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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 22.12.2018

Erschreckend

Justiz am Abgrund
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„...Als Fazit ist festzustellen, dass Deutschland keine starke Justiz hat. Mit einer kurz vor dem Kollaps stehenden Justiz lässt sich Gerechtigkeit nicht herstellen...“


Das Fazit klingt hart und erschreckend. ...

„...Als Fazit ist festzustellen, dass Deutschland keine starke Justiz hat. Mit einer kurz vor dem Kollaps stehenden Justiz lässt sich Gerechtigkeit nicht herstellen...“


Das Fazit klingt hart und erschreckend. Wie kommt der Autor, der selbst Richter ist, zu dieser Einschätzung?

In sechs Kapiteln listet Dr. Patrick Burow detailliert die Probleme der deutschen Justiz auf.

Im ersten Kapitel erläutert er, welche Folgen der Personalmangel und die strikten Zeitvorgaben von Pebb§y, einem Personalberechnungssystem, auf die Arbeit der Richter haben.


„...Die Zeitvorgaben einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft zielen auf die Effizienz des Justizapparats ab. Es sollen möglichst viele Fälle in möglichst kurzer Zeit erledigt werden. […] Die Qualität bleibt dabei auf der Strecke...“


Das System übersieht, dass sich Gerichtsfälle nicht in ein starres Schema pressen lassen. Hinzu kommt, dass Richter immer mehr Aufgaben übernehmen müssen, für die es früher zusätzliches Personal gab. Einlasskontrolle ins Gericht und Wachtmeister während der Verhandlung fallen häufig dem Sparzwang zum Opfer. Für das Staatsfernsehen wird mehr Geld ausgegeben wie für eine funktionierende Justiz.

Im zweiten Abschnitt wird aufgeführt, welche Schritte ein Richter bis zur Strafzumessung gehen sollte. Außerdem wird darauf hingewiesen, warum es häufig nur milde Strafen gibt. Wie das auf andere Behörden wirkt, zeigt das folgende Zitat:


„...Der Frust von Polizisten ist groß, wenn mit großem persönlichen Einsatz geführte Ermittlungen zu keiner spürbaren Strafe führen...“


Das dritte Kapitel widmet sich einem Thema, das irgendwann fast jeden trifft. Die beiden einleitenden Sätze lauten:


„...Sie wollen die ganze Härte des Rechtsstaats erleben? Dann sollten Sie zu schnell Auto fahren...“


Im Gegensatz zu vielen anderen Straftaten werden Verkehrsverstöße rigoros verfolgt. Hier kommt der feine Humor des Autors im Schriftstil zu tragen.

Im vierten Kapitel geht der Autor erneut tiefgründig auf die Folgen der Arbeitsüberlastung ein. Zu lange Gerichtsverfahren mit entsprechenden negativen Konsequenzen, Einstellung von Verfahren, Kapitulation vor der Alltagskriminalität und Fehlurteile sind einige der behandelten Themenfelder. Die verständlichen theoretischen Abhandlungen werden durch konkrete Beispiele verdeutlicht.


„...Löcher werden gestopft, indem woanders neue aufgerissen werden...“


DAS ist verständlicherweise keine Lösung.

Im vorletzten Kapitel wendet sich der Autor den jugendlichen Straftätern, den Folgen der Asylpolitik im juristischen Bereich und der Zwei – Klassen – Justiz zu. Letzteres dürfte es laut Grundgesetz gar nicht geben. Aber Theorie und Praxis sind manchmal zwei völlig unterschiedliche Seiten einer Medaille.

Wenn über die Justiz und das Recht gesprochen wird, muss man an irgendeiner Stelle über den Begriff der Gerechtigkeit reden. Das geschieht in diesem Kapitel.

Anschließend wird anhand konkreter Zitate aus der Presse oder von Politkern der Vertrauensverlust der Justiz belegt. Auch im Gericht hat man mit zunehmender Respektlosigkeit zu kämpfen. Das Eingangszitat schließt diesen Abschnitt ab.

Das letzte Kapitel ist zweigeteilt. Zum einen geht es um neue Anforderungen, für die entsprechende Fachleute fehlen. Das betrifft insbesondere die Cyberkriminalität, aber auch Wirtschaftsstraftaten.

