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lena_literature

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 21.09.2018

Große klassische Literatur!

Der Besuch der alten Dame
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Die Tragikomödie in drei Akten handelt von der Milliardärin Claire Zachanassian, die nach Jahren erstmals wieder ihre Heimatstadt Güllen, die mittlerweile verarmt ist, besucht. Claire musste in ihrer Jugend ...

Die Tragikomödie in drei Akten handelt von der Milliardärin Claire Zachanassian, die nach Jahren erstmals wieder ihre Heimatstadt Güllen, die mittlerweile verarmt ist, besucht. Claire musste in ihrer Jugend die kleine Stadt verlassen, nachdem sie von ihrem damaligen Geliebten Alfred, Ill genannt, ein Kind erwartete, dieser jedoch die Vaterschaft leugnete und vor Gericht Zeugen bestochen hat, um den Prozess zu gewinnen. Nach dem Verlassen der Stadt verlor die entehrte Claire Zachanassian ihr Kind und wurde zur Prostituierten. Eine Heirat mit einem Ölquellenbesitzer half ihr jedoch aus ihrer Misere und brachte sie zu einem riesigen Vermögen. Jedoch ist diese Ehe nicht von Dauer; Claire ist mittlerweile mit ihrem achten Mann liiert.
Die Güllener Bevölkerung hofft von dem Besuch der milliardenschweren Zachanassian finanzielle Unterstützung, die Claire auch in Folge eines raffinierten Racheplans den Güllenern zusichert. Sie will Gerechtigkeit und setzt ein Kopfgeld von einer Milliarde auf Alfred aus. Zunächst wird der Vorschlag der alten Dame von den Bewohnern abgelehnt. Diese beginnen gleichzeitig jedoch, über ihre Verhältnisse zu leben, da sie mit baldigem Vermögen rechnen.
Als Ill schließlich, völlig von Angst und Schuld gepackt, fliehen und auswandern will, hält ihn die ganze Bevölkerung zurück. Nach einer Abstimmung um Ills Schicksal wird dieser kollektiv von allen Bürgern umschlossen und in die Enge getrieben, bis er schließlich tot am Boden liegt.

Friedrich Dürrenmatt schafft ein wunderbares Werk mit herrlich schwarzem Humor und starken Charakteren.
Überaus gelungen ist die einzelne Beschreibung eines jeden Charakters, vor allem das Motiv des Panthers, dessen Schicksal mit dem von Ill zu vergleichen ist. Dürrenmatts Humor lässt sich bei der Namensgebung von Claires Bediensteten erkennen, die alle sich reimende Namen erhalten und nach denen selbst die Ehemänner passend benannt werden.
Dem Leser wird ein toller Einblick in die einzelnen Figuren gegeben, sodass jede von ihnen Sympathie sammelt. Jedoch befindet man sich dadurch in einer Zwickmühle – einerseits stimmt man mit dem Gedanken der Gerechtigkeit überein und fordert eine Bestrafung für Ill, andererseits ist man gegenüber der Selbstjustiz und dem „Kaufen“ von Gerechtigkeit eher kritisch.
Obwohl das Ende vorhersehbar war, fällt die Frage der Schuldzuweisung schwer, da alle Bürger im Endeffekt auf Geheiß der Zachanassian töten. Die Stimme der Vernunft, die in diesem Werk durch den Lehrer verkörpert wird, verstummt am Ende und wird durch eine Unmenge von Alkohol ertränkt.
„Der Besuch der alten Dame“ ist keine langweilige Schullektüre, sondern große klassische Literatur! Zusammenfassend ist dieses Werk ethisch anspruchsvoll und regt vor allem zum Nachdenken und Diskutieren an.

Veröffentlicht am 17.11.2018

Sehr lesenswert!

Neujahr
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Am Neujahrsmorgen auf Lanzarote macht sich Henning mit seinem Fahrrad auf den Weg, um den Femés zu bezwingen. Mit schlechter Ausrüstung, eines viel zu schweren Rad und keinem Proviant kämpft er gegen den ...

