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Veröffentlicht am 31.01.2019

Lügen - eine Krimi-Familiengeschichte

Der Verrat
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Sie sind Schwestern, die unterschiedlicher nicht sein könnten.
Pia, die Älteste, führt ein geordnetes und wohlhabendes Leben an der Seite ihres Mannes Thomas von Manthey, 73 Jahre, den anerkanntesten ...

Sie sind Schwestern, die unterschiedlicher nicht sein könnten.
Pia, die Älteste, führt ein geordnetes und wohlhabendes Leben an der Seite ihres Mannes Thomas von Manthey, 73 Jahre, den anerkanntesten Winzer im Saarland.
Birgit, die Mittlere, gescheitert als Lehrerin, führt den Antiquitätenhandel ihrer Eltern weiter und betätigt sich als Mittlerin zwischen ihren beiden Schwestern.
Nane, die Jüngste, verlässt nach zwanzig Jahren das Gefängnis auf Bewährung. Sie ist die Chaotin der Familie. Vor zwanzig Jahren hat sie einen Menschen ermordet.
Von Nanes Freilassung fühlt sich Pia bedroht.

Wow, was für eine Familiengeschichte. In ihrer unnachahmlichen Art hat Frau Sandberg, die ja sonst spannende Krimis schreibt, eine faszinierende Familiengeschichte für uns entblättert. Genauso wie man eine Rose entblättert, in dem man immer wieder rundherum ein Blatt entfernt, so wurde in verschiedenen Zeitebenen, von verschieden Personen ein Blatt nach dem anderen entfernt und uns eine neue Einsicht ermöglicht. Der Spannungsbogen wurde dabei immer hoch gehalten, so dass ich kaum Möglichkeiten hatte, das Buch aus der Hand zu legen. Gelesen habe ich es an vier Wochentagen, an den ich eigentlich keine Zeit habe lange zu lesen. Ausgelesen hatte ich es dann nachts um drei oder so. Ich war so müde, aber das Buch hat mich immer wieder wach gehalten.
Die Geschichte ist schier unglaublich. In den Lesepausen hat sie mich unentwegt beschäftigt, weil ich überlegt habe, was denn noch alles im Geheimen liegt und nicht an Licht kommen darf.
Da im Laufe der Geschichte einzelne Lebensabschnitte aller Schwestern beleuchtete wurden sind mir eigentlich alle Charaktere an Herz gewachsen. Ich habe dann mal mit der einen, mal mit der anderen Schwester gebangt. Auch die chaotische Nane ist immer nachvollziehbarer rüber gekommen. Bis auf Birgit haben die Schwestern zum großen Teil ihre Geschichte aus ihrer Sicht schildern können. Ich glaube, dass diese Erzählweise für größere Ein- und auch Übersicht geführt hat.
Alle Achtung, dass die Autorin bei dem ganzen Lügengeflecht nicht den Überblick verloren hat und immer nur einen kleinen Teil Preis gegeben hat um den Leser bis zum Schluss im Unklaren zu lassen.
Bravo, mich hat’s gefesselt und mir hat’s sehr gut gefallen.

Veröffentlicht am 26.01.2019

Fesselnde Geschichtsstunde

Die Tochter der Toskana
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Toskana 1832: Junge Männer aus Ligurien, Piemont, der Emilia und der Toskana folgen begeistert der Giovane Italia, organisieren Aufstände und kämpfen gegen die staatliche Zersplitterung und für einen einheitlichen ...

Toskana 1832: Junge Männer aus Ligurien, Piemont, der Emilia und der Toskana folgen begeistert der Giovane Italia, organisieren Aufstände und kämpfen gegen die staatliche Zersplitterung und für einen einheitlichen Nationalstaat.
Antonella bekommt davon nichts mit. Sie lebt als eine von drei Töchtern des Schäfers Battistoni in einem kleinen Dorf in den Bergen. Ihr Leben richtet sich nach den Jahreszeiten und dem Kampf um die kargen Lebensmittelreserven.
Als Paolo, der Sohn des wohlhabenden Müllers, um Antonella freit, stimmen ihre Eltern erfreut einer Heirat zu. Antonella ist sich nicht sicher. Als sie feststellt, dass Paolo ein Weiberheld ist, entschließt sie sich zur Flucht. Marco, ein geheimnisvoller Fremder, begleitet sie. Mit gegenseitiger Hilfe und Unterstützung gelingt ihnen die Flucht nach Genua, aber dort überrollen sie die politischen Unruhen.

Ich liebe gut recherchierte historische Romane. So kann man verpennte oder nicht beachtete Geschichtsstunden nachholen. Wenn die geschichtlichen Ereignisse dann auch noch in eine unterhaltsame Story verpackt sind, macht es richtig Spaß zu lesen.
Die Zusatzinformationen im Nachwort haben noch einmal deutlich gemacht, wie viel Recherche für einen guten historischen Roman nötig ist.