Andererseits listet der Autor in seinem Schlussplädoyer konkrete Fakten auf, die wieder zu einer funktionierenden Justiz führen würden.

Zusammenfassend möchte ich feststellen, dass das Buch dem interessierten Leser die Augen öffnet für die heutigen Probleme der Justiz. Der Schriftstil lässt sich angenehm lesen und ist auch für den Laien verständlich. Dafür sorgen ebenfalls konkrete Beispiel, Zahlen und Fakten sowie kurze Erläuterungen von Fachbegriffen.

Anmerkungen ergänzen das Buch.

Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Es hat meinen Blick geweitet auf ein bisher wenig beachtetes Thema.


Veröffentlicht am 21.12.2018

Komplizierter Fall

Rabenvatersorgen
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„...Ja, echt. Rausgehen ist wie Fenster aufmachen. Nur krasser...“

Das Buch beginnt heftig. Eine junge Frau springt vom Balkon ihres Hauses.
Dann sind einige Jahre vergangen. Theo will vor seinen Freunden ...

„...Ja, echt. Rausgehen ist wie Fenster aufmachen. Nur krasser...“

Das Buch beginnt heftig. Eine junge Frau springt vom Balkon ihres Hauses.
Dann sind einige Jahre vergangen. Theo will vor seinen Freunden eine Mutprobe bestehen. Dafür dringt er ins Haus von Lothar Menne, um ein Souvenir mitgehen zu lassen. Dort trifft er auf einen Toten.
Für die Ermittlungen wird Hauptkommissar Emil Storch aus dem Urlaub geholt. Der hat allerdings einige private Probleme.
Der Autor hat einen fesselnden und gut konstruierten Krimi geschrieben. Der Tote war ein penibler, aber eher unauffälliger Bankangestellter. Die Suche nach Angehörigen läuft erst einmal ins Leere.
Der Schriftstil lässt sich gut lesen. Handelnde Personen werden gut beschrieben, wie das folgende Zitat über Frau Niggemann von der Bank zeigt:

„...Auf eine gewisse Weise strahlte sie Kompetenz aus: Ihre Kleidung, ein blauer Hosenanzug, war zu unprätentiös, die dunkelblonden Haare zu gewöhnlich, die Fingernägel kurz und praktisch...“

Doch Emil hat schnell das Gefühl, dass die Bank gewisse Dinge unter dem Teppich hält. Gut wird dabei erklärt, wie die Zusammenarbeit der einzelnen Mitarbeiter bei einer Kreditvergabe funktioniert.
Währenddessen bekommt Emil Besuch von seiner Tochter. Aus ihrem Gespräch stammt das Eingangszitat. Das junge Mädchen möchte die Schule abbrechen. Weder ihre Mutter noch Emil sind davon begeistert.
Akribisch versuchen Emil und sein Team das Leben von Lothar Menne zu durchleuchten. Sie stoßen auf manche Überraschung. Eine besondere Rolle scheint ein Bild zu spielen, das im Hause des Toten verschwunden ist.
Emil neigt bei seiner Arbeit ab und an zu einsamen Entscheidungen. Seine Mitarbeiter sind darüber nicht immer glücklich.
Der Mord ist aber nicht der einzige Fall, der die Kriminalisten beschäftigt. In letzter Zeit gab es wiederholt Einbrüche. Als besonderes Stilmittel lässt mich der Autor in kursiv gesetzten Abschnitten das Vorgehen der Täter detailliert verfolgen.
Der Spannungsbogen ist hoch. Das hängt auch damit zusammen, dass Zeugen und Verdächtige es mit der Wahrheit nicht sehr genau nehmen. Das hat durchaus unterschiedliche Ursachen. Vertuschung ist eine, Scham eine andere.
Sehr gut werden die Emotionen der Protagonisten wiedergegeben, sei es die Angst einer jungen Frau, die mit Händen greifbar ist, sei es Emils Sorge um die Tochter oder das schlechte Gewissen der Einbrecher.
Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Es hat viel Facetten und ein überraschendes Ende.

Veröffentlicht am 20.12.2018

Spannend und vielschichtig

Muttertag (Ein Bodenstein-Kirchhoff-Krimi 9)
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„...Die Schaulustigen begnügen sich heutzutage nicht mehr mit ein paar Handyfotos aus der Ferne. Frag mal die Feuerwehrleute, was die bei Verkehrsunfällen und Hausbränden erleben!...“

Fiona Fischer, eine ...

