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Veröffentlicht am 20.11.2018

Bildung

Befreit
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Sie unterrichten ihre Kinder daheim, schließlich ist das Ende nah und die Schulen sind sowieso von anderen Mächten infiltriert. So ungefähr denken die Eltern der jungen Tara und die streng gläubigen Mormonen ...

Sie unterrichten ihre Kinder daheim, schließlich ist das Ende nah und die Schulen sind sowieso von anderen Mächten infiltriert. So ungefähr denken die Eltern der jungen Tara und die streng gläubigen Mormonen ziehen ihre Kinder in den abgeschiedenen Bergen Idahos groß. Doch Taras Großmutter hat einen anderen Blick auf die Welt und die älteren Geschwister haben die Schule wenigstens noch kennen gelernt. Zwar genießt Tara das Leben in den Bergen, dennoch merkt sie, dass ihr etwas fehlt. Als kleine Freiheit darf sie im Kirchenchor singen und an Theateraufführungen teilnehmen. Künftig möchte sie gerne Chorleiterin werden, doch dazu braucht sie einen Studienabschluss.

Hat man eine vermeintlich normale Kindheit durchlaufen, fällt es doch schwer, sich in Taras Welt hineinzuversetzen. Dort werden Menschen gemieden, Nahrungsmittel für die drohende Apokalypse gehortet, die Hilfe von Ärzten bei Geburt und Krankheit abgelehnt. Die Mutter gilt als Naturheilerin und Hebamme. Der Vater lässt die Kinder auf seinem Schrottplatz und seiner kleinen Baufirma arbeiten lange bevor Kinder arbeiten sollten. Zwar haben sie die grandiose Berglandschaft, die Natur und die Familie. Doch sie leben ohne Absicherung in großer Gefahr insbesondere bei Unfällen oder Krankheiten. In einer Welt, in der Frauen nichts zu sagen haben, bei Grausamkeiten schweigen und wegsehen. In einer Welt, in der Männer meinen, alles sei ihnen unter dem Deckmäntelchen des sogenannten Wohls der Familie erlaubt.

Als die inzwischen 17jährige Tara beginnt, für die Aufnahmeprüfung zum College zu büffeln, öffnet sich ihr nach und nach eine ganz andere Welt. Sie beginnt zu hinterfragen, was in ihrer Familie vorgeht. Und auch wenn es sehr lange dauert, bis sie sich gegen einige Familienmitglieder auflehnen kann, so macht sich Tara doch auf den Weg in die Welt verschiedener Universitäten, in die Welt der Bildung. Was für Jugendliche mit einem bildungsnäheren Hintergrund einfach eine Ablösung vom Elternhaus ist, ist für Tara die Entdeckung einer anderen Welt. Zwar auch eine Befreiung von den krankhaften Verhaltensweisen in der Familie, aber damit nicht nur eine Ablösung sondern eine Trennung. Doch Tara geht ihren Weg der Bildung und der Befreiung, auch wenn es einen teilweisen Verzicht auf den Familienrückhalt bedeutet. Sie ist anständig, obwohl sie gebildet ist.

Mit starken Worten schildert die Autorin ihren eigenen Weg zur Bildung, der von Schmerzen und Rückschlägen geprägt, doch in Richtung Freiheit durch die freie Lehre führt.

Veröffentlicht am 19.11.2018

Crime New York

Freak City / Hexenkessel
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Patsys Ehe ist zerbrochen. Mit ihrem neuen Freund Milo will sie einen Neuanfang wagen. Obwohl ihrem Ex-Mann das überhaupt nicht recht ist, soll auch ihre 6jährige Tochter Christie mit von der Partie sein. ...

Patsys Ehe ist zerbrochen. Mit ihrem neuen Freund Milo will sie einen Neuanfang wagen. Obwohl ihrem Ex-Mann das überhaupt nicht recht ist, soll auch ihre 6jährige Tochter Christie mit von der Partie sein. Doch so ein Neuanfang will finanziert werden und deshalb steigt Patsy mit ihrem Freund in einer fremden Wohnung ein und gemeinsam stehlen sie Geld und Schmuck. Und dann geht alles schief. Zur gleichen Zeit soll Pearl, der Jobs für andere übernimmt, in einem Restaurant einen Kredit eintreiben. Auch dies läuft alles andere als glatt.

Zwei Ereignisse, die erstmal nichts miteinander zu tun haben und doch irgendwie einen Zusammenhalt haben müssen. Patsys Traum von einem Neubeginn, der sich nach und nach in Luft auflöst. Und der Privatermittler ohne Lizenz, Pearl, der manchmal auch Kredite betreut. Irgendwie scheinen sich die Begebenheiten zu umkreisen, ohne zunächst Berührungspunkte zu finden. Doch es sieht so aus als würden die Kreise immer enger. Bleibt schließlich nur noch ein Punkt, ist ein Treffen eigentlich unausweichlich.

