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Veröffentlicht am 08.01.2019

Eisige Winde

Die Schneetoten
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wehen durch das Wintercamp, das die ehemalige Entwicklungshelferin Amanda Doucette gemeinsam mit einigen Helfern für junge Leute, die es nicht einfach haben, organisiert: es sind zumeist Flüchtlinge, vor ...

wehen durch das Wintercamp, das die ehemalige Entwicklungshelferin Amanda Doucette gemeinsam mit einigen Helfern für junge Leute, die es nicht einfach haben, organisiert: es sind zumeist Flüchtlinge, vor allem aus dem Nahen Osten, genauer gesagt ist nur ein echter Kanadier, nämlich Luc, dabei. Und der verscherzt es sich alsbald mit allen anderen "Kollegen", wobei er nicht der Einzige ist, der Animositäten weckt.

Und dann ist er auch noch weg! Nicht ganz spurlos verschwunden - denn Amanda und auch ihr Team kennen sich in der kanadischen Wildnis bestens aus und sind somit unter anderem geübte Fährtenleser.

Dennoch - Luc ist schlicht unauffindbar. Und dann verschwindet eine Zweite, nämlich Yasmina, die mit ihrer Familie - die Eltern sind Wissenschaftler- aus dem Irak geflohen ist. Ist es tatsächlich möglich, dass gerade sie sich radikalisiert hat? Darauf deuten nämlich verschiedene Hinweise. Und was ist mit Luc? Auf welcher Seite steht er? Die Blicke, die Yasmina und er sich im Camp zugeworfen hatten, sprachen nämlich Bände...

Ein Krimi, in dem es durchaus auch mal härter zugeht und Blut fließt. Und das nicht zu knapp! Aber eben nur stellenweise, ansonsten sind es eher politische und soziale Fragestellungen, die hier eine Rolle spielen. Und eben Kanada mit seinen schneebedeckten Weiten und den charismatischen Städten. Kanada, das sich so offen gegenüber Flüchtlingen verhält, ist sozusagen einer der maßgeblichen Helden dieses Bandes - man könnte sogar sagen, dass das Land Kanada Amandas engster Unterstützer ist. Und manchmal auch - aber eher selten - ihr größter Feind.

Beim Einbringen eines so gewaltigen Naturschauspiels in den Krimi, ist es aus meiner Sicht nicht allzu verwunderlich, dass Längen in der Handlung entstehen, gerade auch bei langwierigen Szenen in der schneebedeckten Landschaft, die einen nicht geringen Teil der Handlung bestimmen.

Leider kein Buch wie ein Orkan, sondern stellenweise fast ein bisschen dröge. Wenn auch die Themen sehr interessant und vor allem auch aktuell sind, in jeder Hinsicht. Ein Krimi, den man mal gut im Urlaub lesen kann, aber nicht im Strandkorb. Das ist was für den Winterurlaub, zwischen Après Ski und Nachtruhe auf der Hüttn!

Veröffentlicht am 30.12.2018

Eine Ausgegrenzte kommt zu Wort

Malva
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Und zwar Malva, die Tochter des späteren Nobelpreisträgers, des chilenischen Autors Pablo Neruda, die schwer behindert, ja nach damaliger Ansicht missgestaltet zur Welt kam und in ihrem kurzen, nur achtjährigen ...

Und zwar Malva, die Tochter des späteren Nobelpreisträgers, des chilenischen Autors Pablo Neruda, die schwer behindert, ja nach damaliger Ansicht missgestaltet zur Welt kam und in ihrem kurzen, nur achtjährigen Leben, von ihrem Vater mit Mißachtung gestraft wurde. Mehr noch, Neruda trennte sich von Malva und ihrer Mutter, weil er dieses Kind nicht ertragen konnte - so jedenfalls eine Information, die an die Öffentlichkeit drang.

Hier erteilt die niederländische Schriftstellerin Hagar Peeters Malva das Wort und zwar nach ihrem Tod. Denn sie hat nach ihrem Tod endlich einen Kreis gefunden, in dem sich andere beiseite Gedrängte im Jenseits - in welcher Form auch immer dieses existiert - zusammengefunden haben, unter anderem Oskar Matzerath, der ebenfalls von seinem "Vater" Günter Grass mies behandelt wurde, er hat ihn quasi behindert geschrieben.

Ein Roman, der randvoll ist mit literarischen, aber auch gesellschaftspolitischen Anspielungen - will man ihn in seiner Gänze genießen, sollte man am besten durchgehend einen Internetanschluss zur Hand haben, um diesem oder auch jenem mal nachzugehen.

