Der 45jährige Starpianist Richard erkrankt an ALS. Sie raubt ihm seine Passion das Klavierspiel und nach und nach noch mehr. Detailliert wird aus seiner Sicht beschrieben wie die Krankheit fortschreitet und wie er das immer entsetzter verfolgt. Der Rollstuhl, der bereits in seiner Wohnung steht, ist wie ein Mahnmal, dass ihn daran erinnert, wie seine Zukunft aussieht. Aber auch diese wird nicht allzu lange andauern, denn ALS ist unheilbar und seine restliche Lebensdauer begrenzt.
Den Gegenpart bildet seine Frau Karina. Sie hat eine Karriere als Jazzpianistin aufgegeben, um für ihre Familie da zu sein. Während Richard zum gefeierten Star wird, verkümmert sie immer mehr in der Provinz und widmet sich voll und ganz der gemeinsamen Tochter Grace. Auch nach der Scheidung kann sie ihre Freiheit nicht genießen und lebt weiter wie bisher, ihren Groll gegen Richard hegend.
Es ist faszinierend zu lesen, wie sich diese beiden Menschen, die nur noch die gemeinsame Vergangenheit verbindet, begegnen. Es wird abwechselnd aus ihren Perspektiven erzählt und es ist nur menschlich, dass sich jeder selbst so sieht, als ob er im recht wäre, als ob er der Betrogene ist. Karina wird von ihrem katholischen Glauben gelenkt. Ob das schon immer der Fall war? Ich bezweifle das, denn in der Vergangenheit scheint etwas vorgefallen zu sein, was nicht nur Richard anzulasten ist.
In fast schon sachlichem Ton schildert die Autorin aus Richards Sicht, wie die Krankheit immer mehr seinen Körper übernimmt. Er wütet nicht, schreit nicht seine Wut hinaus. Nein, er ist entsetzt und oft auch beschämt, weil er so hilfsbedürftig ist. Und als ihm die Erfolge als Pianist verwehrt bleiben, wird ihm bewusst, welche wichtigen Dinge und Personen in seinem Leben, er achtlos zur Seite geschoben hat.
Er hat nur noch einen Wunsch, Frieden zu schließen mit seiner Vergangenheit und auch Karina realisiert, dass ihr nicht mehr viel Zeit bleibt um zu vergeben und um Verzeihung zu bitten. Aus ihrer Sicht erlebt man auch, was ALS für die Angehörigen eines Erkrankten bedeutet.
Bisher wusste ich nur wenig über ALS. Durch diese Geschichte wurde mir bewusst, was die Diagnose für die Betroffenen bedeutet und obwohl der Verlauf der Krankheit nie reißerisch ausgeschlachtet wird, ist mir das Lesen nicht leichtgefallen. Es ist eine traurige und bedrückende Geschichte, die mir sehr zu schaffen macht.
Im Nachwort geht die Autorin darauf ein, wie sie auf die Krankheit aufmerksam wurde, welche Menschen mit ALS ihre Erfahrungen mit ihr teilten und wie wichtig es ihr ist, die Forschung nach Heilmethoden zu unterstützen. Alle im Nachwort genannten ALS-Patienten sind inzwischen verstorben. Das führt vor Augen, dass es sich hier zwar um eine fiktive Geschichte handelt, die erschreckend realistisch ist.
Fazit: Die traurige Geschichte eines an ALS erkrankten Pianisten.