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Veröffentlicht am 30.03.2019

Willkommen im Ormsumpf

Der Bücherdrache
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Wer die Buchlinge kennt, der weiß, dass es keine Abenteurer sind. Ihre Tage in der Ledernen Grotte sind mit lesen, memorieren und rezitieren voll ausgefüllt. Naja, und in die Schule müssen sie als junge ...

Wer die Buchlinge kennt, der weiß, dass es keine Abenteurer sind. Ihre Tage in der Ledernen Grotte sind mit lesen, memorieren und rezitieren voll ausgefüllt. Naja, und in die Schule müssen sie als junge Buchlinge natürlich auch gehen. Dort hört Hildegunst Zwei auch das erste Mal von dem Bücherdrachen, einer legendären Gestalt, die im Ormsumpf leben soll. Buchlingsuntypisch macht sich Hildegunst auf die Suche. Und wird fündig.
Die Zamonienromane von Walter Moers haben mich schon vor Jahren in ihren Bann gezogen, doch die letzten haben doch etwas von der früheren Qualität vermissen lassen. Somit war „Der Bücherdrache“ von mir nicht nur heiß ersehnt, sondern die Lektüre auch mit einem etwas mulmigem Gefühl begonnen, dass das Orm den Autor vielleicht doch noch nicht so richtig wiedergefunden hat. Doch zum Glück waren meine Bedenken schon nach wenigen Seiten völlig ausgeräumt. Die Geschichte des Buchlings Hildegunst Zwei, der sie Hildegunst von Mythenmetz erzählt, welcher sie aufschrieb, damit Herr Moers sie wiederum ins Deutsche übersetzen konnte (allein über diese Verschachtelung musste ich grinsen), hat mich auf fantasievolle Weise in den Ormsumpf entführt. Es war witzig, überraschend, einfallsreich, bunt, buchig… für mich rundum gelungen. Dass die Buchlinge, und Hildegunst Zwei im Speziellen, einen eigenen Roman bekommen, hat mich sehr gefreut, denn ich mochte die kleinen Kerlchen schon immer sehr gerne. Hier wachsen sie über ihre Wohlfühlzone hinaus, und zeigen sich von einer bis dato unbekannten Seite; in Kombination mit Nathaviel, dem wunderbar gelungenen Bücherdrachen ergeben sich die herrlichsten Dialoge. Der Bücherdrache ist eine tolle Fantasygestalt, über die ich zu gerne noch mehr lesen würde.
Besonders gefreut hat mich auch, dass der Autor die Illustrationen wieder selbst gezeichnet hat; in gewohnter Fülle, Detailverliebtheit und immer für einen versteckten Witz gut, werten sie die Geschichte zusätzlich auf und machen den Roman auch optisch zu einem Schmuckstück.
Fazit: wunderbarer Zamonienroman, der keine Wünsche offen lässt.

Veröffentlicht am 23.03.2019

Fünf honiggelbe Sterne

Der Honigbus
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Meredith ist gerade einmal 5 Jahre alt als die Ehe ihrer Eltern zerbricht. Zusammen mit ihrer Mutter und ihrem Bruder Matthew zieht sie zu ihren Großeltern. Während die Mutter immer mehr in Trübsal und ...

Meredith ist gerade einmal 5 Jahre alt als die Ehe ihrer Eltern zerbricht. Zusammen mit ihrer Mutter und ihrem Bruder Matthew zieht sie zu ihren Großeltern. Während die Mutter immer mehr in Trübsal und Depressionen verfällt, ist der Großvater zusehends der Halt der Kinder. Er und sein eigenwilliges Hobby: die Imkerei.

