Bravo Brigitte!
Brigitte Riebe - Die Schwestern vom Ku´damm
Kriegsende 1945
Deutschland ist gefallen, Berlin gleicht einer Ruinenlandschaft. Stein um Stein, für jeden toten oder vermissten Soldaten, einer. Die Frauen ...
Brigitte Riebe - Die Schwestern vom Ku´damm
Kriegsende 1945
Deutschland ist gefallen, Berlin gleicht einer Ruinenlandschaft. Stein um Stein, für jeden toten oder vermissten Soldaten, einer. Die Frauen der Familie Thalheim verstecken sich aus Angst vor den russischen Besatzern in ihrem eigenen Haus. Manchmal muß es dort ganz still sein, gehetzte Blicke teilen die dunkle Kellerflucht. Kein Vater, kein Bruder, kein Ehemann - niemand, der seine schützende Hand über Rike, Silvie, Fori und Stiefmutter Claire hält.
Ihr Mut macht sie stark und gemeinsam trotzen sie dem Hunger und der Kälte. Wie viele andere Frauen stehen sie ihren "Mann" und sind Heldinnen ohne Schwert.
Das schicke Thalheim-Kaufhaus am Kurfürstendamm mit der Glaskuppel und den Rolltreppen hält dem Bombardement nicht stand. Schutt und Asche macht alle Häuser gleich, was noch steht wird von den Siegermächten besetzt und abgewohnt. Durch die Aufteilung Deutschlands wird die ehemals glanzvolle Hauptstadt zur Insel mit Versorgungsblockade, Berlin wird durch eine Luftbrücke von den bekannten Rosinenbombern versorgt. Eine Munition, die bejubelt wird.
Die Thalheimschwestern werden Teil der legendären Trümmerfrauen. Im Dreck und Staub schuften sie sich Schwielen an, aber auch Gemeinschaft.
Was ein Glück, das das Stoffsortiment in Sicherheit gebracht wurde und die Nähmaschinen vergraben im Garten liegen. Und im Takt summen die alten "Singer-Apperaturen" ein fröhliches Lied:
"Wir machen wieder Mode!"
Dank vieler geübter Helferinnen, nimmt der Plan vom Neuaufbau des Familiengeschäfts Gestalt an, zwischen den Trümmern wird eine Modenschau veranstaltet, jede Frau ist ein Mannequin. Ein kleiner Laden ist der Anfang.
Die unterschiedliche Charaktere verbuchen ihre kleinen und größeren Siege für sich.
Silvie singt in britischen Clubs und startet eine Karriere beim Rundfunk. Halbschwester Flori ist ein rebellischer Backfisch, der den Kommunismus entdeckt und den Konsum laut und kritisch verteufelt.
Rike ist eine vernünftige junge Frau, die wegen ihrer Familie immer zurückgesteckt hat, um auszubrechen ist sie zu pragmatisch und zu pflichtbewusst veranlagt.
Eines Tages bekommt sie einen mysteriösen Brief aus der Schweiz, sie soll das Erbe ihres Großvaters antreten, doch dies bleibt vorerst ihr Geheimnis.
Bei den Thalheims gibt es auch einige romantische Verwicklungen und früher oder später lässt sich jeder davon zu Leichtsinn inspirieren.
Der Roman wächst dem Kriegsende davon und widmet sich dem mühseligen Aufbau. Die Thalheim-Frauen arbeiten tatkräftig mit, doch sind sie auch Hoffnungsträger vieler ausgebrannter Seelen, einer beinahe entmutigten Generation. Schöne Dinge sind wie ein Regenbogen, der das depressive Grau durchbricht, ein Zeichen, dass es wieder aufwärts geht. Die gute alte Zeit holt bzw will keiner zurück, es bricht eine neue Aera an, die Karten werden ausgetauscht und neu gemischt.
Eine Stunde Null, die wir von "Kindesbeinen" an begleiten dürfen.
Brigitte Riebe kann ein "Kriegsbuch" schreiben, ohne sich in grausamen Details zu suhlen, sie hat Vertrauen in ihre mündigen Leser, sich selbst ein kritisches Urteil über die Historie gebildet zu haben. Die "Jahre des Aufbaus" sind so zu einem warmen Licht für mich geworden. Dafür möchte ich danke sagen, es ist ein großartiger Roman. Geniale Unterhaltung in der man schwelgen kann, anrührend ohne rührselig zu sein, mitreißend und spannend bis zur letzten Seite.
Ein kleiner Anflug von Eifersucht überkommt mich, wenn ich an denjenigen denke, der die Fortsetzung der "Thalheim-Trilogie" zuerst lesen darf.
Begeistert gebe ich eine klare Empfehlung ab:
Die Schwestern vom Ku´damm sind das perfekte Geschenk!