Am Neujahrsmorgen auf Lanzarote macht sich Henning mit seinem Fahrrad auf den Weg, um den Femés zu bezwingen. Mit schlechter Ausrüstung, eines viel zu schweren Rad und keinem Proviant kämpft er gegen den Wind und die Steigung an. Bei seiner Tour lässt er seine Lebenssituation Revue passieren. Trotz seiner zwei gesunden Kinder, einem guten Job und seiner passablen Ehe mit seiner Frau Theresa geht es ihm schlecht. Er fühlt sich permanent in seiner Rolle als Familienvater, Ernährer und Ehemann überfordert und kann sich in diesen Rollen nicht identifizieren. Seit der Geburt seiner Tochter leidet er an Angstzuständen und Panikattacken. Als er endlich völlig erschöpft sein Ziel erreicht, kommt er zur Erkenntnis, dass er bereits als Kind schon mal auf Lanzarote war. Damals hatte sich etwas Schreckliches zugetragen, was er bis heute verdrängt hatte.

Der Leser kann nahezu in Echtzeit Hennings wahnsinnige Anstrengung durch den anschaulichen Schreibstil miterleben. Juli Zeh schreibt detailliert, präzise und glaubwürdig. Auch wenn ihre Sprache wenig kunstvoll ist, schafft sie doch eine spannende Atmosphäre für den Leser, der auf eine Reise in Hennings Gefühlswelt mitgenommen wird.
Zwei Geschichten werden hier aus der gleichen Erzählperspektive, jedoch mit einem Zeitunterschied von 30 Jahren, geschildert. Zeh gelingt es, alltägliche Situationen durch das Erschaffen von bildlichen Darstellungen mit Gefühlen zu koppeln.

Das Buch hat mich völlig gepackt, ich würde es jedem weiterempfehlen!
Auch wenn der Roman wenig Schönes in seiner Geschichte hat, ist er dennoch lesenswert!

Veröffentlicht am 17.11.2018

Geheimnisvoll Geschichte mit offenem Ausgang

Der Abgrund in dir
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Als Rachel Childs Mutter stirbt, nimmt sie das Geheimnis der Identität von Rachels wahrem Vater mit ins Grab. Von ständiger Unruhe und Unwissenheit geplagt, versucht Rachel mit Hilfe eines Privatdetektives, ...

Als Rachel Childs Mutter stirbt, nimmt sie das Geheimnis der Identität von Rachels wahrem Vater mit ins Grab. Von ständiger Unruhe und Unwissenheit geplagt, versucht Rachel mit Hilfe eines Privatdetektives, Brian Delacroix, nähere Informationen herauszufinden, jedoch macht dieser schnell deutlich, dass die Chance eines Auffindens des Vaters sehr gering wäre. Rachels leben verläuft deshalb normal weiter: Sie ist eine junge und erfolgreiche Journalistin, der eine Reise nach Haiti bevorsteht, wo sie über eine Naturkatastrophe berichten soll. Wegen der schrecklichen Eindrücke und Erlebnisse dort, erleidet sie vor laufender Kamera einen Nervenzusammenbruch gefolgt von Panikattacken und Angstzuständen, die ihr Leben Zuhause schwer machen. Ihr Ehemann Sebastian kommt mit dieser Situation nicht klar und distanziert sich mehr und mehr von Rachel, fordert die Scheidung und lässt so finanzielle Sorgen in Rachel wachsen. Rachels psychische Verfassung verschlechtert sich, doch sie erhält Unterstützung von ihrem früheren Bekannten Brian Delacroix, der ihr aus ihrem Gefühlstief herauszuhelfen versucht. Ihr Misstrauen ihm gegenüber wächst jedoch nach einem dummen Zufall und Rachel versucht Brians Geheimnisse zu verfolgen. Die ganze Situation entwickelt sich zu einer gefährlichen Mission.

Dennis Lehanes Schreibweise fesselt gleich von Anfang an. Durch das Schaffen einer bedrückenden Atmosphäre gleich zu Beginn des Buches wird der Leser zum Weiterlesen animiert. Lehane baut seinen Roman psychologisch gut auf, er stellt seelische Probleme, menschliche Schwächen und vor allem Rachels beklemmende Gedanken sehr anschaulich dar. Teilweise sind mir die Beschreibungen zu detailliert, sodass ich mich oft in Gedanken verliere und meine Aufmerksamkeit nicht mehr ganz allein dem Buch gilt.
Als Brian jedoch auftaucht, wird die Geschichte spannender und fesselt den Leser erneut. Die Erzählung wird durch die Geheimnisse und gefährlichen Ereignisse dynamisch und der Leser fiebert mit, beginnt zu rätseln und wird neugierig.

