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Veröffentlicht am 20.11.2018

Stumme Schreie

Loyalitäten
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Théo hat in der Schule keine Schwierigkeiten. Doch mit der Trennung der Eltern beginnen seine Probleme. Wechselweise verbringt er jeweils eine Woche bei seiner unglücklichen Mutter und eine Woche ...

Théo hat in der Schule keine Schwierigkeiten. Doch mit der Trennung der Eltern beginnen seine Probleme. Wechselweise verbringt er jeweils eine Woche bei seiner unglücklichen Mutter und eine Woche bei seinem Vater, der immer mehr vereinsamt. Was soll da ein zwölfjähriger Junge ausrichten können? Nur wenn er Alkohol trinkt, fühlt er sich besser und geschützt und nur sein einziger Freund Mathis weiß, dass er trinkt, ohne die Hintergründe zu kennen.

Gibt es denn niemanden, der ihm helfen kann? Seine Eltern sind so sehr mit ihren eigenen Problemen beschäftigt, dass sie das Leid ihres Sohnes einfach nicht erkennen. Sein Freund Mathis? Dessen Mutter ist mit der Wahl seines Freundes nicht einverstanden, dennoch steht Mathis Théo bei, so gut er kann. Seine Lehrerin Hélène hat ein feines Gespür und bemerkt, dass Théo sich verändert. Doch ihr sind die Hände gebunden – niemand will ihr Glauben schenken. Dennoch will sie nicht aufgeben.

Loyalitäten – welch passender Name für dieses ganz besondere Werk, aufrüttelnd, erschütternd und erschreckend zugleich. Dies ist sicherlich nicht nur eine Geschichte, sondern vergleichbar auch in der Realität zu finden. Ich fühle mich machtlos.

Veröffentlicht am 03.11.2018

Die Macht der Worte

Die Unsterblichen
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Der Klappentext gefällt mir besonders gut. Er beschreibt die Geschichte, ohne das Geringste zu verraten. Die vier Kinder der Familie Gold machen sich auf den Weg zu einer Wahrsagerin, die bekannt ...

Der Klappentext gefällt mir besonders gut. Er beschreibt die Geschichte, ohne das Geringste zu verraten. Die vier Kinder der Familie Gold machen sich auf den Weg zu einer Wahrsagerin, die bekannt dafür ist, den Menschen den Tag ihres Todes vorherzusagen. Was sie dort hören, wie sie mit dem Gehörten umgehen und ob es ihr zukünftiges Leben beeinflusst, ist Inhalt des Romans.
Das Buch setzt sich aus vier Teilen zusammen, wobei jeder Teil die Geschichte eines Kindes erzählt. Mit hohem Einfühlungsvermögen werden die Lebenswege beschrieben, von denen keiner dem anderen gleicht. Von Anfang an ist Spannung angesagt, die bei mir nur kurz nachgelassen hat zu Beginn des vierten Teils, um dann mit Macht wieder zurückzukehren. Das Schicksal jedes einzelnen ist emotionsgeladen, lässt mitfühlen, mitlachen und mitweinen. So unterschiedlich die vier Geschwister auch sind, empfinde ich Sympathie für jeden einzelnen von ihnen. Auch wenn sie kaum direkt angesprochen wird, bleibt beim Lesen die Vorhersage der Wahrsagerin immer im Kopf wie ein imaginärer Begleiter.
Das Cover ist sehr gelungen. Nach dem Ende der Geschichte noch einmal betrachtet, finde ich die gesamte Geschichte in dem Bild wieder: die Farben der Blätter, so unterschiedlich wie das Wesen der Kinder; der helle Baum im Vordergrund, dahinter das Dunkel der Nacht, aber nicht ohne Sterne; die einzelnen Blätter, die leicht herabschweben und die, die sich festhalten.
Ein großartiges Buch, das beschreibt, welche Macht Worte auf die Psyche des Menschen haben können. Sehr empfehlenswert!

Veröffentlicht am 28.10.2018

Mehr Schatten als Licht

Eifel-Trilogie / Die Stille im Dorf
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1944 – Margarethe lebt mit ihren Eltern und ihrem Bruder Micha auf einem Hof in einem Eifeldorf. Vom Krieg werden sie hier bisher verschont. Ihr Vater Johann ist Ortsbauernführer, malträtiert ...

