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Veröffentlicht am 10.11.2018

Unkonventionell

Schmerzensgeld
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Nach Jahren im Polizeidienst hat Silvio Cromm denselben verlassen. Nicht angewiesen auf das Geld teilt er seine Zeit zwischen der Geschäftsführung in einem der Restaurants der Familie und seiner Tätigkeit ...


Nach Jahren im Polizeidienst hat Silvio Cromm denselben verlassen. Nicht angewiesen auf das Geld teilt er seine Zeit zwischen der Geschäftsführung in einem der Restaurants der Familie und seiner Tätigkeit für die Gesellschaft für unkonventionelle Maßnahmen auf. Letzte wurde gegründet, um den kleinen Leuten zu ihrem Recht zu verhelfen. Der alten Dame, die durch einen gestellten Unfall viel Geld verloren hat, oder auch den Anlegern, die durch Bankberater zu riskanten Investitionen überredet wurden und bei den beginnenden Verlusten im Stich gelassen wurden. Inzwischen hat jedoch auch die Polizei Wind von den Machenschaften der Gesellschaft bekommen und bei dem dortigen Kommissar Dreier bestehen Zweifel an der Legalität der Aktivitäten von Cromm und seinen Mitgesellschaftern.

Ein durchaus frecher Ansatz für die Gesellschaft für unkonventionelle Maßnahmen. Irgendwie nehmen sie das Recht in die eigenen Hände, wobei die Rechtmäßigkeit der Aktionen durchaus manchmal bezweifelt werden kann. So wie dem Kommissar Dreier recht schnell der Gedanke an Selbstjustiz kommt, so schnell kann man sich des Gedankens nicht erwehren, dass es denen, auf die es die Gesellschaft abgesehen hat, einfach recht geschieht. Schließlich gibt es viele, die das System ausnutzen und damit durchkommen, während die eigentlich Geschädigten ziemlich dumm dastehen und vom sogenannten Rechtsstaat wenig Hilfe bekommen. Schön jedenfalls, dass man sich sowohl größerer als auch kleinerer Fälle annimmt.

So ganz kann der Autor Michael Opoczynski seinen Hintergrund als Wirtschaftsjournalist nicht verleugnen. Als TV-Moderator wird er vielen Lesern wohlbekannt sein. Indem er seinen ersten Roman nicht unter einem anderen Pseudonym veröffentlicht hat, hat er sich eine eigene Messlatte gesetzt. Zum Glück kann man nach der Lektüre sagen, sie war nicht zu hoch und sie wurde auch nicht gerissen. Mit flinken Worten zeichnet der Autor seine unkonventionelle Gesellschaft, gewitzt hangeln sich die Gesellschafter am Rande der Legalität entlang und stellen die Täter bloß und verschaffen den Opfern wenigstens ein Gefühl von Gerechtigkeit. Man wünschte sich, in der Wirklichkeit möge es auch solche Helfer geben, doch man wird weiter auf das vorhandene Recht hoffen müssen.

Ein gelungenes Debüt über eine zusammengewürfelte Gesellschaft der Aufrechten, die den Abgehängten zu Beachtung verhelfen.

Veröffentlicht am 09.11.2018

Bremer Jung

Kronhardt
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Um den Tod seines Vaters hat es immer ein Rätsel gegeben. Doch der Unternehmersohn Willem Kronhardt hat die Erklärung, es habe sich um eine Embolie gehandelt akzeptiert. Was er allerdings nicht ohne Weiteres ...


Um den Tod seines Vaters hat es immer ein Rätsel gegeben. Doch der Unternehmersohn Willem Kronhardt hat die Erklärung, es habe sich um eine Embolie gehandelt akzeptiert. Was er allerdings nicht ohne Weiteres anerkennt, ist der Wunsch der Mutter ihn zum rechten Firmenerben zu formen. Willem zieht es nicht in die Kunststickerei in Bremen, die den zweiten Weltkrieg erstaunlich unbeschadet überstanden hat. Lieber freundet er sich mit Jungen aus dem einfachen Volk an oder verfolgt später reaktionäre Ideen. Zur großen Freude der Mutter bringt Willem schließlich doch eine Frau nach Hause, die Mutter und Stiefvater gefällt. Bald stellt sich heraus, dass Barbara ihren Kopf sehr wohl durchzusetzen weiß.