In drei Kapiteln beschreibt Dennis Lehane die Lebensphasen von Rachel und Brian, deren Charaktere sehr deutlich dargestellt und herausgearbeitet wurden.
Kapitel eins widmet sich Rachel, vor allem wird hier ihre Kindheit und das Verhältnis zu ihrer Mutter beschrieben. Ihre ständige Suche nach Liebe und Geborgenheit bleibt unerfüllt. Sehr emotional dargestellt werden ihre inneren Kämpfe, ihr Karrierefall und die kleine Prise Hoffnung, die mit Brian in ihr Leben tritt.
In Kapitel zwei lernt der Leser Brian kennen, der ein empathischer und einfühlsamer Mann zu sein scheint. Er sorgt sich um Rachel und will ihr aus ihrem psychischen Tief helfen. Jedoch wird er im Laufe der Geschichte fremd und geheimnisvoll für den Leser.
Das letzte Kapitel ist sehr spannend und lässt den Leser mit offenen Fragen zurück. Die beiden Charaktere kämpfen um ihre Existenz und ihr Leben.

Insgesamt hat mich das Buch gut unterhalten, auch wenn ich teils mit meinen Gedanken abschweifte. Einige verworrene Szenen trübten meinen positiven Eindruck des Romans.
Trotzdem war es ein Vergnügen, von Dennis Lehane in die menschlichen Abgründe eingeführt zu werden.

Veröffentlicht am 17.11.2018

Verkorkste Liebesgeschichte mit schöner Moral!

Uns gehört die Nacht
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Elise Perez hat ein neues Zuhause in New Haven, in der Wohnung von Robbie, welcher Flugzeugtechnik studiert und nebenbei kellnert, gefunden, nachdem sie endlich dem Sozialwohnungskomplex in der South Bronx ...

Elise Perez hat ein neues Zuhause in New Haven, in der Wohnung von Robbie, welcher Flugzeugtechnik studiert und nebenbei kellnert, gefunden, nachdem sie endlich dem Sozialwohnungskomplex in der South Bronx entfliehen konnte.
Elise ist Anfang zwanzig, halb Amerikanerin, halb Puerto-Ricanerin. Sie beginnt, in einer Zoohandlung zu arbeiten und lernt nach drei Monaten ihre Nachbarn Jamey und Matt kennen. Jamey stammt aus einer angesehenen reichen Investmentbankerfamilie, während Elisa ohne Vater und ohne Schulabschluss aufgewachsen ist.
Als Jamey Elise zu einem Abendessen einlädt, lässt diese sich von ihm verführen. James Familie ist von diesem nicht standesgemäßen Umgang nicht begeistert, doch er hört nicht auf diese Meinung. Stattdessen will er sogar sein Studium an der Yale-Universität abbrechen und auf sein Erbe verzichten, nur um mit Elisa zusammenzuziehen. Jedoch wird das junge Glück bedroht und die Liebesgeschichte scheint nicht gut auszugehen.

