Bedingungslose Liebe in einer Welt des Lugs und Trugs
StellaFriedrich wächst zwischen den Kriegen zunächst wohlbehütet am Genfer See auf, bis ihm ein schrecklicher Unfall zustößt, der einiges verändert. Seine Mutter, eine Alkoholikerin, bindet ihn sehr stark an ...
Friedrich wächst zwischen den Kriegen zunächst wohlbehütet am Genfer See auf, bis ihm ein schrecklicher Unfall zustößt, der einiges verändert. Seine Mutter, eine Alkoholikerin, bindet ihn sehr stark an sich, sie hat große Pläne mit ihm, die durch den Unfall aber ins Wanken geraten. Sie verfällt immer mehr dem Alkohol, und Friedrich ist recht einsam. Die politische Entwicklung hält man weitgehend von ihm fern, bis er sich als junger Mann entscheidet, sich endlich einmal vom Elternhaus zu lösen, er will auf Reisen gehen. Seine erste Station ist Berlin, wo er schauen will, ob die vermeintlichen Judentransporter wirklich existieren oder nur erfunden sind. Schnell lernt er Kristin kennen und verliebt sich in sie. Kristin akzeptiert ihn, wie er ist, bringt ihm positive Gefühle entgegen und öffnet ihm so manche Tür zum Leben...doch eines Morgens wird Friedrich mit der Wahrheit konfrontiert: Kristin heißt in Wirklichkeit Stella und ist Jüdin, sie wurde von der Gestapo gefoltert und soll andere Juden ausliefern....
Zunächst waren meine Gefühle für den Hauptprotagonisten positiv und voller Mitleid, endlich wird er geliebt und übt sich im Vertrauen, doch bald fragt man sich, ob er an der Realität vorbei lebt. So blind kann man doch nicht sein! Und außerdem so egoistisch, denn Friedrich lebt ein Luxusleben in dieser ärmlichen Umgebung, weil er Geld hat und als Schweizer politisch nichts befürchten muss. Er liebt Stella bedingungslos und ohne jedes Misstrauen, obwohl sie oft einfach verschwindet, ohne zu sagen warum....
Immer wieder schiebt der Autor kurze authentische Gerichtsprotokolle ein, sie wurden dem Prozess gegen Stella Goldschlag entnommen. Dies hinterlässt ein beklemmendes Gefühl und zeigt die Hilflosigkeit der Verfolgten im 2.Weltkrieg. Im Gegensatz dazu werden auch ganz banale Sachen aufgelistet, die während des Schicksalsjahres 1942 geschahen, Fußballereignisse oder Paul McCartney wird geboren.....unfassbare Geschehnisse, wenn man in der Handlung des Buches verwurzelt ist.
Würgers Schreibstil ist klar und angenehm, er benutzt keine überladenen Beschreibungen und trotzdem kommt sehr viel Atmosphäre rüber, z.B. der brechend volle Musikclub oder auch die Suite im Luxushotel. Die Sätze sind überwiegend kurz und übersichtlich. Die Dialoge wirken authentisch und nicht inszeniert. Man könnte das Buch in einem durchlesen, es hat mich gefesselt. Am Ende legt man das Buch nicht einfach beiseite, es wirkt nach, es bleiben so viele Fragen, speziell zu der Liebe zwischen Friedrich und Stella, aber auch zu der damaligen Zeit und ihren Menschen.
Alles in allem ein sehr lesenswertes Buch, das ich ohne Zögern mit 5 Sternen belohne.