Eine Langzeitbeziehung in emotionaler Schieflage
„Man kann Feuer nicht mit Feuer bekämpfen. Man kann das Gefühl, die Kontrolle zu verlieren, nicht mit dem Gefühl bekämpfen, die Kontrolle verloren zu haben.“
Inhalt
Die jahrzehntelange Ehe der Edelmans ...
„Man kann Feuer nicht mit Feuer bekämpfen. Man kann das Gefühl, die Kontrolle zu verlieren, nicht mit dem Gefühl bekämpfen, die Kontrolle verloren zu haben.“
Inhalt
Die jahrzehntelange Ehe der Edelmans ist zwar kinderlos geblieben, doch die ambitionierte Malerin Gus und ihr Mann Owen, der an einem Roman arbeitet, haben sich ganz bewusst für ein gemeinsames Leben jenseits der Großstadt entschieden und genießen ihre Zeit lieber in ländlicher Idylle. Er schreibt in der umgebauten Scheune, sie malt im Atelier und versucht sich erstmals sogar an einer Porträtserie über junge Soldaten, die bereits im Alter von 17 Jahren, im Krieg gefallen sind.
Die neue Nachbarin Alison, etwa im gleichen Alter wie Gus stört die Paarbeziehung zunächst nur unwesentlich, doch schon bald verbringen die beiden Frauen viel Zeit gemeinsam, schütten einander ihr Herz aus und werden beste Freundinnen. Owen missfällt diese innige Nähe, doch möchte er sich auch nicht einmischen. Als Alisons Tochter Nora ihre Mutter besucht, dort sogar für einige Zeit einzieht, entspannt sich das Verhältnis wieder, denn die junge Frau ist eine große Bewunderin von Owen und seinen Texten und kommt ihm immer näher. Doch Owen spürt ebenso wie seine Frau die neuerliche Beziehungsschieflage, denn vor Jahren hatte Gus eine Affäre und nun bietet sich Owen die gleiche Möglichkeit. Beide schwanken zwischen Verdruss, Schuldgefühlen und der traurigen Erkenntnis, dass nur Offenheit und Gemeinsamkeit die Ehe retten kann, doch bevor sie sich dieser Entscheidung bewusst sind, ist Nora verschwunden …
Meinung
Von diesem Roman habe ich mir auf Grund zahlreicher begeisterter Rezensionen eine Menge erwartet, ein emotionales Werk mit Tiefgang und vielschichtigen Betrachtungsweisen. Einen ehrlichen Umgang mit dem Phänomen der partnerschaftlichen Liebe in langjährigen Beziehungen und irgendwie auch eine Ähnlichkeit zu persönlichen Erlebnissen. Und obwohl ich letzteres eher nicht gefunden habe, hat das „Porträt einer Ehe“ doch einen sehr universellen Charakter und fängt das Seelenleben aller Protagonisten absolut glaubwürdig und tiefgründig ein.
Die aus Philadelphia stammende Autorin Robin Black versetzt sich wunderbar in die Menschen der Geschichte hinein, reflektiert deren Gedankengänge und baut ein stilles, nachdenklich stimmendes Drama auf, welches mit relativer Handlungsarmut auskommt und dennoch ein großer Wurf ist.
Interessant ist die Ich-Erzählperspektive aus der heraus Gus ihren Umgang mit der Schuld einer längst vergangenen Affäre greifbar werden lässt. Die Nachbarin und ihr Mann scheinen beinahe Spielfiguren in ihrem ganz persönlichen Schicksal zu sein und doch wird plausibel, warum sie ihren Mann so wertschätzt, aber auch, was sie sich an Veränderungen wünschen würde. Man sieht sie vor sich die Menschen, die hier auf engem Raum aufeinandertreffen und ein regelrechtes Wirrwar an Gefühlsregungen einbringen.
Prinzipiell ist das auch das große Plus dieser Erzählung, der man anmerkt, wie lebendig, schuldbeladen und hoffnungsfroh die Stimmung sein kann, obwohl tatsächlich kaum etwas passiert. Alles was sich abspielt sind die intensiven Auseinandersetzungen der handelnden Personen, mit ihren eigenen Gedanken und Wünschen. Dadurch sieht sich der Leser auch nicht gezwungen für irgendwen Partei zu ergreifen, sondern fällt einfach nur in die Rolle des stillen Beobachters zurück. Sehr treffend ist zudem die Wahl des Buchtitels, nicht nur weil er Bezug zum Schaffenskreis der Protagonisten nimmt, sondern weil das Buch tatsächlich feine Schattierungen, detaillierte Befindlichkeiten und ganz nebenbei tiefe Wahrheiten vermittelt. Je länger man sich damit beschäftigt, desto klarer werden die Eindrücke, desto schillernder das Szenario.
Fazit
Ich vergebe 5 Lesesterne für diesen Abriss über eine Langzeitbeziehung, in der es durchaus Schuldige gibt aber niemanden, der allein verantwortlich ist, für die Entwicklung der Handlung. Herausragend ist der Roman vor allem durch die Dichte und Präsenz ganz differenzierter zwischenmenschlicher Gefühle. Als emotional würde ich ihn nicht bezeichnen, wirken doch die Menschen sehr beherrscht, sachlich und objektiv – darum bemüht, nicht wie der Elefant im Porzellanladen aufzutreten. Aber ihr Innerstes kehrt sich nach Außen und der Leser wird Teil dieser Erfahrung. Ein stilles Buch über Wahrheiten, Versäumnisse und die Kraft der Liebe – toll!