1944 – Margarethe lebt mit ihren Eltern und ihrem Bruder Micha auf einem Hof in einem Eifeldorf. Vom Krieg werden sie hier bisher verschont. Ihr Vater Johann ist Ortsbauernführer, malträtiert allerdings nicht nur die Dorfbewohner, sondern auch seine polnischen Arbeiter und ebenso seine Familie. Margarethes Verlobter kommt aus dem Krieg nicht zurück und als sie Theo heiratet und er mit auf dem Hof lebt, gibt es zwischen ihm und Johann ständig Streitigkeiten und auch Margarethe hat nichts zu lachen. Der Umgangston in der Familie färbt natürlich auch auf Margarethes Sohn Alexander ab. In dem Buch, das die Zeit von 1944 bis zur Wende umfasst, geht es nicht nur um Margarethe und ihre Familie, sondern auch um die anderen Dorfbewohner und ihre Geschichten. Das Glück scheint allerdings bei keiner Familie zu Hause zu sein.
Durch das alte Haus auf dem Cover kann ich mir sehr gut vorstellen, wie es in dem Dorf ausgesehen haben könnte. Der lebendige Schreibstil gefällt mir. Mit viel Feingefühl und Realitätsnähe werden Erinnerungen geweckt, auch wenn ich nicht in der Eifel zu Hause bin, aber in der Nachkriegszeit geboren wurde.
Das afrikanische Sprichwort und die Widmung „allen Frauen, denen Unrecht und Gewalt widerfährt“ sind ein guter Einstieg und in manchen Buchpassagen tut es gut, daran zu denken.
Was mich besonders beeindruckt hat bzw. woran ich mich gern erinnere:
Die Menschen haben früher viel mehr miteinander zusammengesessen, gespielt und Geschichten erzählt. Der Aberglaube war noch Thema.
Johann – Schwer zu begreifen: Wie kann ein Mann, der so wunderschön Mundharmonika spielen kann, sich zu einem so gewaltbereiten Mann entwickeln?
Der amerikanische Soldat, der in der Kirche erkannt hat, dass nicht alle Deutschen Monster und Barbaren sind, hat mich sehr berührt.
Schlucken musste ich über die Aussage aus dem Kloster, dass es Gott scheinbar nicht gleichgültig ist, ob man arm ist oder reich.
Die Fußball-WM 1954 mit dem Wunder von Bern – eine Familie besaß einen Fernseher, vor dem sich alle Dorfbewohner versammelten – mal ein Tag, an dem die Menschen glücklich waren!
Margarethe und ihr Lebensweg mit weniger glücklichen als unglücklichen Momenten hat mich sehr berührt – ebenso der Weg von Alexander, ihrem Sohn.
Schwierig wurde es für mich im Kapitel 25 im Jahr 1987. In diesem Kapitel war Alexander 46 Jahre alt, bezahlt wurde damals in Euro. Trotz mehrmaligen Lesens bin ich daraus nicht schlau geworden. War es ein Versehen oder stand ich auf dem Schlauch?
Ansonsten hat mir die Erzählweise anhand der Jahreszahlen sehr gut gefallen, weil ich mich nur anhand der Zahlen mehrmals erinnern konnte, zum Beispiel an das Wetter im Februar 1956 – sehr gute Recherche!
Ich empfehle das Buch sehr gern und freue mich auf weitere Geschichten von Karl Blaser.


Veröffentlicht am 22.10.2018

Wunderwerk Füße - Gehen ist Glück

Gehen. Weiter gehen
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Gehen. Weiter gehen – Eine Anleitung. Das Sachbuch umfasst nur etwa 150 Seiten, ist aber ein Lesevergnügen mit Informationen auch anderer Schriftsteller, Philosophen und Wegbegleiter. Der Norweger ...

