Platzhalter für Profilbild

Venatrix

Lesejury Star
online

Venatrix ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Venatrix über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 06.11.2018

Ein empfehlenswertes Sachbuch

Kinderwunsch und Lebensplan
0

In den letzten Jahren nimmt die Anzahl der Kinder pro Familie immer weiter ab. Statistisch gesehen bekommen wir Österreicherinnen nur mehr 1,5 Kinder.

Warum ist das so?

Viele Paare verschieben ihren ...

In den letzten Jahren nimmt die Anzahl der Kinder pro Familie immer weiter ab. Statistisch gesehen bekommen wir Österreicherinnen nur mehr 1,5 Kinder.

Warum ist das so?

Viele Paare verschieben ihren Kinderwunsch nach hinten. Zuerst will die Ausbildung beendet, das Leben genossen und/oder ein bestimmter finanzieller Polster erreicht werden. Oftmals geraten die Eltern in spe dadurch in eine Stresssituation, in der sich die gewünschte Schwangerschaft nicht einstellen will.
Vor allem Frauen hören die biologische Uhr laut ticken.
Dass die Fertilität bei Frauen schon ab 30 abnehmen kann, ist eine Laune der Natur, die sich leider nicht wirklich beeinflussen lässt. Die Qualität der Spermien nimmt ebenfalls ab, allerdings erst ein wenig später.
Aber, so glaubt ein Teil der Paare – es gibt ja die IVF-Methode, die ausgereift ist und ihnen Nachwuchs bis ins hohe Alter beschert. Oder doch nicht?

Dr. Wilfried Feichtinger, international renommierter Reproduktionsmediziner, und die österreichische Wissenschaftsjournalistin Eva Stanzl haben gemeinsam dieses Buch herausgegeben, in dem sie nun viele Aspekte des Kinderwunsches erläutern. Allerdings wird nicht verschwiegen, dass der künstlichen Befruchtung Grenzen gesetzt sind, und warum.

Meine Meinung:

Ein sehr einfühlsam und gut recherchiertes Sachbuch. Zu Beginn kommen Frauen und Männer zum Thema Kinderwunsch zu Wort. Einige der Interviewten haben schon Kinder andere (noch) nicht.
Sehr deutlich werden die Chancen und Risken der künstlichen Befruchtung aufgezeigt. Die gesetzlichen Grundlagen in Österreich und anderen Ländern werden genauso angesprochen wie ethische Fragen – Stichwort „Designerbabys“.

Fazit:

Die IVF kann kein Ersatz für eine rechtzeitige Familienplanung sein, aber Unterstützung für alle jene, die ihrer bedürfen. Gerne gebe ich für dieses aufschlussreiche Buch 5 Sterne.

Veröffentlicht am 04.11.2018

Ein wunderbares zu einem wunderbaren Lied

Stille Nacht
0

2018 jährt sich die erste Aufführung des wohl bekanntesten Weihnachtsliedes zum 200. Mal. Aus diesem Anlass erscheinen gleich mehrere Bücher. Dieses hier zeichnet sich durch penible Recherche und wissenschaftliche ...

2018 jährt sich die erste Aufführung des wohl bekanntesten Weihnachtsliedes zum 200. Mal. Aus diesem Anlass erscheinen gleich mehrere Bücher. Dieses hier zeichnet sich durch penible Recherche und wissenschaftliche Aufarbeitung zahlreicher Quellen, Legenden und Facetten aus. Mehr als 30 Autorinnen und Autoren haben an diesem tollen Buch mitgewirkt.

Zu Beginn wird die Entstehungsgeschichte sowie die beiden Biografien von Franz Xaver Gruber und Joseph Mohr präsentiert.

Sehr interessant ist für mich die soziale Umgebung, in der das Lied entstanden ist. Salzburg ist 1818 nur mehr ein schaler Abklatsch seiner früheren Bedeutung. Teile des ehemaligen Erzbistums sind im Zuge des Wiener Kongresses an Bayern abgetreten worden und der Rest dem Erzherzogtum Ob der Enns zugeschlagen. Die Hauptstadt Salzburg verfällt in die Bedeutungslosigkeit. Auf dem Land hungern die Menschen. Die Auswirkungen des „Jahres ohne Sommer (1816)“ nach dem Ausbruch des Vulkans Tambora in Indonesien 1815 sind deutlich spürbar.

Das Buch gibt einen wunderbaren Einblick auf das Schulwesen jener Zeit. Bauernkinder konnten auf Grund der Arbeiten am Hof nur wenige Wochen in die Schule gehen. Die ist noch dazu kostenpflichtig. Von der Anzahl der unterrichteten Kinder ist das Salär des Lehrers abhängig.

