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Veröffentlicht am 31.10.2018

Mode zwischen Trümmern

Die Schwestern vom Ku'damm: Jahre des Aufbaus
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Berlin liegt in Trümmern, endlich ist der Krieg vorbei – aber unvorstellbare Not und Chaos bestimmen die Tage der Überlebenden. Rike, die älteste Tochter des Kaufhauskönigs Thalheim übernimmt die Führung ...

Berlin liegt in Trümmern, endlich ist der Krieg vorbei – aber unvorstellbare Not und Chaos bestimmen die Tage der Überlebenden. Rike, die älteste Tochter des Kaufhauskönigs Thalheim übernimmt die Führung in der Familie. Der Vater im Gefängnis, die Brüder in Kriegsgefangenschaft oder an der Ostfront vermisst, da braucht es ihre Tatkraft und ihre Energie. Aber alles wird überschattet von der Angst vor der Zukunft. Schreckliche Geschichten über die russischen Besatzer machen die Runde. Die Mutter und die älteren Schwestern verdingen sich als Trümmerfrauen umso ein paar zusätzliche Lebensmittelmarken zu ergattern, aber Rike und ihre überlebende Freundin Mirjam blicken auch in die Zukunft.
Brigitte Riebe ist Historikern und eine tolle Erzählerin. Wie sie die Wochen und Monate nach Kriegsende beschreibt, hat mich immer wieder innehalten lassen. Erzählungen von Eltern und Großeltern wurden wieder wach! Von Hamsterkäufen und Schwarzmarkt, von der Suche nach Brennmaterial im kalten Winter, von der Luftbrücke und der alliierten Solidarität mit den eingeschlossenen Berlinern habe ich oft gelesen und gehört, aber in diesem Roman wird es plötzlich lebendig. Vielleicht liegt es auch an der Hauptfigur Rike, die hier im ersten Band einer Trilogie das Geschehen beherrscht. Die Folgebände werden den Schwestern gewidmet sein. Rike ist eine Frau, die ihre Wünsche und Sehnsüchte dem praktischen Überleben unterordnen muss und doch nie ihr eigentliches Ziel aus den Augen verliert. Für mich eine starke und sympathische Protagonistin. Aber auch die Schicksale der anderen Familienmitglieder kommen nicht zu kurz.
Der Roman ist fesselnd geschrieben und hat mich völlig in Bann gezogen. Auch wenn es abgedroschen klingt, ich konnte nicht aufhören zu lesen, wollte das Buch bis zum Schluss nicht aus der Hand legen.
Der Roman umfasst die Jahre 45 – 51 und ganz besonders die Geschehnisse der ersten Nachkriegsjahre haben mir gefallen. Meisterhaft wie die Aufbruchsstimmung zu spüren ist, dahinter immer noch die Angst vor der Zukunft und die Sorge um Angehörige. Eine vielschichtige und sehr berührende Geschichte. Die ausführliche Zeittafel am Ende des Buches habe ich sehr geschätzt und immer wieder aufgeblättert. Ich fand es gekonnt, wie die Autorin ihre fiktive Geschichte mit den historischen Ereignissen verbindet, das hat mich das Geschehen miterleben und mitfühlen lassen.

Veröffentlicht am 23.10.2018

Mit stumpfer Nadel

Stick oder stirb!
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Siegfried Seifferheld ist ohne seine Begleiter, den Hovawart Onis nicht denkbar. Lange habe ich auf einen neuen Band mit einem meiner Lieblingsermittler warten müssen, aber es hat sich gelohnt.
Siggi, ...

