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Veröffentlicht am 05.11.2018

Dorf-Idylle meets Drogenkrieg in der kanadisch-amerikanischen Grenzregion

Hinter den drei Kiefern
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Three Pines, ein idyllisches Dörfchen in Kanada im November. Da ist nichts zu spüren von der Wärme und der verzaubernden Szenerie, die der Indian Summer mit sich bringt. Es ist kalt, grau und unwirtlich. ...

Three Pines, ein idyllisches Dörfchen in Kanada im November. Da ist nichts zu spüren von der Wärme und der verzaubernden Szenerie, die der Indian Summer mit sich bringt. Es ist kalt, grau und unwirtlich. Und über allem liegt ein Hauch von Bedrohung, ausgelöst durch eine schwarz verhüllte Gestalt, die am Morgen nach Halloween plötzlich auftaucht und annähernd reglos auf dem Dorfplatz steht und in das Bistro starrt. Verkörpert er den Tod, und wenn ja, was will er? Matheo, der freie Journalist, bringt Licht ins Dunkel. Die Gestalt entstammt der spanischen Mythologie, es ist ein Cobrador del Frac, der das Gewissen verkörpern los, Schuldner aufspüren und sie ihrer gerechten Strafe zuführen soll. Stellt sich nur noch die Frage, hinter wem er her ist und warum.

Armand Gamache, Hauptfigur und mittlerweile Chef der Sûreté von Québec, sind die Hände gebunden. Herumstehen ist nicht illegal, er kann nicht einschreiten. Erst als Reine-Marie eine Leiche im Keller der Kirche entdeckt, nimmt er die Ermittlungen auf und öffnet damit die Büchse der Pandora.

„Hinter den drei Kiefern“ ist der mittlerweile dreizehnte Band der Gamache-Reihe der Kanadierin Louise Penny, die bei uns leider noch nicht den großen Durchbruch geschafft hat (bisher liegen inklusive dieses Bandes erst fünf Bücher der Reihe in deutscher Übersetzung vor). Das mag darin begründet sein, dass diese Kriminalromane weder gemütliche Urlaubskrimis mit Regio-Touch noch blutige Fast Food-Serienkiller Reißer sind. Der Leser muss geduldig und aufmerksam sein, muss die verschiedensten Informationen aufnehmen und speichern, um sie im richtigen Moment des intelligenten, verschachtelten Plots abrufen zu können, in dem sie gekonnt Vergangenes und Gegenwärtiges mischt. Dazu kommt, dass ihre Hauptfigur kein Superheld à la James Bond ist, der sich schießend und prügelnd um Aufklärung bemüht. Am ehesten ist Gamache Vargas‘ Adamsberg vergleichbar, beide eher von der stillen, nachdenklichen Sorte, aber mit einem messerscharfen Verstand ausgestattet, die mit Intuition und Fingerspitzengefühl ihre Fälle zum Abschluss bringen.

Dorf-Idylle meets Drogenkrieg in der kanadisch-amerikanischen Grenzregion. Lesen – unbedingt!

Veröffentlicht am 04.11.2018

Über gesunde Ernährung mit prophylaktischem Nutzen

Klugen Appetit!
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Dass unser Essen Auswirkungen auf unsere Gesundheit hat, dürfte mittlerweile ja hinlänglich bekannt sein. Wer sich ausschließlich von Fastfood und industriell hergestellten Nahrungsmitteln ernährt, spielt ...

Dass unser Essen Auswirkungen auf unsere Gesundheit hat, dürfte mittlerweile ja hinlänglich bekannt sein. Wer sich ausschließlich von Fastfood und industriell hergestellten Nahrungsmitteln ernährt, spielt mit seiner Gesundheit und muss sich nicht wundern, wenn im Laufe der Jahre ernährungsindizierte Krankheiten auftreten. Es bilden sich Plaques in den Arterien, die zu Minderdurchblutung führen und Infarkte auslösen können. Diabetes, die neue Volkskrankheit, breitet sich immer weiter aus. Demenz und Alzheimer nehmen zu.