Auch wenn oberflächlich betrachtet, der Tod des Vaters in seinem erwachsenen Leben keine so große Rolle mehr spielt, haben sie Ereignisse Willem nie losgelassen. Der Gedanke, der schon damals aufkam, es könne sich um Mord gehandelt haben, ist während der ganzen Zeit in seinem Hinterkopf geblieben. Die Umtriebe der Mutter ekeln Willem manchmal an, dennoch kann er sich auch nicht völlig von seinem Elternhaus lösen. Einem Studium in Berlin zieht er die Naturwissenschaften vor. Tatsächlich kann er seinen Abschluss in Wirtschaft für eine Halbtagsstelle in der elterlichen Firma nutzen. Sein stiller Protest findet eher in der anderen Tageshälfte statt.

Ein beinahe lebensumspannender Roman, der die frühen Nachkriegsjahre aus Sicht des jungen Willem erzählt, die Zeit des Wirtschaftswunders, der 68er, des Terrorismus und später die ruhigeren Gefilde der mittleren Jahre. Irgendwie rebelliert Willem, aber nur ein bisschen. Die Bequemlichkeit, die sein Elternhaus bietet, mag er doch nicht missen. Und doch ist der Gedanke da, was wäre gewesen, wenn der Vater nicht gestorben wäre. Hätten sich die Eltern, die sich nicht besonders verstanden, getrennt? Wäre Willem beim Vater in der Schweiz geblieben? Gibt es doch etwas am frühen Versterben des Vaters, das Fragen aufwirft.

Bei einem Roman von über 900 Seiten sind ein paar Längen oder ein paar Passagen, deren Sinn sich nicht so gut erschließt, fast nicht zu vermeiden. Und doch fesselt dieser Lebensroman oder Todesroman gerade, wenn es um den jungen Willem bis zum Beginn des Studiums geht und später wenn er doch noch den Versuch startet, näheres über seinen leiblichen Vater herauszufinden. Auch die Manipulationen durch die Mutter bewirken einen Widerwillen gegen ihre Persönlichkeit. Und so geht es bei der Lektüre manchmal ab mal auf, gewisse Längen wechseln sich mit spannenden Abschnitten ab, welche schließlich dazu führen, dass auch 920 Seiten keine Abschreckung darstellen und der Roman in relativ kurzer Zeit bewältigt ist.

Veröffentlicht am 08.11.2018

Helden von Cork

Glorreiche Ketzereien
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Schon mit 15 hat Ryan Cusack das Gefühl, sein Leben geht den Bach runter. Sein Vater war schon immer ein Säufer und nach dem Tod der Mutter ist es für Ryan, den Ältesten, und seine fünf Geschwister auch ...

Schon mit 15 hat Ryan Cusack das Gefühl, sein Leben geht den Bach runter. Sein Vater war schon immer ein Säufer und nach dem Tod der Mutter ist es für Ryan, den Ältesten, und seine fünf Geschwister auch nicht besser geworden. Mit kleinen Dealereien versucht Ryan, zu etwas zu kommen. Obwohl eigentlich gut in der Schule, schafft Ryan den Rauswurf. Wie ein Licht in dieser Welt ist Ryans Freundin Karine. Doch eine Kette unerwartet schlimmer Ereignisse wird durch den eher zufälligen Totschlag ausgelöst, den Maureen, die Mutter des Gangsters Jimmy Phelan, begeht.

