Bewegend, erschütternd, intensiv
930 - Das Sowjetregime hat sich in den Kopf gesetzt, alle deutschstämmigen Bewohner auf der Krim zu vertreiben. Eine Welle von Enteignungen und Verhaftungen erschüttert die Insel und jeder, dem sein Leben ...
930 - Das Sowjetregime hat sich in den Kopf gesetzt, alle deutschstämmigen Bewohner auf der Krim zu vertreiben. Eine Welle von Enteignungen und Verhaftungen erschüttert die Insel und jeder, dem sein Leben lieb und teuer ist, packt sein Hab uns Gut zusammen und flüchtet. Wilhelm Scholz weigert sich standhaft, seine Leben für den politischen Wahnsinn aufzugeben und bleibt stur. Das bleibt nicht ohne Folgen für ihn und er muss fortan mit seiner Familie Bäume im hohen Norden fällen, in eisiger Kälte.
Das zweite Schicksal teilen wir mit Samuel Pfeiffer, einem Lehrer, der trotz Flucht keine Ruhe findet und immer wieder Opfer von Verfolgung und Anfeindung wird. Ein Wettlauf um das nackte Überleben beginnt...
"Wie Gräser im Wind" ist ein Buch, das schon nach wenigen Seiten seine ganze Intensität offenlegt und mich sprach- & fassungslos die Seite umblättern lässt.
Es schwebt immer wieder die Frage im Raum, was ein Mensch alles bereit ist zu ertragen, bevor er endgültig an seinem Schicksal zerbricht. Die Geschichte beider Familien ist von der Autorin mit bewegenden Szenen geschildert, die mir mehr als einmal die Tränen über die Wangen laufen lassen - stumme Tränen der Verzweiflung, der Wut und der Fassungslosigkeit, was diese Menschen alles erlebt haben.
Unweigerlich kommt die Frage auf, wie man sich selbst in so einer Situation verhalten würde, wenn einem immer wieder alles genommen wird, was man sich aufgebaut und wofür man gelebt hat. Es geht ja nicht nur um das Hab und Gut, es geht auch um die eigene Identifikation, die langsam aber sicher verschwindet, wenn man sich aufgrund der Sitten und Bräuche, der Sprache und seiner Herkunft ungeliebt und verachtet fühlt. Heimatlos und vertrieben fehlt einem doch ein wichtiges Stück Persönlichkeit - die Wurzeln der Herkunft, die Grundlagen für den eigenen Charakter.
Die Figuren sind sehr plastisch dargestellt, jedoch ist für mich Anna Scholz die heimliche Heldin dieses Romans. Ihre Zuversicht, auch in der dunkelsten Nacht noch Licht am Horizont zu sehen, ist beispiellos und ihr großes Herz verströmt so viel Liebe, ich kann gar nicht anders, als dieser Frau meinen ganzen Respekt zu zollen. Ich habe mit Pfeiffers und Scholzens gehofft und gebangt, gelitten und bin mit ihnen den steinigen Weg der Entbehrungen gegangen.
Ein Roman, der mich sehr berührt hat und mich noch lange beschäftigen wird.