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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 19.04.2019

Kühle Leidenschaft

Marlene und die Suche nach Liebe
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Diesen scheinbaren Widerspruch hat Marlene Dietrich gelebt, jedenfalls dem biographischen Roman C.W. Gortners zufolge. Der Autor lässt uns die Schauspielerin mit der besonderen Ausstrahlung auch als starke ...

Diesen scheinbaren Widerspruch hat Marlene Dietrich gelebt, jedenfalls dem biographischen Roman C.W. Gortners zufolge. Der Autor lässt uns die Schauspielerin mit der besonderen Ausstrahlung auch als starke Frau erleben, als eine, die sich niemals die Butter vom Brot nehmen ließ, auch wenn es hart auf hart kam.

Und das kam nicht selten vor in ihrem Leben: durch den frühen Tod ihres Vaters in einfachen Verhältnissen aufgewachsen, kam sie in den "Roaring Twenties" durch ein eher halbseidenes Milieu zum Film, wo sie schnell den Durchbruch schaffte.

Man könnte sagen, sie war zur richtigen Zeit am richtigen Ort, denn sie war Berlinerin, und das bedeutete in den 1920ern, am Puls der Zeit zu leben. Jedenfalls, was die Kultur anging.

Wir lernen "die Dietrich" als Frau lernen, die sowohl Frauen als auch Männer liebte und mit ihrem Ehemann und Vater ihrer Tochter verheiratet blieb, obwohl seit Jahrzehnten getrennt lebend. Als eine tapfere Frau, die den Nazis schon früh die Stirn bot, auch wenn das nur in Teilen ihrer eigenen Familie gut ankam. Als schwierige Frau, die ihrer Zeit weit voraus war und als Frau mit einem riesengroßen Herzen. Kühl wirkte sie, doch ihre Leidenschaft blieb dennoch nicht im Verborgenen.

Ein wirklich spannender und unterhaltsamer biographischer Roman, den ich mit großem Genuss gelesen habe und gerne weiter empfehle.

Veröffentlicht am 13.04.2019

Bitterste Rache

Nemesis
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Lesefreudige Frauen sollten für die Lektüre dieses Thrillers starke Nerven mitbringen, denn zu ertragen, was hier im Verlauf der Handlung ihren Geschlechtsgenossinnen zustößt, ist fast unerträglich! ...

Lesefreudige Frauen sollten für die Lektüre dieses Thrillers starke Nerven mitbringen, denn zu ertragen, was hier im Verlauf der Handlung ihren Geschlechtsgenossinnen zustößt, ist fast unerträglich! Durch eine Partnerschaftsplattform im Internet angelockt von einem galanten Adonis, verwandelt dieser sich beim trauten Tete á Tete in eine Bestie, der die Frau zunächst stundenlang mißbraucht, dabei foltert und dann umbringt. Und das alles vor den Augen gut zahlender Zuschauer, die das genüsslich kommentieren und die DVD - zum wiederholten Betrachten zu Hause danach mit auf den Weg bekommen. Wie auf einem Familienfest! Ja, es ist wirklich unglaublich, was hier vor sich geht.

Doch Staatsanwältin CJ Townsend ist in ihrem mittlerweile vierten Fall den Männern auf der Spur - zumindest einigen. Sie ist nämlich nicht nur als Ermittlerin in diese Verbrechen involviert. Wird sie alle bekannten Fälle - dreizehn an der Zahl - auflösen können?

Zumindest kann so viel verraten werden, dass einige der Hinterbliebenen eine bittere Genugtuung erfahren - und andere das genaue Gegenteil.

Jiliane Hoffmann schreibt so eindringlich wie möglich, so brutal wie nötig. Allerdings sei nochmal gesagt, dass hier Notwendigkeit zur genauen Erläuterung von Gewaltausübung ausgesprochen hoch ist, es geht also nicht gerade sachte zu. Die Autorin begibt sich in die dunkelsten Gefilde menschlicher bzw. männlicher Begierden, wenn man das so nennen kann.

Auf der anderen Seite jedoch gibt sie durch diesen Thriller Frauen ihre Würde zurück - auf eine durchaus ungewöhnliche Art und Weise. Dadurch wird dieses Buch zu etwas ganz Besonderem, finde ich.

Ich kannte die Cupido-Reihe bisher nicht, hatte aber überhaupt kein Problem, beim vierten und letzten Band einzusteigen. Der Leser wird genau dort abgeholt, wo er jeweils steht. Lesenswert für Frauen und für diejenigen, denen die Geschicke der Frauen am Herzen liegen. Aber nur dann, wenn sie wirklich hart im Nehmen sind!