Über fünf Jahre wird der Absturz der Beteiligten, unter ihnen zuerst Ryan Cusack, gezeigt. Sie alle halten sich mit mehr oder weniger unsauberen Geschäften über Wasser, sie bezichtigen sich mehr oder weniger großer Sünden, sie haben grundsätzlich nicht Schuld und mit ihren Handlungen versuchen sie, das Schicksal zu ihren Gunsten zu wenden und erreichen doch das Gegenteil. Der wirtschaftliche Niedergang einer ganzen Stadt scheint sich in Cusacks kleiner Welt widerzuspiegeln. Sein Viertel mit Sozialwohnungen, Kleinkriminalität, Hoffnungslosigkeit und Armut. So garnicht passt das zu dem öffentlichen Bild von Cork, das eher einer heiteren, offenen und wohlhabenden Kommune entspricht. Bei aller Ausweglosigkeit, gibt es nicht immer Momente, in denen andere Entscheidungen getroffen werden können?

Trotz aller Düsternis weist dieser Debütroman von Lisa McInerney doch einige von dem für Cork anscheinen typischen Humor auf. Wenn Maureen den Einbrecher mit einer Heiligenstatue erschlägt, kann man sich ob der Absurdität kaum ein Grinsen verkneifen. Allerdings gefriert dieses schnell auf den Lippen, wenn man die weiteren Ereignisse in Betracht zieht. Irgendwie scheint es für die Protagonisten, die wahrlich nur kleine Helden sind, immer nur weiter abwärts zu gehen. Natürlich ist es schwer aus seinem Milieu herauszukommen, aber wenn man schon quasi einen Fuß draußen hat, warum zieht man den anderen nicht nach. Klar ist es schwierig, wenn man keine Unterstützung hat. Doch nimmt man zum Beispiel Ryan, dessen Geschichte in einem Folgeband weitererzählt wird, warum geht er nicht wieder zurück zur Schule, nur weil er dann ein paar Jahre älter ist? Wenn man wirklich raus will, ist das doch nicht das größte Problem.

Dieser Roman fesselt mit einer ausgesprochen düsteren Geschichte, bei der man den Protagonisten manchmal den Verstand zurechtschütteln möchte.

Veröffentlicht am 03.11.2018

Ferienlager

Die Interessanten
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Julie gehört dazu, das erste Mal in einem Ferienlager für kreative künstlerisch begabte Jugendliche, wird sie von Ash eingeladen. Damit gehört sie dazu, zu den Interessanten, und künftig ist sie Jules. ...

Julie gehört dazu, das erste Mal in einem Ferienlager für kreative künstlerisch begabte Jugendliche, wird sie von Ash eingeladen. Damit gehört sie dazu, zu den Interessanten, und künftig ist sie Jules. Über die Jahre bleibt Ash ihre beste Freundin. Jules, die wegen des frühen Todes ihres Vaters einfach nur von zu Hause weg wollte, führt nun intelligent humorvolle Gespräche mit ihren neuen Freunden. Gemeinsam mit Ash träumt sie davon, Schauspielerin zu werden. Ethan dagegen ist ein großes Zeichentalent, er möchte Zeichentrickfilme machen. Cathy und Jonah sind musisch begabt. Und Ashs Bruder Goodman hat eigentlich kein besonderes Talent, dennoch möchte er gerne Architekt werden.

Fünf Jugendliche, die sich eher zufällig in einem Ferienlager treffen, schließen Freundschaft, die am liebsten ein Leben lang bestehen soll. Ist es eher die Jugend, die sie zusammenführt, oder eher ihr besonderes Talent. Sie sind doch besonders, die Interessanten eben, oder? Natürlich führen ihre Wege in unterschiedliche Richtungen. Erstaunlicherweise ist es gerade der unscheinbare Ethan, der am meisten aus seinem Zeichentalent macht. Vielleicht ist er auch der, der am meisten Talent hat. Seine Trickfilme laufen äußerst erfolgreich im Fernsehen. Jules dagegen muss einsehen, dass sie keine große Schauspielerin werden wird. Jonah wendet sich einem technischen Studium zu. Cathy bekommt von der Natur einfach nicht den Körper, den sie als Tänzerin braucht. Nur der untalentierte aber von seinen Eltern hofierte Goodman bleibt ohne Talent und Entwicklung.

