Das Highlight der Galgenmärchen-Reihe: düster, atmosphärisch und mit unglaublichem Tiefgang
»Tanze nicht mit Feen und handle nie mit Hexen.« – Elegio kennt diese Warnung, seit er ein kleiner Junge ist. Geboren in eine Familie von Assassinen wächst er im Oberitalien des 17. Jahrhunderts auf. Sein ...
»Tanze nicht mit Feen und handle nie mit Hexen.« – Elegio kennt diese Warnung, seit er ein kleiner Junge ist. Geboren in eine Familie von Assassinen wächst er im Oberitalien des 17. Jahrhunderts auf. Sein Vater Lysander setzt alles daran, ihn auszubilden. Doch dem sanften Elegio ist Töten zuwider. Sein Leben ändert sich für immer, als er in den Besitz eines verzauberten Kleides gelangt. Es verwandelt ihn in Rapunzel – eine gefährliche Schönheit. In ihrer Gestalt ist er endlich der Todesengel, den Lysander in ihm sehen will. Aber sein Vater hat ihn nicht grundlos vor Hexenwerk gewarnt. Mit Rapunzel erwachen Mächte im Land, die einen nie dagewesenen Krieg entfesseln. Und Elegio, der nie kämpfen wollte, gerät mitten zwischen die Fronten … Eine dunkelfantastische Thriller-Adaption zur Zeit des 30-jährigen Krieges, angelehnt an das bekannte Märchen der Brüder Grimm: »Rapunzel« ... (Klappentext)
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„Verlasse den Turm nur, wenn du es musst, und betrete nie seinen obersten Raum. Tanze nicht mit Feen und handle nie mit Hexen. Böses kann nur in unseren Turm gelangen, wenn du es einlädst.“ (S. 26)
Man befindet sich im Norditalien des 17. Jahrhunderts, genauer gesagt im Tal Veltlin, zur Zeit als der Dreißigjährige Krieg gerade begonnen hat und die Reformation beginnt ihr hässliches Gesicht zu zeigen.
Am Rande des Dörfchens Teglio, abseits im Wald, steht ein alter Wehrturm, der von Lysander und seinem Sohn Elegio bewohnt wird.
Elegio wächst in diesem Turm auf, von der Außenwelt abgeschnitten, um von seinem Vater zum Assassinen ausgebildet zu werden, denn dies ist Familientradition.
Doch Elegio will nicht töten. Er ist ein sensibler Junge, der Geschichten von Rittern und Königen liebt. Er ist ein Tagträumer, tanzt und näht gerne und liebt seidene Stoffe.
Er versucht dagegen anzukämpfen, um seinen Vater nicht zu enttäuschen, doch er beginnt sich langsam Fragen zu stellen, z.B.: Wieso ihm sein Vater auf manche Fragen die Antworten schuldig bleibt? Wieso der Vater mit Gevatter Tod paktiert? Und vor allem, wieso es ihm verboten ist das oberste Turmzimmer zu betreten, welches verschlossen ist und aus dem manchmal unheimliche Schreie erklingen?
Eines Tages schenkt ihm ein Mädchen ein wunderschönes Kleid und die gesamte Aufmachung als Frau macht noch etwas mit Elegio. Magie durchströmt ihn, seine Sinne sind geschärft und er ist endlich zum Töten bereit. Signora Rapunzel wurde geboren und sie kann nun endlich das sein, was Lysander von Elegio erwartet – eine Assassine.
Doch damit scheint noch etwas anderes erweckt worden zu sein und dieses Etwas befindet sich ganz in der Nähe, nämlich im obersten Turmzimmer.
Trotzdem möchte Elegio keinen Pakt mit dem Tod eingehen, um ihm wie sein Vater zu dienen. Trotzdem möchte der Junge auf der richtigen Seite stehen und die Menschen schützen, denn auch in Veltlin selbst scheinen sich dunkle Mächte zu erheben. Diese gieren nach dem Tod und brechen gemeinsam mit dem Krieg in das Tal herein
Doch was, wenn es sein Schicksal ist als todbringende Schönheit durch das Tal zu ziehen und welche Seite ist die Richtige?