Es ist ein kraftvoller Roman, aber auch ein eigensinniger und eigenwilliger - als hätten Malva und Hagar Peeters sich verbündet und gingen nun ihren eigenen, ganz individuellen Weg, bei dem es ihnen mehr oder weniger egal ist, ob sie den Leser nun erreichen oder auch nicht.

Bei mir ist leider letzteres der Fall - ich empfand das Buch als extrem anstrengend zu lesen, musste mich immer wieder zusammennehmen, um weiterzumachen, wobei mir stets klar war, dass das ungerecht ist von mir, dass ich hier quasi ein Meisterwerk mißachte. Allerdings eines, das an mir abprallt wie an einer Wand. Was nicht bedeutet, dass man es nicht lesen sollte, im Gegenteil. Ich wünsche "Malva" viele Leser, die den Roman so in sich aufnehmen können, wie es in der Absicht der Autorin liegt, die alle Botschaften und Anspielungen verstehen und auch goutieren.

Veröffentlicht am 30.12.2018

Herbst und Winter 1925

Das Fest der kleinen Wunder
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auf Gut Fennhusen in Ostpreußen werden hier geschildert und zwar aus der Sicht von Frederike, der ältesten Tochter des Hauses. Sie ist sechzehn und auf dem Sprung in die große weite Welt - im nächsten ...

auf Gut Fennhusen in Ostpreußen werden hier geschildert und zwar aus der Sicht von Frederike, der ältesten Tochter des Hauses. Sie ist sechzehn und auf dem Sprung in die große weite Welt - im nächsten Herbst soll es für sie ins Rheinland gehen - nach Bad Godesberg auf die Hauswirtschaftsschule.

Fernab von den Roaring Twenties, allerdings auch von der nahenden Wirtschaftskrise und diversen extremen politischen Strömungen leben die Fennhusens auf ihrem Gut wie anno dazumal - mit zahlreichen Bediensteten, üppigen Mahlzeiten und einer prall gefüllten Vorratskammer, von der auch die profitieren, die es nicht so gut haben wie die Herrschaften.

Wenn man sich ein bisschen mit dieser Epoche beschäftigt hat, scheint es ein wenig wie ein Leben unter der Glasglocke zu sein - hier hat der erste Weltkrieg nur wenig an den vorhandenen Gesellschaftsstrukturen geändert.

In den Mittelpunkt der Geschichte rückt mehr und mehr die schwierige Stute Caramell, was aus meiner Sicht dem Roman den Charakter eines Jugendbuchs verlieh, der mit den anderen Entwicklungen eher wenig zusammen passte.

Gut hingegen gefiel mir die stimmungsvolle Darstellung der herbstlichen und winterlichen Festsaison.

Allerdings gehen die Schilderungen nicht allzusehr in die Tiefe, der schmale Band eignet sich also eher als Lektüre für zwischendurch bspw. an dunklen und trüben Winterabenden, an denen man offen ist für ein wenig warmherzige Unterhaltung. Mehr ist es aus meiner Sicht nicht - ich bezweifle, dass mir die Handlung allzu lange im Gedächtnis bleiben wird.

Veröffentlicht am 26.12.2018

Ophelia ist am Ball

Ich, Ophelia
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und bleibt es auch - sie kommt nämlich nicht wie in Shakespeares Originalfassung im Wasser ums Leben, sondern kann sich davonmachen, als es eng wird.

Ihr Leben als eher niedere Hofdame von Gertrud, der ...

und bleibt es auch - sie kommt nämlich nicht wie in Shakespeares Originalfassung im Wasser ums Leben, sondern kann sich davonmachen, als es eng wird.

Ihr Leben als eher niedere Hofdame von Gertrud, der Gattin des Königs und ihr "Krösgen" mit Hamlet, das eindeutig mehr als eine kleine Affäre ist, werden von amerikanischen von der Shakespeare-Forscherin Lisa Klein nicht nur in ein neues Gewand gepackt: nein, sie werden gnadelos durchgerüttelt!

Gertrud, Hamlet, dessen engster Vertrauter Horatio, aber auch Ophelias Familie und etliche Hofdamen kommen nicht nur einmal zu Wort. Ihnen allen wird eine Charakterisierung zuteil, eine neue, oft tragfähigere Rolle, als das im Original der Fall ist.

