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Veröffentlicht am 06.01.2019

Spannender, historischer Roman mit vielen, interessanten Details

Commissaire Le Floch und das Phantom der Rue Royale
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Wir schreiben das Jahr 1770 als in Paris die bevorstehende Vermählung des Thronfolgers mit Marie-Antoinette mit einem Feuerwerk auf dem Place Louis XV gefeiert wird. Was als großes Spektakel für die gesamte ...

Wir schreiben das Jahr 1770 als in Paris die bevorstehende Vermählung des Thronfolgers mit Marie-Antoinette mit einem Feuerwerk auf dem Place Louis XV gefeiert wird. Was als großes Spektakel für die gesamte Einwohnerschaft der französischen Hauptstadt geplant war, endet in einem riesigen Drama, bei dem viele Menschen zu Tode kommen. Commissaire Nicolas de Floch, der vom König als Beobachter der Feierlichkeiten eingesetzt wurde, befindet sich mitten in diesem Albtraum aus Feuer, Toten, unfähigen und rivalisierenden Polizisten und behindert durch eine verschlossene Türe, die ihn zwingt, zunächst einen Weg von seinem Beobachtungsposten in die Straßen zu finden. Unterstützt von seinem Freund, dem Marinearzt Semargcus, und dem Inspecteur Bourdeau macht er sich an die Aufklärung der Umstände, die zu diesem Unglück geführt haben. Dabei entdeckt er die Leiche einer jungen Frau, die nachweislich nicht an den Folgen des Tumults gestorben ist. Élodie Galaine wurde erwürgt und zudem hatte sie vor kurzem ein Kind entbunden. Schnell stellt sich die Frage, wer ihre Leiche zur Verdeckung des Mordes zu den vielen anderen Leichen in den Straßen von Paris geworfen hat. Die gesamte Familie Galaine, angesehene Pariser Pelzhändler, verstrickt sich in Lügen und erschwert Le Floch die Aufklärung des Mordes. Niemand scheint um die junge Frau zu trauern und ihr Diener Naganda, ein Indianer vom Stamme der Micmac, scheint zunächst der Hauptverdächtige im Mordfall zu sein. Vom König Louis XV wird Commissaire Le Floch beauftragt, die Geschehnisse in der Nacht des Feuerwerks aufzuklären. So hat Nicolas Le Floch rasch alle Hände voll zu tun, um beide Vorkommnisse aufzuklären.
Dieser historische Kriminalroman zeichnet sich durch ein hohes Maß an Hintergrundinformationen zur Zeit Louis XV aus – Paris zum Ende des 18. Jahrhunderts wird lebendig und entsteht vor meinem inneren Auge. Das Leben der Menschen zu jener Zeit wird ebenso detailreich beschrieben wie das Aussehen der unterschiedlichen Gesellschaftsschichten, der Gepflogenheiten am Hofe und die Umgangsformen der Bewohner der französischen Hauptstadt. Auch die Polizeiarbeit der damaligen Zeit bekommt durch den Erzählstil des Autors die nötige Aufmerksamkeit, um der Handlung jederzeit problemlos folgen zu können. Anfangs hatte ich etwas Schwierigkeiten, in die Geschichte hineinzufinden, da so viele Informationen in den Kriminalroman einflossen, dass ich mich beim Lesen sehr konzentrieren musste. Doch dies machte sich schnell bezahlt und ich konnte das Buch kaum mehr zu Seite legen, so sehr nahmen die Ermittlungen des jungen Commissaire Nicolas Le Floch an Fahrt auf. Dies ist mein erster Band aus der Reihe des Autors Jean-Fraincois Parot und ich muss sagen, dass mir sein Schreibstil und seine Detailgenauigkeit sehr gut gefallen haben. Die Personenliste am Anfang des Buches, die Anmerkungen zu den historisch verbürgten Persönlichkeiten jener Zeit und das Glossar am Ende haben mir geholfen, mich im Paris des ausgehenden 18. Jahrhunderts zurecht zu finden. Auch die Karten mit wichtigen Orten in Paris um 1770 finde ich ganz hilfreich, um sich die Entfernungen gut vorstellen zu können. Dem ganzen Buch ist der Beruf des Autors deutlich anzumerken, denn seine Kenntnisse springen den Leser geradezu an. Es ist wie eine Geschichtsstunde, ohne dass je Langeweile aufkommt oder gar die spannende Aufklärung des Mordes an Élodie Galaine und die Umstände zum Unglück auf dem Place Louis XV in den Hintergrund treten. Commissaire Le Floch gelingt es, mit Verstand, geschickter Taktik und dem nötigen Mut sich zu behaupten und die Ermittlungen nach seinem Gutdünken zu leiten. Er bekommt im Laufe des Romans immer mehr Konturen und ist mir mit der Zeit richtig ans Herz gewachsen. Dabei spielte es keine Rolle, dass mir die beiden Vorgängerbände völlig unbekannt sind. Ich habe große Lust, Le Floch durch seine ersten beiden Fälle noch besser kennenzulernen. Seine Vorgehensweise erinnert mich an Hercule Poirot und Miss Marple und auch das Setting zum Schluss des Buches hat mich an diese beiden berühmten Charaktere des britischen Krimigenres erinnert. Chapeau kann ich da nur sagen!