Beginnend in den 1970ern umspannt dieser Roman mehrere Jahrzehnte. Im Osten der USA werden die fünf Jugendlichen zu Erwachsenen. Die Lebenswege dieser unterschiedlichen Menschen, deren Bahnen sich zufällig kreuzten, erweisen sich als anders als in er von Enthusiasmus gekennzeichneten Jugend erhofft. Hier kommen Wunsch und Wirklichkeit zusammen und bilden die Realität. Es ist eines dieser Bücher, bei deren Lektüre man sich an die eigene Jugend erinnert, an die hochfliegenden Träume, die meist in eine ganz andere Realität mündeten. Man denkt an die Cliquen, denen man angehörte, wo man sich zugehörig fühlte oder auch mal am Rande stand. Freundschaften sollten ewig halten und veränderten sich doch. Ein lesenswerter Spiegel, den die Autorin ihren Lesern vorhält. Ein Roman mit Humor und Melancholie, der einen Teil des wahren Lebens abbildet.

Veröffentlicht am 02.11.2018

Freies Land

Die Königin der Schatten - Verbannt
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Einstmals einfach Kelsea Glynn ist sie nun die mächtige Königin von Tearling. Doch ihr Reich ist von allen Seiten bedroht und auch im Inneren steht nicht jeder auf Seiten der Königin. In äußerster Not ...


Einstmals einfach Kelsea Glynn ist sie nun die mächtige Königin von Tearling. Doch ihr Reich ist von allen Seiten bedroht und auch im Inneren steht nicht jeder auf Seiten der Königin. In äußerster Not sieht Kelsea keine andere Chance, als sich in die Hände der roten Königin zu begeben, ihrer ärgsten Feindin. Den Oberst ihrer Leibgarde, Mace, erklärt sie zu ihrem Statthalter. Mace soll ihr bedrohtes Königreich beschützen und zusammenhalten. Obwohl es nicht seine Aufgabe ist, schickt er doch die Garde zur Rettung der Königin. Inzwischen vertieft sich Kelsea immer weiter in die Vergangenheit, die sich in ihren Träumen oder Visionen offenbart.

Wieso sind die hehren Ziele, die ideale Welt, von der Will Tearling geträumt hat, zu der Wahrheit geworden, in der Kelsea lebt? Das möchte die junge Frau ergründen und gleichzeitig soll ihr Reich gerettet werden. Gab es einen Punkt in der Vergangenheit, an dem sich das Schicksal in diese Richtung gewandt hat? Hätte bei einer anderen Entscheidung alles anders laufen können? Hätte es eine Chance gegeben, das Ideal zu erreichen? Um diese Fragen kreisen die Gedanken der jungen Königin, die sich ihrer Verantwortung sehr bewusst ist. Doch auch sie ist nicht unfehlbar, kein idealer Mensch. Aber wenn sie eine Chance hat, die Welt zu heilen und zu befreien, will sie ihr Bestes geben.

Das Schicksal des Tearling klärt sich in diesem abschließenden Band um Kelsea, die junge Königin. Gespannt beginnt man die Lektüre mit der Frage, ob es überhaupt eine Rettung aus dieser vertrackten Situation geben kann. Sehr gelungen erscheint wie der Bogen zwischen den unterschiedlichen Handlungsebenen gespannt wird und wie sich nach und nach erklärt, wo der Hund begraben liegt. Immer schwieriger wird die Lage und immer neugieriger wird man, wie man da zu einer Lösung kommen will. Auch die politischen Überlegungen spielen eine große Rolle und gerade sie sind sehr nachvollziehbar ausgeführt. Bei der Komplexität der gesamten Konstruktion müssen vielleicht einige Randfragen im Unklaren bleiben. Doch insgesamt findet man eine sehr stimmige Auflösung um das Schicksal des Tearling, eine Plädoyer über den Wert von Demokratie und Freiheit und die Mahnung, dass dieses keine bequemen Werte sind, die einfach da sind.