Cover-Bild Das Verschwinden des Josef Mengele
20,00
inkl. MwSt
  • Verlag: Aufbau Verlag
  • Themenbereich: Belletristik - Belletristik: zeitgenössisch
  • Genre: Romane & Erzählungen / Sonstige Romane & Erzählungen
  • Seitenzahl: 224
  • Ersterscheinung: 10.08.2018
  • ISBN: 9783351037284
Olivier Guez

Das Verschwinden des Josef Mengele

Roman
Nicola Denis (Übersetzer)

Auf den Spuren des Bösen – der Sensationsbestseller aus Frankreich

1949 flüchtet Josef Mengele, der bestialische Lagerarzt von Auschwitz, nach Argentinien. In Buenos Aires trifft er auf ein dichtes Netzwerk aus Unterstützern, unter ihnen Diktator Perón, und baut sich Stück für Stück eine neue Existenz auf. Mengele begegnet auch Adolf Eichmann, der ihn zu seiner großen Enttäuschung nicht einmal kennt. Der Mossad sowie Nazi-Jäger Simon Wiesenthal und Generalstaatsanwalt Fritz Bauer nehmen schließlich die Verfolgung auf. Mengele rettet sich von einem Versteck ins nächste, lebt isoliert und wird finanziell von seiner Familie in Günzburg unterstützt. Erst 1979, nach dreißig Jahren Flucht, findet man die Leiche von Josef Mengele an einem brasilianischen Strand. Dieser preisgekrönte Tatsachenroman von Olivier Guez, der in Frankreich sofort zum Sensationsbesteller wurde, liest sich wie ein rasanter Politthriller und wahrt zugleich die notwendige Distanz.

"Olivier Guez schuf mit diesem bekannten Verfahren eine phantastische neue Romanform.“
Frédéric Beigbeder in Le Figaro magazine

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Lesejury-Facts

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 18.01.2019

Mengele, Mensch und Monster

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Oliver Guez wagt ein Experiment, nämlich einem Monstrum der Geschichte wie Josef Mengele ganz nah zu kommen. So nah, dass man diesen Inbegriff der Menschenquälerei plötzlich als Menschen wahrnimmt und ...

Oliver Guez wagt ein Experiment, nämlich einem Monstrum der Geschichte wie Josef Mengele ganz nah zu kommen. So nah, dass man diesen Inbegriff der Menschenquälerei plötzlich als Menschen wahrnimmt und nicht als Symbol.

Warum ist das gewagt? Weil bei solcher Nähe die Gefahr besteht, dass erstens der monumentale Menschenfeind Mengele zu einem banalen Verbrecher geschrumpft wird, einem Menschen mit Vater und Geschwistern, dem man als Leser zweitens so nahe kommt, dass man sich womöglich mit ihm und seinen Sorgen und Nöten identifiziert.

Guez gelingt diese Nähe, ohne dass Mengele auch nur zu einem einzigen Zeitpunkt sympathisch, bedürftig oder mitmenschlich erscheint. Im Gegenteil: Indem Guez das Symbol Mengele in seiner Menschlichkeit nachgerade auflöst, fragmentalisiert und filetiert, wird die „Banalität des Bösen“ nur umso sichtbarer: Es ist kein Monstrum, das als KZ-Arzt unmenschliche Versuche unternommen hat, sondern ein Mensch wie du und ich. Und das macht seine Verbrechen umso unverzeihlicher.

Gleichzeitig stehen einem beim Lesen die Nackenhaare zu berge, wenn langsam durch die Zeilen sickert, wie viel Hilfe der gejagte Kriegsverbrecher Mengele durch seine Familie, alte Kader und sogar Vertreter der Bundesrepublik erhalten hat. Hier wächst der Roman zum Lehrbuch der Geschichte aus.

Guez ist ein extrem schwieriges Unterfangen grandios gelungen. Ein großartiges Buch.

Veröffentlicht am 01.12.2018

Jeder, der nichts dagegen unternimmt, dass rechte Gruppierungen erneut in den Bundestag einziehen und ein Stückchen vom Kuchen, bzw. der Macht haben wollen, sollte dieses Buch gelesen haben.