Weitere Beiträge behandeln die Verbreitung des Liedes sowie die Urheberstreitigkeiten in den 1870er und 1890er Jahre (S. 101 ff). Dazu zitiert Mitautor Thomas Hochradner aus der damals erscheinenden „Salzburger Chronik“ Leserbriefe und Antworten.

Als Technikerin fasziniert mich das Kapitel über die, schon früh einsetzende technischen Möglichkeiten der Verbreitung des Liedes. Sei es via mechanische Spieldose oder als Walze im Musikapparat. Skurril mutet der musikalische Christbaumständer aus dem Jahre 1900 an (S.131).
Erstaunlich auch die frühe filmische Umsetzung des Liedes (1910). Allerdings sind nicht alle Filme über Gruber und Mohr recht gelungen. Da gibt es den einen oder anderen ordentlichen Missgriff (z.B. ein Machwerk, das Joseph Mohr als liebestollen Priester darstellt, das niemals in die Kinos gekommen ist) (Siehe S. 162 ff).

Sehr interessant ist auch die Veränderung des Weihnachtsfestes von einem besinnlichen Kirchenfest, an dem man eine Krippe aufgestellt hat, zu einem kommerziellen „Geschenkefest“. Dazu werden das Kopfschütteln und die Unmutsäußerung von Erzherzog Johann zitiert (S. 75). Durch seine protestantische Schwägerin Henriette von Nassau kommt ja der mit Kerzen, Glitter und Süßigkeiten geschmückte Nadelbaum ins erzkatholische Österreich.

Wie schon vorab erwähnt, gefallen mir die sozialgeschichtlichen Aspekte rund das Weihnachtsfest und die Weihnachtsmusik sehr gut.

Bei einem so bekannten Lied bleibt es nicht aus, dass es auch für politische Zwecke ge- (und manchmal miss-)braucht wird. „Wilde Nacht, streikende Nacht!“ und ähnliches singen die Arbeiter. Im Ersten Weltkrieg kursieren mehrere Umdichtungen. Auch in der Weimarer Republik des Zwischenkriegsdeutschlands gibt es neue Texte. Ein Blick auf den Nationalsozialismus zeigt, dass das Singen von (christlichen) Weihnachtslindern zwar nicht explizit verboten, jedoch verpönt ist.

Ein Kapitel beschäftigt sich mit der Vermarktung des Liedes als Pophit: Von Bing Crosby bis Sinhead O’Connor. In allen Richtungen der Unterhaltungsmusik ist „Stille Nacht“ angekommen und ist als (manchmal störender) Ohrwurm die ganze Adventzeit zu hören.

Interessant zu lesen ist auch, wer und welche Gemeinde am Ruhm des Weihnachtsliedes mitnaschen will. Diese sind vor allem die 13 Trägergemeinden der „Stille-Nacht-Region“. Die Balance zwischen Gedenken und Vermarktung, ist nicht einfach zu halten.

Was mir persönlich besonders gut gefällt, ist das reduzierte, aber dennoch ins Auge fallende Cover: die grüne Darstellung der Melodie als Frequenzmuster, erinnert mich frappant an einen querliegenden Weihnachtsbaum.

Viele Fotos, Faksimiles und ausführliche Quellen machen dieses Buch zu einem tollen Nachschlagewerk zum wohl bekanntesten Weihnachtslied. Das Buch bietet sich als qualitativ wertvolles Geschenk wie von selbst an.

Fazit:

Ein umfangreiches, detailliertes und interessantes Buch zum „Stille-Nacht-Lied“. Gerne gebe ich eine Leseempfehlung und 5 Sterne.

Veröffentlicht am 04.11.2018

EIn gelungener Reiseführer zu schaurigen Orten

111 schaurige Orte in der Steiermark, die man gesehen haben muss
0

Die Reihe „111 Orte“ wird seit Kurzem durch „schaurige“ oder „mystische“ ergänzt. Robert Preis, Krimi-Autor aus Graz, der auch das eine oder andere Buch mit Fantasy- bzw. Sagenelementen geschrieben hat, ...

Die Reihe „111 Orte“ wird seit Kurzem durch „schaurige“ oder „mystische“ ergänzt. Robert Preis, Krimi-Autor aus Graz, der auch das eine oder andere Buch mit Fantasy- bzw. Sagenelementen geschrieben hat, nimmt seine Leser auf eine Reise zu schaurigen Punkten in der Steiermark mit.
Neben Sagengestalten wie „Die Trud“ (Nr. 1) zeigt uns der Autor Richtstätten wie z. B. Nr. 4 und Nr. 102.