„...Die Schaulustigen begnügen sich heutzutage nicht mehr mit ein paar Handyfotos aus der Ferne. Frag mal die Feuerwehrleute, was die bei Verkehrsunfällen und Hausbränden erleben!...“

Fiona Fischer, eine junge Frau, ist nach dem Tode ihrer Mutter auf der Suche nach ihrem leiblichen Vater. Bei einem Treffen im Cafè allerdings erlebt sie eine Überraschung. Ihre Suche ist nicht zu Ende. Sie hat gerade erst begonnen.
Kriminalhauptkommissarin Pia Sanders ist vor wenigen Tagen mit ihrem Mann umgezogen. Heute verlässt sie zum ersten Mal ihr neues Zuhause, um ins Kommissariat zu gehen. Dort erwartet sie ein neuer Fall. Die Zeitungsfrau hat im Wohnhaus den toten Herrn Reifenrath liegen sehen. Es stellt sich heraus, dass der Mann schon mehrere Tage in der Wohnung liegt. Als sie mit Hilfe der Nachbarin den Hund des Toten im Zwinger finden, hat der vor Hunger alte Knochen freigescharrt. Die Nachbarin erkennt, dass es ich um menschliche Knochen handelt. Plötzlich hat Pia einen zweiten Fall.
Die Autorin hat erneut einen fesselnden und vielschichtigen Krimi geschrieben. Der Schriftstil ist abwechslungsreich und lässt sich gut lesen.
Als erstes erscheint die kleine Nachbarstochter am Tatort. Sie ist gerade aus dem Urlaub zurückgekommen und wollte nach Opa Theo sehen. Ihre kommentare über die liebe Verwandtschaft des Toten lesen sich so:

„...Der Opa Theo hat immer gesagt: ' Wenn ich mal tot bin, freuen die sich alle, die Aasgeier.' ...“

Schnell stellt sich heraus, dass Theo und Rita Reifenrath jahrelang elternlose Kinder bei sich aufgenommen hatten. Glauben die Kriminalisten anfangs, dass Theo für die Toten unter dem Hundezwinger verantwortlich ist, wendet sich das Blatt bald. Es stellt sich heraus, dass alle Ermordeten um den Muttertag verschwunden sind. Plötzlich klären sich einige Altfälle, für die Kriminalhauptkommissar Oliver von Bodenstein zuständig ist.
Auflockerung erfährt die Geschichte durch den schwarzen Humor des Rechtsmediziners Hennig, Pias Ex.
Pia gelingt es, ihre Vorgesetzte zu überzeugen, den Amerikaner Dr. Harding einbeziehen zu dürfen. Er kennt sich mit der Psyche von Serientätern aus. Den Kriminalisten sitzt die Zeit im Nacken. Der nächste Muttertag ist nicht fern, und der Täter scheint noch aktiv zu sein.
Nach und nach werden die ehemaligen Zöglinge von Rita Reifenrath befragt. Interessant sind dabei die Schlussfolgerungen, die Dr. Harding daraus zieht. Gleichzeitig werden die Angehörigen der inzwischen bekannten Opfer befragt. Dabei stellt sich heraus, dass das Verschwinden der Frauen oftmals zum Zerbrechen der Restfamilie geführt hat. Wie das Zusammenspiel von Pia und Oliver funktioniert, fasst Oliver so zusammen.

„...Sehen Sie, […] das ist Arbeitsteilung. Immer, wenn ich zu höflich bin, schaltet Pia in den Rottweiler-Modus, und schon öffnen sich alle Türen...“

Sehr deutlich wird, dass die Ermittlungsergebnisse eine hohe psychische Belastung für die Kriminalisten bedeuten. Eine junge Frau verlässt deshalb das Team.
Ab und zu gibt es kurze Kapitel, bei denen ich erneut Fiona Fischer bei der Suche nach ihren Wurzeln begleiten darf.
Außerdem hat die Autorin kursiv einige Abschnitte eingeschoben, wo der Täter erzählt, wie er die Frauen in seine Gewalt gebracht hat. Allerdings bleibt sowohl das Motiv als auch die weitere Vorgehensweise im Dunkeln. Letzteres wird nach und nach durch die Ermittlungsarbeit der Kriminalisten aufgedeckt.
Gleichzeitig erfahre ich, welch unterschiedliche Lebenswege die einstigen Kinder genommen haben.
Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Es zeigt, dass der äußere Schein und die Wirklichkeit manchmal zwei völlig unterschiedliche Seiten einer Medaille sind.

