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Veröffentlicht am 16.11.2016

Alles Licht genommen - Band 2 der Kim Stone Reihe

Evil Games – Wer ist ohne Schuld?
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Ruth, Opfer einer brutalen Vergewaltigung, ist entsetzt, dass ihr Peiniger Allan Harris schon vorzeitig aus der Haft entlassen wird. Ruth befindet sich bei Dr. Alexandra Thorne in psychologischer Behandlung, ...

Ruth, Opfer einer brutalen Vergewaltigung, ist entsetzt, dass ihr Peiniger Allan Harris schon vorzeitig aus der Haft entlassen wird. Ruth befindet sich bei Dr. Alexandra Thorne in psychologischer Behandlung, doch die überwältigenden Gefühle des Hasses rauben ihr trotz der inzwischen vergangenen zwölf Jahre immer noch den Verstand.

In Ruths Leben ist alles dunkel und sie glaubt, dass Allan Harris ihr das Licht des Lebens gestohlen hat.

Als Detective Kim Stone die Leiche von Allan Harris betrachtet, ist sie sich sicher dass es sich um einen Racheakt handelt. Kurz danach wird Ruth bereits verhaftet und sie gesteht den Mord an Harris. Doch DI Kim Stone bezweifelt Ruths Geständnis, denn sie glaubt dass Ruth von der Psychotherapeutin manipuliert wurde.

Ein spannendes, psychologisches Spiel beginnt.

Die Autorin:

Angela Marsons ist im Black Country, einer von Bergbau und Industrie geprägten Region Englands, geboren und aufgewachsen. Mit ihrer Partnerin lebt sie auch heute noch dort. Sie arbeitete lange Jahre in der Sicherheitsbranche, schreibt seit ihrer Jugend und veröffentliche mehrere erfolgreiche Kurzgeschichten. Mit »Silent Scream« legte Angela Marsons ihr beeindruckendes Krimidebüt vor, "Evil Games" ist der zweite Band dieser Krimireihe. (Quelle: Piper Verlag)

Reflektionen:

Angela Marsons Debüt Silent Scream – Wer ist ohne Schuld? habe ich mit Begeisterung gelesen. Deshalb war ich besonders auf den zweiten Teil der Reihe um Detectiv Kim Stone gespannt.

Angela Marsons bleibt ihrem Stil treu und besticht auch in diesem Kriminalroman durch charakterstarke Figuren und einen spannenden psychologischen Aufbau, der die Handlung geschickt durchwebt. Ihre Sprache ist glasklar und ihr Ausdruck angenehm kompromisslos. Schon der Einstieg in die Geschichte geht leicht von der Hand, bevor man sich völlig in der Geschichte verliert. Evil Games ist ein Buch, das mich durch ein hohes Tempo unwahrscheinlich stark dazu aufforderte zügig zu lesen, um in der Story voranzukommen.

Mit der Hauptfigur Kim ist Angela Marsons ein wahrlich interessanter Charakter gelungen. Kim ist überzeugter Single und sie liebt es an ihrer BSA Goldstar von 1954 zu schrauben. Um den Kopf frei zu bekommen, rast sie durch die Region Black Country und fordert dadurch leichtfertig, aber für sie begründet, ihr Schicksal heraus. Außenstehende mögen ihr Verhalten rätselhaft empfinden, doch wenn man erst weiß, welch beklemmendes Schicksal sie gezeichnet hat, dann bleibt man sehr berührt zurück.

Kim ist eigensinnig und tut nur selten das, was man von ihr erwarten würde. Ihre Ermittlerarbeit ist brillant, risikofreudig und ohne jegliche Angst selbst zugrunde zu gehen. Im Laufe der Geschichte von Evil Games stößt sie jedoch tatsächlich an ihre persönlichen Grenzen und sie muss sich auf ein psychologisches Spiel einlassen, um zu gewinnen.

Angela Marsons findet das richtige Maß den Leser durch eine interessante Handlung zu faszinieren und durch einen weiten Spannungsbogen mit einem perfekten, psychologischen Spiel zu fesseln.

Die Idee zum Buch ist erschreckend, denn wenn das was hier passiert möglich wäre, dann sollten wir auf der Hut sein.