Siegfried Seifferheld ist ohne seine Begleiter, den Hovawart Onis nicht denkbar. Lange habe ich auf einen neuen Band mit einem meiner Lieblingsermittler warten müssen, aber es hat sich gelohnt.
Siggi, der pensionierte Kriminalkommissar pflegt weiterhin sein Hobby Sticken. Er gibt nun einen Kurs im Gefängnis, der unter anderem von Russenpate Pjotr besucht wird. Pjotr ist schon über 80 und schwerkrank, ein ruhiger, abgeklärter Gefangener, der Siggi sehr sympathisch geworden ist.
Beim morgendlichen Gassigehen mit Onis gerät Siggi unversehens in eine Gefangenbefreiung und wird kurzerhand samt Hund als Geisel genommen. Pjotr nutzte wohl noch einmal seine Kontakte um seine letzten Wochen in Freiheit und mit seinem Enkel zu verbringen. Das bringt aber einen Konkurrenten auf den Plan, der unbedingt an Pjotrs Konten und Kontakte kommen will.
Es geht – wie immer – sehr turbulent zu in Seifferhelds Umgebung. Sind es sonst die Frauen der Familie, zu der seit einiger Zeit auch Siggis Frau Marianne gehört, die für Unruhe sorgen, ist es dieses Mal die Entführung. Die Seifferheld Frauen können es nicht der Polizei überlassen nach ihm suchen. Ihr Temperament kocht einfach über, wenn sie nicht aktiv beteiligt sind. So reist Nichte Karina samt Familie an und Tochter Susanne , die geschäftlich in China weilt, lässt es sich nicht nehmen, per Skype Anweisungen zu geben. Über allem steht nach natürlich Schwester Irmgard, die nicht umsonst die Generalin genannt wird.
Tatjana Kruse hat wieder einmal ein Kabinettstück abgeliefert. Sie beherrscht das Timing ihrer Gags und ihre Ideen und ihr Wortwitz machen diesen Hohelohe Krimi zu einem wahren Feuerwerk. Auch wenn sie ihre Figuren mit einem Augenzwinkern leicht überzeichnet, habe ich jede ins Herz geschlossen. „Stick oder Stirb“ ist ein unblutiger Krimi, auch wenn der eine oder andere dabei ins Gras beißen muss. Ein hohes Tempo und richtig viel Spannung haben mein Lesevergnügen perfekt abgerundet.
Bei diesem Krimi sitzt jeder Satz und jede Pointe. Eine echte Genre Perle.

Veröffentlicht am 17.10.2018

Mathildes erster Fall

Die Richterin und die Tote vom Pont du Gard
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Es war für die Untersuchungsrichterin Mathilde de Boncourt eine Herzenssache das Ehepaar Jalabert hinter Gittern zu bringen. Seit Jahren habe sie ein junges Mädchen in ihrem Haus wie eine Sklavin gehalten, ...

Es war für die Untersuchungsrichterin Mathilde de Boncourt eine Herzenssache das Ehepaar Jalabert hinter Gittern zu bringen. Seit Jahren habe sie ein junges Mädchen in ihrem Haus wie eine Sklavin gehalten, jederzeit für Jalabert und seine Kumpane verfügbar. Doch dem jungen nordafrikanischen Mädchen gelang die Flucht und Aussage war der entscheidende Schlag. Doch lange kann sich Mathilde nicht an ihrem Erfolg erfreuen, kurz nach dem Prozess wird sie noch auf der Treppe des Gerichts niedergeschossen und schwer verletzt,auch Aminata überlebte trotz Zeugenschutzprogramm nicht.

Noch während ihrer Rekonvaleszenz arbeitet Mathilde weiter, sie will diesen Mädchenhändlerring unbedingt auffliegen lassen. Immer an ihrer Seite, ihr Mitarbeiter Rachid Bouraada.

Gleichzeitig reist Martin Endress ins Languedoc. Er ist Reiseschriftsteller und will an seinem neuen Buch arbeiten. Aber auch etwas anderes treibt ihn um. Er hat erfahren, dass seine Großeltern während der Besatzung fliehen mussten und Hilfe von einem Arzt bekamen. Trotzdem überlebte seine Großmutter Sarah die Flucht nicht. Auch diesen Spuren möchte er auf den Grund gehen.
Seine Recherchen führen in nach St.Gilles und auch zu Mathilde. Ihr Großvater kannte noch den alten Arzt und erzählt einiges aus der Zeit.

