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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 30.12.2018

Verlorene Kindheit

Die verlorene Schwester
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Zwei Handlungsebenen werden zeitlich versetzt erzählt und ergänzen sich sinnvoll. Das ist geschickt gemacht.
2008: Die 35jährige Investmentbankerin Anna erfährt spät, dass sie adoptiert wurde. Sie beginnt ...

Zwei Handlungsebenen werden zeitlich versetzt erzählt und ergänzen sich sinnvoll. Das ist geschickt gemacht.
2008: Die 35jährige Investmentbankerin Anna erfährt spät, dass sie adoptiert wurde. Sie beginnt über ihre Herkunft und ihre Mutter zu forschen. Doch das wird nicht einfach.

Ab 1969: Die Schwestern Lena und Marie wurden von ihrer Mutter und schließlich auch voneinander getrennt. Für Lena folgt ein Leben als Verdingkind. Das bedeutet für die Kinder, ausgenutzt zu werden, harte Arbeit und manchmal wurden sie auch missbraucht. Sie zählten nichts und niemand setzt sich für sie ein. Eine Tatsache, die schockiert. Im Mittelalter hatten Kinder kaum Rechte, das es aber noch in den siebziger Jahren in einem Land wie der Schweiz zu solchen Verfehlungen gekommen war, schockiert.
Unrecht, das noch nicht so lange zurückliegt. Es ist wichtig, darüber zu schreiben!

Erwähnen möchte ich auch noch das motivisch wie farblich schön gemachte Cover, das gut zur Stimmung des Romans passt, die zwar einerseits wegen dem Schicksal der Kinder bedrückend ist, aber durch die Figuren doch noch eine positive Prägung besitzt.
Die Geschichte wird in einem geschmeidigen Stil erzählt und ist deshalb gut lesbar.

Veröffentlicht am 21.12.2018

Flovent und Thorson

Graue Nächte
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Graue Nächte ist der zweite Teil aus Flovent-Thorson-Reihe.
Ein guter Titel, denn Arnaldur Indridason verwendet viele Textpassagen darauf, die Bedrohung der Zeit 1943 zu verdeutlichen.
Stellvertretend ...

Graue Nächte ist der zweite Teil aus Flovent-Thorson-Reihe.
Ein guter Titel, denn Arnaldur Indridason verwendet viele Textpassagen darauf, die Bedrohung der Zeit 1943 zu verdeutlichen.
Stellvertretend eine Textstelle in Kapitel 26 wie Reykjavik empfunden wird:
Reykjavik war nicht mehr der Ort, den sie vor wenigen Jahren verlassen hatte.
Sie fuhren an furchteinflössenden Kriegsschiffen vorbei, an Fregatten und Öltankern, Zerstörern und Kreuzer, die zwischen isländischen Fischerbooten und Trawlern lagen.

In einer solchen Szenerie noch einen spannenden Kriminalfall einzupacken ist eine große Leistung, die mich an die Commidario De Luca-Reihe von Carlos Lucarelli erinnert.
Eine Frau ist verschwunden, ein Mann wurde brutal ermordet, Osvaldur wurde von den Nazis verhaftet, dann noch Ingimar, der auf einem Schiff auf der Fahrt nach Petsamo starb, vielleicht ermordet. Weitere wichtige Figuren sind der politisch schwer einzuschätzende Manfred und vor allen eine namenlose Krankenschwester, aus deren Perspektive öfter erzählt wird. Natürlich ohne, dass sie Icherzählerin wird.
Wie sie fast so agiert wie Ingrid Bergmann in Hitchcocks Film Notorious gehört zu den spannendsten Momenten. .
Die beiden Kommissare Flovent und Thorson stehen nicht permanent im Mittelpunkt, haben aber auch gute Szenen.

Es wird ein detailreicher Plot, der den Leser fordert.

Obwohl die Ungebung und der Ton ein anderer ist als bei der übermächtigen Erlendur-Reihe, ist es doch ein typischer Arnaldur Indridason. Er hat schon lange einen eigenständigen Stil. Ich erinnere mich noch an eine Lesung des Autors in Köln, als gerade erst sein zweiter Roman erschienen war. Schon damals war er ein kompletter Krimiautor.

Veröffentlicht am 08.12.2018

kein konventioneller Krimi

Der Unfall auf der A35
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Wer Burnets großartigen Roman „Sein blutiges Projekt“ kennt, weiß, dass ungewöhnliche Stilmittel zu erwarten sind und kein konventioneller Krimi.

Der eigenbrötlerische Kommissar Georges Gorski passt jedoch ...