Mit schnellen Szenenwechseln beginnt diese neue Reihe von relativ kurzen Krimis, mit Fällen, die in sich abgeschlossen sind. Allerdings lässt der Verlauf dieses ersten Bandes vermuten, dass es möglicherweise einen gewissen Rahmenzusammenhang zwischen den Bänden geben wird. Hauptsächlich in Dialogen entfaltet sich die Handlung, was dem Roman viel Drive gibt. Wie bei einem Film mit kurzen Schnitten verlangt das Buch Aufmerksamkeit, ist aber auch sehr schnell zu lesen. Dabei werden die beiden Handlungsstränge geschickt aufeinander zu geführt und es gibt einige Überraschungsmomente. Einzig vermisst man ein wenig das Drumherum, den Hintergrund. Bei einer derartig schnell verlaufenden Handlung, kann dieser nur in knappen Worten umrissen werden. Dennoch gefällt dieser actionreiche Krimi vor einem düsteren New York, der Stadt in der nichts unmöglich ist, nicht einmal das Verbrechen.

Veröffentlicht am 18.11.2018

Zeitenumspannend

Paris
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Paris eine Stadt von Welt, eine Stadt der Geschichte und mit Geschichte.

Über Jahrhunderte erzählt dieser Roman von Familien der einfachen Leute, des Adels, des Handwerks. Beginnend mit dem Bau der ...

Paris eine Stadt von Welt, eine Stadt der Geschichte und mit Geschichte.

Über Jahrhunderte erzählt dieser Roman von Familien der einfachen Leute, des Adels, des Handwerks. Beginnend mit dem Bau der Freiheitsstatur, die bekanntlich nach New York verschenkt wurde, und des Eiffelturms kann man das Leben einiger handelnder Personen und ihrer Familien vom ausgehenden 19. Jahrhundert bis ins Jahr 1960 verfolgen. Meit gelegentlichen Ausflügen in die fernere Vergangenheit werden geschichtlich wichtige Zeiten umrissen, in denen sich die beschriebenen Familien gelegentlich näher kommen als sie später zugeben wollen. Und immer wieder geht es um Paris, eine Weltstadt, die manchmal behäbig scheint, manchmal altmodisch und dann doch fortschrittlich und modern.

Stadtgeschichte, Weltgeschichte eingebettet in eine fesselnde Romanhandlung. Vielfältige Informationen, beginnend mit Details zum Bau der vorher erwähnten baulichen Berühmtheiten, die in keinem Moment langweilig werden, machen dieses Buch zu einem historischen Roman, den man gerne weiter empfiehlt. Mit intelligenten Worten formuliert der Autor die Erzählung der Stadt. Unterschiedlichste Charaktere buhlen um die Gunst des Lesers. Die Meisten wecken dabei große Sympathien, wenn auch nicht jede Handlung verständlich wird, so lässt sich doch vieles nachvollziehen. Zeiten des Aufbruchs folgen auf den Niedergang, Glück und Lied wechseln sich ab. Paris - die Stadt der vielen Wahrzeichen und der großen Geschichte bleibt bestehen.

Ein hervorragend recherchierter Roman, den man sicher häufiger als einmal lesen kann.

Veröffentlicht am 16.11.2018

Das perfekte Stöckchen

Frauen, die Bärbel heißen
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Die 54jährige Bärbel Böttcher lebt zurückgezogen mit ihrem Hund Frieda. Sie präpariert tote Tiere, isst Tatar und geht mit ihrer Frieda spazieren. Bis sie bei einem dieser Spaziergänge das perfekte Stöckchen ...

Die 54jährige Bärbel Böttcher lebt zurückgezogen mit ihrem Hund Frieda. Sie präpariert tote Tiere, isst Tatar und geht mit ihrer Frieda spazieren. Bis sie bei einem dieser Spaziergänge das perfekte Stöckchen für Frieda findet. Leider steckt es noch im Auge eines Mamils (middle aged man in lycra). Was tun? Soll sie den Stock einfach herausziehen oder den Fund etwa der Polizei melden? Schweren Herzens entscheidet sich Bärbel für letzteres und verändert damit ihr Leben dermaßen komplett, dass es kaum auszuhalten ist. Nur angefangen damit, dass sie sich mehr oder weniger selbst in Mordverdacht bringt, obwohl sie den Toten überhaupt nicht kannte.