Veröffentlicht am 06.01.2019

Der etwas andere Weihnachtszauber

Schöne Bescherung!
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Diese Geschichtensammlung ist eine wahre Fundgrube an abwechslungsreichen und gelungenen Erzählungen. Lahayne schafft es mit den unterschiedlichsten Genres ganz gekonnt zu spielen und so hat jede der Short ...

Diese Geschichtensammlung ist eine wahre Fundgrube an abwechslungsreichen und gelungenen Erzählungen. Lahayne schafft es mit den unterschiedlichsten Genres ganz gekonnt zu spielen und so hat jede der Short Stories ihren ganz besonderen Charme. Vom Krimi bis zur Fantasy und Anlehnung an Märchen ist einiges geboten, um die Vorweihnachtszeit spannend zu gestalten. Auch die Geburt Jesu wird thematisiert, ohne ins Altbewährte oder Kitschige abzudriften. Der Autor geht sehr geschickt mit Sprache um und lässt auch des Öfteren Fremdsprachen in einer gut verträglichen Dosis in seine Erzählungen einfließen, was sie wunderbar aufgelockert hat. Neue Wörter aus dem österreichischen Dialekt habe ich nun auch gelernt. Da meine Allgäuer Heimat nicht allzu weit weg ist, hatte ich mit der „Übersetzung“ keine Probleme. Mit unvorhersehbaren Wendungen innerhalb so mancher Geschichte hat mich der Autor überrascht und auch eine Brise Humor war geschickt in die eine oder andere Erzählung eingeflochten.
Für mich ist diese Anthologie im besten Sinne des Wortes eine „Schöne Bescherung“ und hat mir die Adventszeit sehr unterhaltsam „versüßt“. Leser, die wie ich nicht so sehr auf Kitsch und „Heile-Welt-Geschichten“ stehen, kann ich dieses Büchlein wärmstens empfehlen.

Veröffentlicht am 16.12.2018

Wenn ein Gürtel alles ist, was bleibt

Überleben
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Der Historiker und Journalist Gerhard Zeillinger ist der Autor dieses bewegenden, zutiefst erschütternden Buches. In Gesprächen mit Walter Fantl und durch gründliche Recherche hat er dessen Lebensgeschichte ...

