu haben. Nun erwarte ich mit Freude die nächsten Teile der MORBS-Reihe und hoffe sie möge niemals enden.

© Pink Anemone

Veröffentlicht am 23.09.2018

Wenn auch unvollendet, so ist dieser Roman ein wahres Klassiker-Schmankerl - amüsant, spannend und inklusive zwei Novellen von Salice-Contessa und E.T.A Hoffmann.

Der Roman des Freiherrn von Vieren
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Vier Romantiker planen, gemeinsam einen Roman zu schreiben: Hoffmann, Chamisso, Salice-Contessa, Fouqué. Eine Handlungsskizze ist schnell entworfen, ein Anfang schnell geschrieben, aus dem sich alles Weitere ...

Vier Romantiker planen, gemeinsam einen Roman zu schreiben: Hoffmann, Chamisso, Salice-Contessa, Fouqué. Eine Handlungsskizze ist schnell entworfen, ein Anfang schnell geschrieben, aus dem sich alles Weitere – wie man annimmt: zwingend – ergeben wird. Doch dann erschlägt der zweite Autor die wichtigste Figur des ersten, der dritte Autor schickt die Nebenfiguren nach Polen und der vierte lässt vollkommen unmotiviert eine wahnsinnige Hexe mit einem weissagenden Raben auftreten. Ein heilloses literarisches Durcheinander, genial verplant, hochamüsant!...(Klappentext)

♜♜♜♜♜

"Es war im Juni im Jahre Eintausendachthundertundzwölf, sonntags gegen Abend,
als Georg Haberland, der Maler,
auf seiner Reise nach Italien müde und durstig vor dem Wirtshause zum Goldenen Bock anlangte."
(S. 7 -Anfang)


Dieser Roman ist ein wahres Schmankerl unter den Klassikern. Hier haben sich nämlich gleich vier namhafte Schriftsteller ans Werk gemacht: Adelbert von Chamisso ("Peter Schlemihls wundersame Geschichte"), Friedrich de la Motte Fouqué ("Undine"), Karl Wilhelm Salice-Contessa ("Meister Dietrich") und E.T.A Hoffmann ("Die Elixiere des Teufels"). Gemeinsam gehörten sie den, von E.T.A Hoffmann gegründeten, literarischen Freundeskreis "Serapionsbrüder" an. 1815 beschlossen sie gemeinsam einen Roman zu schreiben. Jeder von ihnen sollte ein paar Kapitel schreiben und so die Handlung vorantreiben.
Die Herren gerieten sich jedoch in die Haare, da jeder seine eigene Vorstellung vom Handlungsverlauf hatte. Dies lässt zumindest der Kommentar von Hoffmann vermuten, welcher dies auf "Eigensinn der Beteiligten" zurückführte.
Hier lesen wir nun das, durch Markus Bernauer (Berliner Literaturwissenschaftler), editierte unvollendete Werk.

"Der Roman des Freiherrn von Vieren" ist eine Mischung aus einem typischen Roman aus der Zeit der Romantik und eines beginnenden Krimis - beginnend aufgrund dessen, da dieses experimentelle Werk eben nie vollendet wurde.

Der Maler Georg Haberland ist auf der Suche nach der Liebe, nach seiner idealen Weggefährtin, die er auch schnell in Natalie findet. Doch ständig wird er mit einem Doppelgänger verwechselt und es ist nicht nur einer, sondern es sind derlei gleich zwei, die ihm bis aufs Haar gleichen und sogar die selbe Handschrift wie er führten. Natalie hatte auch noch mit einem der beiden schlechte Erfahrungen und ist deshalb in tiefer Trauer. Georg kann diese Verwechslung zudem nicht aufklären, da sein Pass und andere Dokumente auf unerklärliche Weise verschwunden sind und außerdem scheinen auch beide Doppelgänger ein Auge auf Natalie geworfen zu haben.
Dann geschieht auch noch ein Mord. Ein Motiv scheint nur einer der Doppelgänger gehabt zu haben, beschuldigt wird jedoch Georg.
Anfangs ist Georg über diese ständigen Verwechslungen überrascht, im weiteren Verlauf beginnt er jedoch an seiner eigenen Identität zu zweifeln. Ist dies gar eine Verschwörung, welche bis zum Fürstenhof reicht, oder ist er dabei seinen Verstand zu verlieren?

"George andererseits schwankte schwindelnd am Rande des Wahnsinns, dessen er gezüchtigt war.
Er wusste bald nicht mehr, ob er der Maler George Haberland,
der wahnsinnig gewordene verbrecherische Prinz aus dem Trauerspiel, von den Furien verfolgt,
oder Deodatus Schwendy sei."
(S. 29)


Die alte Schreibweise wurde größtenteils beibehalten und nur sehr behutsam modernisiert. Daher kommen einem des Öfteren fremd klingende Wörter unter. Doch genau diese Schreibweise und der detailreiche Erzählstil faszinieren mich an Literatur-Klassikern. Dies intensiviert bei mir die Bilder im Kopf, welche durch die Geschichte entstehen und lässt mich vollends in die damalige Zeit eintauchen.