Gehen. Weiter gehen – Eine Anleitung. Das Sachbuch umfasst nur etwa 150 Seiten, ist aber ein Lesevergnügen mit Informationen auch anderer Schriftsteller, Philosophen und Wegbegleiter. Der Norweger Erling Kagge begeistert mit kleinen Geschichten und vielen interessanten Beschreibungen seiner Wege.
Unter dem Schutzumschlag verbirgt sich ein Einband, der ein Waldstück von oben zeigt, ein kleiner Augenschmaus gleich zu Beginn. Dazu kommen einige Fotos als schmückendes Beiwerk, gedruckt auf edlem Papier. Ein schon äußerlich sehr schönes Buch.
Hier einige von vielen Besonderheiten:
Sehr beeindruckend istfür mich die Schilderung über Los Angeles mit dem Hinweis darauf, dass es dort kaum Bäume, dafür aber so viele Maniküre-Salons gibt, dass der Eindruck entsteht, die Hälfte der Einwohner poliert der anderen Hälfte die Nägel.
Die Gedanken des Autors zu der Frage, was Adam außerhalb des Paradieses gemacht haben könnte, finde ich sehr unterhaltsam, ebenso seine Erlebnisse auf den Spuren Robinson Crusoes.
Die Beschreibung der Füße als „beste Freunde“ lässt seine Liebe zum Gehen ganz besonders spüren.
Die Erkenntnis, dass viel guter Champagner, getrunken vor einem Kamin im Wohnzimmer, nicht bestehen kann vor einem glühend heißen Grog, frierend und auf dem Eis stehend genossen.
Ganz besonders berührt mich die Geschichte der blinden Maria.
In ganz engen Grenzen hält mich meine Begeisterung allerdings bei der Schilderung über das Gehen im Untergrund in den Abwasserkanälen New Yorks. Aber dennoch ein interessanter Aspekt.
Ein wunderbares Buch, das dazu einlädt, die eigenen Füße und das Gehen wieder mehr zu fordern und den Spaß daran zu entdecken!

Veröffentlicht am 19.10.2018

Mehr als ein ganzes Leben

Der Apfelbaum
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Christian Berkel ist ein toller Schauspieler mit einer angenehmen Stimme und – das weiß ich nach seinem Buch – ein großartiger Schriftsteller.
Ich habe mich für das Hörbuch entschieden, weil ...

Christian Berkel ist ein toller Schauspieler mit einer angenehmen Stimme und – das weiß ich nach seinem Buch – ein großartiger Schriftsteller.
Ich habe mich für das Hörbuch entschieden, weil der Autor die Geschichte seiner Familie selbst liest. Das war eine gute Entscheidung, denn ich glaube, kein anderer hätte mehr Emotionen hineinlegen können als er selbst. Grandios!
Als er merkt, dass seine Mutter Sala zunehmend dement wird, denkt er daran, dass es bald keine Chance mehr geben wird, etwas über das Leben seiner Familie und vor allem seiner Mutter zu erfahren. Die Gespräche mit Sala zeichnet er auf und begibt sich mit ihr auf den Weg in die Vergangenheit:
1932 ist es, als Sala, 13 Jahre alt, dem 17-jährigen Otto zum ersten Mal begegnet. Seit dieser ersten Begegnung steht fest, dass diese beiden Menschen zusammengehören. Sala muss durch die politische Lage 1938 Deutschland verlassen. Damit trennen sich ihre Wege für viele Jahre. Otto zieht als Sanitätsarzt in den Krieg und landet in russischer Gefangenschaft. Sala ist in den Kriegsjahren wegen ihrer jüdischen Herkunft voller Angst und immer auf der Flucht in verschiedenen Ländern. Es gibt nur wenige Menschen, die es gut mit ihr meinen und denen sie trauen kann. Hier hat mich die Erzählung über Mopp, die Sala zur Freundin geworden ist, einige Male zum Lächeln gebracht.
Es ist bemerkenswert, wie es Christian Berkel gelungen ist, die Geschichte seiner Eltern, Groß- und Urgroßeltern durch Gespräche mit seiner Mutter und Recherchen in Archiven, durch Briefwechsel und nicht zuletzt durch Reisen an die Orte, von denen seine Mutter erzählt hatte, zu einem runden Abschluss zu bringen.
Aus vielen einzelnen Puzzleteilen hat er nicht nur das Leben seiner Familie zu einem Ganzen zusammengefügt, sondern es ist ein lehrreicher Weg in die Vergangenheit entstanden mit einer realitätsnahen Schilderung der Ereignisse gerade auch des Zweiten Weltkriegs mit all seinen Schrecken und menschenverachtenden Geschehnissen, dass ich voller Hochachtung und dankbar bin, auf diesen Weg mitgenommen worden zu sein.