Die Perspektive der glaubhaften Polizeiarbeit wechselt sich mit der Perspektive aus Sicht der Psychologin Dr. Alexandra Thorne ab, die dem Leser tiefe Einblicke in die kranke Seele der Ärztin erlaubt. Hier hat Angela Marsons eine wahrlich gruselige Idee umgesetzt, die zugleich äußerst beängstigend und bedrückend wirkt. Mehrere Verbrechen durchziehen die Handlung, die wiederum die Leben von zahlreichen, feingezeichnete Figuren berühren.

Ein wahrer Lesegenuss.

Fazit und Bewertung:

Erneut überzeugt Angela Marsons mit einem hoch spannenden Kriminalroman. Er ist definitiv ein Pageturner, den ich wirklich sehr gern empfehle.

Veröffentlicht am 14.11.2016

Schweigen gegen Schweigen

Die Toten, die dich suchen
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In dem Keller einer leerstehenden Immobilie wird die Leiche des kolumbianischen Geschäftsmannes Angelo Jaramillo aufgefunden, der bereits zwei Wochen zuvor aus seinem Hotelzimmer verschwunden war. Jaramillo ...

In dem Keller einer leerstehenden Immobilie wird die Leiche des kolumbianischen Geschäftsmannes Angelo Jaramillo aufgefunden, der bereits zwei Wochen zuvor aus seinem Hotelzimmer verschwunden war. Jaramillo ist gefesselt, er liegt auf einer rot-weiß gepunkteten Fleece Decke und ist im Angesicht einer unerreichbaren Wasserflasche auf grauenvolle Weise elendig verdurstet.

Die neue Leiterin der Vermisstenfahndung des KK 62 in Köln, Judith Krieger, übernimmt ihren ersten Fall, nachdem sie nach einem Sabbatjahr aus Kolumbien zurückgekehrt ist. Doch sie trifft auf ein ungeformtes und scheinbar desinteressiertes Team, dass ihr den Einstieg zurück in den Polizeidienst sehr erschwert.

Als Judith Krieger auf eine weitere Vermisste aufmerksam wird, ist sie gezwungen sich ihrer eigenen Vergangenheit zu stellen, die sie noch lange nicht verarbeitet hat. Und sie ahnt nicht, dass ein dramatisches Verbrechen ihre Ermittlerfähigkeit auf eine harte Probe stellt.

Die Autorin:

Gisa Klönne, geboren 1964, ist die Autorin von mittlerweile sechs erfolgreichen Kriminalromanen um die Kommissarin Judith Krieger. Daneben legte die unter anderem mit dem Friedrich-Glauser-Preis ausgezeichnete Autorin mit »Das Lied der Stare nach dem Frost« und »Die Wahrscheinlichkeit des Glücks« aber auch zwei Familienromane vor. Gisa Klönnes Romane sind Bestseller und wurden in mehrere Sprachen übersetzt. Sie lebt als freie Schriftstellerin in Köln. (Quelle: Pendo Verlag)

Reflektionen:

Bisher habe ich noch kein Buch der Autorin gelesen, aber mit ihrem Kriminalroman „Die Toten, die dich suchen“ hat sie mich so sehr überzeugt, dass ich als begeisterte Leserin garantiert bald ein weiteres Buch ihrer Reihe um Judith Krieger lesen werde.

Gisa Klönnes Schreibstil ist wie auf meinen Geschmack zugeschrieben. Er ist federleicht und doch würzig. Sie legt Schwerpunkte auf interessante Charakterzeichnungen, inklusive der der Nebenfiguren, und sie bietet eine komplexe und spannende Handlung, die dennoch süffig wie ein lieblicher Rotwein zu genießen ist.

Die Handlung erzählt nicht nur von brutalen Verbrechen und dessen authentischen Aufklärungen, sondern auch von aktuellen politischen Fragen, die in diesem Kriminalroman schwerpunktmäßig das drogenüberschwemmte und mafiöse Kolumbien betreffen, für die Gisa Klönne genauestens und aufwendig recherchiert haben muss. Sie vermischt geschickt politisches Zeitgeschehen mit der kolumbianischen Geschichte, die sich immer wieder um das Kartell des inzwischen verstorbenen Pablo Escobars dreht und so wird dieser Kriminalroman letztendlich auch zu einem dramatischen Gesellschaftsroman, der den Leser emotional berührt und auch schockt.