Zu Beginn fällt mir die sehr gute Darstellung des dörflichen Lebens und Überlebens auf.
Dieses karge Leben mit dem sich die Bevölkerung sichtlich eingerichtet hat. Frauen wie Antonella oder auch ihre Tante, selbstsicher und mutig, müssen aus der Gemeinschaft fliehen um ein eigenständiges Leben zu führen.

Auf der anderen Seite müssen junge adelige Männer, verstoßen von ihren Vätern oder unerkannt und heimlich, für ein selbständiges Italien kämpfen.

Frau Seemayer ist es wieder einmal gelungen einen nicht enden wollenden Spannungsbogen zu spannen, der mir kaum die Möglichkeit bot, das Buch zu schließen. Die beiden Protagonisten Antonella und Marco hab ich gleich ins Herz geschlossen.

Auf wunderbarer Weise versetzt sie uns in eine Zeit, die für die italienische Bevölkerung sicher von großer Wichtigkeit ist, die aber an unserem Geschichtsbewusstsein vorbei gegangen ist.

Nachdem ich das bereits erwähnte Nachwort gelesen habe, war meine Neugier geweckt, darauf wie es wohl in der italienischen Geschichte weitergeht und in wie weit Antonella und Marco daran beteiligt sein werden. Antonella und Marco sind, wie von der Autorin erwähnt, fiktiv, aber ich sehe sie schon stellvertretend für Teile der Bevölkerung.

Ich freue mich auf eine Fortsetzung.

Veröffentlicht am 29.12.2018

Ein außergewöhnlicher Stadtführer

Mein Rom
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Kennengelernt habe ich Andreas Englisch erst kürzlich in einer Talkshow. Sofort hat mich seine lebendige und temperamentvolle Erzählweise fasziniert. Als Protestantin und eigentlich Ungläubige konnte ich ...

Kennengelernt habe ich Andreas Englisch erst kürzlich in einer Talkshow. Sofort hat mich seine lebendige und temperamentvolle Erzählweise fasziniert. Als Protestantin und eigentlich Ungläubige konnte ich bei der Vorstellung der Gäste mit einem Vatikan-Journalisten nichts anfangen. Als er anfing zu erzählen, war mir sofort klar, dieses Buch möchte ich unbedingt lesen. Ich bin nicht enttäuscht worden.

Ähnlich wie in der Talkshow erzählt er in seinem Buch auf eine herzerfrischende, unkomplizierte Art Geschichten aus Rom und aus dem Vatikan. Ich war selber vor einigen Jahren vier Tage in Rom, habe viel gesehen und bewundert. Nach der Lektüre von Andreas Englischs Buch, möchte ich unbedingt noch einmal hin und am Liebsten mit seinem Buch die Führung, die er seinem Sohn gegönnt hat, nachgehen und mich verzaubern lassen.

Er beschreibt auch im lockeren Ton seine Beziehung zu seinem Sohn und dessen Generation. Er achtet Leonardos religiöses Desinteresse, kann in ihm aber doch ein großes Interesse für Rom und seine stark religiös geprägte Geschichte wecken.

Indem er eine Stadtführung und Besichtigung der besonderen Art mit seinem Sohn durchführt und das in einem bebilderten Buch festhält, unterstreicht er seine Mission, dass keine der Geschichten und Geheimnisse, die er seinem Sohn offenbart, verloren gehen darf.

Menschen, wie Andreas Englisch, dürfen uns auch nicht verloren gehen. Denn wer sollte unseren Kindern so lebendig und ohne religiösen Schnickschnack die Geheimnisse der Ewigen Stadt verraten?

Der letzte Satz im Buch: „Das entscheiden die, die dieses Buch lesen werden. Wenn es ihnen gefällt, dann machen wir weiter.“

BITTE machen sie weiter.

Veröffentlicht am 02.12.2018

Imposanter Prag-Krimi

Der Mann am Grund
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Viele, die mit ihm zu tun hatten, nannten ihn Dreckschwein. Er war Polizist im Prager Umland. Seine Vorgesetzten behaupteten, er wäre verlässlich und kenne seine „Pappenheimer“. Jetzt ist er ...

Viele, die mit ihm zu tun hatten, nannten ihn Dreckschwein. Er war Polizist im Prager Umland. Seine Vorgesetzten behaupteten, er wäre verlässlich und kenne seine „Pappenheimer“. Jetzt ist er tot, ertrunken in seinem Auto am Grund des Steinbruchs.
Unfall konnte schnell ausgeschlossen werden. Wer mag ihn ermordet haben?
Kriminalrat Marián Holina und sein junger Kollege Divis Mrstik finden immer mehr Menschen, die ein Motiv haben, Osvald Zapletal zu töten. Während ihrer Ermittlung entdecken sie mannigfaltige Verbrechen, die Zapletal begangen hat, Erpressung, Vergewaltigung, Drogensucht.....


Dies ist mein erster Tschechischer Krimi. Obwohl ich schon einige Tage in Prag verbracht habe, hatte ich größte Schwierigkeiten mit den Namen und Ortsbezeichnungen. Davon abgesehen hat mir der Krimi richtig gut gefallen.