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Mich interessiert schon seit meiner Kindheit alles, was mit dem Nationalsozialismus zu tun hat. Nicht, weil ich es gutheiße, was dort geschah, ganz im Gegenteil, sondern weil das Grauen, dass dort verübt ...

Mich interessiert schon seit meiner Kindheit alles, was mit dem Nationalsozialismus zu tun hat. Nicht, weil ich es gutheiße, was dort geschah, ganz im Gegenteil, sondern weil das Grauen, dass dort verübt wurde, für mich unvorstellbar ist. Josef Mengele war zwar im großen Ganzen nur einer von vielen, aber mit dem, was er getan hat, spielt er noch einmal n einer ganz besonders scheußlichen Liga. Doch damit beschäftigt sich das Buch nicht, sondern mit seiner Flucht und seinem Aufenthalt bis zu seinem Tod in Argentinien.

Mir war vor der Lektüre nicht klar, wie viele Kriegsverbrecher nach Argentinien geflüchtet waren. Nicht nur die Deutschen, sondern auch Faschisten aus Ungarn, Kroatien, Serbien, Italien, Rumänien, Belgien. Péron hat sie dort alle mit offenen Armen ampfangen und sie amnestiert, um dort eine eigene Armee aufzubauen und das Land militärisch wachsen zu lassen. Mengele spielt in dem Roman mit seiner Flucht die Hauptrolle, denn er muss mehrmals die südamerikanischen Länder wechseln, weil man ihm auf die Spur kommt. Dabei geht es ihm (zum Glück) nicht immer gut und sein Ende ist nicht glanzvoll, sondern eher jämmerlich.

Das war mein Trost bei der Lektüre, denn ich musste sie einige Male unterbrechen. Manchmal konnte ich nicht weiterlesen, weil es natürlich einige Rückblicke gibt. Auch wenn seine Taten nicht im Detail geschildert werden, ist seine literarische Anwesenheit für mich nicht immer zu ertragen gewesen. Dass er am Ende sehr einsam war, hat mich darüber hinweg getröstet. Eigentlich bin ich ein sehr empathischer Mensch, aber bei solchen Personen hört das bei mir dann auf. Dazu trägt auch die Schreibweise von Olivier Guez bei, denn er erinnnert rechteitig an die kranke Persönlichkeit von Mengele ohne dabei hasserfüllt zu wirken. Das kam mir sehr entgegen und ich habe das Buch daher sehr gerne gelesen.

Fazit:
Jeder, der nichts dagegen unternimmt, dass rechte Gruppierungen erneut in den Bundestag einziehen und ein Stückchen vom Kuchen, bzw. der Macht haben wollen, sollte dieses Buch gelesen haben.

Veröffentlicht am 28.11.2018

"Immer nach zwei oder drei Generationen, wenn das Gedächtnis verkümmert und die letzten Zeugen der vorherigen Massaker sterben, erlöscht die Vernunft, und Menschen säen wieder das Böse."

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Olivier Guez, Das Verschwinden des Josef Mengele, Aufbau-Verlag 2018, ISBN 978-3351-03728-4

"Immer nach zwei oder drei Generationen, wenn das Gedächtnis verkümmert und die letzten Zeugen der vorherigen ...

Olivier Guez, Das Verschwinden des Josef Mengele, Aufbau-Verlag 2018, ISBN 978-3351-03728-4

"Immer nach zwei oder drei Generationen, wenn das Gedächtnis verkümmert und die letzten Zeugen der vorherigen Massaker sterben, erlöscht die Vernunft, und Menschen säen wieder das Böse."

Diesen mahnenden Satz schreibt der französische Autor und Journalist Olivier Guez am Ende seines Romans über den grausamen und unmenschlichen Lagerarzt des Konzentrationslagers Auschwitz. In Frankreich war dieses Buch ein Bestseller von der Kritik begeistert aufgenommen wurde. Frederic Beigbeder schrieb im Figaro: "Olivier Guez schuf mit diesem bekannten Verfahren eine phantastische neue Romanform.“

Es gibt zwei Perspektiven in diesem Tatsachenroman, der sich liest wie ein Politthriller und doch immer ein aus Distanz geschriebenes Charakterporträt eines hunderttausendfachen Mörders bleibt.