Eine sehr interessante Kombination hat sich die Autorin für ihren Südfrankreich Krimi einfallen lassen. Da ist es einerseits das Problem der Ausbeutung von jungen Illegalen und den kriminellen Machenschaften der Mädchenhändler. Das ist sehr aktuell und realistisch geschildert. Nicht minder spannend gestaltet sich die Spurensuche von Martin, der nicht ahnen kann, in welches Wespennest er mit seinen Fragen sticht.

Frankreich Krimis legen oft Wert auf Landschaft und Kulinarik. Ich mag das, wenn es sich dem Krimithema unterordnet, sehr gern. Das ist hier sehr gut gelungen. Ich habe die Landschaftsschilderung sehr genossen und da es sich aus Martins Recherchen gehörte, wirkten sie absolut passend und authentisch und machten mir richtig Lust die beschriebenen Orte wieder einmal aufzusuchen.

Gelungen fand ich auch die beiden Handlungsstränge. Martins und Mathildes Wege kreuzen sich immer mal wieder. Die Charaktere gefielen mir, jede Figur war pointiert geschildert und ich hatte sofort ein Bild vor Augen. Lediglich das Ende kam ein wenig schnell und mir blieben noch einige Fragen. Da der Untertitel des Krimis aber „Mathildes erster Fall“ heißt, werden sie sicher im Folgeband geklärt.

Der Stil der Autorin hat mir sehr gut gefallen, kein Wunder, denn als ich die Autorin recherchierte, erfuhr ich, dass es ein Pseudonym von Lilian Skalecki ist, einer Autorin die ich sehr gern lese.

Veröffentlicht am 07.10.2018

Außenseiter

Ein Winter in Paris
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Victor hat die Aufnahmeprüfungen ins elitäre Pariser Lycée D. geschafft. Der Erste aus seiner doch recht bildungsfernen Familie. In Paris findet er sich als Außenseiter wieder. Er hat weder den gesellschaftlichen ...

Victor hat die Aufnahmeprüfungen ins elitäre Pariser Lycée D. geschafft. Der Erste aus seiner doch recht bildungsfernen Familie. In Paris findet er sich als Außenseiter wieder. Er hat weder den gesellschaftlichen noch den kulturellen Hintergrund seiner Mitschüler, er findet keinen Kontakt und zieht sich völlig zurück. Er erlebt den Unterricht wie ein Beobachter von außen. Als er zur Überraschung der Lehrer und Mitschüler das erste Jahr bestanden hat, trifft er auf Mathieu, ebenfalls aus der Provinz, ebenfalls Außenseiter, sie wechseln einige belanglose Sätze, treffen sich zum Rauchen im Schulhof. Doch Mathieu ist dem Druck nicht gewachsen, er stürzt sich während des Unterrichts aus dem Fenster. Victor ist fast als Erster am Ort des Suizids und nun wird er zum ersten Mal wahrgenommen. Lehrer und Mitschüler betrachten in als einzigen Freund Mathieus und suchen plötzlich Kontakt und Gespräch. Er nimmt diese Aufmerksamkeit wahr und er genießt sie auch, obwohl ihm klar ist, dass sie nicht seiner Person gelten. Lediglich bei Paul, dem Klassenprimus, spürt er echtes Interesse.
30 Jahre später erhält der Schriftsteller Victor einen Brief von Mathieus Vater, dieser Brief löst die Erinnerungskette an die Zeit am Lycée aus, die das Buch beinhaltet.
Ungemein feinfühlig und genau berichtet der Autor Blondel von der Entwicklung eines jungen Menschen, der durch ein Ereignis aus der festgeordneten Lebensplanung gerissen wird. Es sind nur wenige Monate, die er seinen Protagonisten Victor begleitet, aber er nimmt den Leser mit in die Gedanken – und Gefühlswelt des jungen Mannes. Seine Wahrnehmung der Umwelt ändert sich, er reift an den Ereignissen. Dieser Prozess der Selbstreflektion hat mich sehr berührt, mir den Menschen Victor sehr nah gebracht. Der kurze Roman hat mich gepackt, ich bin richtig eingetaucht und habe bemerkt, dass mich der Text nicht loslässt. Immer wieder bin ich gedanklich bei der Geschichte, das finde sehr bemerkenswert.
Für mich ist das Buch eine Literaturperle in diesem Herbst. Ein kurzes, aber sehr intensives Leseerlebnis.