Man merkt schon an den verschiedenen Kapitel die Unterschiede der jeweiligen Schriftsteller und deren unterschiedlicher Vorstellungen wie sich der Roman entwickeln soll. Während Salice-Contessa eher ein Familiendrama heraufbeschwören möchte, ist Fouqué wohl der Meinung gewesen, zwei Doppelgänger wären genug und schickt daher einen von ihnen mit einer Schauspieltruppe nach Polen. Chamisso hingegen wollte wohl Blut sehen und lässt eine Schlüsselfigur ermorden und E.T.A. Hoffmann, welcher sein Kapitel dann völlig zurückgezogen hat, will auch noch Übernatürliches einbringen. Kein Wunder kamen die vier Herren auf keinen grünen Zweig und sich schließlich in die Wolle, sodass der Roman nie vollendet wurde.

Leider, denn ich habe mich wirklich köstlich amüsiert und es war überaus spannend dieser Story zu folgen, da man nie wusste was einem im nächsten Kapitel erwartet und wohin das Ganze führen wird. Überraschende Wendungen wohin man nur blickt und welche die Neugierde des Lesers schüren.
Diese vier literarischen Zechbrüder hätten sich ruhig etwas zusammenreißen und jeder etwas weniger stur sein können, dann wäre dieser Roman eine wahre literarische Augenweide geworden.

Doch der Leser muss nicht verzagen, denn Salice-Contessa und E.T.A. Hoffmann haben daraus ihre eigenen Werke geschneidert und genau diese beiden sind ebenfalls in diesem Buch vorhanden.

Ein kleiner Lese-Tipp meinerseits: Das 5. Kapitel des experimentellen Romans wurde von E.T.A. Hoffmann zurückgezogen und ist daher im Roman selbst nicht vorhanden. Daraus kreierte er den Anfang seiner Novelle "Die Doppeltgänger". Daher einfach nach dem 4. Kapitel, das 1. Kapitel von Hoffmanns Novelle lesen und danach mit dem 6. Kapitel fortfahren.
Das Bild der Mutter

"Von dem alten Diener, der ihm beim Abendessen aufwartete,
erfuhr er indes ungefragt, dass die Kranke ohne Zweifel einen Knaben gemeint habe,
der einst bei Tagesanbruch auf der Türschwelle des Schlosses gefunden,
mit den Kindern des Hauses auferzogen worden und endlich in einem Alter von 6 Jahren auf eine unbegreifliche Weise plötzlich verschwunden sei,
und den die Gräfin sehr geliebt habe."
(S. 71 - Das Bild der Mutter)


Dies ist das von Salice-Contessa von vornherein geplante Familiendrama. Hier kommt zwar kein Doppelgänger vor, jedoch beinhaltet es düstere Geheimnisse, überaus witzige Passagen und auch dem Protagonisten Georg Haberland und so mancher Nebenfigur ist er dabei treu geblieben.
Der Doppeltgänger

In Hoffmanns Werk gibt es ebenfalls ein Familiendrama, jedoch mit Doppelgänger. Hier wird entführt, geschossen, gelogen und gestorben und der Humor kommt hierbei ebenso wenig zu kurz.
Auch er lässt die Protagonisten und einige Nebenfiguren aus dem ursprünglichen Roman auftreten. Bei E.T.A. Hoffmann erhält man aber auch Einblicke in die Sicht beider Doppelgänger und es kommt immerzu zu überraschenden Wendungen.

"Er eilte zurück zum Wagen, aber erstarrt vor Entsetzen blieb er eingewurzelt stehen,
als er eine männliche Figur erblickte, die mit seiner Stimme sprach:
>>Die Gefahr ist vorüber!<<, und dann einstieg.
Nachstürzen wollte Deodatus dem schnell fortrollenden Wagen,
als ihn ein Schuss aus dem Gebüsch zu Boden warf."
(S. 136 - Die Doppeltgänger)


Dieses Buch enthält einige Abbildungen und im Anschluß an diese drei Novellen sind auch noch Anmerkungen bezüglich der Kapitelaufteilung, sowie zu den darin vorkommenden Fremdwörter.
Das Nachwort sollte man sich ebenfalls unbedingt zu Gemüte führen. Hier erhält man Einblick in die Entstehung der unvollendeten Novelle, des engen Freundschaftsbundes "Serapions Brüder" und auch in die einzelnen Werke von Salice-Contessa und E.T.A. Hoffmann, welche aus dem Romanprojekt entstanden.

Fazit:
Wenn auch unvollendet ist dies ein wahres Schmankerl unter den vielen Literatur-Klassikern. Es ist spannend und mit äußerst vielen überraschenden Wendungen. Da auch die beiden Novellen von Salice-Contessa und E.T.A. Hoffmann vorhanden sind, hat man zumindest zwei mögliche Enden. Ich habe mich bei allen drei Novellen köstlich amüsiert und daher ist dies definitiv ein Highlight unter meinen diesjährigen Klassikern.

© Pink Anemone