Profilbild von DetlefKnut

DetlefKnut

Lesejury Star
offline

DetlefKnut ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit DetlefKnut über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 31.03.2019

Vergnügliche Spannung

Am Ende nur ein kalter Hauch
0

In diesem Roman lässt Avanzini ihre Kette rauchende Ermittlerin Carla Bukowski sich erneut in einen Fall verbeißen. Er zieht sie in ihre Heimat.

Der Fall den sie in ihrem Wiener Kommissar zu klären hat, ...

In diesem Roman lässt Avanzini ihre Kette rauchende Ermittlerin Carla Bukowski sich erneut in einen Fall verbeißen. Er zieht sie in ihre Heimat.

Der Fall den sie in ihrem Wiener Kommissar zu klären hat, scheint bald gelöst. Außerdem setzt ihr eine Erkältung extrem zu. Bei einem unerfreulichen Familientreffen hat sie nach vielen Jahren zum ersten Mal wieder Kontakt zu ihren Brüdern und lernt dabei auch ihren aufgeweckten Neffen kennen, der bereits 20 Jahre alt ist. Der Streit in der Familie bleibt nicht aus und doch bekommt sie von einem ihrer Brüder die Information, dass dessen Sohn verschwunden ist. Dies ist verbunden mit der Bitte, zu helfen, da sie doch bei der Polizei wäre. Obwohl sie bereits vor Jahren ihre Eltern und Geschwister verlassen hatte, um einen eigenen Weg zu gehen, mag sie sich nicht ganz verschließen und willigt ein, bei der Suche nach ihrem Neffen zu helfen. Carla holt sich Hilfe vom Innsbrucker LKA und gemeinsam machen sich alle auf die Suche nach dem Neffen und Sohn und der Jagd nach dem Erpresser und dessen Motive.

Neben der Spannung in den Ermittlungen hat die Autorin ein extrem kompliziertes Familiengeflecht gesponnen, in dem sich nicht nur die Fäden, sondern auch die Leser verfangen können. Stück für Stück kommt die düstere Vergangenheit von Carlas Familie zum Vorschein, die Gründe, warum sie bereits vor Jahren mit ihrer Familie abgeschlossen hatte. Geschickt sind Kapitel eingestreut, die als Rückblenden in Carlas Vergangenheit zeigen, dann aber auch wieder Schnipsel von einem Blog, den der verschwundenen Neffe betrieben hat. Schließlich gibt es Kapitel aus der Gedankenwelt eines Menschen, di darauf schließen lassen, dass er gefangen gehalten wird.

Die Protagonistin hat ein widersprüchlichen Charakter und wird deshalb nicht von jedem Leser geliebt werden. Sie ist ziemlich spröde und hat gefühlt den ganzen Roman über einen Glimmstengel zwischen den Lippen. Damit hebt sie sich von allen smarten Figuren der heutigen Romanwelten ab, in denen gesellschaftlich korrekt fitnessbetonte Veganer das Sagen haben. Ich mochte sie gerade deshalb.

Spannend, unterhaltsam, aufrecht - klare Empfehlung.

© Detlef Knut, Düsseldorf 2019

Veröffentlicht am 16.03.2019

die Zeit von 1972

Rheinblick
0

In ihrem neuen Roman aus der und über die Bonner Republik geht es dieses Mal nicht um Konrad Adenauer, sondern um Willy Brandt. Er führt den Leser in die Zeit von 1972. Bonn ist ein kleines, beschauliches ...

In ihrem neuen Roman aus der und über die Bonner Republik geht es dieses Mal nicht um Konrad Adenauer, sondern um Willy Brandt. Er führt den Leser in die Zeit von 1972. Bonn ist ein kleines, beschauliches Städtchen, in welchem große Politik gemacht wird. Politiker, Parlamentarier, Presseleute, Studenten und andere Menschen treffen hier aufeinander. Es ein Schmelztiegel von Intrigen und Kompromissen.

Zentrale Hauptfigur ist Hilde Kessel, die Wirtin des Lokals „Rheinblick", in welchem sich Parlamentarier aller Parteien und Journalisten die Klinke in die Hand geben. Es ist Wahlkampf in der Republik. Obwohl das Restaurant gegenüber des Bundestags ein Ort der Verschwiegenheit ist, hat Hilde diesbezüglich einmal einen Fehler in ihrem Leben gemacht. Dadurch ist sie erpressbar. Zweite Figur ist Sonia Engel, eine Logopädin, die den frisch gewählten Bundeskanzler während seines totalen Stimmenausfalls behandeln soll. Unerfahren in Sachen Politik möchte sie ihre Schwester finden, die verschwunden ist. Auch sie gelangt deswegen unter Druck.