Zu beachten sei auch, dass Lisa KLein das Genre wechselt . aus dem Drama wird ein Roman, wodurch die Handlung, die Gedankengänge der einzelnen Figuren um einiges vielschichtiger werden.

Ein Wagnis, diesen Stoff, der weltweit in aller Munde ist, neu zu interpretieren, neu auszurichten, ja, daraus eine neue Geschichte zu machen. Die aus meiner sich Sicht etwas zu langatmig und verwinklet daher kommt.

Andererseits kann man der Autorin durchaus trauen, was die Vorlage und den seriösen Umgang damit anbelangt. Sie packt das Thema mit Achtung an, ja man könnte fast schon sagen, sie greift es an, denn sie traut sich so einiges damit. Ich schätze es sehr, dass Lisa Klein Ophelia und auch Hamlet eine neue Bedeutung gibt, hätte mir aber das "Wie" ein wenig greifbarer und anschaulicher gewünscht!

Veröffentlicht am 30.11.2018

Eine Familie in Vergangenheit und Gegenwart

Mädelsabend
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Die Ärztin Sara und ihre Großmutter Ruth sind seit jeher ein Herz und eine Seele. Kein Wunder, dass Sara ihre Großeltern - auch ihren Opa Walter liebt sie über alles, ist sie doch schließlich zu einem ...

Die Ärztin Sara und ihre Großmutter Ruth sind seit jeher ein Herz und eine Seele. Kein Wunder, dass Sara ihre Großeltern - auch ihren Opa Walter liebt sie über alles, ist sie doch schließlich zu einem Teil bei ihnen aufgewachsen - auch nach ihrem Umzug in ihre Altersresidenz auf Burg Winnenthal. Bald bekommt sie mit, dass das Miteinander ihrer Großeltern keineswegs ein harmonisches war und dass vor allem Ruth auf vieles verzichten musste. Aus wohlhabender Familie stammend und mit Ambitionen auf ein Studium musste sie sich nach ihrer Heirat der Familie ihres Mannes und vor allem dem überaus strengen und egozentrischen Regiment des Schwiegervaters unterordnen. In Rückblicken wird ihr Leben von Jugendtagen an beleuchtet.

Da ist es bei Sara es heute ganz anders: sie ist - wie auch ihr Vater Klaus - Ärztin geworden und steht am Beginn einer verheißungsvollen Karriere mit Aussicht auf eine Habilitation. Parallel führt sie mit ihrem Lebensgefährten Lars eine harmonische Beziehung, die seit einem Jahr durch Söhnchen Paul bereichert wird. Eine moderne Powerfrau also. Doch ist es auch bei ihr nicht einfach - ein Forschungstipendium in Cambridge lockt - dafür müsste Sara allerdings für ein paar Jahre quasi ein Schmalspur-Familienleben führen. Wird das möglich sein?

Die Autorin Anne Gesthuysen arbeitet sorgfältig die Unterschiede beider Leben heraus und stellt sie einander gegenüber. Die Fortschritte der Entwicklung des Miteinanders beider Geschlechter werden hier klar und deutlich dargelegt, dazu kommt eine gehörige Portion niederrheinischen Lokalkolorits, mit viel Charme und einer Prise Humor vermittelt.

Dass mich das vorliegende Buch doch nicht so restlos begeistern konnte wie der Vorgängerroman "Sei mir ein Vater", liegt an den Wertvorstellungen, die die Autorin aus meiner Sicht trotz vielfacher Herausstellung der verbesserten Situation der Frau in der Gegenwart im Vergleich zur Nachkriegszeit vermittelt. Denn letztendlich sollte man einerseits (in Ruths Fall) verzeihen und zwar nahezu grenzenlos, andererseits (Sara) sollte man auch heute seine eigenen Interessen hinter die der Familie stellen. Dass es gerade für Sara abgesehen von der vorgestellten Alternative zahlreiche andere Möglichkeiten gegeben hätte, wird leider ausgeklammert.

Mein Fazit also: Ein eindringlicher Roman über das Leben am Niederrhein - vor allem aus weiblicher Sicht - von den 1950ern bis in die Gegenwart. Doch ist das Fazit aus meiner Sicht ein nahezu niederschmetterndes, beinhaltet es doch für mich die Botschaft, dass das wahre Glück einer Frau in ihrer Familie liegt und sie weitere Interessen, ja Berufungen hintenan zu stellen hat. Und zwar immer noch mehr, als das bei einem Mann der Fall ist.