In dem vorliegenden Buch „Hippie“, bestätigt der Autor Paulo Coelho einmal mehr, dass er zu den ganz großen Schriftstellern der Moderne gehört. In kurzen Kapiteln, mit noch kürzeren Sätzen, bringt er ein längst vergessenes Lebensgefühl wieder zum Erwachen – die Hippie Bewegung. Meist wird es von Kindern reicher Leute initiiert (S. 212).
Der Einband zeigt dem Betrachter schon auf den ersten Blick, in welcher Zeit dieser Roman spielt. Es war die Epoche der Hippies mit Flower Power und all den poppigen Farbe. Auf nicht ganz 300 Seiten entführt Paulo Coellho den Leser in diesem „Magic Bus“, der in der Realität doch so unscheinbar aussieht und erweckt wieder das ganze Lebensgefühl der damaligen Bewegung. Von den Alten wegen der wallenden Haare und den mitunter recht wilden Bärten beargwöhnt, machten sich junge Leute auf, sich selbst zu finden oder auch zu verwirklichen, ohne eine genaue Vorstellung davon zu haben, was am Ende dabei herauskommen wird.
Der biographische Roman ist nicht in der Ich-Form verfasst, sondern in der 3. Person, als schreibe der Autor über einen Anderen. Das klingt mitunter etwas befremdlich, als hätte diese ganze Aufbruchsstimmung nichts mehr mit ihm zu tun. Dabei war es seine Jugend, Teil seiner Entwicklung, der erfolgreiche Schriftsteller zu werden, der er heute ist.
Das wichtigste Buch dieser Epoche hieß, „Europe On Five Dollars a Day“, geschrieben von Arthur Frommer. Daneben war noch „die unsichtbare Zeitung entstanden, weil die jungen Leute sich bei diesen Konzerten darüber austauschten, wo sie sich als Nächstes treffen und wie sie die Welt entdecken könnten – ohne in einen Touristenbus steigen zu müssen…“(S.12)
„Eine Legende wird zur Wahrheit, wenn sie nur oft genug wiederholt wird“ (S. 21)
Peru mit La Paz auf einer Höhe von 3.640 Meter, Machu Picchu, von dort nach Bolivien, verlief die Reiseroute der Hippies. Doch Paolo reist mit seiner älteren Freundin nach Brasilien und sie werden entführt. Die Beschreibung dieser Entführung hat es in sich. Doch am Ende kommen sie wieder frei – und gehen getrennte Wege. Paulo führt es auf Umwegen nach Amsterdam und läuft am Dam Karla über den Weg. Karla und ihre wechselnden Männer werden auf S. 196 folgendermaßen beschrieben: „…Sie wäre gern eine Blume gewesen, die, von der Liebe in eine Vase gestellt, in deren immer frische Wasser sie, wie eben gepflückt, auf denjenigen wartete, der den Mut – genau, das Wort: MUT – hatte, sie sich zu nehmen. Aber es kam nie jemand – besser gesagt, die Männer kamen und gingen gleich wieder, ganz verschreckt, weil sie nicht eine Blume in einer Vase vorfanden, sondern eine Naturgewalt, ein Unwetter mit Blitzen, Sturm und Donner“. Welch eine geniale Beschreibung dieser Frau.
Für einen großen Teil der Hippies ist es „IN“ Drogen zu konsumieren, wie andere Menschen Schokolade. Vieles wurde ausprobiert und als Leser bekommt man einen Überblick, was damals alles so auf dem Markt war. Nur vor „The house oft the rising Sun“ warnt Karla ihn, als Paulo unbedingt diesen Drogenplatz kennenlernen will. Vielleicht sind die Abhängigen dort zu abschreckend, jedenfalls verlässt er diesen Platz ohne etwas probiert zu haben. Die Verlockungen haben einen bitteren Beigeschmack. Auch als großes Geld zum Greifen nahe ist, siegt sein gesunder Menschenverstand.
„Magic Bus“ klingt sensationeller als es ist. Dabei handelt es sich um einen alten, klapprigen, ausrangierten Schulbus, mit dem man für wenig Geld bis Kathmandu reisen kann. Im Magic Bus geht es mit einer bunt zusammengewürfelten Gruppe auf große Reise. Jeder dieser Aussteiger, mit denen Karla und Paulo die nächsten Tage auf engstem Raum zusammen verbringen, hat seine eigene Geschichte, die wir nach und nach erfahren. Für jeden von ihnen gibt es einen triftigen Grund aus seinem Leben auszusteigen, andere Erfahrungen zu machen, das Leben in seiner – konträren - Fülle kennen zu lernen. Der Leser bekommt viel kluge und weniger kluge Lebenserfahrung präsentiert.
Ich glaube es ist ein Markenzeichen des Autors, Weisheiten in kurzen Sätzen zu verpacken. „Wir können nicht wählen, was mit uns geschieht, aber wir können wählen, wie wir damit umgehen“, (S.57) ist eine seiner Aussagen der man sofort zustimmt und über die man stundenlang nachdenken kann.
Ich fand das Buch großartig, obwohl es sich von den üblichen Romanen die man von Paulo Coelho kennt, doch stark unterscheidet. Aber vielleicht macht gerade dies den Reiz aus, der von diesem Buch ausgeht.