Die Toten, die dich suchen ist bereits der sechste Teil der Reihe um Kriminalhauptkommissarin Judith Krieger. Zunächst hatte ich deshalb Bedenken, denn oft fehlen dem Leser wichtige Informationen aus den vorherigen Teilen, aber meine Bedenken lösten sich vollständig in Luft auf, sodass ich diesen Kriminalroman sehr gut als „stand alone“ empfehlen kann.
Psychologisch gut aufgebaut begleiten vor allem die interessant gezeichneten Figuren die hoch spannende Handlung. Selbst Nebenfiguren gewinnen an Bedeutung ohne die Story zu überladen.

Besonders gut gefallen hat mir die Hauptprotagonistin Judith Krieger, die als brillante und taffe Ermittlerin agiert. Äußerlich merkt man ihr nicht an, dass ihr Seelenleben wellenförmig und turbulent verläuft und ihre neue berufliche Position einem Schleudersitz ins Aus gleicht. Doch durch ihre gesunde, soziale und fachliche Kompetenz vermittelt sie äußerlich einen gefestigten und soliden Eindruck, auch wenn sie innerlich alles andere als ausgeglichen ist und die Untiefen sowie die Toten und Geister ihrer Vergangenheit längst aus ihrem Leben gedrängt haben wollte. Die Persönlichkeit mit all ihren Facetten hat Gisa Klönne auf eine sehr interessante Weise dargestellt, denn sie gönnt dem Leser keine extra dafür geschaffenen Kapitel, sondern sie vermischt sie inmitten des Vorankommens der spannenden Geschichte.

Der Autorin gelingt es mühelos den Leser zu fesseln und hoch spannend zu unterhalten. Emotional hat dieser Kriminalroman ebenso einiges zu bieten, denn Lebensläufe der Figuren und die Verbrechen die Geschehen besitzen ein volles Maß an explosivem Zündstoff, der von der Gegenwart immer wieder bis in die Vergangenheit springt.

Wo andere bereits enden, schreibst Gisa Klönne weiter und so lese ich gefesselt über den gelungenen Showdown hinaus weiter, bis das harmonisch gezeichnete Ende Auflösungen bietet.

Fazit und Bewertung:

Die Toten, die dich suchen ist ein fesselnder Kriminalroman, der das politische Zeitgeschehen in Kolumbien beleuchtet. Interessant gezeichnete Charaktere und eine spannende Handlung versprechen eine fesselnde Leseunterhaltung.

Veröffentlicht am 26.09.2016

Die Maske hinter der Maske - Hoch spannend und sprachgewaltig

DIE WAHRHEIT
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Der Vermögende Unternehmer Philipp Petersen verschwindet spurlos während einer Geschäftsreise in Südamerika. Sieben Jahre lang fehlt jede Spur von ihm. Während dessen zieht Sarah Petersen, die Ehefrau ...

Der Vermögende Unternehmer Philipp Petersen verschwindet spurlos während einer Geschäftsreise in Südamerika. Sieben Jahre lang fehlt jede Spur von ihm. Während dessen zieht Sarah Petersen, die Ehefrau des vermeintlichen Entführungsopfers, ihren achtjährigen Sohn Leo allein auf. Sarah lebt zurückgezogen, arbeitet als Lehrerin, leistet ehrenamtliche Hilfe in einer Flüchtlingsunterkunft und kümmert sich aufopfernd um ihren Sohn.

Als sie sich entschließt einen Neuanfang zu wagen, ihren Ehering feierlich im Garten vergräbt, wärt ihr neu gesetztes Ziel nicht lange, denn ein Anruf vom Auswärtigen Amt kündigt die langersehnte Rückkehr Philipps an.

Er lebt.

Sarah weiß mit dieser langersehnten Situation kaum umzugehen. Gefühle des Glücks wollen sich nicht einstellen und als ihr Ehemann Philipp einen Skype-Anruf verweigert, jedoch darum bittet ihren gemeinsamen Sohn Leo nicht mit zum Flughafen zu bringen, ist sie schwer verunsichert.

Sarah beobachtet wie sich die Türen des Flugzeugs langsam öffnen. Sie sieht die wenigen Passagiere aussteigen, die Crew, doch wo ist Philipp?

Und dann steht er vor ihr.
Er ist ein Fremder.
Er ist nicht Sarahs Ehemann Philipp!