Jardine Libaire greift die Idee des Klassikers „Romeo und Julia“ von William Shakespeare auf und ihr gelingt es ganz wunderbar, den Leser in die Welt der zwei unterschiedlichen Charaktere Elise und James einzuführen. Mit ihrem provokanten und intensiven Schreibstil schafft sie ein Werk, welches die Liebesgeschichte zweier Teenager darstellt, die ihren Platz in der Welt noch nicht gefunden haben. Gemeinsam wollen sie dieser Frage nachgehen, doch sie stoßen auf Widerwillen, Missgunst und Verachtung.
Libaire erfindet zwei starke Protagonisten, die auf ihre Weise sehr speziell sind.
Elise scheint dem Leser anfangs wenig sympathisch. Sie wird als Mädchen dargestellt, welches sich nach Aufmerksamkeit seht und alles dafür tun würde. Jedoch wird ihr Verhalten im Laufe der Geschichte verständlicher, da dem Leser ihre Umstände und ihr Inneres nähergelegt werden.
Jamey wirkt ebenfalls unsympathisch, vor allem seine Gedanken über Elise bewirken Abstoßung im Leser. Aber auch er entwickelt sich weiter und überdenkt seine Lebensweise.
Gemeinsam versuchen die zwei Charaktere ihren Weg zu gehen, der vor allem durch die Eltern von Jamey erschwert wird.
Anfangs war der Schreibstil für mich gewöhnungsbedürftig, jedoch habe ich schnell in die Geschichte gefunden. Das Verwenden einer sehr vulgären Sprache unterstützt die Darstellung des Milieus der Jugendlichen. Sehr gut hat mir die Moral der Geschichte gefallen und der Aufstand gegen die Normen der Gesellschaft durch die Protagonisten.

Zusammenfassend kann ich sagen, dass mir dieser Roman wirklich gut gefallen hat. Auch wenn es kein Buch für zwischendurch ist, da es doch sehr zum Nachdenken und Reflektieren der Gefühle anregt, würde ich dieses Buch auf jeden Fall weiter empfehlen!

Veröffentlicht am 23.09.2018

Verwirrende Dystopie mit unglücklichem Ende...

Hysteria
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Beim routinierten Besuch des Biomarktes fallen Bergheim plötzlich unnatürlich wirkende Himbeeren auf. Um dieser seltsamen Sache nachzugehen, findet er den Weg ins das Kulinarische Institut, in dem er seine ...

Beim routinierten Besuch des Biomarktes fallen Bergheim plötzlich unnatürlich wirkende Himbeeren auf. Um dieser seltsamen Sache nachzugehen, findet er den Weg ins das Kulinarische Institut, in dem er seine ehemalige Studienfreundin und Ex-Freundin Charlotte trifft, die damals plötzlich aus seinem Leben verschwunden ist und jetzt Leiterin des Instituts ist. Im Institut existiert keine Natur mehr, weil sie künstlich erschaffen wurde und normal kaum wahrnehmbar wäre. Doch Bergeheims Hypersensibilität erlaubt es ihm, kleinste Veränderungen wahrzunehmen und schon bald bemerkt er, dass etwas mit dem Institut nicht stimmt.

Der für den Deutschen Buchpreis 2018 nominierte Roman von Eckhart Nickels war für mich anfangs eine Herausforderung.
Beginnend mit umfassenden, detailreichen Beschreibungen alltäglicher Dinge, die sich über Seiten hinweg zogen, machten mir das Lesen anfangs sehr schwer, da ich immer wieder mit meinen Gedanken abgeschweift bin.
Doch endlich im Institut angekommen – hier kommt die Geschichte dann richtig ins Rollen – wird eine gewisse Spannung aufgebaut, die zum Weiterlesen verleitet.
Der Protagonist Bergheim weist autistische Züge auf, sein Verhalten ist nahezu pedantisch. Sein Charakter ist absurd und für den Leser schwer nachvollziehbar.
Der Charakter von Charlotte ist sehr gelungen und facettenreich dargestellt: von der Studentin, die mehr Liebe und Zuneigung von ihrem Freund fordert, bis zur selbstbewussten, überzeugten Frau mit unglaublichem Wissen.
Trotz allem ist der Schreibstil sehr ansprechend und flüssig; die kurzen Kapitel sind angenehm zu lesen.

Insgesamt verirrt sich diese Dystopie im Laufe des Romans durch Gedankensprünge, zu umfassenden Beschreibungen und verschiedenen Handlungszweigen, sodass mir die eigentliche Handlung und Intention ein bisschen verloren gehen.
Das Ende wurde für mich nicht gut aufgelöst, da es mehr einem unglücklichen Horrorszenario als einem guten Abschluss glich.

Auch wenn ich die Absicht des Autors erkennen kann und die Anspielungen auf Umweltschutz, nachhaltiges Leben, Respekt vor der Natur verstehe, finde ich die Umsetzung dieser Ideen in Form der Geschichte nicht gelungen.