Im Vordergrund erzählt Olivier Guez nach wohl sehr ausführlichen Recherchen die Fluchtgeschichte des Josef Mengele, Lagerarzt aus Auschwitz, der wie so viele Nazitäter nach dem Kriegsende zunächst in Deutschland untertauchte. Im Jahr 1948 gelingt ihm dann, wie vielen anderen hohen Nazischergen die Flucht nach Argentinien. Seine Unternehmerfamilie in Günzburg, die schon im Dritten Reich hervorragenden Geschäfte mit den Nazis gemacht haben, und nun sehr schnell in der neuen Bundesrepublik wieder reüssieren, unterstützt den unter dem Namen Helmut Gregor mit neuen Papieren ausgestatteten Mengele bei dieser Flucht. Sie wird ihm über Mittelsmänner auch die nächsten Jahrzehnte bis zu seinem Tod 1979 immer wieder mit nicht unerheblichen Geldsummen unter die Arme greifen.

In Buenos Aires taucht Mengele in ein dichtes Netzwerk aus Unterstützern ein, ehemalige Nazis und Anhänger des naziaffinen Diktators Peron. Stück für Stück baut er sich mit dieser Unterstützung ein neues Leben und eine neue Existenz auf. Doch diese angenehmen ersten Jahre haben keine Konstanz. Immer öfter muss er in der Folge nicht nur seinen Aufenthaltsort wechseln, sondern auch seine Identität. Immer wieder findet er Menschen bzw. wird mit ihnen in Kontakt gebracht durch seine Helfer, die ihn aufnehmen, weil sie seine Gesinnung teilen. Irgendwann trifft er auch Adolf Eichmann, doch der kennt ihn gar nicht, hat nie von dem Lagerarzt Mengele gehört. Das enttäuscht ihn tief.
Anfang der sechziger Jahre intensivieren der israelische Mossad, der Nazi-Jäger Simon Wiesenthal (er wird von Olivier Guez als jemand geschildert, der es mit der Wahrheit seiner Informationen, die er der Welt über seine Tätigkeit gibt, nicht so genau nimmt) und auch der Frankfurter Staatsanwalt Fritz Bauer (er wird in den Auschwitzprozessen in Frankfurt viel Täter zur Verurteilung bringen) nehmen auch die Spur von Josef Mengele auf. Als Adolf Eichmann entführt und nach einem Prozess in Jerusalem hingerichtet wird, reagiert Mengele panisch, fühlt sich nicht mehr sicher und verliert dieses Gefühl auch nicht mehr, als der Mossad aus innenpolitischen Gründen von der Suche nach ihm ablässt. Bis zu seinem Tod 1979, als man seine Leiche an einem brasilianischen Strand findet, wird Mengele diese Panik vor seiner Entdeckung nicht mehr verlassen.

Im Hintergrund dieser Fluchtgeschichte erzählt Olivier Guez immer wieder von den Überzeugungen dieses eingefleischten Nazi, der bis in sein Alter den Führer verehrt und an seiner Ideologie festhält. Er beschreibt Mengeles unfassbare Verbrechen und medizinischen Versuche in Auschwitz. An keiner Stelle erfasst ihn auch nur der Hauch eines Bedauerns über seine Taten und er kann bis zu seinem Tod nicht verstehen, warum ein Mann wie er, der seinem Führer und seinem Vaterland so ergeben war, verfolgt wird, weil man auch ihm den Prozess machen will.

Die gelungene Mischung zwischen vordergründiger Fluchtgeschichte und hintergründiger Information über die Taten Mengeles und die Ideologie der Nazis führt dazu, dass man an keiner Stelle als Leser versucht ist, mit diesem Mensch und seinem Schicksal auch nur irgendeine Form von Mitgefühl zu entwickeln. Diese Struktur seines Erzählens klärt den vielleicht jungen Leser, der möglicherweise noch nie über die Grausamkeiten der Lager und der in ihnen wütenden Nazis etwas erfahren hat, besser auf, als so manches Sachbuch.