Veröffentlicht am 19.12.2018

Turbulente Zeiten

Das Versprechen der Nonne
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„...Du vergisst, dass ich nicht einfach nur Graf werden will. Ich will so werden wie Vater!...“

Gerold, einziger Sohn von Graf Gebhard, ahnt nicht, dass er wenige Stunden, nachdem er obigen Satz zu seiner ...

„...Du vergisst, dass ich nicht einfach nur Graf werden will. Ich will so werden wie Vater!...“

Gerold, einziger Sohn von Graf Gebhard, ahnt nicht, dass er wenige Stunden, nachdem er obigen Satz zu seiner vier Jahre jüngeren Schwester Adelind gesagt hat, seine gesamte Familie verlieren wird. Nur ihm allein gelingt die Flucht vor seinem Onkel Wulfhardt. Er kommt im nahegelegenen Nonnenkloster in Heidenheim unter. Dessen Äbtissin Walburga allerdings ist Wulfhardt auch ein Dorn im Auge. Er wäre sie lieber heute als morgen los.
Der Autor hat einen fesselnden historischen Roman geschrieben , der im 8. Jahrhundert angesiedelt ist.
Die Personen werden gut charakterisiert. Das ist zum einen die Äbtissin Walburga. Sie kümmert sich um die Dorfbewohner, steht fest im Glauben und zeigt Wulfhardt seine Grenzen auf. Von den Nonnen erwartet sie Unterordnung und Gehorsam.
Besonders an Herz gewachsen ist ihr die Nonne Michal. Die junge Frau kann lesen und schreiben. Ein Leben außerhalb der Geborgenheit des Kloster ist für sie nicht vorstellbar. Außerdem ist sie auf ein solches Leben nicht vorbereitet, denn über das Zusammensein von Mann und Frau hat sie wenig konkrete Vorstellungen. Doch die Begegnung mit Gerold lässt in ihr Gefühle aufkommen, die sie nicht zuordnen kann.
Gerold hat nur ein Ziel. Er möchte den Tod seiner Familie rächen und das Erbe des Vaters antreten. Dabei agiert er durchaus unvorsichtig. Michal beeindruckt ihn. Er würde sie gern an seiner Seite sehen.
Wulfhardt zehrt von den Kränkungen der Kindheit. Der Hass auf den älteren Bruder bestimmt sein Handeln. Er ist ein zerrissener Charakter. Einerseits tut er alles, um an Macht und Reichtum zu kommen, andererseits plagt ihn in stillen Stunden ob seiner Taten das Gewissen. Das hält nur nicht lange vor. Zu den stilistischen Höhepunkten gehören dabei die Gespräche mit dem alten Mönch Johannes.

„...Für Gott ist immer entscheidend, was sich im Herzen des Menschen abspielt: Tut er fromme Werke allein aus Ehrfurcht vor Gott, so finden sie gewiss sein Wohlgefallen. Tut er sie jedoch aus Prahlerei, um dafür von den Menschen gelobt zu werden, dann beleidigt er Gott...“

Der Schriftstil lässt sich angenehm lesen. Eingeflochten in die Geschichte werden zum einen Aussagen des Evangeliums, zum anderen das Nibelungenlied. Ersteres geschieht durch Michal, das zweite durch Gerold. Dadurch zeigt sich, was beiden wichtig ist.
Nach den anfänglichen turbulenten Zeiten werden sechs Jahre übersprungen. Dann verlagert sich die Geschichte nach Rom. Zum einen lebt Gerold dort, zum anderen pilgert Michal in die Stadt, um den Papst auf eine gefälschtes Dokument aufmerksam zu machen. Ausführliche Recherchen nicht nur in der Klosterbibliothek haben ihr offenbart, dass es bei der Schenkung von Kaiser Konstantin nicht mit rechten Dingen zugegangen sein kann. Sie ahnt nicht, dass sie auf alte Feinde und Widersacher trifft und mit ihrem Leben spielt. Das folgende Zitat öffnet ihr die Augen über den Sittenverfall der Stadt:

„...Die Wahrheit war hier in Rom so selten wie keusche Priester...“

Treffende Sprachbilder beschreiben Landschaften und Menschen. Historische Personen wie Bertrada und Papst Hadrian werden geschickt in die Handlung integriert.
Machtgier, Verrat, Eifersucht sind die Gegenspieler von Vertrauen, Treue und Zuneigung. Gleichzeitig wird deutlich, wie unterschiedlich die Christianisierung verlaufen ist. Während Walburga nicht nur durch Worte, sondern vor allem durch hilfreiche Taten überzeugt, setzen andere auf Gewalt.
Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Es malt eine farbiges Bild des 8. Jahrhunderts.

Veröffentlicht am 18.12.2018

Spannender historischer Krimi

Im dunklen Nebel
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„...Der Mann war nicht gerade sein Wunschpartner. Aber zumindest war es angenehmer, mit ihm zusammenzuarbeiten als mit Giskes. Christmann besaß wenigstens die Skrupellosigkeit, die man für diesen Einsatz ...

„...Der Mann war nicht gerade sein Wunschpartner. Aber zumindest war es angenehmer, mit ihm zusammenzuarbeiten als mit Giskes. Christmann besaß wenigstens die Skrupellosigkeit, die man für diesen Einsatz braucht...“

Wir schreiben das Jahr 1942 im besetzten Niederlande. Die Jüdin Sofieke, der englische Agent Gerald und die kleine Sara, die sie vor der Deputation gerettet haben, sitzen mit Richard Christmann zusammen. Die Flucht aus Deutschland ist soeben gescheitert. Richard nimmt das Heft des Handelns in die Hand. Er schickt Sofieke mit neuen Papieren zurück in ihre Wohnung, bringt die sechsjährige Sara auf einem Bauernhof in Driebergen unter, und Gerhard wird weiter für den deutschen Geheimdienst arbeiten. Weder Gerhard noch Sofieke ahnen, dass sei wohlgesetzte Spielfiguren im Spiel von Geheimdienst und SS sind.
Der Autor hat erneut einen fesselnden Spionageroman geschrieben, der zeitnah an Teil 1 anschließt.
Der Schriftstil lässt sich gut lesen. Im Mittelpunkt steht Anton de Wilde, der es versteht, sein wahres Wesen und seine Ziele gekonnt zu verschleiern. Sofieke ködert er damit, dass er behauptet, Kontakt zu ihrem im KZ inhaftierten Bruder zu haben. Mit Sofieke an seiner Seite ist es sein Ziel, den niederländischen Widerstand zu unterminieren.
Sehr detailliert erfahre ich, wie Sozialdemokraten und Kommunisten in den Niederlanden auf unterschiedlichen Wegen versuchen, den deutschen Besatzern zu schaden. Während eine Seite auf eher passiven widerstand und Kontaktaufnahme nach England setzt, verübt die andere Seite Attentate. Was für mich auch im zweiten Teil völlig im Dunkeln bleibt, ist die Motivation des englischen Geheimdienstes. Ab und an habe ich den Eindruck, er schickt seine Agenten bewusst in den Tod. Die Ansicht der deutschen Seite liest sich so.

„...Deutschland ist ein Rechtsstaat. Die Verhafteten werden also nach und nach vor Gericht gestellt und entweder verurteilt oder freigesprochen. Aber viele der Verhafteten dürfen nicht wieder frei gelassen werden, solange der Krieg dauert...“

Das Buch zeugt von exakter Recherche des Autors. Viele der beschriebenen Tatsachen sind historisch belegt.
Mit der Niederlage von Stalingrad bekommt der Widerstand zusätzlich Aufwind. Doch alle Skepsis und Vorsicht nutzt nichts, wenn es gelingt, in den inneren Zirkel einzudringen. Dabei wird Anton van der Waals, wie er in Wirklichkeit heißt, Vorgehen selbst von den eigenen Leuten nicht immer gebilligt.
Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Es ermöglicht einen Einblick in geheimdienstliche Verstrickungen, Provokationen, Verrat und gekonnte Manipulation von Meinungen.
Ein ausführliches Personenregister, eine Karte der Niederlande und Quellenangaben vervollständigen das Buch.