Wenn man sich die web.site der Autorin Marie Reiners anschaut und dort liest, dass sie neben vielen Drehbüchern auch die Serie „Mord mit Aussicht“ entwickelt hat, kann man sich ungefähr vorstellen, welch Geistes Kind die urige Bärbel Böttcher ist. Zunächst schaut man sich ein paar mal verdutzt um, ob der eigenartigen Verhaltensweisen, die Bärbel an den Tag legt. Doch irgendwie schafft es Bärbel sich in das Leser- oder Hörerherz hinein zu lavieren. Sie kriegt immer wieder die Kurve, auch wenn sie manchmal einfach jemanden einen Spaten über den Schädel ziehen muss. Schließlich sollte sich niemand einfach auf ihr Grundstück verlaufen.

Bärbels Denkweise kommt bei dem Hörbuch, das von Katja Riemann gelesen wird, hervorragend zum Ausdruck. Beim Lauschen der Worte kann man Bärbels Gehirnwindungen rattern hören, schließlich ist es nach Jahren der Zurückgezogenheit nicht einfach sich im wahren Leben zurecht zu finden und sogar mit lebenden Menschen zu kommunizieren. Wenn einen Bärbel bei eigenen Spaziergängen begleitet, zaubert sie einem so manches Schmunzeln oder gar Lacher ins Gesicht. Und, um wieder auf die vorher erwähnte web.site zurückzukommen, ein zweiter Roman ist in Arbeit. Es besteht also Anlass zur Hoffnung, dass es ein Wiederlesen/-hören mit Bärbel Böttcher gibt.

Veröffentlicht am 15.11.2018

Killer-Mom?

Ein Teil von ihr
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Andrea und ihre Mutter Laura geraten in einem Diner unversehens in eine Schießerei. Um ihre Tochter zu schützen, stellt sich Laura dem Angreifer in den Weg. Als die Szene später im Fernsehen zu sehen ist, ...

Andrea und ihre Mutter Laura geraten in einem Diner unversehens in eine Schießerei. Um ihre Tochter zu schützen, stellt sich Laura dem Angreifer in den Weg. Als die Szene später im Fernsehen zu sehen ist, glaubt Andrea ihren Augen nicht trauen zu können. Es sieht so aus, als habe ihre Mutter den Todesschützen ziemlich kaltblütig vom Leben in den Tod befördert. Und nun muss sich die 31jährige Andrea die Frage stellen, wer ihre Mutter eigentlich ist. Eine direkte Antwort wird sie so schnell nicht bekommen, denn ihre Mutter zwingt sie mit einem gestohlenen Auto quer durch Amerika zu fliehen.

Fast schon abenteuerlich könnte man den Weg Andreas durch die Staaten nennen, wenn es nicht so erschreckend wäre, was alles auf sie einstürzt. Ihr eigenes nichts sagendes Leben als Polizeidisponentin gerät durch die Ereignisse völlig aus den Fugen. Eigentlich hatte Andrea sich damit abgefunden, dass aus ihr nichts weiter werden wird, dass es keine Karriere für sie gibt, dass sie immer Schulden haben wird. Und ausgerechnet an ihrem Geburtstag stellt ihre Mutter alle Wahrheiten auf den Kopf. Wie konnte Laura einfach einen Menschen umbringen? Auch wenn sie nichts anderes wollte als ihre Tochter zu schützen.

Kennt man seine Eltern wirklich? Das Beispiel von Andrea und Laura ist vielleicht etwas extrem, aber wahrscheinlich haben viele schon mal etwas von den Eltern erfahren, mit dem sie nicht gerechnet hat und was das Bild, was sie von Vater oder Mutter hatten, doch sehr verändert. Schließlich waren auch die Eltern einmal jung und hatten möglicherweise andere Wünsche, Ziele oder Überzeugungen. Doch was Andrea erfahren wird, ist schon schwer zu verdauen. Da kommt sie auf die wildesten Gedanken, doch die Wahrheit ist so abstrus, dass sie in keiner Phantasie gedacht werden kann. Jedoch, auch in Andrea steckt etwas von ihrer Mutter, wodurch sie deren Handlungen wenigstens zum Teil verstehen kann. Und es muss sie geben, die Kinder, deren Eltern tatsächlich ganz anders waren als sie den Lieben erzählt haben. Kommt auch für sie die Stunde der Wahrheit, in der sich die Eltern offenbaren? Oder bleiben Dinge für immer ungesagt? Und gibt es die bessere Möglichkeit?

Neben einem packenden und überraschenden Thriller hat man hier ein Buch, dass einem den Gedanken eingibt, die eigenen Eltern mal nach dem zu fragen, was sie bisher nicht erzählt haben.