Veröffentlicht am 02.03.2019

Auf der Mauer, auf der Lauer

Die Mauer
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sitzt keine kleine Wanze, sondern ein Haufen Briten, "Verteidiger" genannt. Wobei der Begriff "Haufen" zu despektierlich gewählt ist: es ist eine durchorganisierte Truppe, die exakt durchstrukturiert ...

sitzt keine kleine Wanze, sondern ein Haufen Briten, "Verteidiger" genannt. Wobei der Begriff "Haufen" zu despektierlich gewählt ist: es ist eine durchorganisierte Truppe, die exakt durchstrukturiert ist und punktgenau tickt. Diese Verteidiger leben in einem Land, einem Bereich, einem Territorium, einer Zone - wie auch immer, genau wird es nicht bezeichnet, auch wenn aufgrund der Ortsbezeichnungen immer wieder klar wird, dass Englad gemeint ist - in das viele andere rein wollen. Über das Meer, denn eine andere Möglichkeit gibt es nicht. Sie werden ebenso wie die genauen politischen Strukturen nicht näher erläutert, es sind einfach "Die Anderen".

Die Zeit der Mauerverteidigung währt zwei Jahre und davon ist - ab einem bestimmten Alter - niemand ausgenommen. Wobei - sie kann verlängert werden vom jeweiligen Vorgesetzten, einfach so, ohne dass man dagegen etwas machen kann.

Wenn man einen der "Anderen" durchgelassen hat, dann passiert etwas ganz Schreckliches. Wobei - eigentlich ist ja seit Jahren nichts passiert, aber gerade braut sich wieder etwas zusammen. Und zwar nicht zu knapp.

Der großartige englische Romancier John Lanchester hat hier eine eigene Welt geschaffen. Eine, die mit der von Pippi Langstrumpf, die sich "ihre Welt malt, wie sie ihr gefällt" so gar nichts zu tun hat.

Nein, es ist eine düstere, bedrohliche. Für uns jedenfalls, die wir anderes gewohnt sind. Lanchesters Protagonist Joseph Kavanagh nicht unbedingt, er ist in diesen Strukturen aufgewachsen und kennt nichts anderes. Seine Eltern allerdings schon, denn sie haben das "davor" erlebt. Worüber sie aber nicht allzuviel erzählen (dürfen). Nach und nach wird uns diese für Joseph, den Ich-Erzähler, so selbstverständlich erscheinende Welt vermittelt. Eine Welt, die alles andere als transparent ist und in der - wie es sich zeigt - es auch für Joseph noch viel zu erfahren gibt. Beklemmendes, Düsteres, Erschreckendes - so in etwa in dieser Reihenfolge.

In mir hat die Lektüre ein ungutes Gefühl hinterlassen. Eines, dass mich an die Gegenwart denken ließ, an ein Jetzt, in dem neue Mauern hochgezogen werden (sollen), in dem viele Menschen unbedingt woanders sein wollen, als da, wo sie sind. Und andere sie nicht dorthin lassen wollen. In einer Gegenwart also, in der viele nicht dorthin dürfen, wo sie hin wollen, nicht einmal dann, wenn ihre Lieben bereits dort sind. In ein Jetzt, in dem man sich Tag für Tag fragt, wem man denn überhaupt noch trauen kann.

Ist das möglicherweise bereits die Vorstufe zu einer Welt, ähnlich der des Lanchester-Entwurfs? Es könnte schon sein. Aus meiner Sicht ist dies ein phänomenales Gegenstück zu "1984", ein wenig zuversichtlicher Entwurf einer Zukunft, die gar nicht so weit weg zu sein scheint. Es war keine Freude, diesen Roman zu lesen, nein, ganz und gar nicht. Eher eine Notwendigkeit. Die Lektüre hat mich nicht entspannt, sehr wohl aber bereichert. Ein Buch, das weh tut und das sich dennoch jeder, der von sich behauptet, im Hier und Jetzt angekommen zu sein, zu Gemüte führen sollte!

Veröffentlicht am 27.11.2018

Wiedersehen mit alten Weggefährtinnen

Als das Leben vor uns lag
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Die fünf Frauen Julia, Nina, Lola und die Zwillingsschwestern Marta und Olga kennen sich aus der gemeinsamen Zeit im Internat - einer harten Zeit fernab von aller Internatsromantik, die im Sommer 1950 ...