Die Autorin:

Melanie Raabe wurde 1981 in Jena geboren, wuchs in einem 400-Seelen-Dorf in Thüringen und einer Kleinstadt in NRW auf, studierte Medienwissenschaft und Literatur in Bochum und lebt inzwischen in Köln – als Journalistin, Drehbuchautorin, Bloggerin, Performerin und Theaterschauspielerin. Sie betreibt ihren eigenen Interview-Blog (www.biographilia.com) und erhielt bereits mehrere Preise für ihr Schreiben. Die Rechte an ihrem Roman "Die Falle" wurden bereits vor Erscheinen international verkauft, u.a. nach Frankreich, Italien, die Niederlande, Spanien und das englischsprachige Ausland. (Quelle: btb Verlag)

Reflektionen:

Nach dem Lesen von Melanie Raabes „Die Falle“ war ich mir sehr sicher, dass mich „Die Wahrheit“ ebenso begeistern würde, obwohl ich von Geschichten, die wie Kammerspiele wirken, etwas ermüdet war. Gone Girl, Girl on the Train und viele andere, in denen nur wenige Protagonisten agieren, die psychisch labil durch ihre Welten gehen, hinterlassen bei mir leider manchmal eine Lese-Schwerfälligkeit. „Die Wahrheit“ würde ähnlich wirken, verriet mir der Klappentext, aber ich freute mich erneut auf Melanie Raabes literarisch anmutige Sprachgewalt und ihren unverwechselbaren und anspruchsvollen Stil.

Ich liebe es wenn es klein in klein, detailverliebt und ausdrucksstark einhergeht. Wenn ich an den Gedanken der Figuren teilhaben darf, ihre innere Zerrissenheit spüren und das Erzittern ihrer Verunsicherung gegenüber ihrem Umfeld erfühlen kann, ohne von einer blumigen Sprache erdrückt zu werden.

Melanie Raabe gelingt es schriftstellerisch grazil, dem Leser auf besondere Weise die inneren Konflikte der Figuren, zwischen deren Gedankenwelten und dem dann folgenden handeln, bis ins kleinste Detail nah zu bringen und zu erläutern. Die Hauptfiguren, die beide neben einer no0rmalen Lebensweise eine tiefdunkle Seite besitzen, wirken dadurch unendlich zerrissen, niedergeschlagen, aber auch motiviert und angetrieben. Durch die Teilhabe an den Gedanken der Figuren und der intensiven Ich-Erzählweise sind die Charaktereigenschaften sehr deutlich und präsent, so dass ich als Leser ein sehr klares Bild von ihnen vor mir habe.

Die Konflikte und die durchlebten Emotionen der Figuren sowie die Perspektiven, die sich zwischen Sarah und dem „Fremden“ abwechseln, heben die psychologisch aufgebaute Spannung auf ein hohes Niveau an. Der rote Faden Spannung riss für mich niemals ab und trotz dass hier hauptsächlich nur zwei Figuren auf ihre Weise kämpfen, war ich sehr gefesselt und von zahlreichen gut pointierten Cliffhangern angetrieben und fasziniert zu gleivh. Eventuell wirkt die Geschichte so außergewöhnlich intensiv auf mich, da ich die Möglichkeit besaß, Seite um Seite mit kaum einer Unterbrechung lesen zu können.

Betrachtet man als Leser die Handlungsweise der Figuren, dann würde man es persönlich eigentlich anders machen. Der gesunde Menschenverstand gibt beispielsweise vor in einer bestimmten Situation die Polizei aufzusuchen. Doch Melanie Raabe gelingt es spielend leicht dem Leser die erforderliche Akzeptanz abzugewinnen, das die Figuren nur so handeln können und erhält so die Authentizität der Geschichte, dessen schlüssiges Ende dann sogar schon fast banal wirkt.

„Die Wahrheit“ ist kein blutiger Thriller der mit Action vollgepackt ist, sondern vielmehr ein psychologisches Verwirrspiel, dass sich in atmosphärischer Dichte in den Köpfen der Protagonisten abspielt. Die Brutalität in „Die Wahheit“ spiegelt sich einzig in der Betrachtung der menschlichen Abgründe wieder, die in dieser hoch emotionalen und geheimnisvollen Geschichte eine tragende Rolle spielen.

Dennoch, ich bin überzeugt dass „Die Wahrheit“ die Leser in zwei Lager auf splitten wird. Man wird sie mögen oder nicht, aber ein Dazwischen wird es kaum geben.