„Mit dem dunkelblauen arabischen Samt, der sich an ihrem langen Körper wellte und eng über den Hüften schnürte, sah sie wie eine menschgewordene Nymphe aus. Daran erinnerte auch der Rüschenrock, der vorne nur bis unter die bestrumpften Knie ging, doch hinten wie ein Wasserfall hinabfiel. Ihre Ausstrahlung, die vornehme Haltung, wie die Kleider ihr ganzes einnehmendes Wesen komplimentierten, alles an diesem Mädchen war magisch. >>Das bist du<<, sagte Ottilia. Erst da begriff Elegio, wen er in dem großen Wandspiegel sah.“ (S. 121)
Ich liebe die Galgenmärchen-Reihe dieser Autorin und diesmal wurde das Märchen „Rapunzel“ auf herrlich düstere Weise adaptiert.
Man begibt sich hier auf eine spannende Reise in eine historisch-düstere Fantasywelt voller Magie und dunkler Mächte. Man begegnet hier unterschiedlichen Figuren, welche vielschichtig gezeichnet sind und trifft, unter anderem, auf eine Hexe, einem Pestgeist, einer jungen Ritterin und auch Hänsel und Gretel haben ihren Auftritt. Begleitet wird man hier von einer düsteren Atmosphäre, welche einen einlullt und nicht mehr loslässt und taucht zusätzlich mitten in die Kriegswirren des Dreißigjährigen Krieges ein.
„Rapunzel wehrte alle Schläge und Schwerthiebe ab, die ihren tödlichen Tanz unterbrechen wollten. Piroutte um Piroutte drehte sie sich und ließ ihre Waffen singen. Als sie ihren letzten Schritt tat, stand keiner der Männer mehr. Alle fünf Körper lagen gefällt um sie, ihr Blut tränkte die Wurzeln der Bäume.“
(S. 284)
Die Autorin schafft es mit ihrem Schreibstil Atmosphäre zu erschaffen, was vor allem daran liegt, dass sie diesen an die damalige Zeit anpasst. Zudem enthält der Stil ebenso nahezu poetische Züge, und trotzdem könnte so manche Szene nichts für schwache Mägen sein. Es kommt zu vielen Wendungen und somit ist die Spannung von Anfang bis Ende vorhanden. Die Autorin schreckt auch davor nicht zurück liebgewonnene Figuren über die Klinge springen zu lassen.
Was mich diesmal besonders begeistern konnte ist die Tiefe, welche diese Story bereithält. Es geht hier darum sich selbst zu akzeptieren, egal wie „anders“ man auch ist. Es handelt von Toleranz und Gleichheit und in der Story ist gleichgeschlechtliche Liebe ebenso Thema, wobei dies auf unaufdringliche Weise in die Geschichte eingewoben wurde. Keine Sorge, es wird hier keineswegs schnulzig oder kitschig, denn alles verläuft in leisen Schritten. Trotzdem sind diese Themen allgegenwärtig und eventuell gerade deshalb umso einprägsamer, da dies weder mit erhobenem Finger, gekünstelt, noch im Stile eines Vorschlaghammers an die LeserInnen gebracht wird. Diversity in ihrer schönsten Form. Leise Töne sind meistens doch die lautesten.
„Mit einer bösen Vorahnung drehte sich Rapunzel um. Nebel löste sich aus den toten Rabenkörpern. Der Dunst sammelte sich um einen besonders großen Kadaver. Ein hässliches Knatschen ertönte, als Bewegung in das gammelnde Fleisch kam. Es erhob sich. Auf wackeligen Beinen, Fell und Haut nur noch Fetzen, überall Maden am Körper.“
(S. 355)
Fazit:
„Hexensold“ ist mein absoluter Favorit der Galgenmärchen-Reihe. Das Buch enthält nämlich eine spannende Story in einem wunderbarem Schreibstil. Diese ist herrlich düster, atmosphärisch mit vielschichten Figuren, blutigen Szenen und zudem auch noch mit Tiefgang. Wenn man diese Buchreihe kennt, dann merkt man, wie die Autorin von Buch zu Buch wächst. Was mir jedoch ab dem ersten Band gefallen hat ist, dass Bendzko vor allem Tabuthemen thematisiert, bzw. diese auf ihre ganz spezielle Art und Weise nach außen trägt. Sie scheißt auf weichgespülte Storys und nennt das Kind beim Namen, gleichzeitig werden aktuelle Themen auf einfühlsame Weise behandelt – vor allem in „Hexensold“. Und somit möchte ich mit einem ganz besonderem Zitat enden….
„Er spürte schon so lange, dass er in die Welt wollte, die Rapunzel ihm geöffnet hatte. Eine Welt, in der jeder leuchten durfte, ganz gleich, als was geboren.“
(S. 373)
© Pink Anemone (auf meinem Blog mit Bildern, Leseprobe und Autoren-Info)