Beim Warten auf die Elektrizität ging ich leider als Leser verloren - trotz guter Sprache
Im Himmel gibt es Coca-Cola
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Im Himmel gibt es Coca-Cola heißt im Original „Waiting for Electricity“ – und das trifft es nach meiner Meinung wesentlich besser: das Warten, darauf, dass es (endlich wieder einmal) Strom ...
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Im Himmel gibt es Coca-Cola heißt im Original „Waiting for Electricity“ – und das trifft es nach meiner Meinung wesentlich besser: das Warten, darauf, dass es (endlich wieder einmal) Strom gibt im georgischen Heimatdorf des Protagonisten Slims zieht sich wie ein (sehr dünner) roter Faden, teils wie ein „running gag“ durch das ganze Buch.
Das Erscheinen des Buches 2014 war an mir vorbeigegangen, ich bin erst durch ein Leseexemplar des Verlages zu der Geschichte gekommen. Slims ist ein Träumer im postkommunistischen Georgien. Die lokalen Machthaber agieren wie Diktatoren, diverse Georgier engagieren sich als „Wege-Zoll“- Räuber, während die Bevölkerung irgendwo den Strom abzweigt zum Umgang mit dem Mangel. Slims träumt von einer vergemeinschafteten Stromversorgung, denn die „Leute bestahlen den Staat, aber niemals einander.“ (S. 79)
„Vor ein paar Jahren kam eine westliche Hilfsorganisation in die Stadt, wie eine Zirkustruppe in einem Roman. Sie nannten sich Al-Anon und eröffneten ein Büro in Batumi, um den Frauen und Schwestern von Alkoholikern zu helfen. Sie sagten immer das Gleiche. ‚Lass los, überlass es Gott.‘ Wir fanden diesen Satz sehr komisch. Al-Anon hielten drei Wochen durch, und dann machten sie wieder zu, weil sie merkten, dass wir ohnehin schon so lebten. Jeder überlässt alles Gott.“ S. 106
Slim ist anders – er handelt nicht passiv, er schreibt Brief an Hillary Clinton, bewirbt sich für ein Aufbau-Programm für ehemalige Sowjetrepubliken – und wird zur Teilnahme in die USA eingeladen, allerdings für ein Projekt, dass er nur vorgeschlagen hat, weil er es für ‚verkaufstauglicher‘ gegenüber den Entscheidern hält. Er ist der moderne Kämpfer gegen Windmühlen.
Die Autorin reiste bereits als Kind mit ihrem Großvater in die Sowjetunion und unterrichtete Englisch in Georgien. In einem Interview mit „The Paris Review“ erklärte sie ihre Erfahrung, dass die jahrelange kommunistische Propaganda, im Kapitalismus müsse man für etwas bezahlen, ohne eine Gegenleistung erhalten zu können, die Einstellung der Bevölkerungen in post-kommunistischen Ländern nachhaltig geprägt habe – man verhielte sich im Kapitalismus exakt wie im Kommunismus gelehrt. Entsprechend ist die Erfahrung der Personen im Buch, dass zu Zeiten der Sowjetunion die Stromversorgung zuverlässig gewesen sei und Recht und Ordnung durchgesetzt wurden.
Das Buch wurde in der Rezeption in den USA teils als „eigenes Genre“ Comic Novel gefeiert aufgrund des sehr besonderen Stils. Ja, der Stil ist besonders – den Anfang des Buches (in Georgien handelnd) empfand ich als geradezu verwirrend sprunghaft, mit einzig den Briefen an Hillary Clinton als rotem Faden und etlichen sehr speziellen Anekdoten und Aphorismen, die die georgische Mentalität beschreiben: Gastfreundlich bis zur Selbstaufgabe, zwischen traditionellem Ehrgefühl bis zur Selbstüberhöhung und einem sich-Aufreiben in der Aktualität bis zur Melancholie.
Die Kapitel in den USA sind schlüssiger, allerdings ist die Beschreibung gängiger Marketing-Plattitüden nicht wirklich originell oder neu. Dass das Scheitern aneinander an unterschiedlichen kulturellen Erfahrungen und daraus bedingten Handlungsweisen resultiert, wird erzählend geschildert – ich fürchte jedoch, nicht wirklich ausreichend deutlich nachvollziehbar. Ausgerechnet hier hält sich die Autorin kurz! Auch in dem Teil des Buches nach der Rückkehr nach Georgien bleibt dieses Gefühl bestehen, dass Gewichtungen ungleich gesetzt wurden, dass vieles nicht nachvollziehbar ist und bleibt, dass die Sicht doch eine zu amerikanische ist. Aus meiner Sicht beherrscht die Autorin zwar das prägnante Formulieren, die Aphorismen, die Anekdoten, die Darstellung der Charaktere und die Empathie in die Mentalität Georgiens und der USA, es fehlt mir jedoch die stringente Umsetzung in eine Geschichte und die Empathie in den Leser. Sonst fällt mir immer wenigstens jemand ein, dem ich ein bestimmtes Buch schenken könnte, weil es zu ihm besser passen würde als zu mir - ohne die Recherche zur Autorin hätte ich hier sogar noch weniger Zugang zum Buch gefunden.