Von Beginn an stellt sich die Frage, ob es sich um einen Kriminalroman mit politischem Flair oder einen Roman mit kriminellen Elementen handelt. Ich würde Letzterem zustimmen. Denn die Kriminalhandlung ist nicht so tiefgreifend, dass sie alles durchdringt und den Leser zwingt, bis zum Ende zu lesen. Im Roman sind die Beziehungsgeflechte zwischen den Menschen unterschiedlichster Couleur sehr breit dargestellt. An historischem Material erfährt der Leser, welche Umstände dazu führten, dass Willy Brandt Kanzler wurde und welche Machtspiele dazu führten, dass er von diesem Amt zurücktrat. Die Gespräche über Politik zwischen den Parlamentariern nehmen einen großen Raum ein. Man muss sie mögen, um bis zum Ende zu lesen.

Dennoch ist es ein historischer Roman der jüngsten Vergangenheit, der die politischen Ereignisse sehr gut in ein fiktives Umfeld setzt. Über den Weg der Unterhaltung wird bei manchem Leser die eine oder andere Gedächtnislücke bereinigt.


© Detlef Knut, Düsseldorf 2019

Veröffentlicht am 08.02.2019

amerikanische Gegenwart mit Western und Krimielementen

Longmire: Bittere Wahrheiten
0

Auf diesen Roman war ich neugierig, als ich ihn im Buchhandel entdeckte. Schließlich habe ich alle Folgen der Fernsehserie gesehen und bereits drei Romane in englischer Sprache gelesen. Nun hatte ich Gelegenheit, ...

Auf diesen Roman war ich neugierig, als ich ihn im Buchhandel entdeckte. Schließlich habe ich alle Folgen der Fernsehserie gesehen und bereits drei Romane in englischer Sprache gelesen. Nun hatte ich Gelegenheit, die erste ins Deutsche übertragene Fassung eines Romans dieser Reihe zu lesen soll ich sagen?

Die Handlung ist natürlich eine typische Longmire-Handlung, bei der die Ermittlungen nicht unbedingt im Vordergrund stehen. Selbstverständlich gibt es Tote, selbstverständlich gibt es Verbrechen, selbstverständlich ermittelt der Sheriff nicht nur in seinem Revier, sondern auch im nahegelegenen Reservat, selbstverständlich sind auch amerikanische Ureinwohner, wie man die Indianer seit neuesten nennen solle, hier im Spiel. Aber was der Western der Gegenwart vor allem herrüberbringt und wofür er lesenswert ist, ist die Atmosphäre. Als Kenner des Settings und der Figuren ließ ich mich hineinversetzen in die Welt von Walter Longmire und sein Absaroka County. Lesern, die total auf Krimi fixiert sind, mag die Einführung in diese Welt etwas langatmig wirken. Doch wenn man sich auf den Humor des Autors einmal eingelassen hat, erfüllt einen höchstes Lesevergnügen. Zwar sind die Dialoge im Zuge der Ermittlungen immer ernst und echt, aber stets mit schwarzem Humor gespickt, wenn es um die zwischenmenschlichen Beziehungen geht. Es macht Spaß, dem Gelaber der Leute zu lauschen: Vic, die freche Deputy, Ruby, die alles überblickende Sekretärin, Longmire, der immer schwarz sehende Sheriff, Little Wolf mit seinen Indianerweisheiten. Mhm, ja, das ist so.

Kurz zum Fall. Die Opfer haben offenbar vor wenigen Jahre ein kleines Mädchen missbraucht. Das Urteil aber war wohlwollend für die Täter. Doch wer hatte jetzt die Möglichkeit, die damaligen Täter zu töten? Wer hatte ein so starkes Motiv?

Die Übersetzung war der Vorgabe des Autors angemessen. Die stillen Töne wurden genauso aufgegriffen wie die Actionszenen. Empfehlenswert für alle, die amerikanische Gegenwart mit Western und Krimielementen nicht nicht abgeneigt sind.

Veröffentlicht am 20.12.2018

Was in der Werkstatt Stradivaris im Jahre 1716 beginnt

Tödliche Sonate
0

Die Autorin ist Violinsolistin und reist für Konzerte um den gesamten Globus, aber immer wieder auch nach Rom. Der vorliegende Roman ist ihr Debütroman. Wen wundert es, dass das Thema dieses Kriminalromans ...

Die Autorin ist Violinsolistin und reist für Konzerte um den gesamten Globus, aber immer wieder auch nach Rom. Der vorliegende Roman ist ihr Debütroman. Wen wundert es, dass das Thema dieses Kriminalromans die klassische Musik, Stradivaris Violinen und das Business drumherum sind?

Die hochangesehene Inhaberin einer Künstleragentur wird ermordet aufgefunden. Doch wer auf der prominenten Leiter steht, wird auch angefeindet. Sowohl von abgewiesenen Künstlern, von Wettbewerbern, Mitarbeitern und nicht zuletzt von Familienangehörigen. Der Commissario Di Bernardo hat es nicht leicht, zusammen mit seinen Kollegen den Dschungel an Lügen, Intrigen, Wahrheiten und Halbwahrheiten zu lichten.

