Fesselnd, düster, vielschichtig
Die Melodie der Schatten„...Plötzlich überkam sie Mitleid mit diesem Mann, den sie bis vor wenigen Tagen noch nicht einmal gekannt hatte und der seither immer wieder Unbehagen, Unsicherheit und Furcht in ihr hervorrief...“
Wir ...
„...Plötzlich überkam sie Mitleid mit diesem Mann, den sie bis vor wenigen Tagen noch nicht einmal gekannt hatte und der seither immer wieder Unbehagen, Unsicherheit und Furcht in ihr hervorrief...“
Wir schreiben das Jahr 1837. Fiona Hemington, Tochter eines schottischen Richters, ist mit ihrer Tante in einer Kutsche in den Highlands unterwegs. Sie soll nach dem Tode der Mutter bei der Tante in Edinburgh leben. Plötzlich bleibt die Kutsche stehen. Trotz Verbots der Tante verlässt Fiona den Wagen, um zu sehen, was passiert ist. Das rettet ihr das Leben. Nur mit den Sachen, die sie am Leib trägt, erreicht sie nach einem Marsch durch Kälte und Regen ein Herrenhaus. Dort trifft sie auf Laird Aidan, den Hausherrn.
Die Autorin hat einen spannenden und abwechslungsreichen historischen Roman geschrieben. Die Geschichte zeichnet sich durch einen hohen Spannungsbogen aus. Sie hat mich schnell in ihren Bann gezogen.
Die Personen werden gut charakterisiert. Fiona ist eine junge Frau, die besondere Begabungen hat. Ihr Vater aber sah das anders und hat sie im Haus versteckt. In seinen Augen war sie nicht vorzeigbar.
Aidan hütet ein dunkles Geheimnis. Er gibt sich Fiona gegenüber herrisch, bestimmend und abweisend. Schon auf den ersten Seiten wird klar, dass ihn ihr Name bekannt ist. Manche seiner Aussagen wirken mysteriös, so als er zu Fiona sagt:
„...Ja, ich neige sogar zu der Ansicht, dass Sie noch nicht einmal wissen, wer Sie selbst sind...“
Für Fiona ist das Herrenhaus anfangs ein Haus des Schreckens. Sie glaubt, des Nachts Musik und ein Klopfen zu hören. Eigenartige Träume verunsichern sie. Außerdem fühlt sie sich überwacht.
Der Schriftstil ist ausgereift und unterstützt die fesselnde Handlung. Zu den sprachlichen Höhepunkten gehören für mich die Gespräche zwischen Aidan und Fiona. Anfangs vor allem von Aidans Seite durch Überheblichkeit und Ablehnung gekennzeichnet, ändert sich ihr Charakter nach und nach. Dann gibt es Dialoge zwischen ihnen, die mehr verschweigen als sie aussagen. Beide lernen, das der andere vielleicht doch nicht der ist, wie sie ihn am Anfang eingeschätzt haben. Aus Fionas Worten spricht viel Bitterkeit, wenn sie formuliert.
„...Ich glaube daran, weil ich weiß, dass ein Leben ohne Liebe die Hölle seine kann...“
Aidan hatte sie gefragt, ob sie an Liebe und Vergebung glaubt. Er begreift ebenfalls, dass Fiona nicht das charakterliche Ebenbild ihres Vaters ist.
Völlig gegensätzlich sind die Gespräche von Fiona mit dem örtlichen Pfarrer und seiner Frau. Während erstere sie mit Klatsch und Tratsch versorgt und ihr Unbehagen eher stärkt als abzubauen, hält sich der Pfarrer seltsam bedenkt.
Durch Aidan erhält Fiona einen neuen Blick auf Schottland. Sie erfährt,dass das Land nach dem letzten Niederlage seine Seele verloren hat. Aidan sieht seine Heimat so:
„...Er liebte den Anblick eines heranbrechenden Morgens, die Sonne, die sich ihren Weg durch die Wolkendecke bahnte, den aufsteigenden Nebel vertrieb und schließlich das Land in Licht tauchte...“
Das Zitat zeigt, dass die Autorin das Spiel mit Worten und Metaphern ausgezeichnet beherrscht.
Als Leser darf ich verfolgen, wie Fiona an Selbstbewusstsein gewinnt und Schritte unternimmt, die Geheimnisse des Hauses zu ergründen. Gleichzeitig gewinnt sie zunehmend die Anerkennung der Bewohner.
Es gibt weitere interessante Facetten und Handlungsstränge. Die darf der zukünftige Leser selbst erkunden, denn sonst müsste ich zu tief in die Handlung einsteigen.
Jedes Kapitel beginnt mit einem Zitat des schottischen Dichters Robert Burns in Englisch. Außerdem wurde die deutsche Übersetzung abgedruckt.
Zu Beginn des Buches befindet sich eine historische Karte Schottlands. Im Anhang geht die Autorin ausführlich auf verschiedene Aspekte der Handlung und ihre historischen Wurzeln ein. Ein Glossar, Stöbertipps, schottisch-gälische Ausdrücke und zwei Personenverzeichnisse, getrennt nach historisch belegt und von der Autorin kreiert, ergänzen das Buch.
Das Buch im Stile eines schottischen Schauerromans hat mir ausgezeichnet gefallen. Es zeigt an vielen Stellen von ausführlichen Recherchen der Autorin. Diese malt ein sehr differenziertes Bild nicht nur der Lebensverhältnisse in Schottland. Es werden sehr dunkle Kapitel der Geschichte gestreift.