Eine weitere Stärke des Buches ist, dass Guez immer wieder beschreibt, wie im Nachkriegsdeutschland und auch bei seinen ausländischen Nachbarn die Nazivergangenheit bis Anfang der sechziger Jahre verdrängt wurde und wie schwer es Menschen wie etwa Fritz Bauer, der unter nach wie vor ungeklärten Umständen ums Leben kam, hatten, Licht in das Dunkel dieser Verdrängung zu bringen.
Hier darf erwähnt werden, dass Olivier Guez das mit dem deutschen Filmpreis ausgezeichnete Drehbuch von „Der Staat gegen Fritz Bauer“ geschrieben hat, der 2015 in die Kinos kam und den man bei Netflix streamen kann.

Über die Verbrechen der Nazis auch die heutige Generation zu informieren und über den Kampf gegen ist gleich ob in einem Film oder in einem Roman nach wie vor wichtig. Denn:
"Immer nach zwei oder drei Generationen, wenn das Gedächtnis verkümmert und die letzten Zeugen der vorherigen Massaker sterben, erlöscht die Vernunft, und Menschen säen wieder das Böse."

Man kann das in Europa und in vielen anderen Teilen der Welt seit Jahren beobachten.


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Veröffentlicht am 31.10.2018

Der Todesengel

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Josef Mengele wurde nach seinem Fronteinsatz im Jahre 1943 in Ausschwitz als Lagerarzt eingesetzt. Dort kam er durch seine kalt-blütige und unbarmherzige Art zu dem Titel des Todesengels. Er schickte abertausende ...

Josef Mengele wurde nach seinem Fronteinsatz im Jahre 1943 in Ausschwitz als Lagerarzt eingesetzt. Dort kam er durch seine kalt-blütige und unbarmherzige Art zu dem Titel des Todesengels. Er schickte abertausende Juden in den Tod und forschte mit unmenschlichen Methoden an Behinderten und Zwillingen, um den Theorien der Rassenhygiene neuen Inhalt zu geben. Seine Gräuel-taten kannten keine Grenzen und so wurde er zum gefürchtetsten Lagerarzt des dritten Reichs. Nach dem Krieg tauch Mengele unter und es gelang ihm, wie vielen anderen hochdotierten Nazis, im Jahre 1949 die Flucht nach Argentinien.

Olivier Guez setzt sich in seinem Buch "Das Verschwinden des Josef Mengele" mit der Zeit, die Josef Mengele in Südamerika auf der Flucht war, auseinander. Er schildert das Leben mit einer solch erzählerischen Kraft und Authentizität, dass es mir beim Lesen schauderte und den Protagonisten real vor Augen führte. Das Gedankengut Mengeles machte mich immer wieder sprachlos, wie emotionslos er über den Tod anderer Menschen sprach und sich selbst noch als aufopferungsvollen und treuen Diener des Staates sah. Seine Flucht entwickelt sich aber zum Trost des Lesers, der es als schreiendes Unrecht empfinden muss, dass dieser Mann für seine Taten nicht zur Rechenschaft gezogen werden kann, anders als gehofft. Die anfängliche Unterstützung vieler Nazis in Südamerika nimmt zunehmend ab und Mengele vereinsamt. Stets getrieben von Angst und Alpträumen wird sein Leben zunehmend unattraktiver und der Mann, für den Hygiene und Disziplin an erster Stelle stand, muss immer mehr Kompromisse machen, um unentdeckt zu bleiben. Hier beschreibt Olivier Guez sehr schön, wie sehr Mengele unter seinen Lebensumständen und seiner fehlenden Anerkennung leidet.
Zudem rechne ich dem Autor hoch an, dass er mit Gräueltaten Mengeles nicht inflationär umgeht, um Effekthascherei zu betreiben, sondern wenige teilweise unglaubliche Taten lediglich kurz schildert und so zumindest bei mir eine viel höhere Wirkung erzielt.