Wer Burnets großartigen Roman „Sein blutiges Projekt“ kennt, weiß, dass ungewöhnliche Stilmittel zu erwarten sind und kein konventioneller Krimi.

Der eigenbrötlerische Kommissar Georges Gorski passt jedoch bestens ins typische Krimibild, genau wie seine verhaltene Ermittlungsarbeit.
Der Unfall mit einem toten Autofahrer, den er untersucht, führt ihn auf die Spuren des Toten und dessen Geheimnisse. Der Sohn des Toten, Raymond, steht ebenfalls oft im Mittelpunkt des Geschehens.

Kommissar Gorskis Privatleben ist aus der Spur, seine Frau hat ihn mit Tochter verlassen, ob sie zurückkehrt ist ungewiss.

Mich begeistern die Beschreibungen des Alltags der Menschen und wie sich der Autor hierfür viel Zeit lässt. Sie sind detailreich, aber nicht übertrieben.
Burnet lässt den Leser oft in die Gedanken seiner Figuren blickén. Auch die Dialoge funktionieren gut.
Die erzeugten Stimmungen sorgen dafür, dass man einen wirklich spannenden Plot nicht vermisst.

Veröffentlicht am 08.12.2018

Ein Held dunkler Zeit

Ein Held dunkler Zeit
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Bei der Thematik ist der Heldenbegriff natürlich diskutabel, was das Buch umso interessanter macht und Denkprozesse anstößt.
Geschickt beginnt der Autor Christian Hardinghaus damit, der eigentlichen Handlung ...

Bei der Thematik ist der Heldenbegriff natürlich diskutabel, was das Buch umso interessanter macht und Denkprozesse anstößt.
Geschickt beginnt der Autor Christian Hardinghaus damit, der eigentlichen Handlung eine Klammer zu geben, indem er einen 95jährigen Erzähler namens Friedrich Tönnes schafft, der in einem Buch seine Erinnerungen an den zweiten Weltkrieg niederschreibt. Er war damals Sanitäter und der Arzt Wilhelm, dem er folgte, war ein Held für ihn.
Das Wilhelm nicht nur Arzt sondern auch Mensch war und durch die Liebe motiviert wurde, lässt ihn in einem neuen Licht erscheinen. Zunächst war er als junger Arzt vielleicht auch gefährdet und verführbar, aber als er eine Halbjüdin traf und heiratetet, war seine einzige Sorge die Sicherheit seiner Familie.
Es beginnt eine umfassende, durchaus packende Handlung. Man kann das Buch lange nicht aus der Hand legen.

Wer wie ich schon viele Romane und Sachbücher über die Zeit 1933 – 1945 in Deutschland gelesen hat, der weiß, diesen Roman gut einzuschätzen und ich halte „Ein Held dunkler Zeit“ für ein gutes Buch.

Veröffentlicht am 25.11.2018

Amerikanisches Zeit- und Gesellschaftsportrait

Die Welt war so groß
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Der Roman ist von 1981 und damit an der zentralen Handlungszeit noch näher dran als wir heute. Das ist entscheidend für die besondere Atmosphäre des Buches.

Ausgehend von einem Jahrestreffen in Radcliffe ...

Der Roman ist von 1981 und damit an der zentralen Handlungszeit noch näher dran als wir heute. Das ist entscheidend für die besondere Atmosphäre des Buches.

Ausgehend von einem Jahrestreffen in Radcliffe sehen sich 4 Frauen 1977 wieder, die in den fünfziger Jhren zusammen aufs College gegangen sind:
Annabel, Christine, Emily und Daphne.

Die 4 Mädchen sind sehr unterschiedlich, durchleben aber gemeinsam die Sitten der Zeit und die starren Regeln des Colleges. Für Frauen galt diese Zeit des Studierens nach Auffassung der Gesellschaft hauptsächlich als die, in der es galt, einen Mann zu finden, den sie heiraten konnten. Arbeiten und Karriere war die Sache der Männer. Das Thema Sex und mögliche Ehe steht daher auch im Vordergrund. Die New Yorker Autorin Rona Jaffe schreibt realistisch, allzu romantisch geht es daher nicht zu. Die Angst, schwanger zu werden, ist allgegenwärtig und die meisten Männer sind verschlossen. Über die Gefühle zueinander bleibt Unklarheit, die Beziehungen sind nicht gefestigt.
Eine Wendung im Buch kommt mit Beginn der sechziger Jahre, als die 4 das College beendet haben und unterschiedliche Wege gehen. Die Zeit ändert sowohl die Gesellschaft wie auch die Entwicklung der jungen Frauen. Das verdichtet sich noch mit den siebziger Jahren und in diesem Umfang konnte mich der Roman wirklich beeindrucken.