Dennis Wilms, Wissenschaftsjournalist, Autor und „Lehrling“ bei der Sterneköchin Cornelia Poletto, hat sich mit diesen Phänomenen auseinandergesetzt, nachdem seine Mutter an Alzheimer erkrankte. Sein Ausgangspunkt ist die Frage danach, was jeder einzelne von uns aktiv dafür tun kann, um kognitive Degenerationen zu verhindern. Daraus entstand sein Buch „Klugen Appetit. Kochen für mehr Power im Kopf“, ein Kompendium aus Informationen und Rezepten für Besser-Esser. Wilms räumt mit Ernährungsmythen auf und gibt Tipps, mit denen wir den geistigen Verfall aufhalten und die Neurogenese (d.h. die Bildung neuer Nervenzellen im Gehirn) mit dem, was auf unsere Teller kommt, fördern können.

Eiweiß, Körner, Gemüse und Kräuter, Hülsenfrüchte, Fisch und Meeresfrüchte, Geflügel und mageres Fleisch – das ist die Unterteilung, mit der er arbeitet. Die jeweiligen Abschnitte leitet er mit einem Theorieteil ein, es folgt pro Doppelseite ein Rezept, wobei er sich den jeweiligen „Brain-Factor“ der Zutaten anschaut. Die Rezepte sind klar strukturiert, die Zubereitung detailliert beschrieben, so dass sie auch von Ungeübten realisiert werden können. Informationen zur Nährstoffzusammensetzung sind selbstverständlich, ebenso ein schönes Foto des vorgestellten Gerichts. Die Zutaten sollten überall erhältlich sein, lediglich bei Frischfisch könnte es Probleme mit der Beschaffung geben, aber dann kann man ja immer noch auf TK-Ware ausweichen.

Ein Minuspunkt sind für mich allerdings die industriell hergestellten Milchprodukte, die er als Alternative in einigen der Eiweißrezepte verwendet. Hier verwende ich dann doch lieber Herkömmliches (Buttermilch, Magerjoghurt) mit geringerem Fettanteil.

Wer sich mit gesunder Ernährung, die auch einen prophylaktischen Nutzen hat, auseinandersetzt, ist mit diesem Wissenskochbuch bestens bedient. Ich habe es auf Herz und Nieren getestet und kann es trotz der oben genannten kleinen Einschränkung jedenfalls empfehlen.

Veröffentlicht am 03.11.2018

Intelligenter Krimi mit unorthodoxem Ermittler

Zuletzt gesehen in Kidlington
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Die beiden TV-Serien „Lewis – Der Oxfordkrimi“ und „Endeavour – Der junge Inspektor Morse“ nach Motiven der Kriminalromane des leider im Vorjahr verstorbenen Colin Dexter, haben mit Sicherheit bei einigen ...

Die beiden TV-Serien „Lewis – Der Oxfordkrimi“ und „Endeavour – Der junge Inspektor Morse“ nach Motiven der Kriminalromane des leider im Vorjahr verstorbenen Colin Dexter, haben mit Sicherheit bei einigen Zuschauern das Interesse an den zwischen 1985 und 1999 erschienenen literarischen Vorlagen geweckt (in der deutschen Übersetzung), die in der Zwischenzeit aber leider nur noch zu horrenden Preisen antiquarisch zu haben waren. Umso erfreulicher ist es, dass der Unionsverlag sich entschieden hat, die Inspector Morse-Reihe neu aufzulegen und so ein Lesen bzw. Wiederlesen zu ermöglichen.

Gestartet wird mit „Zuletzt gesehen in Kidlington“ (erstmals 1985 unter dem Titel „…wurde sie zuletzt gesehen“ veröffentlicht), dem zweite Band der Reihe, in dem sich Morse und sein Sidekick Lewis mit einem alten ungelösten Fall auseinandersetzen müssen. Die siebzehnjährige Valerie Taylor verschwand vor zwei Jahren spurlos, und noch immer gibt es keine Spur von ihr. Gemeinsam mit DS Lewis macht sich Morse an die Aufklärung des Falls und kann nach einigen Umwegen die Verschwundene ausfindig machen und die Lösung des Rätsels präsentieren.