Zitat:

Ich sehe mich um, das Badezimmer hell erleuchtet durch das einfallende Tageslicht, erinnert mich in seinem strengen Weiß plötzlich an einen Operationssaal. Zittrig will ich mich auf den Rand der Badewanne setzten, streife dabei eine schlanke Phiole mit Schaumbad, die scheppernd und klirrend in die Wanne fällt. Das Geräusch erscheint mit unnatürlich hoch und laut, mir knacken die Ohren, dann wird das linke Ohr taub, schließlich höre ich einen hohen Piepton. Ich sehe dem Fläschchen zu, wie es in der Wanne hin- und herrollt, endlich liegenbleibt. Das Piepen in meinem Ohr wird lauter, helle Flecken breiten sich in meinem Gesichtsfeld aus, und kurz macht nichts mehr einen Sinn. Meine Blicke schweifen rastlos umher, ich versuche, einen Zusammenhang zwischen den Dingen zu erkennen, die ich sehe. Weiß, alles weiß und glatt. Weiße kalte Fliesen. Die glatte, weiße Oberfläche einer Badewanne. Ein weißes Waschbecken. Die weiße Orchidee, weiße Handtücher, weiße Seifenspender, ein weißer Duschvorhang. Nur ein paar Farbtupfer. Die schmale Flasche, die in der Badewanne liegt und mit einer Flüssigkeit gefüllt ist: saphierblau. Eine kleine Taucherbrille mit Schnorchel, neongrün. Eine winzige Darth-Vader-Figur aus Plastik, tiefschwarz. Ein Quitscheendchen, pink. Und ich. Ich blicke an mir herab. Auf meine braungebrannten Beine, die unter meinem weißen Kleid hervorragen, meine kirschroten Zehennägel. Ich blinzle. Spüre die kühle, glatte Oberfläche unter mir, fühle, wie eine Gänsehaut die Härchen an meinen Armen aufstellt, starre auf die Fliesen vor mir. Das Weiß flimmert vor meinen Augen. Ein Wasserhahn tropft, plitsch, plitsch, plitsch, das Geräusch wird immer lauter plitsch, plitsch, plitsch, plitsch, aber ich kann nicht aufstehen und ihn abstellen, ich muss hier sitzen und warten, bis die Taubheit vorbeigeht, der Tremor, der Schwindel. Der leichte Geruch einer Duftkerze, die auf dem Rand der Badewanne steht, steigt mir in die Nase, ich habe vergessen, was so riecht, vielleicht Vanille? Zitrone? Amber?

Mein Herzschlag beruhigt sich langsam.

Fazit und Bewertung:

Die Wahrheit ist ein unblutiger Thriller, der emotional und sprachgewaltig als psychologisches Verwirrspiel die Seiten füllt. Ich empfehle ihn all denen, die sich nicht scheuen, von nur wenigen Figuren durch eine geheimnisvolle Handlung geführt zu werden, die hauptsächlich in atmosphärischer Dichte in den Köpfen der Protagonisten spielt.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Das Gift des Misstrauens – Ein großartiges Thriller-Highlight

Zwei Sekunden
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Zweiter Fall des Ermittlerteams um Kommissar Eugen de Bodt.

In Berlin wird ein Terroranschlag auf die deutsche Bundeskanzlerin und den russischen Präsidenten verübt, die den Terrorakt nur um „zwei Sekunden“ ...

Zweiter Fall des Ermittlerteams um Kommissar Eugen de Bodt.

In Berlin wird ein Terroranschlag auf die deutsche Bundeskanzlerin und den russischen Präsidenten verübt, die den Terrorakt nur um „zwei Sekunden“ überleben.

Es gibt kein Bekennerschreiben. Die Russen vermuten dass tschetschenische Terroristen hinter dem Anschlag stecken. Der Druck der Öffentlichkeit und der Politik ist so enorm, dass Verfassungsschutz und Bundeskriminalamt dem unliebsamen Kommissar Eugen de Bodt erlauben, neben der ins Leben gerufenen Task Force, eigene Ermittlungen einzuleiten. Eine Vernunftentscheidung, die mit einem guten Ermittlungsergebnis ein funktionierendes Staatsgebilde suggerieren würde. Liefert de Bodt keine Ergebnisse, wird er derjenige sein, auf dessen Schultern das Versagen der Ermittlungsorgane lasten wird.

Lange tappen de Bodt und sein Team im Dunkeln. Die Task Force und Kollegen arbeiten gegen sie. Es muss einen Maulwurf geben und sie sind bald sicher, dass dieser Fall ausschließlich durch intelligentes Handeln zu lösen ist. Doch bis dahin, setzt de Bodt riskant sein eigenes Leben aufs Spiel.