Der Historiker und Journalist Gerhard Zeillinger ist der Autor dieses bewegenden, zutiefst erschütternden Buches. In Gesprächen mit Walter Fantl und durch gründliche Recherche hat er dessen Lebensgeschichte zusammengefasst.
Als einer der letzten Überlebenden des Holocaust erzählt der Österreicher Walter Fantl von seinem Leben während der Naziherrschaft. Als Jude in den beschaulichen, kleinen Ort Bischofstetten in Niederösterreich hineingeboren, bekommt er zunächst von der Schreckensherrschaft unter Hitler nicht viel mit. Das ändert sich jedoch schlagartig, als die Familie sich Anfeindungen, Beschimpfungen und der Enteignung ihres Lebensmittelladens gegenüber sieht. Aus vermeintlich wohlgesinnten Nachbarn und Freunden werden schnell Feinde und Verleumder. Es gibt aber auch Menschen, die der Familie heimlich Nahrungsmittel zukommen lassen. Für mich ist es kaum vorstellbar, dass es extra Einkaufstellen für Juden gab. Der Abtransport vieler Freunde von Walter muss schlimm gewesen für ihn gewesen sein und doch hat er die Hoffnung nicht aufgegeben. Die wenigen Glücksmomente der jungen Leute beim Friedhof fand ich sehr berührend. Als Walter 18 Jahre alt ist, werden seine Familie und er ins Ghetto Theresienstadt gebracht. Von dort aus geht es für ihn und seinen Vater zwei Jahre später weiter nach Auschwitz-Birkenau.
Das Buch setzt mit Walters Rückkehr aus dem KZ in die Stadt Wien an und kehrt dann in seine Jugendzeit zurück, um im weiteren Verlauf über die vielen Stationen seines Leidensweges zu berichten. Alleine die Kapitelüberschriften hinterließen bei mir schon ein sehr bedrückendes und bedrohliches Gefühl. Hier seien nur zwei erwähnt: „Ghettoisiert“ und „Krepierlager“. Grausam finde ich das ständige Bangen und Hoffen, dass sich doch noch alles zum Guten wendet und die Familie in die USA gelangt. Eine wirklich eindrucksvolle Stelle im Buch ist Walters Frage nach dem Verbleib seines Vaters: „Dann bin ich zu einem Kapo hin und habe gefragt: ‚Was ist mit den anderen? Wo ist mein Vater?‘ Und er schaut mich an und zeigt auf einen der Schornsteine und sagt: ‚Siehst du den Rauch? Das sind die anderen, das ist dein Vater?‘“ Völlig emotionslos beschreibt dieser Mann die Vorkommnisse im Lager und es zeigt, wie selbstverständlich und je nach Lust und Laune Menschen von den Schergen Hitlers gefoltert (emotional und körperlich), erniedrigt und getötet wurden.
Ergänzend zu den Aufzeichnungen finden sich viele Fotos, die von Pepi, der Haushaltshilfe der Fantl-Brumliks, aufbewahrt wurden. Für Walter sind sie bestimmt eine wertvolle Erinnerungen neben seinem alten Gürtel. Der alte Ledergürtel ist für Walter lebenswichtig geworden. Zum einen steht er als Erinnerung für sein altes Leben und zum anderen ist er für ihn die Hoffnung, dass er den Wahnsinn überleben wird. Er hält Walters Leben zusammen und nicht nur seinen zerlumpten Klamotten an seinem ausgemergelten Körper.
Dieses Buch hat mich unfassbar traurig, sprachlos und wütend gemacht. Es ist das erste Mal, dass ich einen Zeitzeugen dieser grausamen Zeit „gehört“ habe und ganz unterschiedliche Gefühle haben sich während des Lesens abgewechselt: da war Fassungslosigkeit und Trauer, neben Entsetzen, Scham und auch Hass auf das unmenschliche Verhalten jener Zeit. Es war mir unmöglich, das Buch an einem Stück zu lesen. Ich musste mich immer wieder von den starken Eindrücken und Gefühlen erholen.
Am Ende bleibt nur die Hoffnung, dass solch eine Zeit sich niemals mehr wiederholen wird.

Veröffentlicht am 07.12.2018

Das Leben ist immer riskant, wie ein reißender Strom

Als das Leben vor uns lag
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Der Roman „Als das Leben vor uns lag“ von Care Santos erzählt die Geschichte von fünf jungen Mädchen, die im Sommer 1950 in einem spanischen, von Ordensfrauen geführtem Internat leben. Ein nächtliches ...