Was kann der Leser erwarten? Zunächst einen durchaus spannenden Krimi mit interessanten Verwicklungen. Dann einen faszinierenden Regionalbezug zum Schauplatz Rom. Als Kontrast zu den Romanen von Donna Leon eine angenehme Alternative. Die umfangreichen Beschreibungen lassen den Leser durch die Stadt reisen. Als drittes erfährt der Leser sehr viel über das Konzertgeschäft rund um die klassische Musik im Allgemeinen und die Geschichte der Geigenherstellung im Besonderen. Sehr gut gefallen haben mir die historischen Kapitel, die in der Werkstatt Stradivaris im Jahre 1716 beginnen. Sie begleiten die Ermittlungen den gesamten Roman hindurch. Doch der Leser sollte dabei nicht vergessen, dass es sich um einen fiktiven Roman handelt. Auch wenn große Teile der Historie entnommen sind, stimmt deswegen nicht alles, was geschrieben steht. Korsakova stellt dies im Nachwort auch eindeutig klar, weshalb ich unbedingt empfehle, das Nachwort tatsächlich erst nach dem Ende des Romans zu lesen. Mit dem Wissen des Nachworts ist der Krimi vielleicht nicht ganz so spannend, aber nur vielleicht.

Ein Manko allerdings sind die unendlich vielen italienischen Namen. Jede Nebenfigur, und wenn es nur der Briefträger auf der Straße ist, hat einen vollständigen Namen bekommen. Das ist verwirrend und zu viel des Guten.

Trotz allem bietet der Roman spannende und interessante Unterhaltung.


© Detlef Knut, Düsseldorf 2018

Veröffentlicht am 11.11.2018

Krimi mit einem besonderen Pariser Lokalkolorit

Madame Bertin steht früh auf
0

Ab nach Paris, dachte ich mir und griff bei diesem Buchtitel und seinem Klappentext zu. Für Kriminalromane im „Miss Marple"-Stil gibt es ja schon eine ganze Reihe von Autorinnen und Autoren, z. B. ermittelt ...

Ab nach Paris, dachte ich mir und griff bei diesem Buchtitel und seinem Klappentext zu. Für Kriminalromane im „Miss Marple"-Stil gibt es ja schon eine ganze Reihe von Autorinnen und Autoren, z. B. ermittelt in Cornwall „Miss Mabel" (Rebecca Michéle) oder am Niederrhein „Kati Küppers" (Barbara Steuten). Wenn der Verlag also einen Krimi als die „Miss Marple von Paris" ankündigt, dann wird er gewisse Erwartungen bei den Lesern wecken. Und diese werden im vorliegenden Roman erfüllt.

Madame Bertin ist Inhaberin einer Bäckereikette in Paris. Sie hat als Bäckermeisterin höchste Ehren erlangt und darf deshalb den französischen Präsidenten im Elysée-Palast beliefern. Doch nun möchte sie sich zur Ruhe setzen und hat die Geschäftsführung an ihren Neffen abgegeben. Plötzlich sieht sie im Haus gegenüber hinter einer Fensterscheibe eine blutige Hand hinabgleiten. Aufgeregt begibt sie sich dorthin, weil sie einen Unfall vermutet. Doch da ist im Hausflur und an dem Fenster nichts zu entdecken. Ihr Anruf bei der Polizei lässt sie jetzt dumm dastehen. Doch nicht mit Madame Berti!. Sie ist fest davon überzeugt, dass in diesem Haus ein Verbrechen geschehen ist. Schließlich weiß sie doch, was sie gesehen hat. Ihr Counterpart von der Polizei ist da ganz anderer Meinung. Die Verwicklungen machen den Roman immer spannender. Dadurch, dass das Setting schon durch den Lieferantenstatus an die Regierungskreise heranreicht, zeigen die verschiedensten Spuren wunderbar auch in diese Richtung. Zudem gibt es ein zwielichtiges Restaurant, in welchem gepokert wird. Die Pokerrunden sind ebenfalls mit hochrangigen Geschäftsleuten und Politikern besetzt.

Das Pariser Lokalkolorit kommt hervorragend zum Vorschein. Man sieht die Wasserpfützen auf den Gehsteigen, man riecht den warmen Gestank der Metro. Paris-Liebhaber werden einen großen Wiedererkennungswert haben, sehr bildreich wird diese Metropole in die Handlung eingebunden. Ebenso bildreich, aber für mich wesentlich zu detailreich und langatmig, sind die Beschreibungen von Kleinigkeiten des täglichen Bedarfs, z. B. der Inhalt eines Kühlschrankes über mehrere Seiten hätte gerne gekürzt werden können, ohne dass der Handlung des Romans damit Schaden zugefügt worden wäre.

Ein gemütlicher und humorvoller Krimi mit einem besonderen Lokalkolorit, der mir sehr viel Spaß gemacht hat.

© Detlef Knut, Düsseldorf 2018