Morse ist (und war) eine willkommene Abwechslung nach all den schießwütigen Ermittlern mit Superman-Qualitäten und Hobby-Detektiv/innen, denn hier betritt ein Polizeibeamter die Bühne, der über eine umfassende geisteswissenschaftliche Bildung verfügt und mit einem scharfen Verstand gesegnet ist (ja natürlich, der Bezug zu Sherlock Holmes muss sein). Er denkt um die Ecke und stellt Verbindungen her, die seinen Kollegen entgehen, und genau das ist es, was ihn so erfolgreich in seinem Beruf macht. Aber neben diesen Stärken hat er auch jede Menge Schwächen: als Single ist er sehr empfänglich für die Flirtversuche seiner „Klientinnen“, von denen er sich ablenken lässt, er raucht zu viel und spricht auch dem Alkohol in größeren Maßen zu. Aber all das macht ihn nur menschlicher, sympathischer.

Dexter lässt den Leser hautnah an der Ermittlungsarbeit teilhaben. Das macht er gut, obwohl es manchmal etwas ermüdend ist, wenn Morse die zigste mögliche Auflösung präsentiert. Aber durch diese unterschiedlichen Möglichkeiten beleuchtet er gleichzeitig sämtliche Aspekte des Falls und führt uns tief in die Gedankenwelt seines Protagonisten.

„Zuletzt gesehen in Kidlington“ ist ein intelligent komponierter Kriminalroman mit einem unorthodoxen Ermittler, der neben der Aufklärung eines spannenden Vermisstenfalls jede Menge Atmosphäre transportiert. Ich freue mich bereits auf die nächsten Bände der Reihe!

Veröffentlicht am 03.11.2018

Ein Lesevergnügen, das seinesgleichen sucht!

Der Lärm der Fische beim Fliegen
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Dass kommerzielles Fischen nichts mehr mit dem geruhsamen Angeln an einem idyllischen Flüsschen zu tun hat, dürfte mittlerweile jedem klar sein. Und da mittlerweile die Wildfischbestände dramatisch zurückgegangen ...

Dass kommerzielles Fischen nichts mehr mit dem geruhsamen Angeln an einem idyllischen Flüsschen zu tun hat, dürfte mittlerweile jedem klar sein. Und da mittlerweile die Wildfischbestände dramatisch zurückgegangen sind, gibt es rund um den Globus immer mehr kommerzielle Fischzuchtbetriebe. So auch in Norwegen, dem Land, mit dem wir unverbrauchte Natur und glasklare Fjorde verbinden. Dem Land, aus dem der leckere Räucherlachs kommt, der überall auf der Welt in riesigen Mengen verzehrt wird und mit dessen Verkauf die Produzenten fette Gewinne einsacken.

Vor diesem Hintergrund hat der norwegische Profi-Fliegenfischer, Rockmusiker und Autor Lars Lenth einen bitterbösen Öko-Krimi/-Roman geschrieben, der dem Leser wegen seines durchgängig schwarzen Humors die Lachtränen in die Augen treibt.

„Der Lärm der Fische beim Fliegen“ erzählt die Geschichte von Leo und Axel, Freunde seit Kindheitstagen. Leo, der Loser mit Jurastudium, wird von Axel, dem Lachszuchteigner mit der dicken Geldbörse darum gebeten, auf dessen Fischfarm im Norden nach dem Rechten zu sehen. Dort haben nämlich Öko-Aktivisten Anschläge auf die Zucht verübt und zweihundertausend Zuchtlachse befreit. Eher widerwillig macht sich Leo auf gen Norden, aber der von Axel in Aussicht gestellt Lohn kommt dem ewig klammen Leo gerade recht. Vor Ort muss er aber schnell erkennen, dass diese ganze Geschichte nicht so harmlos ist, wie es den ersten Anschein hatte, sind doch viel zu viele dubiose Personen in diese involviert. Und so hat er es bald nicht nur mit den Umweltaktivisten sondern auch mit den drei skrupellosen Vega-Brüdern zu tun, die alles daran setzen, ihre Pfründe zu sichern. Und irgendwann muss er sich entscheiden, auf welcher Seite er schlussendlich steht…

Hohes Tempo, eine Sprache, die Spaß macht ( danke an den Übersetzer Frank Zuber), überraschende Wendungen, jede Menge Information zu diesem unappetitlichen Gewerbe und vor allem der trockene Humor des norwegischen Autors machen dieses Buch zu einem Lesevergnügen, das die Augen öffnet und seinesgleichen sucht!