Die historischen Fakten zu dem Buch wirken sehr gut recherchiert und der Autor führt auch im Anhang eine große Anzahl lesenswerter Bücher an, die sein Studium mit der damaligen Zeit begünstigt haben. "Das Verschwinden des Josef Mengele" ist für mich ein äußerst lesenswertes Buch, da es Olivier Guez hervorragend gelingt, das Leben des kaltblütigen Arztes, der sicherlich zu Recht auch als Monster bezeichnet wurde, lebendig zu skizzieren, um so mit dem Mythos abzurechnen und aus den historischen Fakten zu lernen. Ein beeindruckendes und nachwirkendes Buch, welches ich mit den vollen fünf von fünf Sternen bewerte.

Veröffentlicht am 18.08.2018

Medizin ohne Menschlichkeit

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In seinem Tatsachenroman folgt Oliver Guez den Spuren von Josef Mengele, eines deutschen Mediziners und Anthropologen. 1949 flüchtet der bestialische Lagerarzt von Auschwitz, nach Argentinien. In Buenos ...

In seinem Tatsachenroman folgt Oliver Guez den Spuren von Josef Mengele, eines deutschen Mediziners und Anthropologen. 1949 flüchtet der bestialische Lagerarzt von Auschwitz, nach Argentinien. In Buenos Aires trifft er auf ein dichtes Netzwerk aus Unterstützern, unter ihnen Diktator Perón, und baut sich Stück für Stück eine neue Existenz auf. Mengele begegnet auch Adolf Eichmann, der ihn zu seiner großen Enttäuschung nicht einmal kennt. Der Mossad sowie Nazi-Jäger Simon Wiesenthal und Generalstaatsanwalt Fritz Bauer nehmen schließlich die Verfolgung auf. Mengele rettet sich von einem Versteck ins nächste, lebt isoliert und wird finanziell von seiner Familie in Günzburg unterstützt. Erst 1979, nach dreißig Jahren Flucht, findet man die Leiche von Josef Mengele an einem brasilianischen Strand.

Das Cover wirkt nichtssagend, aber es greift das Spiel mit wechselnden Identitäten auf. Wenn man ganz genau hinschaut, erkennt man eine Portraitaufnähme von Dr. Josef Mengele. Sie scheint in Flammen aufzugehen. Nichts von der alten Identität soll übrig bleiben, seine Spur soll sich im Nichts verlieren. Übrig bleibt ein weißes Stück Papier. Der Todesengel von Auschwitz wird zu einem scheinbar unbeschriebenen Blatt, das in einem weit entfernten Land weiterhin existieren konnte, ohne für seine Verbrechen jemals zur Rechenschaft gezogen worden zu sein. Auch der Titel ist bewusst zurückhaltend gewählt worden. Durch seine signalrote Farbe fällt er ins Auge und weist auf das vergossene Blut von unschuldigen Opfern hin.

Oliver Guez schreibt in einer einfachen, klaren, schlichten Sprache. Er fühlt sich in die Psyche eines Kriegsverbrechers ein, wahrt aber eine kritische Distanz. Nichts an diesem Buch ist reißerisch aufgemacht. Trotzdem wird es jeden Leser erschüttern, der sich mit diesem Werk auseinandersetzt.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs führte Dr. Josef Mengele ein banales, unauffälliges Leben, finanziell unterstützt von seiner vermögenden Familie in Deutschland, geschützt durch ein gut funktionierendes Netzwerk in Südamerika, verborgen von geldgierigen Sympathisanten und weitgehend unbehelligt von seinen Jägern, die seine Fährte aufgenommen, ihn aber im Gegensatz zu anderen Kriegsverbrechern nicht gestellt und vor Gericht gebracht hatten. Sein Denken kreiste ausschließlich um ihn selbst; für andere Menschen fehlte ihm jegliches Einfühlungsvermögen und Verständnis.

Was bleibt von Josef Mengele? Die Erinnerung an einen egozentrischen, feigen, jähzornigen, unbelehrbaren Menschen, der sich Selbstmitleid suhlte und nicht imstande war, seine Fehler zu erkennen, sich seiner Verantwortung zu stellen, für seine Verbrechen zu büßen und seine Opfer um Vergebung zu bitten.

Mich hat diese längst überfällige historische Spurensuche tief beeindruckt. Aus diesem Grunde vergebe ich fünf Sterne und spreche eine klare Lese-Empfehlung aus.