Neben der verzwickten und spannenden Handlung wurde auch die Problematik der Teilung der ehemaligen Tschechoslowakei thematisiert und angedeutet, dass der normale Tscheche oder Slowake die Ursachen und Gründe bis heute noch nicht nachvollziehen kann.

Geschickt wurde auch in diesem Krimi das Privatleben der Ermittler in die Handlung eingebaut. Die einzelnen Charaktere des Ermittlungsteams werden genau beschrieben und aufgebaut, so dass ich mir gut eine Fortsetzung bzw. eine kleine Reihe mit diesem Team vorstellen könnte.

Der Kriminalfall war sehr groß angelegt, einerseits was den Zeitraum der Verbrechen angeht und andererseits auch die Menge der Verbrechen. Zeitweise wurde die Zahl der Verdächtigen etwas unübersichtlich, aber die Autorin hat uns mit sicherer Hand durch die Vielzahl der Verdächtigen, Motive und Spuren geführt. Der Spannungsbogen wurde dabei immer hoch gehalten. Wenn man glaubte einem Verdächtigen die Tat beweisen zu können, tauchte ein neuer Sachverhalt auf.

Besonders gut gefallen hat mir, dass der Krimi mit wenig Blut und Brutalität auskommt, dafür aber viel menschelt. Es wird nach Ursachen geforscht, sogar mittels Astrologie, Entwicklungen werden aufgezeigt und Verständnis für viele Handlungen erzeugt.

Trotz der Schwierigkeiten mit der Tschechischen Sprache möchte ich mehr tschechische Krimis lesen, am besten von Ina Procházková.

Veröffentlicht am 22.11.2018

Tödliche Entdeckung

Zerrissene Wahrheit
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Ein tödlicher Autounfall, verursacht von durchschnittenen Bremsleitungen und gekappten Bremsseilen der Handbremse, erfordert volle Aufmerksamkeit des Bielefelder Mordkommissariats. Bent Anderson und sein ...

Ein tödlicher Autounfall, verursacht von durchschnittenen Bremsleitungen und gekappten Bremsseilen der Handbremse, erfordert volle Aufmerksamkeit des Bielefelder Mordkommissariats. Bent Anderson und sein Team untersuchen das Umfeld der Bibliothekarin Margret Lückner, die bei diesem Anschlag ums Leben kam. Der Ehemann, von dem sie sich trennen wollte, und auch die Tochter Friederike haben ein Motiv, aber auch Alibis, die sie als Täter ausschließen.
Bei ihren Recherchen stoßen die Ermittler auf einen weiteren tödlichen Unfall bei einer Bergwanderung vor über 25 Jahren. Toni, der Bruder ihres ersten Ehemanns Hubert, ein erfahrener Bergwanderer, stürzte unter mysteriösen Umständen ab.
Vierzehn Tage vor Margrets Ermordung fand ein Treffen aller Teilnehmer dieser Bergwanderung statt. Zufall oder findet sich in der Vergangenheit ein weiteres Motiv?


Regionalkrimis sind doch was feines, für Ortskundige insbesondere. Sie wissen immer wo genau was passiert und können bei genauer Straßenbenennung nachvollziehen, warum Täter oder auch Ermittler manchmal sehr lange von A nach B brauchen. Für die vielen Fans der Krimis von Heike Rommel, die nicht in Bielefeld wohnen, ist es oftmals lästig, manchmal sogar nervig, die genauen Ortsangaben zu lesen. Für mich wäre da einfach weniger mehr.
Das ist jetzt meckern auf hohem Niveau, denn das ist das Einzige, was mir negativ aufgefallen ist.

Dies ist der vierte Fall des Bielefelder Kommissariats und zweite, den ich gelesen habe. Die Charaktere des Ermittlungsteams sind im ersten Fall so stark herausgearbeitet worden, so dass ich dieses Buch wie ein nach Hause kommen empfunden habe. Man kennt die Sorgen und Nöte jedes Einzelnen. Sie haben sich natürlich weiter entwickelt, aber das Typische ist erhalten geblieben. Man findet den heimlichen Schwulen, den besorgten, alleinerziehenden Vater, die von Beziehungspannen geplagte Ermittlerin und den sympathischen Töffel, der kein Fettnäpfchen auslässt.

Neben dem unterhaltsamen Ermittlungsteam gibt es noch einen Mordfall zu lösen. Dabei entpuppt sich dieses Team als gründlich, nachharkend und unkonventionell. Ich fand es interessant so lesen, wie jeder einzelne Ermittler Fakten checkte, aber auch immer wieder seinem Bauchgefühl nachging. Als Leser konnte ich ihnen immer gut folgen, meine eigenen Schlüsse ziehen bzw. Verdächtige benennen, um dann wieder eine andere Richtung zu verfolgen. Der Spannungsbogen wurde jederzeit hochgehalten. Für mich fühlte sich jede Wendung richtig an und auch das Ende logisch richtig und befriedigend.

Es hat einfach Spaß gemacht, diesen Krimi zu lesen. Nicht alle Probleme sind gelöst worden, aber das steigert die Vorfreude auf den nächsten Fall.