Harte Kost
Die Stadt der BlindenIn einer namentlich nicht genannten Stadt bricht urplötzlich eine seltsame und zutiefst beängstigende Epidemie aus: Einer nach dem anderen werden fast alle Einwohner blind. Nur die Frau eines Arztes behält ...
In einer namentlich nicht genannten Stadt bricht urplötzlich eine seltsame und zutiefst beängstigende Epidemie aus: Einer nach dem anderen werden fast alle Einwohner blind. Nur die Frau eines Arztes behält ihr Augenlicht. Sie verschweigt dies jedoch, da sie nicht von ihrem Mann getrennt werden möchte. Die Blinden werden nämlich auf Befehl der Regierung in eine verlassene Irrenanstalt einquartiert, wo sich bald fürchterliche Szenen abspielen. Denn das schwere Unglück setzt den Menschen zu, macht sie hilflos und abhängig von Anderen, die noch sehen können und beraubt sie ihrer Würde. Manche gehen daran zugrunde, es gibt aber auch welche, die aus dieser schrecklichen Situation eigene Vorteile ziehen. Die Lage spitzt sich immer mehr zu, da stets neue Transporte mit Erblindeten kommen und der Platz bald nicht mehr ausreicht. Als dann noch die Versorgung mit Proviant unterbrochen wird, kommt es zu einem Aufstand...
Es ist definitiv keine leichte und unterhaltsame Urlaubslektüre, die uns der berühmte portugiesische Schriftsteller Jose Saramago mit diesem Roman bietet. Es ist eher ein Alptraum, der zumindest mich immer wieder schaudern ließ. Ich las trotzdem weiter, denn das Buch übt eine seltsame Kraft aus: Es ist wie ein Sog, der einen reinzieht und immer weiter lesen lässt, ungeachtet der Tatsache, dass der Inhalt schockiert und entsetzt. Die langen Sätze erlauben auch kaum, einen Zwischenstopp einzulegen. Es gibt keine kurzen Kapitel, die man sich einteilen kann. Ich hatte nicht zuletzt dadurch wie bei kaum einem anderen Buch das Gefühl, ich darf einfach nicht stoppen, ich muss in dieser entsetzlichen Geschichte drin bleiben, bis zum Ende. Das tat ich auch und ich stelle fest, es hat sich gelohnt. „Die Stadt der Blinden“ ist ein grandioser Roman, eine meisterhafte Studie des menschlichen Verhaltens in Angesicht einer schweren Krise. Einfühlsam und in einer Schreibart, die dem Leser unter die Haut geht, schildert der Autor, wie unterschiedlich die Menschen darauf reagieren. Während viele am Unglück zerbrechen, erweisen sich Andere als Überlebenskünstler. Manche mutieren zu wahren Monstern, die – obwohl selbst betroffen – die Not ihrer Nächsten ausnutzen, diese quälen und demütigen. Es stehen in diesem Roman Passagen, die nichts für Zartbeseitete sind und einen sprachlos vor Entsetzen machen. Und doch scheint Saramago den Glauben an den Menschen nicht verloren zu haben. Denn solange es Personen wie die Frau des Arztes gibt, die im Unglück über sich hinauswachsen, tapfer bleiben und anderen helfen, gibt es Hoffnung. Dies ist meines Erachtens die Botschaft, die in diesem Buch steckt. Solange wir zusammenhalten und handeln, über eigenes nicht das Wohl unserer Mitmenschen vergessen und den Machtmissbrauch von Seiten den Dritten nicht dulden, bewahren wir unsere Menschlichkeit, mögen die Zeiten noch so schwer sein.
Fazit: Wer sich von der Thematik nicht abschrecken lässt und sich an diesen nicht einfachen Roman traut, wird reichlich belohnt - „Die Stadt der Blinden“ ist ein beeindruckendes Buch und eine wichtige Lektion in Sachen Humanität, von mir eine klare Leseempfehlung!