Unerwartet spannend und berührend
Harrys Frau Beth wird vor einer Baustelle von einem Kran erschlagen und alles nur weil er sie hat stehen lassen, um ein Los zu kaufen. Die Trauer und die Schuld setzen ihm zu und so flieht er in die Wälder. ...
Harrys Frau Beth wird vor einer Baustelle von einem Kran erschlagen und alles nur weil er sie hat stehen lassen, um ein Los zu kaufen. Die Trauer und die Schuld setzen ihm zu und so flieht er in die Wälder. Dort begegnet er der zehnjährigen Oriana, die fest an das Wunder von Märchen glaubt. Es beginnt eine wunderliche Freundschaft.
Die Geschichte läuft schleppend an, beginnt nichtssagend. Die Erzählung um Harry und seine Trauer wirkt nüchtern und distanziert. Zu Beginn lässt sich kaum erahnen, welche Spannung die Geschichte noch mit sich bringen wird. Ist man über den trockenen Teil hinweg nimmt die Erzählung an Fahrt auf. Die Spannung steigert sich zunehmend und wird durch die ausführlichen Beschreibungen der Umgebungen, Gedanken und Situationen gebremst. Irgendwann wird die Aufregung zu groß, um den detaillierten Ausführungen in Ruhe folgen zu können. Es kommt der Drang auf, Absätze und Seiten zu überspringen. Einige Situationen wirken sehr bedrohlich, erinnern an einen Thriller. Die Geschichte lässt die Lesenden letztendlich atemlos und gehetzt zurück.
Die ausgedehnten Natur- und Personenbeschreibungen sorgen besonders in den ersten zwei Dritteln des Buches für Atmosphäre, lassen die Erzählung tiefer und lebendiger wirken. Der Schreibstil ist eher klar. Poetische und kluge Gedanken sowie humorvolle Aussagen passen sich gut in das Textgefüge. Das Lesen macht Spaß und es gibt immer wieder absurd witzige Situationen.
Die Charaktere werden im Laufe der Erzählung interessant, der Leidensdruck und die Hoffnungen der Einzelnen werden spürbar. Harry, Oriana, Amanda und die Bibliothekarin sind sehr liebenswert. Es wird eine Nähe zu den Charakteren hergestellt, die mitleiden und mitfreuen lässt. Ähnlich einem Märchen gibt es passenderweise „gute“ und „böse“ Personen, die aufeinanderprallen. Die Geschichte hat einen moralischen und lehrreichen Anklang. Ganz märchenhaft wird am Ende alles Gut. Auf Dauer ist es jedoch zu viel des Guten/ bzw. des Bösen.
Ein berührendes Erwachsenenmärchen. Erst trocken, dann spannend bis zu atemloser Aufgeregtheit.