Man hat schon nach wenigen Seiten Lektüre zwei Schlagworte im Kopf: Rabenmutter und schlimme Kindheit. Meredith und Matthew haben es wahrlich nicht leicht, umso glücklicher ist man als Leser, dass der Stiefgroßvater so viel Verständnis für die beiden zeigt. Hilfe von Außen gibt es kaum, was natürlich auch der Zeit geschuldet ist, in die die Kinder geboren sind. Man kann die Mutter verstehen, trotzdem bleibt man oft wütend und genauso hilflos wie die Kinder zurück. Umso schlimmer, da man darum weiß, dass es sich beim „Honigbus“ um die wahren Erlebnisse der Autorin handelt. Es werden viele Emotionen geweckt, doch zum Glück versinkt der Roman dann doch nicht in bodenloser Traurigkeit, sondern strahlt trotzdem etwas Hoffnung aus. Das liegt am Großvater, aber auch an den Bienen. Wie nebenbei erfährt man unglaublich viel über diese faszinierenden Tiere; wie Stöcke organisiert sind, wie sie untereinander kommunizieren, wie eine Königin entsteht. Und natürlich auch darüber, dass sie immer mehr gefährdet sind und welche Auswirkungen das auf unsere Welt hat. Ich habe viel Neues gelernt, und fand die Thematik mehr als spannend. Die Autorin verknüpft Fakten und Kindheitserinnerungen auf sehr ansprechende Art und Weise. Der Schreibstil hat mich begeistert, wunderbar klar, sehr einfühlsam, aber nie gefühlsduselig. Für mich war der Honigbus rundum gelungen.

Veröffentlicht am 10.03.2019

Russisch Roulette auf dem OP-Tisch

Der Horror der frühen Medizin
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Noch im 19ten Jahrhundert kam die Einlieferung in ein Krankenhaus quasi einem Todesurteil gleich Der Begriff Hygiene war zwar erfunden, so wirklich interessiert hat das aber niemanden. Da trug man doch ...

Noch im 19ten Jahrhundert kam die Einlieferung in ein Krankenhaus quasi einem Todesurteil gleich Der Begriff Hygiene war zwar erfunden, so wirklich interessiert hat das aber niemanden. Da trug man doch lieber stolz jahrelang den versifften OP-Kittel seines großen Vorbildes, anstatt sich einmal die Hände zu waschen oder auch nur das Blut des vorherigen Patienten abzuwischen. Umso besser für uns, dass irgendwann ein unscheinbarer und oft von Zweifeln geplagter Quäker namens Joseph Lister das medizinische Parkett betrat. Lindsay Fitzharris bringt uns in ihrer sehr lesenswerten Biografie nicht nur dessen Leben und Wirken näher, sondern erläutert auch Vieles zu Bakterien und Septik. Das tut sie auf sehr ansprechende Art und Weise, auch ohne großes Vorwissen kann man ihr sehr gut folgen; ganz so zartbesaitet sollte man nicht sein, die Autorin beschreibt die ekelerregenden Zustände sehr realistisch. Tiefe Einblicke in die viktorianische Gesellschaft, die Ausbildung der Ärzte in jener Zeit (bzw. das Fehlen derer) und in die damals gängigen Lehrtheorien runden das Bild um Listers Forschungsarbeit ab. Trotz des sehr informativen Inhalts wird „Der Horror der frühen Medizin“ nie belehrend oder staubtrocken, ich fand das Buch sehr gut zu lesen. Ab und an verliert sich die Autorin leider in Wiederholungen, vielleicht nötig um den Leser ohne Vorbildung abzuholen, mir jedoch zu viel des Guten. Das ist aber auch wirklich mein einziger Kritikpunkt, ansonsten ist Fitzharris‘ Biografie sehr zu empfehlen.

Veröffentlicht am 18.11.2018

The Queen

Queen Victoria
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„Victoria war eine Königin in Schwarz-Weiß, die so leidenschaftlich regierte, wie sie liebte.“
Über Queen Victoria, die Namensgeberin eines ganzen Jahrhunderts, hat so ziemlich jeder ein paar Fakten im ...