Zitat:

Ein Schlag hob den Wagen von der Straße. Die Straße explodierte. Die Detonation zerriss die Panzerung des Wagenbodens. Schoss Trümmer und Splitter wie ein Schrapnell in den Audi. Der Wagen stand einen Augenblick in der Luft, drehte sich zur Beifahrerseite und knallte dumpf auf die Straße.

Da waren die Insassen längst zerfetzt.

Der Autor:

Christian v. Ditfurth, geboren 1953, ist Historiker und lebt als freier Autor in Berlin. Zuletzt hat er neben Sachbüchern und Thrillern (Das Moskau-Spiel, 2010) Kriminalromane um den Historiker Josef Maria Stachelmann veröffentlicht, die auch in den USA, in Frankreich, Spanien und Israel veröffentlicht wurden. Zuletzt erschienen Das Dornröschen-Projekt und Tod in Kreuzberg. (Quelle: carl’s books Verlag)

Reflektionen:

Christian von Ditfurth hat mich schon vor vielen Jahren mit seinen Stachelmann Kriminalromanen begeistert. Darin habe ich es besonders genossen, den Historiker von Ditfurth erkennen zu dürfen. Dann kam Heldenfabrik, Eugen de Bodts erster Fall. Genial, intelligent und rasant. Klar, dass ich Zwei Sekunden sehnsüchtig erwartet habe.

Zwei Sekunden ist noch besser. Noch intelligenter, noch viel rasanter und brisanter und, thematisch aktueller denn je. Die Authentizität des am Anfang stehenden Terrorakts hätte gestern oder heute genau so geschehen sein können.

Und das schockt.

Gut dass es sich um eine fiktive Geschichte handelt, aber immer wieder verliere ich mich in Gedanken, die mich erinnern, dass diese Form des Terrors leider inzwischen bitterer Alltag in unserer Welt ist.

Die Inhaltsangabe verspricht politische Dramaturgie. Ich lese sehr gern Polit-Thriller, vor allem wenn sie so realistisch erzählt werden, und doch kann ich versichern, dass die politischen Machenschaften in diesem komplexen Thriller angenehm maßvoll beleuchtet werden. Im Großen geht es hier bis zu Letzt um eine unglaublich rasante Jagd nach Motiven und Tätern.

Wunderbar interessant dargestellt empfinde ich die Konflikte zwischen de Bodts Ermittlungsteam und der Task Force, der nicht nur das BKA, der Verfassungsschutz sondern auch die Russen angehören. De Bodt wittert einen Maulwurf in diesen eigenen Reihen und so muss das Team jeden Schritt den sie tun gewissenhaft austaxieren. Sie fahren ein enormes Risiko, aber ihr kleines Team ist so perfekt aufeinander abgestimmt, dass hundertprozentiges Vertrauen und intelligente Überlegungen zielführend sind.

Die Hauptfigur Eugen de Bodt hasst es Polizist geworden zu sein. Dementsprechend verbindet ihn emotional nichts mit Kollegen und Vorgesetzten, außer mit seinem Team. Er tickt anders als alle und er zieht alles so durch, wie er es für richtig hält. Neid und Missgunst seiner Kollegen und Vorgesetzten sind im stets gewiss. So eigenbrötlerisch wie de Bodt auch ist, er ist ein äußerst intelligenter Sympathieträger. Philosophisch fundierte Einlagen seinerseits sind ein Augenschmaus. Selbst Teammitglied Yussuf, ein blonder Zappelphilipp-Türke, beginnt inzwischen zu philosophieren, wenn er mal nicht gerade mit spitzfindigen Bemerkungen und Kommentaren Kollegen nervt. Die dritte im Bunde ist Silvia Salinger, die manchmal unnahbar erscheint und dann wieder de Bodts Nähe sucht. Dieses Ermittlungsteam stemmt fast Unmögliches. Sie sind fachlich absolut kompetent, agieren authentisch, akzeptieren unorthodoxe Ermittlungsmethoden und sind ein richtig gut aufeinander abgestimmtes Team.

Von jedem Ermittler fließen auch sehr persönliche Dinge mit in die Handlung ein. Angenehm auflockernd, nach dem die tempogeladene Story und die kontinuierliche Spannung kaum Zeit zum Verschnaufen vorhält. Darüber hinaus gibt es auch einige humorvolle Dialoge, die mir ein ums andere Mal ein Lächeln ins Gesicht zaubern.