Zum Schluss noch ein Hinweis: ich kann Ihnen versprechen, dass Sie den norwegischen Lachs auf dem Kalten Büffet zukünftig mit anderen Augen sehen werden.

Veröffentlicht am 03.11.2018

Bitte nicht um Gnade

Der Kormoran
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Der schwedische Autor kennt sich aus in Russland, das er im Zuge seines Russisch-Studiums zum einen mehrmals bereist hat, zum anderen, weil er für seine Abschlussarbeit dort auch über einen längeren Zeitraum ...

Der schwedische Autor kennt sich aus in Russland, das er im Zuge seines Russisch-Studiums zum einen mehrmals bereist hat, zum anderen, weil er für seine Abschlussarbeit dort auch über einen längeren Zeitraum lebte (Anfang/Mitte der neunziger Jahre) und so die politischen Umwälzungen hautnah miterleben konnte. Er schreibt also nicht aus dem hohlen Bauch heraus, sondern verarbeitet in seinem Politthriller Eindrücke, die er aus dieser Zeit mit nach Hause genommen hat.

Worum geht es? „Der Kormoran“ ist Band 1 und der Auftakt einer geplanten Trilogie, in deren Zentrum Max Anger, schwedischer Ex-Militär und Russland-Experte bei Vektor, steht. Wir schreiben das Jahr 1996, es ist die Zeit vor den russischen Präsidentschaftswahlen, in denen das zarte Pflänzchen Demokratie auf den Prüfstand gestellt wird. Auf der einen Seite Jelzin, als erster demokratisch gewählter Präsident, maßgeblich an der Auflösung der Sowjetunion beteiligt, auf der anderen Seite Sjuganow, Vertreter der Stalinisten, die alles daran setzen, zu den alten Verhältnissen zurückzukehren. Der schwedische Thinktank Vektor beobachtet und analysiert von Stockholm aus die Lage. Gleichzeitig ist Anger mit seiner eigenen Familiengeschichte beschäftigt. Nach dem Tod seiner Mutter versucht er herauszufinden, warum sein Vater einen solch großen Hass auf Russland hatte. Als jedoch seine Freundin Paschie, ebenfalls bei Vektor beschäftigt, spurlos verschwindet und ein Hackerangriff auf das schwedische Mobilfunknetz stattfindet, packt Anger die Koffer und macht sich auf gen Osten, nicht wissend, dass ihn die Suche nach Paschie mit mächtigen Feinden, aber auch mit seiner eigenen Vergangenheit konfrontieren wird.

Österdahl verknüpft ein seinem Erstling sehr geschickt das schwedisch-russische Verhältnis im Kalten Krieg mit aktuellen Ereignissen (bezogen auf die neunziger Jahre), wobei der familiäre Hintergrund seiner Freundin eine nicht unwesentliche Rolle spielt. Die Handlung an sich ist komplex und fordert einiges an Konzentration von dem Leser, wobei es der Autor dem Leser allerdings durch kursiv gesetzte Einschübe und eine klare Sprache nicht gar so schwer macht. Natürlich verwendet er das bekannte Elemente des klassischen Politthrillers: es sind die typischen Vertreter der alten Denke, denen die Annäherung an den Westen äußerst suspekt ist und die die alten Zustände mit aller Macht und allen Mitteln wiederherstellen wollen und dabei über Leichen gehen. Hat mich aber weiter nicht gestört, denn Österdahl bekommt das wesentlich eleganter als beispielsweise Clancy hin.

„Der Kormoran“ ist ein solider Politthriller, spannend und mit Tempo erzählt, der interessante Einblicke in die jüngere russische Geschichte gewährt.