Veröffentlicht am 07.10.2018

Von Einsiedlern und anderen Spinnen

Der Zorn der Einsiedlerin
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Nach seinem letzten Fall hat sich Adamsberg auf die isländische Insel Grimsey zurückgezogen. Er genießt die Einsamkeit und die wortkargen Bewohner, das alles passt zu Adamsbergs eigenbrötlerischem Charakter. ...

Nach seinem letzten Fall hat sich Adamsberg auf die isländische Insel Grimsey zurückgezogen. Er genießt die Einsamkeit und die wortkargen Bewohner, das alles passt zu Adamsbergs eigenbrötlerischem Charakter. Da ruft ihn eine Nachricht nach Paris zurück. Ein ungeklärter Mordfall, eine Frau wurde überfahren, dringend der Tat verdächtigt sind Liebhaber und Ehemann. Doch der Nachweis fällt den Kollegen schwer. Ein Fall, der Adamsberg nicht sonderlich interessiert, er liebt eher die komplizierten Sachverhalte, die ihn in seelische Abgründe schauen lassen. So löst er diesen Mordfall auch eher nebenbei.
Viel mehr interessiert ihn eine beiläufige Zeitungsmeldung. Im Süden Frankreichs ist wieder ein alter Mann am Biss der Einsiedlerspinne gestorben. Das kommt sehr selten vor, die Häufung in letzter Zeit beunruhigt die Menschen. Auch bei Adamsberg beginnt es zu rumoren, sein Unterbewusstsein arbeitet auf Hochtouren und so beginnt er zu recherchieren, heimlich zuerst, denn sein Kollege und Freund Danglard scheint überhaupt nicht davon erbaut und beginnt Adamsberg zu diskreditieren. Doch er hat nicht mit der unverbrüchlichen Treue der Truppe zu ihrem eigenwilligen Chef gerechnet.
Fred Vargas‘ Krimis entziehen sich eigentlich dem üblichen Schema des Genres. Im Mittelpunkt steht der grüblerische, fast lebensuntüchtig erscheinende Adamsberg, der mit Intuition arbeitet, sich von spontanen Stimmungen leiten lässt und immer auch auf sein Unterbewusstsein vertraut. Dieser Stimmung kann ich mich als Leserin nicht entziehen und ich habe mir noch kein Buch der Autorin entgehen lassen.
Die Spannung ist eher subtil aufgebaut, aber sie hält mich von Anfang an gefangen. Ganz egal, wie unwahrscheinlich der Plot anfangs scheint, Vargas hält alle Fäden in der Hand und verknüpft sie zum Ende zu einem dichten Netz, das keine Löcher hat und zu einer vollkommen logischen und realistischen Auflösung führt.
Bei diesem Kriminalroman spielen die Charaktere der Darsteller wieder eine wichtige Rolle und ich bin begeistert, wie vielschichtig und lebendig Fred Vargas sie zeichnet. Besonders die Kollegen im Polizeidezernat habe ich ins Herz geschlossen.
Die Kriminalromane von Fred Vargas sind mir immer ein ganz besonderer Lesegenuss: rätselhaft, fast poetisch und immer toll geschrieben.