Einen großen Teil der schaurigen Orte bilden die Lager der NS-Zeit. Spät, aber doch wird den ermordeten Juden, Zwangsarbeitern oder Regimekritikern durch Errichtung von Gedenkstätten gedacht, um die Ereignisse nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. (u.a. Nr. 11, 13, 24, 27, 32, 40, 50, 65, 89).
Auch Verbrechen der jüngsten Vergangenheit finden ihren Niederschlag (u.a. Nr. 23, Nr. 95).

Ein besonders grausames Schicksal wurde Marie zuteil, die des Diebstahls verdächtigt und schwerer Folter unterzogen wurde. Wie sich später herausgestellt hat, war das Dienstmädchen unschuldig. Als Krüppel hat Marie ihr Leben gefristet (Nr. 38). Kurz darauf soll Maria Theresia die schwere Folter abgeschafft haben.

Die Fotos sind dem Thema angepasst und wirken melancholisch. Bei manchen ist der Zusammenhang zum Ort des Grauen nicht auf den ersten Blick zu erkennen.

Wie in allen Büchern der „111“-Reihe findet sich am Ende des Buches eine Landkarte mit den besprochenen Orten.

Fazit:

Wieder ein gelungener Reiseführer aus dem Hause Emons, dem ich gerne 5 Sterne gebe.

Veröffentlicht am 30.10.2018

Eine beeindruckende Biografie

Überleben
0

Walter Fantl lebt mit seinen Eltern und der Schwester in Bischofstetten, einem kleinen Ort im niederösterreichischem Mostviertel. Die Fantls betreiben einen von drei Gemischtwarenläden. Dass sie Juden ...

Walter Fantl lebt mit seinen Eltern und der Schwester in Bischofstetten, einem kleinen Ort im niederösterreichischem Mostviertel. Die Fantls betreiben einen von drei Gemischtwarenläden. Dass sie Juden sind, wissen alle im Dorf, doch keiner stört sich daran – vorerst. Mit der Machtübernahme Hitlers und dem Anschluss an Deutschland beginnt die Leidensgeschichte der Fantls. Walter ist gerade einmal 14 Jahre alt. Wie so viele Juden erkennen sie die Zeichen der Zeit nicht rechtzeitig. Die Ausgrenzung der Fantls, die Arisierung des Geschäftes, die Umsiedlung nach Wien und die verzweifelten Versuche des Vaters die nötigen Papiere und das Geld für die Schiffspassagen zu bekommen, werden von Walter Fantl eindringlich und detailliert geschildert.

Die Fantls werden zuerst 1942 gemeinsam nach Theresienstadt und 1944 dann nach Auschwitz-Birkenau deportiert. Noch weiß niemand, dass Walter der einzige Überlebende seiner Familie sein wird.

"Dann bin ich zu einem Kapo hin und habe gefragt: Was ist mit den anderen? Wo ist mein Vater?
Und der schaute mich an und zeigt auf einen der Schornsteine und sagt: Siehst du den Rauch? Das sind die anderen, das ist dein Vater".

Was an dieser Biografie so fasziniert ist, dass es Walter, auch in den vielen Stunden der Schinderei und Demütigungen gelingt, einige wenige glückliche Momente mit Leidensgenossen zu erleben. Das Symbol seiner Hoffnung, den Wahnsinn zu überleben, ist sein Ledergürtel. Der ist das einzige, was ihm noch geblieben ist. Kleidung, Schuhe oder Wertsachen wurden ihm von Mithäftlingen gestohlen oder gegen Nahrungsmittel eingetauscht. Doch an den Gürtel klammert er sich mit all seiner Kraft.

Das Buch endet nicht – wie so viele – mit der Befreiung aus dem KZ sondern bietet den Lesern ein weiteres authentisches Kapitel:
"Nach dem Krieg und wir sind frei". Es beschreibt den Weg aus dem KZ zurück, verschweigt aber nicht, dass Walter und seiner Freunde im polnischen „Niemandsland“ herummarodieren und verlassene Häuser plündern. Das finde ich sehr mutig, denn bislang habe ich darüber nichts gelesen. Walter kommt nach Wien zurück, fühlt sich verloren, sucht nach Familie und Freunden und kehrt freiwillig nach Theresienstadt, dem scheinbar einzigen Fixpunkt, zurück. Seine Freunde wandern aus, der eine nach Palästina, der andere nach Amerika. Doch wirklich willkommen sind die Überlebenden nirgends.
Nach vielen Kämpfen mit der Bürokratie erhält er das elterliche Wohnhaus zurück, hat es aber niemals mehr betreten.