„Victoria war eine Königin in Schwarz-Weiß, die so leidenschaftlich regierte, wie sie liebte.“
Über Queen Victoria, die Namensgeberin eines ganzen Jahrhunderts, hat so ziemlich jeder ein paar Fakten im Kopf. Doch was davon stimmt wirklich? Die Australierin Julia Baird räumt mit vielen dieser Halbwahrheiten auf, und das auf eine sehr unterhaltsame Art und Weise. Schon nach wenigen Kapiteln war ich von Bairds Erzählung gefesselt, denn ihre Biografie liest sich sehr gut, fast wie ein historischer Roman. Man merkt gleichzeitig aber die vielen Jahre der akribischen Recherche in jeder Zeile, viele Zitate werden eingebunden ohne dass sie die Texte überlaufen, einige Fotografien und Gemälde geben zusätzliche Informationen preis. Die Fakten hinter den Fakten kann der besonders interessierte Leser im Anhang finden. Baird erzählt weitestgehend chronologisch, erklärt Ereignisse und Persönlichkeiten aber immer auch im großen Zusammenhang, sodass man nicht nur sehr viel über Victoria selbst, sondern auch über ihre Mitmenschen, Vor- und Nachfahren erfährt. So wie sich hinter ihr nicht nur eine Königin, sondern auch eine liebende Ehefrau, eine aufopferungsvolle Mutter und nicht zuletzt Tierfreundin verbirgt, so wird auch das 19. Jahrhundert immer wieder neu beleuchtet und auf die gesellschaftlichen Veränderungen eingegangen.
Ich habe Bairds faszinierende Biografie sehr gerne gelesen, eine großartige Möglichkeit die Frau hinter dem Mythos kennen zu lernen.

Veröffentlicht am 30.10.2018

Toller Historienschmöker

Der Spielmann (Faustus-Serie 1)
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Der junge Johann versteht die Welt nicht mehr, denn nach dem plötzlichen Tod der Mutter setzt ihn der Vater einfach vor die Tür. Doch Johann würde nicht Der Glückliche genannt werden, würde er seinen Weg ...

Der junge Johann versteht die Welt nicht mehr, denn nach dem plötzlichen Tod der Mutter setzt ihn der Vater einfach vor die Tür. Doch Johann würde nicht Der Glückliche genannt werden, würde er seinen Weg nicht finden. Dieser führt ihn in die Arme des Magiers Tonio del Moravia, der ihn bald als Lehrling mit den verschiedensten Künsten vertraut macht. Auch mit den dunklen.

Der sagenumwobene Dr. Johannes Faust hat nicht nur Goethe und Marlowe inspiriert, sondern auch Oliver Pötzsch. Er hat dieser vielumschriebenen Persönlichkeit mit seinem historischen Roman noch einmal ganz neues Leben eingehaucht. Sein Faustus ist ein wissbegieriger, kluger Kopf, der jedoch auch vor den dunklen Künsten nicht zurückschreckt. Trotz dieser dunklen Seite war er mir schnell sympathisch, und man kann sein Denken und Handeln immer gut nachvollziehen. Dieses Hin und Her zwischen Gut und Böse macht einen großen Reiz der Geschichte aus, man drückt Faustus immer die Daumen, dass er letztendlich auf der richtigen Seite landen möge. Seine wissenschaftlichen Ausflüge fand ich ebenfalls sehr spannend, er bewegt sich zeitweilig unter den klügsten Köpfen seiner Zeit und so gibt es einiges zu lernen. Natürlich kenne ich Goethes Faust, und so war es immer wieder schön an ganz unverhofften Stellen Zitate daraus zu finden. Mir hat der Erzählstil unglaublich gut gefallen, der Autor beschreibt die Geschichte von Faustus in buntesten Farben, egal ob es sich dabei um die farbenfrohe Gauklertruppe oder die düstere Magie von Moravia handelt. Die Handlung ist spannend und abwechslungsreich, ich habe mit Johann gebangt und gehofft, gelacht und gelernt. Ein toller Historienschmöker, der altbekanntem Stoff neues Leben einhaucht. Band Zwei wird schon jetzt sehnlichst erwartet.