Die Geschichte lebt von geschickten Perspektivwechseln, die Christian von Ditfurth intelligent mit Verstrickungen und Wendungen versorgt, die wiederum explosionsartige Spannungshöhepunkte produzieren.

Es geht brutal zu und es fließt einiges an Blut.

Christian von Ditfurth schreibt in einem literarisch anspruchsvollen Stil. Seine Sprache ist ausdrucksstark und auf dem Punkt. Die dichte Handlung hat es nicht nötig mit Tam Tam und drumherum Geschreibe aufzuwarten. Tiefgründigkeit, Komplexibilität, Authentizität und Hochspannung gelingen dem Autor scheinbar spielend leicht.

Zwei Sekunden kann man sehr gut als „stand alone“ lesen, doch ich würde für einen runden Lesegenuss zuerst das lesen von Heldenfabrik empfehlen.

Fazit und Bewertung:

Zwei Sekunden ist ein intelligenter und hochspannender Thriller. Er ist komplex, doch man widmet ihm sehr gern seine volle Konzentration. Für mich ist dieser Thriller definitiv ein Lese-Highlight 2016, dass ich sehr gern und ausdrücklich weiterempfehle. Ich möchte dieses Buch unbedingt verfilmt sehen.

Einfach großartig!

5 Sterne Lese-Highlight 2016

Veröffentlicht am 15.09.2016

NSU-Polit- Thriller - Brisant, intelligent und aufrüttelnd authentisch

Wolfsspinne
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2011 in Eisenach:

Zwei Männer werden in einem Wohnmobil tot aufgefunden. Alles deutet zunächst auf einen Selbstmord hin. Doch dann wird klar, diese beiden Männer gehörten zu einem rechtsextremen Trio, ...

2011 in Eisenach:

Zwei Männer werden in einem Wohnmobil tot aufgefunden. Alles deutet zunächst auf einen Selbstmord hin. Doch dann wird klar, diese beiden Männer gehörten zu einem rechtsextremen Trio, das im „Nationalsozialistischen Untergrund“ (NSU) agierte. Der dritte Mann ist Ronny Vogt. Er beobachtete den NSU für den Verfassungsschutz.

„Aktion Wolfsspinne“

Er kennt die Wahrheit, doch er muss für immer schweigen.

Heute in Düsseldorf:

Melli Franck wird in ihrem Promi-Restaurant brutal ermordet aufgefunden. Erste Spuren führen Hauptkommissar Vincent Veith ins Drogenmilieu, denn bei Melli Franck werden Drogen gefunden, die sie selbst auch konsumierte. Merkwürdig auch, dass Melli Francks Ex-Ehemann weiter in das heruntergewirtschaftete Restaurant investierte. Vincent Veith steht zunächst vor einem großen Rätsel, bis weitere Morde geschehen. Im Zuge dieser Ermittlungen berühren Spuren den „Nationalsozialistischen-Untergrund“ weit in der Vergangenheit. Als Vincent Veith seinen entfernten Cousin Ronny Vogt im Zusammenhang mit einem der Morde befragt, holt ihn dessen Vergangenheit mit dem mörderischen NSU-Trio ein und seine Tarnung droht aufzufliegen.

„Ein hochbrisanter Politthriller vor dem Hintergrund von Flüchtlingszuwanderung und Pegida, der die offizielle Version zum Thema NSU infrage stellt.“

Der Autor:

Horst Eckert, 1959 in Weiden/Oberpfalz geboren, lebt seit 29 Jahren in Düsseldorf. Er studierte Politische Wissenschaft und arbeitete fünfzehn Jahre als Fernsehjournalist. 1995 erschien sein Debüt «Annas Erbe». Seine Romane gelten als «im besten Sinne komplexe Polizeithriller, die man nicht nur als spannenden Kriminalstoff lesen kann, sondern auch als einen Kommentar zur Zeit» (Deutschlandfunk). Sie sind in mehrere Sprachen übersetzt sowie preisgekrönt (u.a. Friedrich-Glauser-Preis für «Die Zwillingsfalle», Krimi-Blitz für «Schwarzer Schwan»).