Der Roman „Als das Leben vor uns lag“ von Care Santos erzählt die Geschichte von fünf jungen Mädchen, die im Sommer 1950 in einem spanischen, von Ordensfrauen geführtem Internat leben. Ein nächtliches Pfänderspiel verändert vor allem das Leben des Waisenmädchens Julia grundlegend. Olga ist die Anführerin der Mädchengruppe und stellt ihren „Freundinnen“ am letzten Abend vor den Sommerferien eine schwierige und vor allem gefährliche Aufgabe. Nur wenn diese erfüllt wird, bekommen die Mädchen ihre Pfänder zurück.
An einem Abend im Jahr 1981 wollen sich die fünf ehemaligen Internatsschülerinnen wieder treffen. Olga, deren Zwillingsschwester Marta, Lolita, Nina und Julia haben ganz unterschiedliche Lebenswege eingeschlagen. Zunächst treffen nur vier der Frauen in Martas neu eröffnetem Restaurant ein. Die Stimmung ist verhalten und es folgen Rückblenden in das Leben der Frauen. Alle Frauen scheinen die Umstände, die zu Julias Rauswurf aus dem Internat geführt haben, zu verdrängen. Nach ein paar Gläsern Rotwein verfallen sie auf die Idee, erneut ein Pfänderspiel zu veranstalten. Die Stimmung droht zu kippen und alle fragen sich, wo Julia bleibt.
Care Santos‘ mal einfühlsamer, mal direkter, wenig beschönigender Schreibstil hat mich in die Geschichte hineingenommen und berührt. Wie sie die Leben der fünf Frauen miteinander verwoben und dabei trotzdem Raum für die Fantasie des Lesers gelassen hat, beeindruckt mich und macht diesen Roman zu einem besonderen Lesegenuss. Daher überrascht es mich nicht, dass ihre Bücher mehrfach ausgezeichnet wurden.
Der Leser erfährt lange Zeit nur Bruchstücke aus der verhängnisvollen Nacht im Sommer 1950 und das hält die Spannung stets aufrecht. Die Neugier lässt einen nicht mehr los. Schließlich hat diese Nacht das Leben einer Person gravierend geprägt: Julia. Zudem bekommt der Leser einen guten Einblick in das Leben der Frauen in der 50er Jahren – natürlich in Spanien, doch so viele Unterschiede zu anderen Teilen Europas lassen sich gar nicht erkennen. Die politischen Verhältnisse in Spanien nach dem Krieg hat die Autorin ganz gut und häppchenweise in den Roman eingeflochten. So ist das Thema zwar präsent, aber überfrachtet die Geschichte nicht. Denn das Augenmerk liegt auf zwei Abende im Leben der fünf Mädchen bzw. Frauen. Dadurch dass die Geschichte nur ein paar wenige Stunden aufgreift, finde ich sie besonders interessant. Die Lebensentwürfe der Frauen reichen von der verwöhnten, reichen Gattin mit fünf Kindern und einem Dasein als Hausfrau bis über eine immer jung gebliebene Frau, die sich mit jüngeren Männern ihr Leben versüßt bis hin zu einer Karrierefrau, die ihre Freiheit genießt. Gerade die Charakterzeichnungen der Frauen sind der Autorin unglaublich gut gelungen. Welcher Leser würde denn nicht Sympathie für Julia und Abscheu für Olga empfinden. Doch es sind die leisen Zwischentöne, die den Frauen ein unverwechselbares Wesen geben und realistisch erscheinen lassen. Zwei zentrale Themen ziehen sich vor allem durch den Abend im Restaurant: Schuld und Vergebung. Dabei erhebt die Autorin nie den Finger, um zu urteilen, sondern lässt die Frauen ihren Anteil an der Geschichte reflektieren und schließlich einen Abschluss finden.

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  • Atmosphäre
Veröffentlicht am 01.12.2018

Starke Frauen räumen auf - Eine wunderschöne Geschichte voller Hoffnung

Die Schwestern vom Ku'damm: Jahre des Aufbaus
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Berlin Juni 1932: Voller Stolz präsentieren Friedrich Thalheim und sein jüdischer Geschäftspartner Markus Weisgerber ihren Familien ihr neues, pompöses Kaufhaus in Berlin. In dieser Zeit leben Friedrichs ...

