Zainichi
Ein einfaches LebenKorea in den 1930er-Jahren: Mit ihrer Mutter Yangjin betreibt Sunja, die Tochter eines inzwischen verstorbenen Fischers, ein Logierhaus. Sie leben in sehr einfachen Verhältnissen, aber kommen dank ihres ...
Korea in den 1930er-Jahren: Mit ihrer Mutter Yangjin betreibt Sunja, die Tochter eines inzwischen verstorbenen Fischers, ein Logierhaus. Sie leben in sehr einfachen Verhältnissen, aber kommen dank ihres Fleißes zurecht. Doch dann wird die junge Frau genau im falschen Moment schwach: bei einem verheirateten Mann, dem Fischgroßhändler Hansu, der sie nicht ehelichen kann. Um keine Schande über ihre Familie zu bringen, verlässt die schwangere Sunja ihre Heimat Korea. Sie bringt ihre Söhne Noa und Mozasu in Japan zur Welt. Koreanische Einwanderer, die „Zainichi“, werden dort wie Menschen zweiter Klasse behandelt. Sunja versucht, sich mit ihrer Situation abzufinden. Ihre Söhne jedoch fordern ihr Schicksal heraus: Noa studiert an den besten Universitäten, Mozasu zieht es in die Pachinko-Spielhallen der kriminellen Unterwelt der Yakuza.
„Ein einfaches Leben“ ist ein vielschichtiges Familienepos der Autorin Min Jin Lee.
Meine Meinung:
Der Roman besteht aus drei Teilen: Der erste betrifft die Jahre 1910 bis 1933, der zweite 1939 bis 1962 und der dritte den Zeitabschnitt 1962 bis 1989. Die Teile sind wiederum in mehrere Kapitel mit einer angenehmen Länge untergliedert. Die Handlung spielt an unterschiedlichen Orten in Korea und Japan. Dieser Aufbau funktioniert gut.
Der Schreibstil ist recht schnörkellos und wirkt zunächst ziemlich nüchtern. Aber er ist zugleich eindringlich, einfühlsam und fesselnd. Die Geschichte nimmt nur langsam Fahrt auf. Sie konnte mich jedoch zunehmend in ihren Bann ziehen und entfaltete trotz der hohen Seitenzahl bis zum Schluss eine Sogwirkung auf mich.
Der Einstieg in die Geschichte fiel mir nicht sehr leicht, was aber vorwiegend an der Vielzahl von fremden Namen und Ausdrücken lag. Nach den ersten Kapiteln sind die Personen und ihre Zusammenhänge deutlich und nachvollziehbar. Sunja und ihre Mutter hatten schnell mein Mitgefühl. Ihre Stärke, aber auch ihre menschlichen Schwächen machen sie zu authentischen, liebenswerten Charakteren. Auch die übrigen Personen erscheinen mir realitätsnah. Ihre Entwicklungen werden sehr gut deutlich.
Sehr interessant finde ich das große Thema des Romans: die Situation von koreanischen Migranten in Japan. Eindrucksvoll schildert das Buch, dass diese Einwanderer wie Menschen zweiter Klasse behandelt werden. Durch das Aufgreifen dieser Problematik wird der Roman nicht nur besonders, sondern auch lehrreich. Durch die Lektüre erfährt der Leser viel über die koreanische und japanische Kultur und Geschichte. Die gesellschaftlichen und politischen Hintergründe werden dabei auf unterhaltsame Weise transportiert. Ein Pluspunkt ist das Glossar, das wichtige Begriffe und Namen erläutert.
Schonungslos werden Brutalitäten und traurige Schicksale dargestellt. Krieg, sonstige Gewalt, Erniedrigungen, Ablehnung und Selbstmord sind nur einige Aspekte, die eine Rolle spielen. Dabei verzichtet das Buch bewusst auf Effekthascherei, konnte mich aber in mehrfacher Hinsicht tief berühren und nachdenklich machen.
Das reduzierte Cover passt nicht nur gut zum Inhalt, sondern gefällt mir auch optisch sehr. Der deutsche Titel weicht leider stark vom amerikanischen Original („Panchiko“) ab, das ich treffender finde.
Mein Fazit:
„Ein einfaches Leben“ von Min Jin Lee ist ein außergewöhnlicher Roman, der mich mit leisen Tönen bewegen konnte und noch eine Weile nachklingen wird. Eine empfehlenswerte Lektüre, die sowohl unterhaltsam als auch lehrreich ist.