Meine Meinung:

Für mich als Wienerin, die im zweiten Bezirk, der Leopoldstadt, aufgewachsen ist, sind die Adressen an denen Walter mit seiner Familie gewohnt hat, alle geläufig. Von der Großen Mohrengasse über die Schreygasse bis zum Sammellager in der Kleinen Sperlgasse 2a.

Historiker Gerhard Zeilinger mit Walter Fantls Biografie ein bewegendes und bemerkenswertes Zeitdokument gelungen, das als Ergänzung im Geschichtsunterricht gelesen werden sollte. Neben dem einfühlsamen Text, der ohne Schnörkel die Dinge beim Namen nennt, bilden die perfekt platzierten Fotos eine eindrucksvolle Ergänzung. Wie haben die Fotos gerettet werden können? Das ehemalige (christliche) Kindermädchen hat die Kassette mit Fotos, Dokumenten und Erinnerungsstücken vor der Vernichtung bewahrt und für Walter aufgehoben.

Fazit:

Ein Buch, das unbedingt gelesen werden sollte. Gerne gebe ich 5 Sterne.

Veröffentlicht am 27.10.2018

Eine gut recherchierte Biografie

Queen Victoria
0

Autorin Julia Baird liefert eine gut strukturierte Biografie von Queen Victoria (1819-1901).
In der Einleitung schreibt sie über die Schwierigkeiten, geschönte und zensurierte Quellen zu beurteilen. Besonders ...

Autorin Julia Baird liefert eine gut strukturierte Biografie von Queen Victoria (1819-1901).
In der Einleitung schreibt sie über die Schwierigkeiten, geschönte und zensurierte Quellen zu beurteilen. Besonders Tochter Beatrice hat zahlreiche Briefe und Dokumente vernichtet, die einen zu persönlichen Eindruck der Königin hinterlassen hätten können.

Mit hat vor allem fasziniert, wie sich Victoria gegen ihre Mutter und deren Liebhaber (?) John Conroy durchsetzen musste und ein ziemliches Faible für Lord Melbourne hatte. Interessant, dass sich die Herrscherin über ein riesiges Weltreich nach ihrer Heirat mit Prinz Albert von Sachsen-Gotha sich ihm als besonders konservativ entpuppt: sie unterwirft sich ihrem Gemahl als Frau und Mutter, allerdings nicht als Regentin. Das wird erst später offenbar, dass sie sich immer mehr von ihm beeinflussen lässt. Ziemlich unmöglich finde ich, dass Albert seine Frau als „liebes Kleines“ anspricht. Für mich klingt das geringschätzend. Allerdings scheint er Victoria sehr geliebt zu haben und auf außereheliche Affären verzichtet zu haben. Deswegen haben ihn die Untertanen beinahe verachtet, weil für die Mächtigen damals unüblich.
Die Zeit nach Alberts frühen Tod ist für Victoria recht schwierig. Interessant, dass niemand auf die Idee gekommen ist, die Königin möge abermals heiraten. Das habe ich noch nirgends gelesen.

Einen breiten Raum nehmen auch die beiden Männer in ihrem späteren Leben ein: John Brown und Abdul Karim. Vor allem letzterer gilt als Hochstapler und hat die Sehnsucht der Königin nach Zuneigung schamlos ausgenützt.

An den Ratgebern der Queen übt die Autorin leise Kritik, weil sie ihr nur ein recht einseitiges Bild ihrer Länder vermittelt haben. Mit ein bisschen mehr Durchblick hätte sich die Irland-Frage, die das Vereinigte Königreich bis heute beschäftigt, lösen lassen.

Meine Meinung:

Eine gut gelungene Biografie, die einen Einblick in das Leben dieser Herrscherin bietet, die 63 Jahre lang über ein Weltreich geherrscht hat. Sehr gut finde ich, dass die (Selbst)Zweifel von Victoria nicht ausgespart werden. Queen Victoria war eine beeindruckende Persönlichkeit mit vielen Facetten und voller Gegensätze.

Der Schreibstil ist flüssig und wird durch eine Vielzahl von Zitaten sowie Illustrationen ergänzt.
Das Cover ziert das Porträt der jungen Königin, gemalt 1843 vom deutschen Maler Franz Xaver Winterhalter.

Für historisch Interessierte gibt es im Anhang eine ausführliche Bibliografie.

Fazit:

Gerne gebe ich für diese gut recherchierte Biografie 5 Sterne.