Berlin Juni 1932: Voller Stolz präsentieren Friedrich Thalheim und sein jüdischer Geschäftspartner Markus Weisgerber ihren Familien ihr neues, pompöses Kaufhaus in Berlin. In dieser Zeit leben Friedrichs Frau Alma, seine Tochter Rike und die Zwillinge Silvie und Oskar unbeschwert und in finanzieller Sicherheit in einer Villa.
Berlin Mai 1945: Der Krieg ist vorbei und nichts ist mehr, wie es noch ein paar Jahre zuvor war. Nur noch Trümmer sind vom einstmals prachtvollen Kaufhaus Thalheim & Weisgerber übrig. Die Weisgerbers sind – wie so viele Juden – geflohen, Oskar gilt als vermisst, Friedrich ist eingesperrt und die Thalheim-Frauen kämpfen sich durch so gut es geht. Jede auf ihre Art: Rike, die pragmatische und kluge Kämpferin, die leichtlebige Silvie, Claire, Friedrichs zweite Ehefrau und das Nesthäkchen Florentine. Während Rike mit ihrer jüdischen Freundin Miriam, die den Krieg im Untergrund überlebt hat, alles daran setzt, Stoffe zu beschaffen und „neue“ Damenkleidung zu nähen, setzt Silvie auf ihr gutes Aussehen und ihren Charme und versorgt die Frauen mit allem Notwendigen auf dem Schwarzmarkt. Wie viele andere Frauen, deren Väter, Brüder, Männer und Söhne im Krieg gefallen oder in Gefangenschaft geraten sind, werden die Thalheim-Schwestern zu Trümmerfrauen. Neben Hunger, dem Kampf ums Überleben und dem Aufbau einer neuen Existenz gesellt sich ein dunkles Geheimnis aus der Vergangenheit der Thalheims, das den Zusammenhalt der Familie auf eine schwere Probe stellen könnte.
Der Fokus der Geschichte liegt ganz klar auf den starken Frauen der Familie Thalheim, aber auch auf Miriam, die als vollwertiges Familienmitglied angesehen wird. Brigitte Riebes historische Geschichte im Berlin der Nachkriegszeit lässt den Leser ihre genaue Recherche spüren und öffnet einen Blick auf die schwierige und entbehrungsreiche Zeit der Frauen jener Zeit (1945 – 1951). Das Buch hat mich mitgenommen in die schwierige, entbehrungsreiche Zeit nach dem zweiten Weltkrieg und mich den Menschen, die den Aufbau vorangetrieben haben, näher gebracht.
Die Lebensumstände der Thalheim-Schwestern, aber auch der jüdischen Schneiderin und Freundin Miriam, die sich Rike und deren Familie eng verbunden fühlt, sind so lebendig, eindringlich und mit viele Gespür für die unterschiedlichen Charaktere geschrieben, dass ich mich der Faszination des Buches nicht entziehen konnte und schon gar nicht wollte. Der Autorin gelingt es durch einen ruhigen, manchmal aufwühlenden, emotionalen Schreibstil eine wunderschöne, aber auch ergreifende Geschichte zu erzählen, die ohne Verklärung, Anklage oder Gefühlsduselei auskommt. Die sehr unterschiedlichen Charakter Rike, Silvie und Florentine sind glaubhaft und authentisch erzählt und vor allem Silvie scheint über schlummernde Talente zu verfügen, die nur noch geweckt werden müssen. Die Spannung kommt ebenfalls nicht zu kurz, vor allem wenn die russischen Besatzer ihren Auftritt haben oder Friedrich aus der Gefangenschaft zurück in die Familie geholt werden soll. Mit Onkel Carl hat Brigitte Riebe einen starken, aber auch undurchsichtigen Charakter erschaffen, dem der Leser nicht in die Karten schauen kann. Die „kleine“ Florentine ist sicherlich auch noch für viele Überraschungen gut und Miriam ist neben Rike zu meiner Lieblingsperson im Roman geworden. Diese beiden Freundinnen sind so unglaublich stark, mutig und geradlinig, dass sie nicht nur zu Vorbildern, sondern auch zu einer sicheren Konstante in der Familie Thalheim geworden sind.
Die geschichtlichen Fakten im Anhang runden das Buch sehr schön ab, denn so hat der Leser jederzeit die Möglichkeit Genaueres über die politische Lage in Berlin nachzulesen.
Der erste Band der Triologie um die Thalheim-Schwestern wurde aus der Sicht der Ältesten, Rike, geschrieben und ich kann nur sagen, dass ich mich schon sehr freue, den zweiten Band aus Silvies Perspektive zu lesen. Zudem endet „Jahres des Aufbaus“ mit einem absoluten Paukenschlag, der nicht spannender und gelungener sein könnte. Von mir gibt es eine ganz klare Leseempfehlung und die volle Punktzahl.