Bei Wunderlich erschienen bisher seine Politthriller «Schwarzlicht» und «Schattenboxer» um den Düsseldorfer Ermittler Vincent Che Veih. (Quelle: Wunderlich Verlag)

Reflektionen:

Wenn ich Bücher lese, dann liegt stets ein Notizbuch neben mir, in dem ich all das notiere, was ich später in meine Rezension fließen lassen möchte. Als ich Wolfsspinne las, füllten sich meine Seiten im Hand umdrehen, so dass ich nun vor einer großen Flut von Notizen für diese Rezension sitze. Es sind so außergewöhnlich viele Notizen geworden, da Horst Eckert die Seiten seines intelligenten Polit-Thrillers auf jeder Seite mit Informationen garniert, die ich süchtig lesend in mich hineinsauge.

Er spielt mit mir als Leser, denn seine Geschichte tanzt auf Messers Schneide. Absichtlich drückt er den Leser in Selbstzweifel, denn was ist Realität und was Fiktion? Was ist Fakt oder was reales Zeitgeschehen und was ist Horst Eckerts Version, wie alles gewesen sein könnte?

Horst Eckerts glaubwürdige Version ist weit entfernt von einer Verschwörungstheorie, aber sie strotzt nur so vor brutaler Authentizität und das ist es was diesen hochspannenden Thriller so interessant und erschreckend zugleich macht. Selbst wenn man die NSU-Affären in der Presse aufmerksam verfolgt hat, kommt man trotzdem mit seinen abgespeicherten Informationen und den verbliebenen, unermesslich vielen Spekulationen arg ins Schleudern, denn wir alle wissen sicher, dass man uns Bürgern nicht die reine Wahrheit vorgesetzt hat. Wolfsspinne ist also nicht nur ein sehr spannender Thriller, sondern auch eine brisante Möglichkeit der Aufklärung.

Niemand braucht sich sorgen dass die Geschichte möglicherweise langweilt, weil man erneut und erneut von der NSU liest. Ganz im Gegenteil, spannender kann ein Polit-Thriller mit realem Bezug absolut nicht sein und der Spagat zwischen Fiktion und Realität ist genial gelungen.

Daneben hat Horst Eckert Protagonisten erschaffen, deren Legenden die Hauptrollen spielen. Er versucht aber auch mit Hilfe seiner schriftstellerischen Freiheit die damaligen Täter kennenzulernen bzw. aufzudecken was sie warum taten und beleuchtet wie sie heute leben könnten.

Die Lebensläufe der vielschichtigen Figuren weisen viele Parallelen zu Mundlos, Tschäpe, Böhnhardt & Co. auf, aber sie führen dennoch ein von ihnen unabhängiges Leben, dass immer wieder, dann authentisch, die Bundesregierung, BKA, LKA und vor allem den Verfassungsschutz angenehm taktlos und kritisch kreuzt. Es ist deutlich zu lesen, wie der Autor das Ergebnis der Bundesanwaltschaft anzweifelt, bei der sich die Widersprüche im NSU-Prozess, offensichtlich nicht verfolgte Spuren und merkwürdige Todesfälle von Zeugen summieren. Überhaupt wird beim Lesen erneut deutlich, wie wenig man als Bürger die Wahrheit kennt.

In Wolfsspinne ermittelt erneut der sympathische Vincent Veith, dessen Mutter einst selbst als Terroristin agierte. Daraus ergeben sich immer wieder interessant in Szene gesetzte Konflikte, die Veiths Polizistenlaufbahn kontinuierlich stören. Auch wenn dieser Ermittler bereits zum dritten Mal Geschichte schreibst, so meine ich, dass man Wolfsspinne auch ohne die Vorgänger vorher gelesen zu haben als „stand alone“ sehr gut genießen kann ohne etwas Vergangenes zu vermissen.

Host Ecket hat Wolfsspinne zwei Perspektiven geschenkt, die erfrischend im Wechsel harmonieren. Wendungen und Verstrickungen beleben den komplexen Thriller, den man sehr bewusst genießen sollte. Genuss ist darüber hinaus auch der Schreibstil des Autors. Knackig, faktisch, sehr gewissenhaft recherchiert, nüchtern, aber durchaus auch emotional und mit einem Hauch von Humor.

Fazit und Bewertung:

Wolfsspinne ist ein hochbrisanter, intelligenter und komplexer Polit-Thriller. Für mich ein Lese-Highlight 2016. Ich empfehle ihn den Liebhabern von Polit-Thrillern und Fans von Vincent Veith.