Die fünf Frauen Julia, Nina, Lola und die Zwillingsschwestern Marta und Olga kennen sich aus der gemeinsamen Zeit im Internat - einer harten Zeit fernab von aller Internatsromantik, die im Sommer 1950 nach einem gemeinsamen, sehr extremen Spiel abrupt endete. Wie auch die Freundschaft der fünf so ungleichen Frauen, wobei einige von ihnen noch bilateral weiterhin Kontakt hielten.

Olga, damals eine Art Rädelsführerin, führt als Erwachsene ein aus ihrer Sicht langweiliges Leben als Gattin eines Mediziners und Mutter bereits erwachsener Kinder - sie organisiert im Jahr 1980 ein Wiedersehen im Restaurant ihrer als Kochbuchautorin berühmten Schwester, mit der sie im Alltag nichts mehr verbindet.

Autorin Care Santos widmet jeder der Frauen ein Kapitel, in dem sie deren Werdegang und auch das aktuelle Leben darstellt - somit erfährt der Leser mehr als die Schülerinnen, die gemeinsam am Tisch sitzen.

Wobei eine fehlt: Julia, die nach dem Desaster 1950 im Internat die Schule verlassen musste und aus der eine erfolgreiche Politikerin geworden ist. Gerade auf sie sind die anderen am meisten gespannt. Nicht zuletzt Olga, die nicht ganz unschuldig an den Ereignissen von 1950 war...

Care Santos ist eine elegante Charakterstudie gelungen, die - vor allem zum Ende hin - die ein oder andere Überraschung beinhaltet. Auch wenn das ein oder andere voraussehbar ist, habe ich diesen fesselnden Roman, seine eindringliche Sprache und seine klaren Darstellungen sehr genossen. Ein Werk, das den Leser packt und nicht mehr so leicht loslässt und das ich sehr empfehle.

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Veröffentlicht am 24.11.2018

Die erfolgreiche Annabelle zurück im heimischen Puxdorf

Ich küss dich tot
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Irgendwas ist da falsch gelaufen für die erfolgreiche Annabelle, die auf der Karriereleiter im Hotelfach gerade auf dem Weg nach ganz oben ist. Von ihrem erfolgreichen Job in New York aus ist sie nach ...

Irgendwas ist da falsch gelaufen für die erfolgreiche Annabelle, die auf der Karriereleiter im Hotelfach gerade auf dem Weg nach ganz oben ist. Von ihrem erfolgreichen Job in New York aus ist sie nach Singapur verpflichtet worden.

Doch statt in der asiatischen Metropole findet sie sich auf einmal im heimischen Puxdorf wieder, im elterlichen Hotelbetrieb "Edelweiß", in dem nicht nur der Name für sie alt und angeschlagen ist. Nein, das ganze Haus inklusive Gaststätte ist den Bach runter gegangen und die Eltern erwarten etwas von Annabelle. Die hier übrigens Anna oder sogar Anni heißt.

Und sich sowas von fehl am Platz fühlt. Denn gleichzeitig scheint ihr ganzes Leben inklusive Freundschaften und Beziehungen den Bach runter zu gehen. Außerdem durchdringen Baulöwen die Ortschaft und gerade auch das Edelweiß und wollen neuen touristischen Schwung in die Region bringen. Und warum sterben auf einmal die Leute wie die Fliegen, unmittelbar in Annabelles Umfeld? Ganz klar - das ist der Anfang vom Ende!

Oder doch nicht? Denn jedem Anfang- und gewissermaßen ist auch dies einer - wohnt bekanntlich ein Zauber inne.

Wie sich Annabelle in Puxdorf schlägt, was es mit der Not der Eltern auf sich hat und ob sie sich wirklich von allen Jugendfreunden entfernt hat - all das und noch viel mehr lässt sich im spritzigen Weihnachtsroman - richtig, Annabelles Rückkehr findet unmittelbar vor den Feiertagen statt - nachlesen. Einem weihnachtlichen Roman, der so gar nicht besinnlich ist, aber ordentlich zur Aufbesserung der Feiertagsstimmung beiträgt - wie eine Rakete im Silvesterfeuerwerk. Denn auch Silvester ist noch Bestandteil der Geschichte - eine runde Sache also, mit der man sowohl Freunde als auch Verwandte erheitern kann - zuallererst aber am besten sich selbst. Sehr empfehlenswert als Lektüre in der nahenden Adventszeit wie auch als Weihnachtsgeschenk!